Der Sinn des Unsinns

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“Das Wasser tropft überall.” Sagte die Kundin verstört.

“Ja,” sagte Backe, ”das ist so. Wir brauchen neue Dichtungen für die Anschlüsse.”

“Warum machen sie die neuen Dichtungen nicht rein?”

“Weil wir keine neuen Dichtungen haben,” sagte Bernd, ”wir bringen neue Dichtungen morgen mit.”

“Sie hätten an neue Dichtungen denken sollen,” sagte die Kundin, ”sie sind doch Fachleute?”

“Natürlich,” sagte Bernd gereizt und wurde lauter, ”wir sind Fachleute. Wir haben dutzende Bäder gemacht. Wir sind Meisterbetrieb. Wir haben hier was übersehen. Wir füllen jetzt zwei Eimer mit Wasser und stellen das Ding wieder ab. Damit es dem Nachbarn unter ihnen nicht in den Kragen tropft. Haben sie zwei saubere Eimer?”

Von der Telefonzelle an der Ecke rief Bernd den Meister Meysel an.

“Das ist aber schön,” sagte seine Frau, ”daß sie mal wieder anrufen. Der Meister ist nicht da. Wollen sie nicht mal zum Essen kommen? Ich mach eine schöne deftige Erbsensuppe.”

“Ich werde noch vor Mitternacht Amok laufen,” sagte Bernd zu Backe, als er ihn mit seiner Opelkiste, in der noch ein Rest Benzin schwappte, nach hause fuhr,

“Morgen ist der dritte Tag,” sagte Backe und gähnte.

“Ich werde noch vor Mitternacht Amok laufen,” sagte Bernd zu Jacqueline als er zwei Stunden später nach hause kam. ”Hat der Meister Meysel angerufen?”

“Dein Meister?”

“Natürlich mein Meister, Wer sonst. Hast du einen Zehner? Damit ich morgen das Auto nicht schieben muß. Gibts was zu essen?”

“Wo, hier gibts doch nie was zu essen. Ich hab im Krankenhaus gespeist.”

“Du wirst all die Bakterien und all die Viren aus deinem Krankenhaus herbeischleppen und hier verteilen.”

“Willst du morgen dein Auto schieben?”

Kurz vor Mitternacht klingelte das Telefon, das die Telekom vergessen hatte abzustellen.

“Endlich,” rief Bernd erleichtert, ”das muß der Meister mit dem Holzbein sein.”

“Ihr wollt doch wohl den Termin bei der Handwerkskammer nicht noch einmal verschieben?” Lallte der Meister durch den Draht, ”übermorgen muß Donnerstag sein.”

“Nein, nein,” sagte Bernd beschwichtigend, ”wir brauchen Rat. Fliese auf Fliese. Rutscht alles ewig nach unten. Welcher Kleber ist gut?”

“Da werdet ihr aber Rat brauchen,” sagte der Meister munter, ”da werdet ihr aber Rat brauchen.”

“Ich weiß,” sagte Bernd gereizt, ”also wie?”

“Nehmt Kleber,” riet der Meister, ”aus der Dose. Dispersionskleber.”

“Den haben wir schon, der hält überhaupt nicht. Rutscht alles zusammen und runter.”

“Dann sind die Fliesen zu schwer.”

“Das haben wir uns schon gedacht.”

“Dann braucht ihr Rat,” lallte der Meister gutgelaunt und lachte, ”fachmännischen Rat. Das kostet Bier. Bei der nächsten Abrechnung.” “Gut, gut, also?”

“Kauft Pulverkleber, zementgebunden. Mit der Glättkelle über die alten Fliesen ziehen. Tag warten. Dann normal mit Halbzentimeterkelle aufziehen und kleben. Sitzt dann.”

“Danke. Wir werden den Termin bei der Handwerkskammer um eine Woche verschieben müssen.”

“Wegen dem Bier?”

“Auch, aber wegen der Zeit und wegen dem Benzin.”

“Wir holen jetzt PZ Kleber.” Eröffnete Bernd Backe als der zustieg. ”Und Stopfen. Und Hanf zum dichten.”

“Von was? Hast du Lotto gespielt?”

“Der Eimer Dispersionskleber gibt das her. Der kostet vierzig Mark. Was wir brauchen kostet auch vierzig Mark. Wir ziehen den Kleber heute auf und kleben morgen die Wände und den Boden. Übermorgen fugen wir den Scheiß und schrauben die Objekte an.”

“Macht dann fünf Tage. Wir sollten schneller werden. Mehr als tausend sind für so einen Job ohnehin nicht drin.”

“Heute,” sagte Bernd zu der Kundin, ”heute werden wir sie nicht allzu lange aufhalten können.”

“Mein Bruder,” sagte die Kundin, ”sagt, ihr solltet Dispersionskleber nehmen. Den hat er in seiner Laube verarbeitet. Mein Bruder sagt, daß Gesellen sowas wissen müssen.”

“Wir haben besseren Kleber erworben,” sagte Bernd beherrscht.

“Damit halten die Fliesen fester,” ergänzte Backe.

“Wir grundieren jetzt alle Wände und müssen dann auf Trocknung warten,” sagte Bernd. “Dann kommen wir morgen wieder und machen den Rest.”

“Dann können sie übermorgen wieder plantschen,” sagte Backe freundlich.

“Im Bad?”

“In der Wanne.”

“Übermorgen?”

“Ganz genau.”

“Füllen wir noch rasch die Eimer.”

Am Donnerstag, dem vierten Bautag, ging es zügig voran. Der Kleber wurde angerührt, die Fläche neben der bereits geklebten Fläche aufgetragen. Die ersten vier Fliesen gesetzt.

“Die lassen sich nicht plan zu den vorgestern geklebten Fiesen andrücken. Die stehen über.”

Bernd geriet in Panik. Backe stellte seine Kleberauftragsbemühungen ein und besah die Geschichte.

“So ein Scheißdreck,” flüsterte er, damit die Kundin, die im Flur sein mochte, nicht mithören konnte. „Was machen wir jetzt?”

“Keine Ahnung,” flüsterte Bernd und schloß vorsorglich die Badtür, ”wir könnten die gelegten Fliesen wieder abstemmen, aber das hört die. Und dann reichen die Fliesen nicht mehr.”

“Sie wird uns vom Bau jagen,” flüsterte Backe, ”sie wird die Ordnungsmacht bemühen.”

“Wenn wir sie abstemmen,” überlegte Bernd, ”dann können wir sie nicht wieder verwenden. Dann stehen sie über diese hier über. Wegen den Kleberesten, die wir nicht abkriegen. Und sie wird merken, daß wir viel Schutt nach unten schleppen.”

“Sie wird in der Mülltonne nach ihren Fliesen schauen. Sie wird das nicht haben wollen.”

“Wir könnten guten Willen zeigen und uns aus dem Staub machen,”

schlug Bernd vor.

“Um in den Büschen zu verhungern?”

“Wie konnte das nur passieren. In was für einen Fluch sind wir hier geraten.”

“Das ist hinter der Tür,” Grübelte Bernd. ”Das sieht man doch garnicht.”

“Aber nur wenn die Tür offen ist. Wir könnten einen Handtuchhalter anschrauben und ein Handtuch drüber hängen.”

“Bis oben? Haben wir einen Handtuchhalter? Haben wir ein Handtuch?”

“Wir könnten ihr einen aufschwatzen. Dann geht sie einen kaufen.”

“Sie wird ihren fetten Bruder anrufen. Der hat eine Laube. Der muß wissen wie man Fliesen an die Wand klebt.”

“Und wenn wir die letzte Schicht etwas anhebeln? Damit sie bündig wird? Und Kleber runterschmieren?” Backe hatte die rettende Idee.

Sie hebelten die letzte Schicht der mit Dispersionskleber verlegten Fliesen mit einem Beitel etwas an und drücken zum Ausgleich Zementkleber runter.

“Gibt einen kleinen Grad,” sagte Backe halb zufrieden, halb zweifelnd, ”wird sie sehen.”

“Wir sagen da ist das Rohr drunter. Das konnten wir nicht verlegen. So sieht das jedenfalls hübsch aus.” “Welches Rohr?”

“Na, die Herren Handwerker, geht es voran?” Die Kundin öffnete vorsichtig die Badtür und lugte, gutgelaunt, herrein, ”wünschen die Herren einen Kaffee? Aus dem Rest Wasser?”

“Fein,” sagte Bernd, ”eine kleine Pause kann uns nichts schaden. Läßt sich zum Kaffee auch mal wieder eine rauchen?”

“Rauchen ist eine Sucht”, sagte die Kundin.

“Und verkürzt Gott sei Dank mein Leben,” flüsterte Backe, ”wenn ich mir vorstellen muß, von solcher Arbeit mich künftig bis ins Alter schleppen zu müssen..”

Der Kaffee und die Zigarette brachte die fahrigen Nerven in den Ruhestand zurück. Die Arbeit schritt voran. Die Wand wurde gelegt und sah gut aus. Die Kundin kam und schien zufrieden. Das Loch für das Lampenkabel konnte über Eck mühelos ausgeknüppert werden.

Die Tür Wand wurde begonnen. Backe trug den Kleber auf und schnitt die Fliesen. Bernd legte. Die Stimmung war gut. Man konnte die Wände heute noch schaffen.

“Was machen wir mit den Leitungslöchern?” Fragte Backe.

“Wir teilen das so ein, daß wir sie über Eck mit der Zange knüppern können:”

“Wird nicht überall funktionieren.” “Muß funktionieren.”

Das mit der Einteilung funktionierte nicht so recht. Jedoch ließ sich die Fliese gut knüppern und auch gut schneiden und brechen. Wo Löcher in der Mitte der Fliesen erforderlich wurden, schnitten sie diese auf und brachen mit der Zange die Hälften der Löcher aus, um die Fliese dann wieder zusammenzusetzen. Das ergab zwar eine dünne Fuge, aber man mußte schon genau hinsehen. Gegen zehn Uhr abends wurden sie mit

den Arbeiten an den Wänden fertig.

“Menge Fliesen übrig,” sagte Backe, ”drei Kartons. Drei Quadratmeter.”

“Müssen wir mit dem Schutt nach unten schleppen. Unauffällig. Wenigstens zwei Kartons.”

“Pack die ersten fünfzehn Stück unter den Schutt in den Schutteimer. So daß sie die nicht sehen kann. Nehmen wir dann beim Feierabend mit runter.”

“Jetzt müssen wir aber langsam Schluß machen,” sagte die Kundin gähnend in der Türöffnung des Bades, ”ich brauche meinen Schlaf.”

“Nur noch die Blindstopfen,” sagte Backe, ”dann sind wir soweit.”

“Blindstopfen,” sagte die Kundin, ”Montag ist mein Urlaub vorbei. Dann muß ich wieder arbeiten gehen.”

“Sind wir allemal fertig,” sagte Bernd, zufrieden seine Tagesarbeit anschauend, ”morgen fugen wir die Wände und montieren die Wasseranschlüsse und den Heizkörper. Und legen den Boden. Dann können sie das Bad nicht benutzen. Morgen ist Freitag.”

“Dann kann ich das Bad nicht benutzen?” Fragte die Kundin alarmiert, ”wo kann ich zur Toilette gehen? Ich muß mich auch mal wieder waschen.”

“Beim Nachbarn?” Suggerierte Bernd hilfreich, ”im Restaurant?”

Der Freitag ließ sich gut an. Die Motivation war angesichts der rundum gefliesten Wände gestiegen. Die Kundin verbreitete gute Laune. Das Fugenmittel, Bahama braun, wurde rasch angerührt und auf der langen Wand mit einem Gummispachtel aufgetragen. Alles versprach einen kurzen, erfolgreichen Arbeitstag.

 

“Wie siehts mit einem Kaffee aus,” fragte Bernd, ”wir haben jetzt immer Wartezeiten. Das Fugenmittel muß abbinden. Bevor wir es abwaschen können.”

“Aber klar,” sagte die Kundin, ”ich setz gleich einen auf.”

“Das Zeug schmiert aber fürchterlich,” sagte Backe, der den Schwamm bediente und wie wild an der Wand zu wischen begann, ”kriegt man gar nicht aus den Fugen raus. Gibt richtige Buckel.”

“Wisch früher. Bevor es abbindet.” “Wie an dieser Stelle? Dann zieht es sich voll aus den Fugen raus. Bleibt garnichts mehr drin.”

Bernd versuchte es und kam zu dem gleichen Ergebnis. ”Da haben wir uns aber eine Katastrophe eingehandelt. Hätte sie nicht weiß oder grau nehmen können?”

“Ich wußte es. Ich wußte es. Daß es noch eine üble Wendung geben würde. Ich wußte es.”

Nachdem Bernd auf den Küchenschwamm, den Küchenfeudel, ein Wischtuch und den Topfschwamm aus der Küche zurückgegriffen hatte, wischten sie beide wie die Besessenen um die Fugen glatt zu bekommen. Der Schweiß begann in Strömen zu laufen. Die Kundin blickte kurz herein und monierte den Gebrauch ihrer Utensilien aus der Küche, verschwand dann aber rasch, angesichts der entfalteten Hektik vor ihren Fernsehapparat, vor dem sie lebte.

“Der Film,” flüsterte Bernd, ”der Film geht nicht ab. Läßt sich nicht abwischen. Hart wie Zement.”

Backe probierte es und rieb mit dem trockenen Lappen auf den Fliesen herum. ”Laß uns verschwinden,” flüsterte er, ”hiermit werden wir nicht mehr fertig. Das kriegen wir nie wieder ab. Das ist hoffnungslos. Das ist Totalschaden. Ich hab die Fresse voll.”

“Ich geh runter zur Telefonzelle, den Meister anrufen,” sagte Bernd und warf seinen Lappen wütend auf den Boden.

“Kriegt ihr den Fugenschleier nicht ab, was?” Der Meister war nüchtern und aufgeräumt, ”ist hart wie Zement, nicht wahr? Bahama braun, kenn ich, ein Teufelszeug. Kein Problem,” fuhr er fort, ”kauft ihr Salzsäure. Mischung eins zu zehn mit Wasser. Oder auch pur, wenn keiner guckt. Geht dann ab. Alles. Ganz leicht. Was macht ihr da in meinem Nahmen in diesem Bad. Immer noch das gleiche Bad?”

“Geht ab wie geschmiert, ”keuchte Bernd, wieder zurück im fünften Stock, ”mit Salzsäure. Morgen. Kostet nur Pfennige.”

“Du hättest die nächsten fünfzehn Fliesen mit runternehmen können, ”meinte Backe, ”dann hätten wir Aussicht, ein Problem weniger zu haben. Wird ihre Laune verderben, wenn sie sieht wieviel Fliesen wir übrig haben. Wird sicher alle an der Wand haben wollen. Und nicht im Mülleimer.”

Erst am späten Nachmittag hatten sie die vier Wände verfugt und die Fugen endlich mit dem Schwamm geglättet.

“Morgen wischen wir den Schleier ab,” erklärte Bernd der Kundin, die hin und wieder mit gerunzelter Stirn in der Badezimmertür stand und kein Wort über die Lippen brachte.

“Morgen können sie schon baden,” beruhigte Backe sie. ”Morgen abend. Dann sind wir fertig.”

“Ich bringe dann morgen die Rechnung mit,” sagte Bernd, ”können wir das morgen machen? Wegen Sonnabend. Die Banken haben übermorgen geschlossen.”

Sie legten den Fußboden, der keine Schwierigkeiten machte, rein und verabschiedeten sich gegen zehn Uhr nachts.

“Gib mir zwanzig Mark,” flüsterte Bernd Jacky, die schon schlief, um elf Uhr dreißig ins Ohr, ”dann kann ich mir Salzsäure und Benzin kaufen.”

“Der Laden hat am Sonnabend geschloßen,” eröffnete Bernd Backe als dieser an der Straßenecke zustieg. ”Montag ab neun ist wieder offen. Steht an der Ladentür. Wir können die Wände heute nicht abwischen. Aber wir können alles andere fertigmachen. Dann kommen wir Montag nur rasch vorbei und machen das bißchen Rest. Und kassieren.”

“Ich brauch dringend Geld. Ich bin vollkommen pleite,” sagte Backe, ”Montag arbeitet sie wieder.”

“Wir kommen abends. Wenn sie von der Arbeit zurückkommt.”

“Wir kommen abends, wenn sie von der Arbeit zurückkommen,” sagte Bernd als die Kundin die Tür öffnete, ”dann machen wir die Wände fertig. Und bringen die Rechnung.”

“Alles andere machen wir heute noch fertig,” sagte Backe freundlich.

Die Kundin sah sie skeptisch an.

“Mein Bruder sagt, daß das Fugenmittel sofort abgewischt werden muß. Mein Nachbar sagt auch, daß das Fugenmittel sofort abgewischt werden muß. Sonst geht es nicht mehr runter. Ihr seid doch vom Fach?.”

“Gewiß,” sagte Bernd.

“Natürlich,” bestätigte Backe, ”wir kassieren ja auch erst wenn alles zu ihrer Zufriedenheit ist.”

“Das würde ich hoffen wollen,” sagte die Kundin, die den Eindruck erweckte, als sei sie von dritter Seite aufgehetzt worden. ”Ich zahle erst wenn alles fertig ist.”

Sie rührten das Fugenmittel für den Boden an und brachten es auf. Es klopfte an der Wohnungstür und die Kundin öffnete. Ihr Nachbar, ein freundlicher alter Herr, den sie schon auf dem Treppenpodest gesehen hatten, und mit dem sie sich offenbar letzte Nacht, als sie bei ihm pinkeln gehen mußte, angefreundet hatte, trat ein.

“Guten Tag,” sagte er lächelnd, ”ich bin der Nachbar. Ich habe auch ein Bad. Das wurde unlängst neu gefliest. Ihre Auftraggeberin hat mich um Unterstützung gebeten. Das ist meine heilige Pflicht als Nachbar.”

“Ja, hallo,” sagte Bernd und dachte so ein Arschloch hat uns hier noch gefehlt.

“Hallo, wie geht es ihnen,” ergänzte Backe.

“Oh, mir geht es gut,” sagte der Nachbar, ”meine Nachbarin hat Besorgnis ausgedrückt über den Fortgang der Arbeiten. Und mich gebeten, mal zu schauen.”

“Wir müssen jetzt den Boden abwischen,” sagte Bernd und ging mit dem Schwamm auf die Knie herunter.

“Ja, machen sie nur,” sagte der Nachbar, ”lassen sie sich durch mich in keiner Weise stören. Wir wollen doch daß alles schön und fertig wird.”

Stille trat ein, während Bernd den Boden abwischte, Backe den Schwamm ausdrückte und zureichte, die Kundin keinen Kaffee kochte und der freundliche Nachbar aufmerksam zuschaute.

“Die Wände werden sie doch noch abwischen, nicht wahr?”

“Oh, natürlich, am Montag. Heute hat der Laden, bei dem wir die Salzsäure beziehen geschlossen.”

“Sie wischen die Wände mit Salzsäure ab?” Fragte der Nachbar interessiert, ”bei mit war das mit dem Fugen sofort fertig. Ohne Salzsäure. Gibt Salzsäure nicht giftige Dämpfe ab?”

“Was für eine Fugenfarbe haben sie an der Wand?” Fragte Backe. ”Weiß?”

“Ja.”

”Na also. Weiß ist unkompliziert. Das wischt man mit einem Tuch ab.”

“Fertig,” sagte Bernd, ”jetzt müssen wir warten, bis das Fugenmittel abgebunden hat. Dann können sie zuschauen, wie wir es mit einem Tuch sauber abwischen. Grau ist kein Problem.”

“Wird ein Kaffee möglich sein?” Fragte Backe die Kundin direkt, die sich mißmutig an die Arbeit machte.

Nach dem Kaffee und drei Zigaretten am geöffneten Küchenfenster war das Fugenmittel, das problemlos abging, soweit abgebunden, daß sie die Arbeit fortsetzen konnten. Sie sperrten das Wasser erneut ab und

versuchten die Wannenbatterie zu montieren. Diese ließ sich jedoch nicht montieren. Sie war zu kurz. Dem Nachbarn war das Warten auf die Fortsetzung der Arbeiten zwischenzeitlich erfreulicherweise zu langweilig geworden und er hatte sich verabschiedet: “Ich schau nachher noch mal vorbei.” Sagte er, der Kundin zugewandt und verließ sie. Die Kundin hatte sich wieder vor ihren Fersehapparat gesetzt.

“Kein Problem,” sagte Bernd leise und mußte lachen,”kein Problem. Die Dinger, die hier fehlen heißen Hahnverlängerungen. Ohne die kriegen wir die Objekte nicht montiert. Die müssen wir am Montag kaufen gehen.”

“Klar gehen wir die am Montag halt auch noch kaufen. Frag sie endlich nach Vorschuß. Gott hab ich die Schnauze voll von diesem Laden,”

“Wir werden noch etwas kaufen gehen müssen,” sagte Bernd in das Wohnzimmer hinein, ”Material.”

“Material?” Die Kundin kam an die Tür, ”noch mehr Material?”

“Material,” sagte Bernd,”

Es klopfte an der Tür und der freundliche Nachbar trat herein.

” Material?” Sagte er spontan.

“Material,” sagte Backe, ”wir brauchen noch Teile, die bauseits sind.”

“Bauseits,” fragte die Kundin und sah den freundlichen Nachbarn fragend an.

“Bauseitiges Material?” Fragte der Nachbar der auch ein Bad hatte, ”ist das nicht Sache der Handwerker?”

“Nein,” sagte Bernd, ”bauseits heißt, daß es Sache des Bauherrn ist.”

“Wir machen hier Lohnarbeit,” klärte Backe den freundlichen Nachbarn auf.

“Als ich mein Bad hab machen lassen,” hob dieser hervor, ”gab es einen Pauschalpreis und keine Preissteigerungen. Während der Bauzeit.”

“Egal,” sagte Bernd grob, ”hier gibt es auch keine Preissteigerung. Aber wir brauchen Hahnverlängerungen. Da die Fliesen übereinander geklebt worden sind, haben sich die Abstände verändert. Die Wände sind dicker geworden. Deshalb brauchen wir Hahnverlängerungen.”

“Weil die Rohre jetzt kürzer sind.” Ergänzte Backe.

“Die Rohre sind kürzer geworden?” Fragte der freundliche Nachbar verständnislos.

“Die Rohre sind kürzer geworden?” Echote die Auftraggeberin.

“Unsinn, Die Rohre können nicht kürzer geworden sein. Die Wände sind dicker geworden.”

“Die Wände sind dicker geworden?” Fragte der freundliche Nachbar einen Ton schärfer. ”Ist denn dann die Statik noch in Ordnung?”

Backe setzte sich erschöpft auf eine der beiden überzähligen Kisten Wandfliesen im Flur und murmelte kaum vernehmbar: ”Im Irrenhaus. Ich bin in der Psychiatrie.”

“Was?” Fragte die Kundin scharf, die wohl nicht alles verstanden hatte.

“Die Statik?” Wiederholte der freundliche Nachbar, der auch ein Bad hatte und mit dem neuen Fachwissen zu brillieren gedachte, ”die Statik? Wird die noch in Ordnung sein?”

“Wird die Statik noch in Ordnung sein,” widerholte die Buchhalterin, die

offensichtlich den Ausdruck schick fand und sah Bernd scharf an.

“Bauseits,” sagte Bernd, um das Gespräch wieder in Richtung Vorschuß zu lenken.

“Was hat bauseits mit der Statik zu tun?” Der freundliche Nachbar beharrte auf seiner neuen Wortschöpfung.

“Was hat Statik mit dem Haarwuchs zu tun?” Fragte Bernd gereizt und starrte intensiv die Glatze des freundlichen Nachbarn an.

Dieser wußte darauf keine Antwort und verfiel in Schweigen. Die Kundin starrte nunmehr ebenfalls auf die Glatze des freundlichen Nachbarn, der auch ein Bad hatte.

“Vorschuß,” sagte vernehmlich Backe auf seiner Kiste, ”Vorschuß zum Kauf von Material.”

“Vorschuß?” Fragte die Bauherrin, eher ungläubig. ”Aber ihr seid doch noch garnicht fertig. Ihr wolltet schon vor einer halben Woche fertig sein.”

“Bauzeitenverzug,” brachte der freundliche Nachbar hervor. ”Bauzeitenverzug. Sehen sie mal in ihren Bauvertrag Frau Nachbarin. Bauzeitenverzug heißt Konventionalstrafe.” Der freundliche Nachbar gab sich gebildet.

“Konventionalstrafe?” Echote diese mit besorgter Mine.

“Nicht doch,” sagte der freuundliche Nachbar, ”nicht für sie, Frau Nachbarin. Konventionalstrafe heißt Abzug von der Lohnzahlung. Für jeden Tag können sie bares Geld abziehen. Für jeden Tag, den die Handwerker länger brauchen.”

“Ich will doch nur ein neues Bad,” sagte die Kundin verzagt, ”ich will doch nur ein neues Bad.”

“Da sehen sie,” sagte der freundliche Nachbar, ”was sie der guten Frau angetan haben. Sie ist ja völlig entmutigt. Und mit den Nerven am Ende.”

“Wenn ich sie nicht hätte,” sagte die Kundin zu dem freundlichen Nachbarn und sah diesen dankbar an, ”wenn ich sie nicht hätte. Ich wüßte nicht mehr weiter.”

“Wenn sie den freundlichen Nachbarn nicht hätten,” sagte Bernd, ”dann wären wir in der Sache weiter. Wir brauchen Hahnverlängerungen. Und dafür Vorschuß. Hahnverlängerungen sind Material. Und Material ist bauseits.”

“Vorschuß kann das nicht geben,” meldete sich der freundliche Nachbar, ”abgerechnet wird bei Bauabnahme.”

“Ich kann nicht mehr,” sagte die Kundin kleinlaut und zu dem freundlichen Nachbarn gewandt, ”machen sie das. Sie haben mein volles Vertrauen.”

“Da sehen sie, was sie angerichtet haben,” sagte der Nachbar stolz mit vorwurfsvoller Miene, ”die arme Frau.”

“Gibt Salzsäure giftige Dämpfe?” Fragte Backe als Bernd ihn nach hause fuhr.

 

“Woher soll ich das wissen. Ich bin Seemann.” Sagte Bernd mürrisch. ”Was haben wir ihr nur angetan.”

“Ich hab dir gleich gesagt, laß uns abhauen. Du hörst einfach nicht.”

“Laß mich ins Bett und schlafen,” sagte Bernd zu Jacqueline in der Nacht. ”Und borg mir fünfzig Mark. Dann kann ich Hahnverlängerungen kaufen gehen. Gibts was zu fressen?”

“Mit dir hat man immer weniger Freude,” entgegnete sie, ”du denkst nur ans Fressen,” und ließ ihn schlafen.

Am Montag sah die Welt wieder normal aus. Eine neue Woche hatte begonnen. Neue Energie hatte sich angesammelt, um auf dem Bau verschwendet, vergeudet, werden zu können. Man würde Zahlung verlangen können. Man würde endlich wieder zu Geld kommen. Das verfluchte Bauvorhaben würde rasch im Orkus des Vergessens verschwinden. Am Donnerstag würde man mit dem Meister zur Handwerkskammer gehen und die Sache legalisieren. Zu Sonnabend könnte man eine Annonce in die Zeitung setzen und bezahlen. Am Wochenende könnte ein neuer Auftrag hereinkommen.

“Am Wochenende müssen wir einen neuen Auftrag haben,” eröffnete Bernd das Gespräch als Backe zugestiegen war, ”der Monat ist gleich zu Ende und der Meister wird sein Honorar fordern. Und ich muß die Telefonrechnung bezahlen. Und die Pacht. Und weiß der Teufel was sonst noch alles. Und Fressen muß herangeschafft werden.”

“Du bist in guter Gesellschaft.”

Die Kundin hatte sich wieder etwas gefangen und öffnete, zwar reserviert, aber dennoch, die Wohnungstür.

“Ich hoffe, daß das heute Abend fertig wird,” sagte sie, ”ich kann diesen Stress nicht mehr ertragen.”

“Aber sicher,” entgegnete Backe, ”wir haben jetzt alles. Zwei Stunden, dann können sie wieder baden.”

Die Arbeit schritt, wie geplant nunmehr zügig voran. Die Rohrverlängerungen wurden gedichtet und angeschraubt. Die Batterien wurden montiert. Mit dem Heizkörper gab es nur leichte Probleme die mittels biegen ausgeglichen werden konnten. Der Durchlauferhitzer machte Schwierigkeiten.

“Paßt nicht,” flüsterte Bernd, die Kundin in der Küche vermutend.

“Laß uns das hochbiegen,” raunte Backe, ”Kupferrohre lassen sich biegen.”

Sie ließen sich biegen und wurden schließlich auch dicht. Warmes Wasser floß wieder.

“Warmwasser ist wieder da,” rief Backe in die Küche, ”das warme Wasser fließt wieder.”

Die Sache mit der Salzsäure klappte phenomenal. Sie trugen das Zeug pur auf einen neuen Schwamm auf und brauchten nur zwei, dreimal über die Flächen zu wischen. Es zischte bekömmlich und der Zementschleier ließ sich mit klarem Wasser mühelos abwischen.

“Jetzt,” sagte die Kundin, sichtlich erfreut, ”jetzt sieht es wie ein neues Bad aus.”

“Dufte,” raunte Backe, ”dann wird sie gleich zahlen wollen.”

“Jetzt,” sagte Bernd und ging in die Küche, ”jetzt sind wir fertig. Jetzt überreiche ich ihnen die Rechnung.”

“Schön,” sagte sie, ”aber ich möchte meinen Nachbarn dabei haben. Der kennt sich ja mit Bauvorhaben gut aus.”

“Das sieht gut aus,” sagte der freundliche Nachbar, der auch ein Bad hatte, ”aber wir wollen nichts überstürzen.”

Er ging in das Bad und sah sich um. “Was ist das für ein Versprung, hier hinter der Tür?”

“Das ist das Rohr,” sagte Backe vom Flur her.

“Welches Rohr?” Fragte der freundliche Nachbar.

“Das Steigerohr,” sagte Bernd. ”Das ist das Steigerohr. Das konnten wir nicht verlegen. Ist auch nicht im Vertrag enthalten.”

“Ein Steigerohr?” Fragte der freundliche Nachbar ungläubig, ”bei uns? Haben wir ein Steigerohr? Bei mir gibt es kein Steigerohr?”

“Ist das was schlimmes?” Fragte die Bauherrin zaghaft.

“Das ist ein Rohr, in dem das Wasser steigt,” erläuterte Backe hilfreich.

“Ach so? Naja, dann wird das schon seine Ordnung haben.” Der sachkundige Nachbar schien zufrieden, ”aber das Silicon fehlt. Überall in den Ecken fehlt das Silicon.”

“Das Silicon,” sagte die Kundin, der selbst kein Silicon zu fehlenschien.

“Wollen sie Silicon haben?” Fragte Backe, den peinlichen Moment des Schweigens jäh abbrechend.

“Oh ja,” sagte der freundliche Nachbar, der sich offensichtlich kundig getan hatte,” die Frau Bauherrin muß auf einer dauerelastischen Verfugung bestehen. Sonst gibt es überall Risse.”

“Ich möchte keine Risse überall haben,” sagte die Kundin, ”Risse möchte ich nicht haben. Das Bad ist ja noch so neu.”

“Ganz recht,” sagte der freundliche Nachbar, stolz, daß seine Hilfe so dankbar aufgegriffen wurde, ”ganz recht. Silicon muß her.”

“Wir kommen morgen abend wieder,” sagte Bernd und wandte sich der Tür zu.

“Wir werden unser Leben wieder kommen,” sagte Backe während der Heimfahrt verzweifelt, „das hier nimmt nie ein Ende.”

“Unsinn,” wir schmieren morgen Silicon in alle Ecken und kassieren ab.”

“Hast du schon mal eine Siliconfuge gemacht?”

“Nein, kann ja wohl kein Problem sein. Muß abgeklebt werden. Dauert eine Stunde. Dann kassieren wir ab.”

“Gib mir zehn Mark Jacqueline, dann kann ich morgen Silicon kaufen gehen und Klebeband. Dann kann ich abends abkassieren. Gibts was zu Fressen? Heute?”

„Zieh halt das Klebeband nicht so lang,” sagte Bernd genervt am anderen Abend zu Backe, ”das rollt sich alles wieder ab. Bevor ich die Mumpe drauf kriege.”

“Bißchen ziehen muß ich schon, sonst wird das nicht gerade.”

Nachdem sie feststellen mußten, daß das Klebeband nicht an den Fliesen kleben wollte, dauerte die Prozedur der Verfugung aller Ecken und Winkel etwa doppelt so lange als sie geplant hatten. Spät abends jedoch war das Werk vollbracht.

“Und hier ist die Rechnung,” lockte Bernd die Kundin vor dem Fernsehgerät in die Küche.

“Seid ihr fertig?” “Ja, jetzt ist alles getan.”

“Also,” meinte die Kundin, ”eintausend Mark hatten wir vereinbart.”

“Ganz recht,” ließ Backe sich vernehmen.

“Eintausend Mark. Davon müssen wir aber die zwei Kartons Fliesen abrechnen, die hier noch herumstehen.”

“Die führen nur Beweis, daß wir mit dem üblichen Verschnitt sehr sparsam waren,” erklärte Bernd.

“Da muß immer etwas übrig bleiben,” sagte Backe, ”dann haben sie Reservefliesen für eventuelle Reparaturen.”

“Reparaturen würde ich nicht wollen,” sagte die Kundin unbeirrt, ”die Fliesen können sie mitnehmen. Als Fliesenlegerfirma haben sie sicherlich Gebrauch für sie. Das sind zweimal fünfzehn Mark.”

“Also gut,” sagte Bernd, ”verbleiben neunhundertsiebzig. Rechnen wir die ab. Es ist schon wieder spät.”

“Dann haben sie meine Küchenreinigungsutensilien verbraucht. Und mein Handtuch.”

“Und dann sind sie vier Tage später fertig geworden als sie zugesagt hatten.”

“Wir hatten keine Termine vereinbart, wie sie im Vertrag nachlesen können. Außerdem haben wir die Salzsäure und das Silicon aus eigener Tasche bezahlt.”

“Und für den Transport haben wir gar nichts berechnet,” ergänzte Backe wütend.

“Und dann haben sie meinen Kleber wieder zurück zum Baumarkt gebracht und sicherlich das Geld erhalten.”

“Das ist mit dem neuen Kleber aufgerechnet worden,” erklärte Bernd.

Und dann steht hier noch der angebrochene Kleber im Flur. Mein Bruder sagt, daß eine Fachfirma den Kleber nicht geöffnet hätte, wenn er denn falsch war.”

“Ihr Bruder hat eine Laube,” sagte Backe genervt.

“Mein Nachbar wird schon schlafen,” sagte die Kundin, ”ich schlage vor, wir kommen morgen um achtzehn Uhr wieder hier zusammen und machen dann die Abrechnung. Ich möchte ungern ohne meinen Nachbarn abrechnen.”

“Also wieviel schwebt ihnen vor?” Fragte Bernd gereizt, innerlich vor Wut kochend, ”sollen wir ihnen die Rechnung für die sonstigen Arbeiten aufmachen?”

“Sie brauchen mir nicht zu drohen,” sagte die Kundin, ”ich wünsche nur mein Recht.”

“Acht Tage,” sagte Backe, ”wir sind hier acht Tage am Arbeiten gewesen.”

“Neunhundert,” sagte die Kundin.

“Neunhundertfünfzig,” sagte Backe.

“Neunhundert,” sagte die Kundin.

“”Neunhundertdreißig,” sagte Bernd.

“Neunhundert,” sagte die Kundin, ”aber weiter gehe ich nicht

herunter.”

Sie ließen sich die neunhundert Mark auszahlen und quittierten.

“Daß du dich auch immer an den Handtüchern der Kunden vergreifen mußt,” sagte Bernd zu Backe als sie die Treppe hinunterstiegen und die beiden Fliesenpakete und den angebrochenen Eimer Kleber schleppten, ”du ruinierst uns. Laß uns im Cafe an der Ecke einkehren und die Sache teilen. Ich hab einen Kaffee jetzt dringend nötig.”

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