Unternehmensrecht

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2.4.2. Unerlaubte Handlungen
2.4.2.1 Bedeutung

Das Recht der unerlaubten Handlungen (sog. Deliktsrechtsrecht) verfolgt das Ziel, das sog. Integritätsinteresse des Geschädigten – also das Interesse an der Unversehrtheit seiner Rechtsgüter – zu schützen. Deshalb ist die primäre Rechtsfolge Schadensersatz, also der Ausgleich für ein unfreiwillig erlittenes Vermögensopfer. Das Recht der unerlaubten Handlung ist dabei eine „Jedermann-Haftung“, die denjenigen trifft, der ein Delikt begeht. Die §§ 823 ff. BGB setzen also anders als die Schadensersatzpflicht aus dem Vertragsrecht kein Schuldverhältnis voraus. Das ist der zentrale Unterschied zu den §§ 280 ff. BGB.

Die deliktische Haftung erfordert grundsätzlich ein Verschulden i. S. v. § 276 BGB, da die unerlaubte Handlung dem Schädiger nur dann zum Vorwurf gemacht werden kann, wenn dieser vorsätzlich oder zumindest fahrlässig agiert. In manchen, besonders gefahrgeneigten Lebensbereichen – etwa im Straßenverkehr – gibt es jedoch weitergehend eine sog. Gefährdungshaftung, nach der der Schädiger unabhängig von einem Verschulden Schadensersatz leisten muss (wobei der Anspruch nach spezialgesetzlichen Regelungen häufig auch gegen eine Versicherung gerichtet ist). Ggf. treten diese Gefährdungshaftungstatbestände neben eine Verantwortlichkeit aus §§ 823 ff. BGB („Anspruchskonkurrenz“). Schließlich ist in diesem Zusammenhang aber noch zu berücksichtigen, dass es auch ein allgemeines Lebensrisiko gibt, bei dessen Realisierung niemand haften muss.

Handlungssituation (Fallbeispiel 10)

Heinrich (H) ist mit seinem Auto auf einer Landstraße unterwegs. Wegen einer schwer einsehbaren Kurve reduziert der vor ihm fahrende Gunter (G) seine Geschwindigkeit, woraufhin H auf den Wagen des G auffährt. Bei dem Unfall wird der Pkw des G beschädigt. Ferner erleidet G einen Armbruch, wegen dem er für sechs Wochen seine Tätigkeit als selbstständiger Handelsvertreter nicht ausüben kann. G verlangt von H Schadensersatz wegen der Reparatur des Autos, der ärztlichen Behandlung, des Verdienstausfalls sowie ein angemessenes Schmerzensgeld.

Zu Recht? Anspruchsgrundlagen aus dem StVG bleiben außer Betracht.

(Lösung Seiten 80, 81)

2.4.2.2 Gesetzliche Regelung

Im Deliktsrecht gibt es nicht „die“ Haftungsnorm, nach der in allen Fällen einer unerlaubten Handlung Schadensersatz zu leisten wäre. Vielmehr enthalten die §§ 823 ff. BGB ein differenziertes System verschiedener Anspruchsgrundlagen.

§ 823 Abs. 1 BGB schützt als wichtigste Anspruchsgrundlage bestimmte absolute Rechte. § 823 Abs. 2 BGB begründet eine deliktische Haftung, wenn gegen ein Schutzgesetz – z. B. eine Strafnorm – verstoßen wird. Folglich müssen Straftäter (z. B. Diebe, Betrüger) in aller Regel auch zivilrechtlich Schadensersatz leisten. In solchen oder ähnlich gravierenden Fällen kommt ferner eine Haftung nach § 826 BGB infrage, der bei vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigungen gilt. Neben diesen allgemeinen Haftungstatbeständen gibt es noch zahlreiche Sondernormen, wie etwa die Tierhalter- (§ 833 BGB), die Minderjährigen- (§ 828 BGB) oder die Elternhaftung (§ 832 BGB).

2.4.2.3 Insbesondere: § 823 Abs. 1 BGB

Der zentrale Haftungstatbestand des Deliktsrechts ist § 823 Abs. 1 BGB. Die Norm hat folgende Voraussetzungen:

 Rechtsgutverletzung

 Rechtswidrigkeit

 Verschulden

 Schaden.

 Rechtsgutverletzung

§ 823 Abs. 1 BGB nennt verschiedene Rechtsgüter, bei deren Verletzung der Schädiger dem Geschädigten Schadensersatz leisten muss. Zu beachten ist dabei, dass die Norm keinen pauschalen Vermögensschutz enthält, sondern diesen nur dann gewährt, wenn eines der aufgezählten Rechtsgüter verletzt worden ist (sog. Enumerativprinzip). Bei allen Rechtsgütern des § 823 Abs. 1 BGB handelt es sich um absolute Rechte, die gegenüber jedermann gelten.

 LebenUnter dem Rechtsgut Leben versteht man die physische Existenz. Das Leben wird verletzt, wenn ein Mensch getötet wird. Anspruchsinhaber sind dann die Hinterbliebenen nach Maßgabe der §§ 844, 845 BGB. Sollte der Getötete unterhaltsverpflichtet gewesen sein, so hat der Schädiger dem Unterhaltsberechtigten eine Geldrente zu entrichten (§ 844 Abs. 2 BGB). Das kann zu erheblichen finanziellen Belastungen führen.

 Körper, GesundheitDie Rechtsgüter Körper und Gesundheit schützen die physische Integrität des Menschen. Eine Körperverletzung liegt vor, wenn die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt, eine Gesundheitsverletzung, wenn ein krankhafter Zustand hervorgerufen wird.

 FreiheitUnter dem deliktischen Schutzgut der Freiheit versteht man (nur) die körperliche Fortbewegungs- und nicht etwa eine geistige Form von Freiheit. Die Freiheit eines Menschen wird z. B. in Entführungsfällen verletzt.

 EigentumDas Rechtsgut Eigentum orientiert sich an § 903 BGB, wonach der Eigentümer einer Sache nach Belieben mit ihr verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen kann. Eine Eigentumsverletzung liegt bei einer Substanzeinwirkung (Beschädigung oder Zerstörung einer Sache) sowie bei einer Substanzentziehung (Wegnahme einer Sache) vor.

 Sonstige RechteAm schwersten zu definieren sind die sonstigen Rechte i. S. d. § 823 Abs. 1 BGB. Wegen ihrer systematischen Stellung direkt hinter dem Eigentum muss es sich um eigentums­ähnliche und damit absolute Rechte handeln.Zu den sonstigen Rechten zählen Immaterialgüterrechte wie das Patent- und Urheberrecht, ferner Mitgliedschaftsrechte, z. B. die Aktien einer Aktiengesellschaft. Der Besitz (= tatsächliche Sachherrschaft, § 854 Abs. 1 BGB) fällt als solcher nicht unter § 823 Abs. 1 BGB, wohl aber das Recht zum Besitz. Der Grund hierfür ist, dass auch der Dieb Besitzer einer Sache ist und deshalb nur der berechtigte Besitzer – etwa ein Mieter – deliktsrechtlichen Schutz verdient. Eigentumsähnlich ist des Weiteren das sog. Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb. Dieses schützt z. B. die Lieferantenbeziehungen und den Kundenstamm eines Unternehmens. Schließlich wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht von § 823 Abs. 1 BGB erfasst. Demnach können v. a. Prominente Schadensersatz verlangen, wenn sie durch Schmähkritik in ihrer Ehre verletzt oder unzulässige Bildaufnahmen von ihnen verbreitet werden.

 Rechtswidrigkeit

Eine Haftung des Schädigers aus § 823 Abs. 1 BGB tritt nur ein, wenn die Rechtsgutverletzung widerrechtlich (= rechtswidrig) ist. Nach der Lehre vom Erfolgsunrecht wird die Rechtswidrigkeit allerdings vermutet, weil grundsätzlich niemand einen anderen verletzen darf. Die Tatbestandsmäßigkeit indiziert also die Rechtswidrigkeit. Folglich muss der Schädiger beweisen, dass die von ihm verursachte Rechtsgutverletzung ausnahmsweise nicht rechtswidrig gewesen ist.

Eine Rechtsgutverletzung ist dann nicht rechtswidrig, wenn ein sog. Rechtfertigungsgrund vorliegt. Hierzu zählt zunächst die Einwilligung des Geschädigten in die Rechtsgutverletzung. Eine solche liegt z. B. im Arzthaftungsrecht vor, wenn der Patient bei einer Operation der tatbestandlichen Körperverletzung zustimmt. Eine wirksame Einwilligung setzt aber voraus, dass der Patient über die Risiken einer ärztlichen Behandlung umfassend aufgeklärt worden ist. Kann eine Einwilligung z. B. wegen Ohnmacht des Verletzten nicht erklärt werden, wird auf die mutmaßliche Einwilligung abgestellt.

Im Bereich des Sportrechts ist zwischen der echten Einwilligung in die Rechtsgutverletzung – etwa beim Boxen – und einer bloßen Risikoeinwilligung wie z. B. beim Fußball zu unterscheiden. Bei Letzterer sind nur risikospezifische Verletzungen (also ein Foul, nicht aber eine Tätlichkeit) von der Zustimmung des Geschädigten abgedeckt.

Weitere Rechtfertigungsgründe sind Notwehr und Nothilfe. Notwehr bedeutet die Abwehr eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs gegen sich selbst, Nothilfe das Gleiche, wenn sich der Angriff gegen einen Dritten richtet (vgl. § 227 BGB). In diesen Fällen darf der Angegriffene den Angreifer unter Umständen sogar am Körper verletzen, ohne dass er deliktsrechtlich haften müsste.

 Verschulden

Als weitere Voraussetzung für eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB muss ein Verschulden des Schädigers gegeben sein. Hierbei nennt die Norm Vorsatz oder Fahrlässigkeit als mögliche Verschuldensformen. Vorsatz bedeutet das Wissen und Wollen der Rechtsgutverletzung, Fahrlässigkeit das diesbezügliche Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB). Anders als bei rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnissen wird im Deliktsrecht das Verschulden des Schädigers aber nicht vermutet. Folglich muss der Geschädigte das Verschulden des Schädigers beweisen.

 Schaden

Letztlich muss für einen Anspruch nach § 823 Abs. 1 BGB dem Geschädigten ein Schaden entstanden sein. Generell stellt ein Schaden ein unfreiwilliges Vermögensopfer dar.

Der Schadensersatz ist gemäß § 249 Abs. 1 BGB auf „Naturalrestitution“ gerichtet. Demnach muss der Schädiger grundsätzlich den Zustand wiederherstellen, wie er ohne die schädigende Handlung bestehen würde. Deshalb ist z. B. auch bei einem gebrauchten Pkw eine umfassende Reparatur und nicht nur eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten.

 

Bei der Verletzung einer Person oder der Beschädigung einer Sache kann der Geschädigte aber statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag vom Schädiger verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Grund hierfür ist, dass es dem Geschädigten häufig unzumutbar ist, seine verletzten Rechtsgüter – etwa einen beschädigten Pkw – dem Schädiger zur Reparatur anzuvertrauen.

Soweit eine Herstellung unmöglich ist, tritt gemäß § 251 Abs. 1 BGB an die Stelle der Restitution (= Wiederherstellung) die Kompensation (= Ausgleich). Dies ist v. a. der Fall, wenn eine Reparatur der beschädigten Sache ausgeschlossen ist. Dann richtet sich der Anspruch des Geschädigten gegen den Schädiger von vornherein auf Geldzahlung.

Des Weiteren muss im Schadensrecht zwischen einem Vermögensschaden und einem Nichtvermögensschaden (= immaterieller Schaden) unterschieden werden (vgl. § 253 BGB). Vermögensschäden sind im Umkehrschluss zu § 253 Abs. 1 BGB – falls eine Rechtsgutverletzung i. S. v. § 823 Abs. 1 BGB vorliegt – stets kompensationsfähig. Bei der Bemessung von Vermögensschäden findet eine wirtschaftliche Betrachtung nach der sog. Differenzhypothese statt. Ein Vermögensschaden ist dann gegeben, wenn der jetzige tatsächliche Wert des Vermögens des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das Vermögen ohne das schädigende Ereignis hätte.

Nichtvermögensschäden sind hingegen nur zu kompensieren, wenn eine ausdrückliche gesetzliche Regelung existiert (§ 253 Abs. 1 BGB). Hierzu zählt v. a. das Schmerzensgeld nach § 253 Abs. 2 BGB. Dieses muss der Schädiger an den Geschädigten leisten, wenn es um eine Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung geht. Die Höhe des Schmerzensgeldes soll eine billige (= gerechte) und an den Umständen des Einzelfalles orientierte Entschädigung in Geld sein. Hierbei spielen die Schwere der Verletzung, etwaige Folgeschäden sowie der Grad des Verschuldens des Schädigers eine maßgebliche Rolle. Die Praxis orientiert sich bei der Festsetzung an Schmerzensgeldtabellen, in denen eine große Zahl an gerichtlichen Präzedenzfällen mit Verletzungen und Schmerzensgeldbeträgen aufgeführt sind.

Schließlich muss man im Schadensrecht zwischen dem Verletzungs- und dem Folgeschaden unterscheiden. Verletzungsschaden ist der unmittelbar durch die Rechtsgutverletzung entstandene Schaden, also z. B. die Wertminderung eines verunfallten Kfz. Ein Folgeschaden ist dagegen nur ein mittelbar durch die Rechtsgutverletzung eingetretener Schaden. Hierzu wird z. B. ein etwaiger Verdienstausfall des Geschädigten gerechnet, der noch im Rahmen des Üblichen liegt und deshalb ersatzfähig ist. Ganz fernliegende Folgeschäden – etwa die wegen eines Verkehrsunfalls verpasste Möglichkeit, an einem Gewinnspiel teilzunehmen und den Hauptgewinn zu erzielen – werden hingegen nicht erstattet. Insofern realisiert sich ein allgemeines Lebensrisiko, das der Geschädigte selbst zu tragen hat.

Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 10)

Zu prüfen ist der Anspruch des G gegen H auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gemäß § 823 Abs. 1 BGB (ggf. i. V. m. § 253 Abs. 2 BGB).

Eine Haftung des H aus § 823 Abs. 1 BGB setzt zunächst eine Rechtsgutverletzung bei G voraus. Dies ist hier der Fall, da durch das Auffahren des H der Pkw des G und damit dessen Eigentum (bei Leasing: Recht zum Besitz als „sonstiges Recht“) sowie wegen des Armbruchs Körper und Gesundheit von G verletzt wurden. Dabei wird vermutet, dass die Rechtsgutverletzung auch rechtswidrig erfolgte (Lehre vom Erfolgsunrecht). Rechtfertigungsgründe wie eine Einwilligung des G oder eine Notwehrhandlung des H liegen nicht vor.

Fraglich ist jedoch, ob H schuldhaft handelte. Dann müsste er den Unfall vorsätzlich oder fahrlässig herbeigeführt haben. Vorsatz des H – also Wissen und Wollen – kann nach Lage der Dinge ausgeschlossen werden. Es könnte aber Fahrlässigkeit gegeben sein. Dann müsste H die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen haben (§ 276 Abs. 2 BGB). Zwar enthält der Fall hierzu keine Anhaltspunkte, doch besteht bei Auffahrunfällen im Straßenverkehr ein sog. Anscheinsbeweis, wonach der Hintermann schuld ist. Der Anscheinsbeweis wirkt ähnlich wie eine gesetzliche Vermutung mit der Folge, dass H eine Art Gegenbeweis führen muss, dass er am Unfall nicht schuld ist. Dies kann H hier aber nicht. Damit ist das Verschulden des H gegeben.

Von den geltend gemachten Schadenspositionen kann G von H die Reparaturkosten für den beschädigten Pkw als unmittelbaren Vermögensschaden ersetzt verlangen (§ 249 Abs. 2 BGB). Genauso verhält es sich mit den ärztlichen Behandlungskosten (versicherungsrechtliche Aspekte bleiben außer Betracht). Seinen Verdienstausfall kann G gegen H ebenfalls als einen hinreichend naheliegenden Folgeschaden geltend machen. Da es sich hinsichtlich des Armbruchs – nicht bezüglich des Autos – um einen Körper- bzw. Gesundheitsschaden handelt, schuldet H dem G überdies ein angemessenes Schmerzensgeld (§ 253 Abs. 2 BGB). Dieses hängt der Höhe nach von den Umständen des Einzelfalles ab, beläuft sich aber bei einem „normalen“ Armbruch auf einen Betrag von ca. 3.000,– €.

2.4.3 Ungerechtfertigte Bereicherung
2.4.3.1 Bedeutung

Ein weiteres gesetzliches Schuldverhältnis ist das sog. Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB). Bei diesem geht es anders als im Deliktsrecht nicht um Schadensersatz, sondern um den Ausgleich nicht gerechtfertigter Vermögensverschiebungen. Geschuldet ist daher als Rechtsfolge die Herausgabe des zu Unrecht erlangten Gegenstandes (§ 812 Abs. 1 BGB). Sollte dies nicht möglich sein, ist Wertersatz zu leisten (§ 818 Abs. 2 BGB BGB). Wenn der Schuldner hingegen keinen Vermögensvorteil mehr hat, ist der Anspruch ausgeschlossen (§ 818 Abs. 3 BGB).

Handlungssituation (Fallbeispiel 11)

Nach seinem Autounfall möchte Heinrich (H) künftig öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Er beschließt deshalb, seinen Pkw verkaufen. Als Käufer findet sich der Kurt (K). H übereignet dem K nach Vertragsschluss sofort das Auto. Da sich beim Angebot des H allerdings ein Zahlendreher (4.500,– € statt 5.400,– € Kaufpreis) eingeschlichen hat, erklärt H umgehend die Anfechtung seiner Willenserklärung und fordert den Wagen von K zurück.

Zu Recht? (Lösung Seite 83)

2.4.3.2 Gesetzliche Regelung

Die zentrale Norm des Bereicherungsrechts ist § 812 Abs. 1 S. 1 BGB. Sie enthält verschiedene Ansprüche auf Herausgabe (= Kondiktion). Die beiden wichtigsten sind die Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB) sowie die Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Var. BGB).

Für einen Herausgabeanspruch nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:

 der Schuldner muss etwas erlangt haben

 durch Leistung des Gläubigers oder in sonstiger Weise auf dessen Kosten,

 ohne rechtlichen Grund.

Das erlangte „Etwas“ ist in einem sehr weiten Sinne zu verstehen. Hierzu zählen neben Rechtspositionen wie das Eigentum an Sachen auch die Befreiung von Verbindlichkeiten (z. B. Schuldenerlass) sowie die Erlangung von Gebrauchsvorteilen bzw. Dienstleistungen (z. B. Arbeiten eines Handwerkers).

Bei der Leistungskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB) erfolgt die Vermögensverschiebung durch eine Leistung des Gläubigers. Hierunter versteht man eine bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Dazu zählt v. a. das Erfüllen einer (vermeintlichen) Verbindlichkeit aus einem abgeschlossenen Vertrag.

Bei der Eingriffskondiktion (§ 812 Abs. 1 S. 1, 2. Var. BGB) erfolgt die Vermögensverschiebung in „sonstiger Weise“ auf Kosten des Gläubigers – also nicht durch Leistung. Hiezu zählen v. a. Eingriffe in den Zuweisungsgehalt eines fremden Rechts, wie die Wegnahme einer Sache.

In allen Fällen muss die Vermögensverschiebung ohne rechtlichen Grund erfolgt sein. Denn wenn ein Rechtsgrund vorliegt, gebührt der Gegenstand dem Erwerber. Dann darf er ihn auch behalten.

Bei der Leistungskondiktion zeigt sich der enge Zusammenhang zwischen dem gesetzlichen Schuldverhältnis aus §§ 812 ff. BGB und den – typischerweise aus Gründen des Allgemeinen Teils des BGB – unwirksamen Verträgen. Denn wenn sich ein Vertrag z. B. als sittenwidrig (§ 138 BGB) erweist oder von einer Partei wirksam angefochten wurde (§ 142 Abs. 1 BGB), dann sind die bereits ausgetauschten Leistungen gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB an den jeweiligen Vertragspartner wieder herauszugeben. Der Vertrag wird auf diese Weise rückabgewickelt.

Bei der Eingriffskondiktion muss der Schuldner zu Unrecht erzielte Vermögensvorteile – unabhängig von einem Verschulden bzw. einem Schaden – dem Bereicherungsgläubiger ebenfalls wieder herausgeben.

Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 11)

Zu prüfen ist der Anspruch des H gegen K auf Herausgabe (= Rückübereignung) des Pkw gemäß § 812 Abs. 1 S. 1, 1. Var. BGB.

Für den Herausgabeanspruch des H müsste K etwas erlangt haben. Dies ist hier der Fall, weil K Eigentum und Besitz an dem Auto erworben hat. Das müsste durch eine Leistung des H erfolgt sein. Unter einer Leistung versteht man die bewusste und zweckgerichtete Vermehrung fremden Vermögens. Hier hat K Eigentum und Besitz an dem Pkw durch Leistung des H erlangt, da H den Wagen an K übereignete (§ 929 S. 1 BGB), um seine (vermeintliche) Verpflichtung aus dem Kaufvertrag zu erfüllen.

Fraglich ist jedoch, ob die Vermögensverschiebung ohne rechtlichen Grund erfolgte. Denn wenn ein Rechtsgrund vorläge, würde der Wagen dem K gebühren, und er müsste ihn nicht wieder herausgeben. Ein Rechtsgrund könnte hier der zwischen H und K abgeschlossene Kaufvertrag (§ 433 BGB) sein. Grundsätzlich stellt ein Kaufvertrag einen Grund für das Behaltendürfen der verkauften Sache dar.

Hier könnte die Willenserklärung des H allerdings wirksam angefochten worden sein. Dafür bräuchte es eine Anfechtungserklärung innerhalb der Anfechtungsfrist sowie einen Anfechtungsgrund. H hat dem K gegenüber ohne schuldhaftes Zögern und damit unverzüglich (§ 121 BGB) die Anfechtung erklärt (§ 143 Abs. 1, 2 BGB). Als Anfechtungsgrund liegt hier ein Erklärungsirrtum des H (Zahlendreher als Fall des Verschreibens) nach § 119 Abs. 1, 2. Var. BGB vor. Damit ist die Anfechtung wirksam, weshalb die Willenserklärung des H und folglich auch der Kaufvertrag mit K als von Anfang an unwirksam anzusehen sind (§ 142 Abs. 1 BGB). Deshalb besteht kein Rechtsgrund für das Behaltendürfen des Wagens für K.

Ergebnis: H hat gegen K einen Anspruch auf Herausgabe (= Rückübereignung) des Pkw.