Unternehmensrecht

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1.2 Juristische Falllösungstechnik

Bevor die Ausführungen zu den rechtlichen Qualifikationsinhalten beginnen können, bedarf es zunächst einer Einführung in die juristische Falllösungsmethode. Denn die Aufgabe des Prüfungskandidaten besteht nicht darin, theoretisches Wissen auswendig zu lernen, sondern vielmehr, konkrete Fälle zu lösen. Hierfür ist das Gesetz aber das notwendige „Handwerkzeug“, weshalb die Lektüre der angegebenen Rechtsvorschriften zwingend ist.

Juristische Falllösungsmethode bedeutet, dass ein Lebenssachverhalt nicht vom Resultat her, sondern zunächst ergebnisoffen geprüft wird. Hierbei wird der sog. Gutachtenstil angewandt. Bei diesem nähert man sich dem Ergebnis einer Falllösung durch eine im Fragenstil gehaltene Formulierungstechnik („Fraglich ist, ob …“, „Problematisch ist, inwieweit …“).

Bei der Lösung zivilrechtlicher Fälle geht es inhaltlich i. d. R. um Anspruchsverhältnisse, also um die Frage, ob eine Person von einer anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen verlangen kann (vgl. § 194 Abs. 1 BGB). Die Lösung eines Falles beginnt mit der Formulierung des Obersatzes, an dessen Ende eine Rechtsnorm steht, die die gewünschte Rechtsfolge in einer abstrakten Formulierung enthält (sog. Anspruchsgrundlage).

Beispiel: Zu prüfen ist der Anspruch des A gegen B auf Zahlung des Kaufpreises gemäß § 433 Abs. 2 BGB.

Kurzformel

Wer (Anspruchssteller) von wem (Anspruchsgegner) was (Rechtsfolge) woraus (Anspruchsgrundlage)?

Für eine juristische Falllösung bietet sich damit folgende Vorgehensweise an:

 Ermitteln der gewünschten Rechtsfolge und Auffinden der Rechtsnorm, die sie anordnet (Obersatzbildung)

 Herausarbeiten der Voraussetzungen der Rechtsnorm (ggf. mit Definitionen)

 Subsumtion (= Unterordnung) des Sachverhalts unter die Voraussetzungen der Rechtsnorm.

Diese juristische Falllösungstechnik wird nachfolgend bei den Lösungen der verschiedenen Handlungssituationen verdeutlicht.

1.3 Methodische Grundlagen für den Umgang mit Gesetzen

Ein Problem beim Umgang mit Rechtsnormen ist der hohe Abstraktionsgrad vieler Gesetze und die zum Teil veraltete Rechtssprache (das BGB ist in seiner Ursprungsfassung bereits im Jahre 1900 in Kraft getreten). Die vom Gesetzgeber verwendeten Rechtsbegriffe erschließen sich deshalb häufig nicht auf Anhieb. Sie sind vielmehr auslegungsfähig und auslegungsbedürftig. Dies führt oft zu einer gewissen Ergebnisunsicherheit bei der Rechtsanwendung.

Beispiel

 „Treu und Glauben“ (§ 242 BGB); „gute Sitten“ (§ 138 BGB).

Bei der Auslegung von Gesetzesbegriffen helfen vereinzelt sog. Legaldefinitionen weiter. Hierbei handelt es sich um besonders wichtige Rechtsbegriffe, die der Gesetzgeber selbst definiert hat. Zu erkennen sind Legaldefinitionen daran, dass der maßgebliche Gesetzesbegriff in Klammern steht. Die Worte vor der Klammer sind dann seine Definition.

Beispiel

 „Unverzüglich“ (§ 121 Abs. 1 S. 1 BGB) bedeutet in der Rechtssprache „ohne schuldhaftes Zögern“ (und nicht „sofort“).

Ferner ist bei der Gesetzanwendung die sog. Klammertechnik zu beachten. Dies bedeutet, dass generelle Bestimmungen „vor die Klammer“ gezogen und damit allgemein verbindlich geregelt werden. So erspart sich der Gesetzgeber unnötige Mehrfachregelungen (Gesetzesökonomie). Dies ist der Grund dafür, dass die klassischen Gesetze des deutschen Privatrechts (BGB, HGB) – gemessen an ihrem Inhalt – eher kurz sind.

Beispiel

 Die Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen im 1. Buch des BGB gelten auch für Verträge im Familien-, Erb- und Gesellschaftsrecht.

Des Weiteren verwendet der Gesetzgeber oftmals die Verweisungstechnik, indem er in einer Rechtsvorschrift auf die Voraussetzungen bzw. Rechtsfolgen einer anderen Norm verweist. Dies dient ebenfalls der Gesetzesökonomie.

Beispiel

 § 437 BGB (bitte lesen – wenngleich bei erster Lektüre kaum verständlich). Die Rechte des Käufers bei Mängeln der Kaufsache (Nacherfüllung, Rücktritt, Minderung, Schadensersatz, Aufwendungsersatz) ergeben sich also nicht aus der Anspruchsgrundlage des § 437 BGB selbst, sondern aus den zahlreichen Normen, auf die verwiesen wird (§§ 439, 440, 323, 326 Abs. 5, 441, 280, 281, 283, 311a, 284 BGB).

1.4 Stellung des Privatrechts in der Gesamtrechtsordnung

Das Privatrecht ist nur ein Teil der Gesamtrechtsordnung in Deutschland. Es ist derjenige Teil, der die Rechtsbeziehungen von gleichgeordneten Rechtssubjekten zueinander regelt. Es bestimmt also darüber, wie und in welchem Verhältnis privatrechtliche Personen zueinander stehen und welche Rechte und Pflichten ihnen gegenseitig zugewiesen sind.

Beispiel

 Abschluss eines Kaufvertrags zwischen zwei Privatleuten.

Das öffentliche Recht behandelt hingegen die Rechtsverhältnisse staatlicher Einrichtungen untereinander bzw. die Rechtsbeziehungen des Staates zum Bürger. Es wird also i. d. R. von einem Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt.

Beispiel

 Erteilung einer Baugenehmigung durch die Baubehörde.

1.5 Prinzipien des Privatrechts

Das Privatrecht basiert auf dem Grundsatz der Privatautonomie. Diese bedeutet die Freiheit des Einzelnen, seine Rechtsverhältnisse nach eigenem Willen gestalten zu können. Hierzu zählt die prinzipielle Freiheit, Verträge abzuschließen (Vertragsfreiheit) – und zwar mit wem man will (Abschlussfreiheit) und worüber man will (Inhaltsfreiheit).

Nur ausnahmsweise beschränkt der Gesetzgeber die vertragliche Abschlussfreiheit. So gibt es vereinzelt bei marktbeherrschenden Anbietern im Bereich der Daseinsvorsorge einen sog. Kontrahierungszwang, durch den ein Unternehmen gesetzlich verpflichtet wird, mit potenziellen Kunden einen Vertrag abzuschließen.

Beispiel

 § 36 Energiewirtschaftsgesetz für die Elektrizitäts- und Gasversorgung der Bevölkerung.

Häufiger wird hingegen die Inhaltsfreiheit vom Gesetzgeber beschränkt. Insbesondere wird solchen Verträgen die Rechtsgültigkeit versagt, die gegen gesetzliche Verbote (§ 134 BGB) oder die guten Sitten verstoßen (§ 138 BGB).

Beispiele

 Drogenkauf, Wucherzinsen.

2. Bürgerliches Recht

Das Bürgerliche Recht nach dem BGB stellt den Kern des Privatrechts dar. Nahezu alle anderen Gebiete des Privatrechts schließen sich an das Bürgerliche Recht an und bauen auf dessen Grundregeln auf. Das BGB ist in fünf Bücher gegliedert: Allgemeiner Teil (1. Buch), Recht der Schuldverhältnisse (2. Buch), Sachenrecht (3. Buch), Familienrecht (4. Buch) und Erbrecht (5. Buch). Diese Rechtsgebiete werden im Folgenden in ihren Grundzügen handlungsorientiert dargestellt.

2.1 Allgemeiner Teil des BGB

Im Allgemeinen Teil des BGB befinden sich v. a. Regelungen über Rechtsgeschäfte sowie zum Zustandekommen von Verträgen.

Handlungssituation (Fallbeispiel 1)

Der 23-jährige Heinrich (H) möchte den Titel „Geprüfte/r Betriebswirt/in nach der Handwerksordnung“ erlangen. Zu Beginn seiner Fortbildung überlegt er, sich die erforderlichen Lehrbücher aus dem Verlag „Handwerkswissen“ anzuschaffen. H füllt deshalb schon einmal die Bestellpostkarte des Verlags aus, wartet aber noch mit dem Absenden, da er erst seine Eltern fragen will, ob sie eventuell einen Teil der Kosten übernehmen. Sein WG-Mitbewohner sieht die Karte auf dem Küchentisch liegen, will H einen Gefallen tun und schickt sie ab.

Muss H die vom Verlag „Handwerkswissen“ angelieferten Bücher abnehmen und bezahlen? (Lösung Seite 23)

2.1.1 Das Rechtsgeschäft

Eine privatrechtliche Person gestaltet ihre Rechtsbeziehungen zu anderen Privatrechtssubjekten durch sog. Rechtsgeschäfte. Rechtsgeschäfte können einseitig (z. B. Testament, Kündigung), aber auch mehrseitig (v. a. Verträge) sein. Die Basis eines Rechtsgeschäfts ist in jedem Fall eine sog. Willenserklärung. Hierunter versteht man eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtlichen Erfolges gerichtet ist.

2.1.2 Elemente einer Willenserklärung

Eine Willenserklärung setzt sich aus einem äußeren (objektiven) Tatbestand und einem inneren (subjektiven) Tatbestand zusammen. Der objektive Tatbestand der Willenserklärung ist das Kundtun einer Erklärung nach außen. Diese erfolgt im Idealfall ausdrücklich und damit eindeutig.

 

Beispiel: „Hiermit mache ich Ihnen den Antrag auf Abschluss eines Kaufvertrags.“

Ebenso rechtswirksam wie eine ausdrückliche ist aber auch eine nur durch schlüssiges Verhalten (konkludent) abgegebene Willenserklärung.

Beispiel: Zeigen mit dem Finger auf einen Gegenstand, Nicken mit dem Kopf.

Bei Unklarheiten, wie eine konkludent abgegebene Erklärung zu verstehen ist, kommt es für die Auslegung grundsätzlich nicht auf den inneren Willen des Erklärenden, sondern auf den objektiven Empfängerhorizont unter Beachtung der jeweiligen Verkehrssitten an (§§ 133, 157 BGB). Dies dient der Rechtssicherheit und damit dem Schutz des Rechtsverkehrs.

Beispiel: Das Heben der Hand bedeutet nach der Verkehrssitte bei einer Versteigerung die Abgabe eines Vertragsangebots. Dies gilt auch dann, wenn der Betroffene nur seinem Freund zuwinken wollte („Trierer Weinversteigerungsfall“, siehe unten).

Bloßes Schweigen hat i. d. R. keinen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert. Etwas anderes gilt nur, wenn Abweichendes vereinbart wurde (Vertragsfreiheit), eine gesetzlicher Ausnahmefall greift (z. B. § 108 Abs. 2 S. 2 BGB) oder eine Sonderregelung des Handelsrechts einschlägig ist (z. B. § 346 HGB beim sog. Kaufmännischen Bestätigungsschreiben).

Der subjektive Tatbestand einer Willenserklärung meint das Wollen der Erklärung. Notwendiger subjektiver Bestandteil einer Willenserklärung ist aber nur der Handlungswille. Hierunter versteht man den Willen, überhaupt etwas bewusst zu machen. Der Handlungswille fehlt z. B. bei Erklärungen unter Hypnose. Mangelt es hingegen nur am Geschäftswillen – also dem Willen, das Geschäft so durchzuführen, wie es der Erklärungsempfänger nach dem objektiven Empfängerhorizont verstehen musste –, liegt dennoch eine Willenserklärung vor. Möglicherweise kann der Erklärende seine Willenserklärung dann aber nach den §§ 119 ff. BGB wegen Irrtums anfechten.

Beispiel: Beim „Trierer Weinversteigerungsfall“ liegt ein wirksames Vertragsangebot vor, das aber analog § 119 Abs. 1 BGB angefochten werden kann.

Keine Willenserklärung ist bei bloßen Gefälligkeitsverhältnissen gegeben. Hierbei handelt es sich um Erklärungen im rein gesellschaftlichen Bereich, bei denen es am sog. Rechtsbindungswillen fehlt. Sie erfolgen i. d. R. aus persönlicher oder freundschaftlicher Verbundenheit. Es kann aus solchen Erklärungen also nicht mit Erfolg auf die Erfüllung des Versprechens geklagt werden.

Beispiel: A sagt seinem Freund B zu, mit ihm ins Kino zu gehen. Wenn A den B nun versetzt, kann B den A nicht auf Erfüllung seines Versprechens in Anspruch nehmen.

2.1.3 Wirksamwerden von Willenserklärungen

Eine Willenserklärung muss für ihre Wirksamkeit abgegeben werden. Unter der Abgabe einer Willenserklärung versteht man ihre willentliche Entäußerung in den Rechtsverkehr. Hieran fehlt es etwa beim bloßen Entwurf einer Willenserklärung.

Beispiel: A überlegt sich, wen er einmal zu seinen Erben machen könnte. Dafür schreibt er mehrere Namen auf einen Zettel. Dies stellt noch kein Testament dar, sondern nur einen Entwurf.

Des Weiteren ist zwischen empfangsbedürftigen und nicht empfangsbedürftigen Willenserklärungen zu unterscheiden. Nicht empfangsbedürftige Willenserklärungen werden bereits mit ihrer Abgabe rechtswirksam (z. B. ein formwirksames Testament). I. d. R. sind Willenserklärungen aber empfangsbedürftig (z. B. Vertragserklärungen, aber auch Kündigungen). Dann muss die Willenserklärung dem Empfänger zugehen. Der Zugang erfolgt bei mündlichen Äußerungen unter Anwesenden mit der akustischen Wahrnehmbarkeit der Erklärung, also grundsätzlich sofort.

Unter Abwesenden tritt der Zugang einer Willenserklärung ein, sobald sie in den Machtbereich des Erklärungsempfängers gelangt ist, sodass die Möglichkeit zur Kenntnisnahme unter gewöhnlichen Umständen besteht (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Auf die tatsächliche Kenntnisnahme des Empfängers kommt es zum Schutz des Erklärenden hingegen nicht an.

Beispiel: Wenn A dem B am 31.03. um 23.00 Uhr eine Kündigung in den Briefkasten wirft, geht diese erst am 01.04. zu, da ein Briefkasten unter gewöhnlichen Umständen nicht zur Nachtzeit geleert wird. Sollte B allerdings im Urlaub sein, hindert das den Zugang (am 01.04.) nicht, da Urlaubsabwesenheit kein gewöhnlicher Umstand ist.

Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 1)

Zu prüfen ist der Anspruch des Verlags „Handwerkswissen“ gegen H auf Abnahme und Bezahlung der angelieferten Bücher gemäß § 433 Abs. 2 BGB.

Voraussetzung für diesen Anspruch ist ein wirksamer Kaufvertrag zwischen dem Verlag und H. Hierzu müssten zwei übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben worden sein.

Fraglich ist bereits, ob H ein Angebot gemacht hat. Zwar hat er die Bestellkarte ausgefüllt, doch hat er sie nicht abgeschickt. Bei der Frage, ob H seine Willenserklärung wirksam abgegeben hat, ist aber darauf abzustellen, ob er die Erklärung bewusst in Richtung auf den Verlag geäußert hat. Das ist hier nicht der Fall, weil nicht H, sondern sein WG-Mitbewohner die Postkarte in den Briefkasten geworfen hat. Weil H demnach keine Willenserklärung abgegeben hat, ist auch kein Vertrag mit dem Verlag zustande gekommen.

Ergebnis: H muss die angelieferten Lehrbücher nicht abnehmen und bezahlen.

2.1.4 Der Vertrag

Unter einem Vertrag versteht man die erklärte Willensübereinstimmung zweier oder mehrerer Personen, einen bestimmten Rechtserfolg herbeiführen zu wollen. Es sind daher mindestens zwei übereinstimmende Willenserklärungen für einen wirksamen Vertragsschluss erforderlich. Diese beiden Willenserklärungen heißen Angebot (bzw. Antrag, § 145 BGB) und Annahme (§ 147 BGB).

Handlungssituation (Fallbeispiel 2)

Heinrich (H) entdeckt im Schaufenster von „Katjas Handwerksmoden“ einen schicken Overall, ausgezeichnet für 99,– €. H ist begeistert und erklärt im Laden, er wolle den Overall aus dem Schaufenster kaufen. Katja (K) holt daraufhin den Overall – und verlangt 299,– €. Auf die Entrüstung des H hin erklärt K, der Overall sei falsch ausgezeichnet gewesen. H steht auf dem Standpunkt: „Vertrag ist Vertrag“.

Ist ein Vertrag zustande gekommen? Wenn ja, mit welchem Inhalt?

(Lösung Seite 26)

2.1.4.1 Angebot

Das Vertragsangebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muss so eindeutig formuliert sein, dass der andere Teil das Angebot mit einem einfachen „Ja“ annehmen kann. Das ist dann der Fall, wenn die wesentlichen Vertragsbestandteile im Angebot enthalten sind.

Beispiel: Beim Kaufvertrag sind die wesentlichen Vertragsbestandteile der Kaufpreis und die Kaufsache.

Ein Vertragsangebot liegt nur vor, wenn der Erklärende mit Rechtsbindungswillen handelt. An diesem fehlt es, wenn die Auslegung ergibt, dass ein potenzieller Empfänger nur aufgefordert werden soll, seinerseits ein Vertragsangebot zu machen (sog. invitatio ad offerendum).

Beispiel: Auslegen der Ware im Supermarkt bzw. generell Werbung (auch im Internet). Hier möchte sich der Erklärende noch nicht rechtsverbindlich äußern, da er evtl. noch die Zahlungsfähigkeit seiner Kunden überprüfen möchte bzw. gar nicht genügend Ware auf Lager hat, um alle Interessenten zu bedienen.

2.1.4.2 Annahme

Durch die Annahmeerklärung gibt der andere Teil sein Einverständnis mit dem Angebot des ersten kund. Daher muss die Annahme auf das Angebot bezogen sein und diesem inhaltlich entsprechen (Übereinstimmen der Willenserklärungen). Hierbei schadet eine Falschbezeichnung nicht, wenn der andere Teil sie genauso versteht.

Beispiel: A bestellt bei Fischhändler B 1 kg „Haakjöringsköd“ im Glauben, hierbei handele es sich um Walfischfleisch. B, der genauso denkt, erklärt sich hiermit einverstanden. In Wahrheit bedeutet „Haakjöringsköd“ im Norwegischen aber Haifischfleisch. Da B jedoch dem gleichen Irrtum wie A unterliegt, kommt ein Vertrag über (das beiderseits gewollte) Walfischfleisch zustande.

Eine Annahme ist nur so lange möglich, wie es der Anbietende zulässt. Deshalb kann der Antragende dem Annehmenden eine (frei bestimmbare) Annahmefrist setzen (§ 148 BGB). Soweit der Anbietende keine Annahmefrist gesetzt hat, kommt es für die Dauer der Annahmemöglichkeit darauf an, ob das Angebot unter Anwesenden oder unter Abwesenden erfolgt. Der einem Anwesenden gemachte Antrag kann nämlich nur sofort angenommen werden (§ 147 Abs. 1 S. 1 BGB). Dies gilt auch bei einem telefonischen Angebot (§ 147 Abs. 1 S. 2 BGB). Der einem Abwesenden gemachte Antrag kann hingegen so lange angenommen werden, wie es den regelmäßigen Umständen entspricht (§ 147 Abs. 2 BGB). Damit hängt hier die Länge der Annahmemöglichkeit von den Umständen des Einzelfalles ab.

Beispiel: Bei einer Vertragskommunikation per E-Mail beträgt die Annahmefrist grundsätzlich nur wenige Tage, bei einem Briefversand ins Ausland evtl. mehrere Wochen.

Wenn die Annahme zu spät erfolgt, erlischt das Angebot (§ 146 BGB). Allerdings gilt die verspätete Annahme als ein neues Angebot (§ 150 Abs. 1 BGB). Das Gleiche gilt, wenn eine Annahme unter Erweiterungen, Einschränkungen oder sonstigen Änderungen erfolgt („ja, aber…“), § 150 Abs. 2 BGB. I. d. R. ist auch die Annahme eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Vom Zugangserfordernis (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB) macht § 151 S. 1 BGB jedoch eine Ausnahme, wenn der Zugang der Annahmeerklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist.

Beispiel: Klassischer Katalog-Versandhandel. Hier kommt der Vertrag grundsätzlich mit dem Einpflegen der Daten des Kunden beim Versandhändler zustande. Dieses stellt eine konkludente Annahmeerklärung dar, die dem Kunden nicht zugeht.

Achtung: § 151 S. 1 BGB sagt nicht, dass die Annahme an sich entbehrlich wäre.

2.1.4.3 Bindungswirkung

Bereits das Vertragsangebot ist eine rechtsverbindliche Willenserklärung. Etwas anderes gilt nur, wenn der Antragende die Bindungswirkung ausgeschlossen hat (z. B. durch die Formulierung „freibleibend“). Das Gleiche gilt für die Annahmeerklärung. Wenn diese erfolgt, ist ein Vertrag wirksam und rechtsverbindlich abgeschlossen. Es gibt dann grundsätzlich keine Möglichkeit mehr, die Willenserklärung ohne Grund einseitig zu widerrufen. Verträge sind vielmehr zu erfüllen („pacta sunt servanda“).

Anmerkung: Ein Widerruf der Willenserklärung ist nur möglich, wenn dies vereinbart wurde (z. B. die von einem Kaufhaus eingeräumte „Umtauschmöglichkeit“ aus Kulanz), oder aus Gründen des Verbraucherschutzes bei Haustürgeschäften (§§ 312, 355 BGB) bzw. Fernabsatzverträgen (§ 312b, 355 BGB).

Lösung zur Handlungssituation (Fallbeispiel 2)

Es könnte ein Vertrag zwischen H und K über den Kauf der Jacke für 299,– € zustande gekommen sein. Dann hätte K gegen H einen entsprechenden Zahlungsanspruch aus § 433 Abs. 2 BGB. Es müssten also Angebot und Annahme (§§ 145, 147 BGB) vorliegen und übereinstimmen.

Ein Angebot der K könnte schon darin zu sehen sein, dass sie den Overall in ihrem Schaufenster ausgestellt hat. Allerdings liegt eine Willenserklärung nur dann vor, wenn sich der Erklärende erkennbar rechtlich binden will. Dies ist beim Ausstellen von Waren nicht der Fall. Denn ein Ladenbesitzer will es sich grundsätzlich vorbehalten, die Bonität der Kunden zu prüfen. Ferner kann und will er evtl. auch nicht an alle Kunden verkaufen (und ihnen also ein Angebot machen), die an dem Schaufenster vorbeilaufen. Insoweit handelt es sich bloß um eine sog. invitatio ad offerendum.

Es könnte aber ein Angebot durch den H im Laden der K vorliegen. Dies ist der Fall. Bei der Frage nach dem Inhalt des Angebots kommt es auf den objektiven Empfängerhorizont, d. h. einen objektiven Dritten, an (§§ 133, 157 BGB). Dieser muss das Angebot hier so verstehen, dass H das Preisetikett im Schaufenster seiner Erklärung zugrunde gelegt hat. Folglich liegt ein Angebot i. H. v. 99,– € vor.

Dieses Angebot hat K aber nicht angenommen, weil sie den Overall für 299,– € verkaufen will. Dies ist auch möglich, da Vertragsfreiheit herrscht. Die Erklärung der K ist als Ablehnung mit einem neuen Angebot zu sehen (§ 150 Abs. 2 BGB). Das Angebot der K hat H aber nicht angenommen.

 

Ergebnis: Ein Vertrag zwischen H und K besteht nicht.