Handbuch des Strafrechts

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3. Gewahrsamsbegründung

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a) Der zweite Teilakt der Wegnahme (der freilich meist mit dem Gewahrsamsbruch zeitlich mehr oder weniger eng zusammenfällt) erfordert, dass der Täter neuen Gewahrsam an der fremden beweglichen Sache begründet.[167] Nach der herrschenden Apprehensionstheorie ist neuer Gewahrsam begründet, wenn der Täter derart Herrschaft über die Sache erlangt hat, dass er ungehindert über die Sache verfügen kann und der ehemalige Gewahrsamsinhaber ohne die Beseitigung der Verfügungsgewalt des Täters nicht mehr über die Sache verfügen kann.[168] Hierfür ist bei kleineren Gegenständen bereits das bloße Ergreifen der Sache (nicht aber das bloße Berühren) ausreichend.[169] Es ist darüber hinaus nicht erforderlich, dass die Sache weggebracht wird (Ablationstheorie), dies führt aber zur Beendigung des Diebstahls. Nach allgemeiner Ansicht ist auch die Frage der Begründung neuen Gewahrsams nach den Umständen des Einzelfalls und unter Zugrundelegung der allgemeinen Verkehrsanschauung zu beurteilen.

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Die Dauer des neuen Gewahrsams ist dabei unerheblich. Der Täter muss lediglich überhaupt kurzzeitig die Herrschaft über die Sache innegehabt haben.[170] Auch bei einem baldigen Gewahrsamsverlust des Täters liegt eine Gewahrsamsbegründung vor. Die spätere Rückführung an den Eigentümer oder den ehemaligen Gewahrsamsinhaber ist grundsätzlich zwar bedeutungslos;[171] im Falle eines von Beginn an bestehenden Willens des Täters zur Rückführung der Sache ist indes die Zueignungsabsicht fraglich (vgl. unten Rn. 58 f.). Es bedarf auch keiner Begründung des Gewahrsams durch den Täter selbst, vielmehr genügt, wenn er einem Dritten den Gewahrsam verschafft oder diesen als Werkzeug zur Erlangung des Gewahrsams benutzt.[172] Gewahrsamsbruch und Begründung neuen Gewahrsams können u.U. auch einmal zeitlich auseinander fallen. Denkbar ist dies etwa, wenn der Täter die Diebesbeute aus einem fahrenden Zug wirft und diese erst später abholt. Bis zur Begründung neuen Gewahrsams ist hier nur von einem Versuch auszugehen.[173]

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b) Befindet sich die Sache noch im fremden Herrschaftsbereich des alten Gewahrsamsinhabers, wie dies etwa in Selbstbedienungsläden[174] zunächst die Regel sein dürfte, ist der alte Gewahrsam an kleineren Gegenständen nur dann aufgehoben, wenn der ehemalige Gewahrsamsinhaber in die „Sphäre“ des Täters eindringen müsste, um seinen Gewahrsam wiederzuerlangen. In diesen Fällen spricht man von einer Gewahrsamsenklave, die der Täter begründet.[175] Zur Neubegründung des Gewahrsams genügt dann, dass der Täter die Sache an sich nimmt und dem Wegbringen der Sache keine wesentlichen Hindernisse mehr entgegenstehen.[176] Dies ist denklogisch nur bei kleineren Gegenständen möglich und etwa dann der Fall, wenn der Täter die Sache in seiner Kleidung versteckt oder in ein mitgeführtes Behältnis steckt.[177] Bei sehr kleinen Gegenständen reicht u.U. selbst schon das In-der-Hand-Halten aus.[178] Wie beim Gewahrsamsbruch ist es auch vorliegend ohne Belang, ob der Täter beobachtet wird.

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Kein neuer Gewahrsam wird hingegen begründet, wenn Sachen in Behältnissen versteckt werden, die noch der Kontrolle des alten Gewahrsamsinhabers unterliegen. Hier ist jederzeit ein Zugriff des alten Gewahrsamsinhabers möglich, weshalb z.B. das Verstecken der Sache im Einkaufswagen noch keinen neuen Gewahrsam begründet.[179] Dies geschieht erst, wenn der Bereich der bestimmungsgemäßen Kontrolle des Behältnisses[180] durchschritten wird oder spätestens mit dem vollständigen Verlassen des Geschäfts.[181] Der Täter muss bei mehreren oder sperrigen bzw. allgemein größeren Sachen den fremden Herrschaftsbereich ebenso verlassen haben, da es dem Täter vorher nicht möglich ist, diese Gegenstände in eine eigene Gewahrsamsenklave zu verbringen.[182]

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Daher liegt i.d.R. noch kein neuer Gewahrsam vor, wenn der Täter die Sache innerhalb des fremden Herrschaftsbereichs versteckt, um sie später abzutransportieren, wobei natürlich die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind. Kein Gewahrsamswechsel ist daher im Einstellen eines Buches in ein falsches Regal in einer Bibliothek gegeben, während dieser hingegen zu bejahen ist, wenn ein Schmuckstück zum späteren Abtransport in einen Müllsack gesteckt wird.[183] Bei Kraftfahrzeugen genügt zur Gewahrsamsbegründung das bloße Wegfahren bzw. Abschleppen,[184] wobei auch eine kurze Strecke ausreicht.[185]

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c) Die Begründung neuen Gewahrsams (in Zueignungsabsicht) ist gleichbedeutend mit der Vollendung des Diebstahls. Beendet ist er dagegen erst, wenn der Täter den neuen Gewahrsam gefestigt und derart gesichert hat, dass die Tat zu ihrem endgültigen Abschluss gekommen ist.[186] Eine derartige „Beutesicherung“ ist insbesondere anzunehmen, wenn der Täter die Sache in seine eigenen Räume oder ein Versteck verbracht hat.[187] Besondere Relevanz hat die Unterscheidung zwischen Vollendung und Beendigung insbesondere für die Abgrenzung von § 249 und § 252 StGB sowie für die Frage nach einer möglichen sukzessiven Teilnahme am Diebstahl zwischen Vollendung und Beendigung sowie den Beginn der Verjährung.

III. Die überschießende Innentendenz beim Diebstahl: Zueignungsabsicht

1. Absicht

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Zusätzlich zu dem allgemeinen Vorsatzerfordernis muss der Täter auf subjektiver Ebene absichtlich, also mit zielgerichtetem Willen, hinsichtlich der rechtswidrigen Zueignung der Sache an sich oder einen Dritten handeln.[188] Hierin besteht das maßgebliche Kriterium zur Abgrenzung zwischen Diebstahl und bloßer Sachentziehung und Gebrauchsanmaßung, die (abgesehen von bestimmten Fällen, wie etwa solchen des § 248b StGB) grundsätzlich straflos sind.[189] Ob es tatsächlich zur Zueignung kommt, ist insoweit nicht maßgeblich, da es sich bei § 242 StGB um ein Delikt mit überschießender Innentendenz bzw. um ein erfolgskupiertes Delikt handelt. Entscheidend ist allein die subjektive Absicht des Täters dahingehend im Zeitpunkt der Wegnahmehandlung. Im Falle eines Irrtums des Täters über den weggenommenen Gegenstand, kann im Einzelfall die Zueignungsabsicht (jedoch nicht der Vorsatz als solcher) zu verneinen sein, womit die Vollendungsstrafbarkeit hinsichtlich der weggenommenen Sache entfiele, da er eine Sache in seinen Gewahrsam bringt, die er gar nicht haben wollte.[190]

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Die Rechtswidrigkeit der angestrebten Zueignung ist nach h.M. ein objektives Tatbestandsmerkmal, da sich die Absicht des Täters nur auf objektive Elemente beziehen kann.[191] Vgl. zu den damit zusammenhängenden Fragen näher unten Rn. 64 ff.

2. Zueignung

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Unter Zueignung versteht man die Anmaßung einer eigentümerähnlichen Sachherrschaft („se ut dominum gerere“), indem der Täter die Sache selbst oder den in ihr verkörperten Sachwert dem eigenen Vermögen einverleibt[192] und damit sich oder einen Dritten wirtschaftlich in die Lage des Eigentümers versetzt.[193] Die Zueignung hat zwei Voraussetzungen, die sich im Hinblick auf Dauerhaftigkeit und Vorsatzintensität unterscheiden: Es bedarf sowohl der Enteignung im Sinne einer dauernden Verdrängung des Eigentümers aus seiner Machtstellung und der Aneignung als wenigstens vorübergehende Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters oder eines Dritten.

a) Gegenstand der Zueignung

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Was genau den Gegenstand der Zueignung darstellt, ist umstritten. Streitpunkt hierbei ist, ob sich die Zueignung auf die Sache selbst oder auf den ihr innewohnenden Vermögenswert beziehen muss. Eine grobe Unterscheidung dieser Ansichten ist in die Substanz-, die Sachwert- und die Vereinigungstheorie möglich (wobei die beiden Erstgenannten in ihrer Reinform heute kaum noch vertreten werden). Der Streit hat vor allem im Rahmen der Enteignung Relevanz, genauer, wenn der Täter plant, die Sache zum Eigentümer zurückzuführen, sich zuvor aber dessen Wert ganz oder teilweise zuführen möchte (vgl. auch Rn. 60).[194]

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Die Substanztheorie bezieht sich auf die Sache selbst, diese muss der Täter dem Eigentümer entziehen.[195] Teilweise erfährt die Theorie insoweit eine Modifikation, dass nicht auf die Sache selbst, sondern vielmehr auf die an ihr bestehenden Herrschaftsbefugnisse abgestellt wird, so dass auch der Entzug der der Sache innewohnenden Gebrauchs- und Funktionsmöglichkeiten ausreichend wäre.[196] Nach der Sachwerttheorie hingegen ist allein der in der Sache verkörperte Wert Gegenstand der Zueignung.[197] Es bedarf daher auch keiner dauernden Entziehung der Substanz der Sache gegenüber dem Eigentümer, solange der Täter ihren Wert teilweise oder vollständig entzieht. Bei wirtschaftlich wertlosen Sachen freilich scheidet diese Art der Zueignung aus, insoweit werden hier die Grenzen zwischen Eigentums- und Vermögensdelikten verwischt.[198]

 

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Die heute h.M. in Literatur und Rechtsprechung vertritt die Vereinigungstheorie. Hierbei handelt es sich um eine Kombination aus Substanz- und Sachwerttheorie, mit dem Zweck, die Verletzung des Eigentums möglichst weitreichend zu erfassen.[199] Nach dieser Ansicht muss der Täter entweder die Sache selbst oder den ihr innewohnenden Wert entziehen wollen.[200] Zur Abgrenzung zu Bereicherungsdelikten wie § 263 StGB wird der Sachwert enger ausgelegt, als dies bei der Sachwerttheorie der Fall ist. Sachwert i.S.d. Vereinigungstheorie ist daher nur der nach Art und Funktion mit der Sache verbundene Wert („lucrum ex re“), während der erzielbare Veräußerungserlös an der Sache („lucrum ex negotio cum re“) nicht erfasst wird.[201] Die Eigentumsfunktion wird damit insbesondere in der Sachnutzung gesehen.[202]

b) Enteignungskomponente

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aa) Nach der Vereinigungstheorie betrifft die (opferbezogene) Enteignungskomponente die auf Dauer angelegte Entziehung der Sache, also ihrer Substanz oder ihres Sachwertes, von ihrem Eigentümer.[203] Notwendig ist daher eine Verdrängung des Eigentümers aus seiner faktischen Herrschaftsposition und damit aus seiner umfassenden Befugnis nach § 903 BGB[204] über die Sache. Dies hat aber keinerlei Einfluss auf seine zivilrechtliche Eigentumsposition entsprechend § 935 Abs. 1 BGB.[205] Um die Zueignungsabsicht zu bejahen, muss der Täter Vorsatz auf die Enteignung haben. Hierfür genügt einfacher Vorsatz, also mindestens dolus eventualis und billigende Inkaufnahme des endgültigen Verlustes des Eigentümers an der Sache.[206]

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bb) Ein etwa vorhandener Rückführungswille des Täters (zum Tatzeitpunkt) schließt den Enteignungsvorsatz grundsätzlich aus, da die Enteignung dauerhaft sein muss. Rechnet der Täter also nicht damit, dass dem Eigentümer die Sache dauerhaft entzogen bleiben könnte, so fehlt der Enteignungsvorsatz, und der Gebrauchsdiebstahl bzw. die Gebrauchsanmaßung (furtum usus), bei dem der Täter die Sache nur eine Zeit lang benutzen und anschließend zurückgeben will, wird damit von § 242 StGB nicht erfasst.[207] Ebenso fehlt der Enteignungsvorsatz, wenn die Sache nur als „Pfand“ für die Durchsetzung einer anderweitigen Forderung dienen und anschließend an das Opfer zurückgegeben werden soll, es sei denn, der Täter möchte die weggenommene Sache unabhängig von der Erfüllung der gestellten Forderung behalten oder verwerten[208] bzw. behält sich zumindest vor, sie nicht zurückzugeben, wenn seine Forderung nicht erfüllt wird. Die Gebrauchsanmaßung ist allenfalls nach §§ 248b, 290 StGB strafbar (vgl. auch unten Rn. 146 ff.). Ein bedingter Enteignungsvorsatz ist mangels unbedingten Rückführungswillens aber dann anzunehmen, wenn der Täter ein fremdes Kraftfahrzeug nach einer Spritztour irgendwo so abstellt, so dass es dem Zugriff Dritter ungehindert ausgesetzt ist, und es damit dem Zufall überlässt, ob der Eigentümer es zurück erhält.[209] Es ist ohne Belang, ob der Eigentümer die Sache tatsächlich zurück erlangt, denn für den Enteignungsvorsatz ist allein der Rückführungswille zum Zeitpunkt der Wegnahme maßgeblich.[210] Dieser ist aber abzulehnen, wenn eine wesentliche Wertminderung bzw. Abnutzung der Sache eingeplant wird.[211]

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Der Rückführungswille muss sich auf die weggenommene Sache beziehen, sonst ist er unbeachtlich. Kein den Enteignungsvorsatz ausschließender Rückführungswille liegt daher vor, wenn der Täter nicht genau den weggenommenen Gegenstand zurückgeben will, sondern „nur“ eine andere gleichwertige Sache, ebenso wenn er den Verlust auf andere Art und Weise, z.B. durch eine Geldzahlung, ausgleichen will. Fraglich ist jedoch, ob man dies auch bei der Wegnahme von Geldbeträgen (eigenmächtiger Geldwechsel) oder anderen vertretbaren Sachen ebenso sehen muss,[212] da hier die Figur der mutmaßlichen rechtfertigenden Einwilligung durchaus denkbar ist.[213]

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cc) Auch bei bestehendem Rückführungswillen kann der Enteignungsvorsatz aber dann bejaht werden, wenn der Täter die Sache erst nach teilweiser oder vollständiger Entziehung des Sachwertes zurückgeben will. Bei der Rückgabe gegen Entgelt ist wiederum zu unterscheiden: Will der Täter die Rückgabe der Sache in Anerkennung oder unter Leugnung des Eigentumsrechts vollziehen? Im Falle der Leugnung – etwa indem der Täter die Sache an den Eigentümer zurück verkauft, ohne dessen Eigentum offen zu legen – liegt eine Zueignung vor.[214] Im Falle der Anerkennung, wie z.B. bei der Zurückgabe von entwendetem Leergut, an dem sich der Hersteller das Eigentum vorbehalten hat,[215] liegt keine Zueignung vor, da hier das Eigentum gerade ausdrücklich anerkannt wird.[216] Selbst wenn der Täter die Rückgabe von einem Finderlohn abhängig macht, ist die Enteignung zu verneinen.[217] Enteignungsvorsatz zum Zeitpunkt der Wegnahme ist aber zu bejahen, wenn der Täter seinen Rückführungswillen – umgekehrt formuliert seinen Enteignungsvorsatz – von bestimmten Bedingungen abhängig macht, die nicht in seiner Einflusssphäre liegen, da er hiermit im Sinne eines „dolus alternativus“ jedenfalls auch die Möglichkeit der Nichtrückgabe in seinen Vorsatz aufnimmt.[218] Ebenso ist das Vorliegen der nötigen Aneignungsabsicht in diesen Fällen fraglich.

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In diesem Zusammenhang ebenfalls problematisch sind die Fälle, in denen der Täter Wertpapiere, Legitimationspapiere oder „Wertkarten“ wegnimmt und diese dem Berechtigten nach Nutzung zurückgibt. Kein Sachwert wird etwa der Codekarte entzogen, wenn diese weggenommen und nach erfolgter Geldabhebung zurückgegeben wird.[219] Eine Ausnahme besteht nur, wenn die Codekarte zugleich eine Geldkarte ist,[220] sonst kommt ein Diebstahl nur an dem abgehobenen Geld selbst in Betracht. Bei Wertpapieren liegt nur dann eine Zueignung vor, wenn der Täter die in ihnen verkörperten Forderungen entzieht. Eine eventuelle Rückgabe der Wertpapiere ist dann aber ohne Einfluss.[221] Auch bei der Wegnahme von nur qualifizierten Legitimationspapieren (§ 808 BGB), wie es Sparbücher sind, bejaht die h.M. eine Zueignung, wenn ein solches weggenommen und nach erfolgter Geldabhebung zurückgegeben wird.[222] Genauso wurde bei Gutscheinen, Lebensmittelkarten, Bier- und Benzinmarken entschieden.[223] Gleiches dürfte für die Nutzung von Telefon-, Geld- und Prepaid-Karten gelten.[224]

c) Aneignungskomponente

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Die (täterbezogene) Aneignungskomponente betrifft die Anmaßung einer „eigentümerentsprechenden“ Position des Täters oder eines Dritten über die Sache. Hierzu ist zumindest eine vorübergehende Einverleibung der Sache in das Vermögen des Täters nötig, er muss sie also für sich behalten oder ausnutzen („se ut dominum gerere“). Zu beachten ist, dass der Täter das zivilrechtliche Eigentum regelmäßig nicht erwerben kann, er aber dennoch die Verfügungsgewalt über die Sache innehat. Im Unterschied zur Enteignung muss der Täter hinsichtlich der Aneignung mit Absicht, also zielgerichtetem Wollen handeln.

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Die Aneignungskomponente dient zur Abgrenzung zwischen Diebstahl und der (allenfalls einmal als Sachbeschädigung nach § 303 StGB strafbaren) Sachentziehung. Eine nur kurzfristige Inbesitznahme ist bereits für eine Aneignung ausreichend, die bloße Wegnahme genügt hierfür aber nicht, da sonst der Aneignungskomponente keine eigenständige Bedeutung zukäme und sie damit jegliche Trennschärfe verlieren würde. Plant der Täter bereits von Beginn an, die Sache wegzuwerfen, zu zerstören oder auf andere Art und Weise zu beseitigen, will er diese also nicht für sich behalten, so liegt trotz kurzfristiger Inbesitznahme der Sache keine Aneignungsabsicht vor.[225] Zwar könnte man in derartigen dereliktionsähnlichen Handlungen auch eine Manifestation einer eigentümerähnlichen Stellung sehen, diese allein ist jedoch nicht ausreichend, denn der Täter muss die eigentümerähnliche Herrschaft über die Sache wenigstens zuvor begründet haben, was aber gerade nicht durch Dereliktion geschieht.[226] Auch die Wegnahme einer Sache, um den Eigentümer bzw. Gewahrsamsinhaber zu ärgern oder sich an diesem zu rächen, erfüllt nicht die Voraussetzung der Aneignungsabsicht,[227] da es dem Täter auch hier nicht darauf ankommt, die Sache wirtschaftlich sinnvoll (etwa durch Benutzung, Verkaufen, Verschenken) zu nutzen. Ebenso handelt der Täter ohne Zueignungsabsicht bei sog. „Inpfandnahmen“, also wenn er eine Sache als Druckmittel zur Durchsetzung einer Forderung einsetzen will, da er den Gegenstand gerade nicht in sein Vermögen einverleiben will, sondern er durch die Behandlung als Pfand mittelbar anerkennt, dass die Sache an sich zum Vermögen einer anderen Person gehört.[228]

3. Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung

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Für den Umstand, dass die vom Täter beabsichtigte Zueignung zudem rechtswidrig sein muss,[229] ist vorrangig auf die Enteignungskomponente abzustellen, da insbesondere diese einen Rechtsgutsangriff beinhaltet.[230] Rechtswidrig ist die beabsichtigte Zueignung dann, wenn sie dem Stand der materiell- (insbesondere zivil-) rechtlichen Rechtslage widerspricht, also insbesondere, wenn der Täter keinen fälligen und einredefreien Anspruch genau auf die weggenommene Sache hat.[231] Die Rechtswidrigkeit der erstrebten Zueignung stellt nach zutreffender h.M. ein objektives (normatives) Tatbestandsmerkmal innerhalb des subjektiven Tatbestandes dar, das von der allgemeinen Rechtswidrigkeit der Tat abzugrenzen ist.[232] Der Vorsatz des Täters muss sich auch auf die Rechtswidrigkeit erstrecken, wobei dolus eventualis genügt.[233] Im Falle des Irrtums des Täters darüber, dass er selbst oder – im Fall der angestrebten Drittzueignung der Dritte – ein Recht zur Zueignung der weggenommenen Sache hat, ist der subjektive Tatbestand nicht erfüllt.[234] Falls die Zueignung rechtswidrig ist und der Täter hierüber irrt, liegt unabhängig davon, ob dieser auf einer falschen zivilrechtlichen Wertung beruht oder sich auf Tatsachen bezieht, ein vorsatzausschließender Tatbestandsirrtum nach § 16 StGB vor.[235] Stellt sich der Täter irrtümlich die Rechtswidrigkeit der Zueignung vor, liegt ein (strafbarer) untauglicher Versuch vor.[236]

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Sofern ein allgemeiner Rechtfertigungsgrund vorliegt, ist die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung ebenfalls zu verneinen. Neben Notstand (§ 34 StGB) und Selbsthilfe (§ 229 BGB) kommen insbesondere die Einwilligung und mutmaßliche Einwilligung in Betracht. Die Einwilligung ist grundsätzlich immer dann möglich, wenn die Person des Eigentümers und die des Gewahrsamsinhabers auseinanderfallen, denn trotz des fehlenden (tatbestandsausschließenden) Einverständnisses des Gewahrsamsinhabers in die Wegnahme ist in der Zustimmung des Eigentümers eine rechtfertigende Einwilligung zu sehen.[237] Aufgrund der Verbindung der Enteignung zur zivilrechtlichen Eigentumslage ist bei dem einwilligenden Eigentümer die Fähigkeit zum rechtsgeschäftlichen Handeln nötig.[238] Daneben kommt insbesondere in Fällen eigenmächtigen Geldwechselns eine mutmaßliche Einwilligung in Betracht,[239] vorausgesetzt, die Enteignungskomponente wird nicht bereits mit der h.M. abgelehnt (so aber die sog. „Wertsummentheorie“). Neben den allgemeinen Voraussetzungen der mutmaßlichen Einwilligung ist entscheidend, dass der Eigentümer auch an dem ausgewechselten Geld Eigentum erwirbt, was dadurch geschieht, dass eine Vermischung mit anderem noch vorhandenen Geld stattfindet. Ist dies nicht der Fall, scheidet die mutmaßliche Einwilligung aus, denn der Eigentümer wäre dann nicht gegen eine erneute Wegnahme über § 242 StGB geschützt, was wiederum dazu führt, dass die Geldauswechslung nicht seinem Interesse entspricht.[240] Die Rechtsprechung ist noch strenger und lehnt eine mutmaßliche Einwilligung bei Geldwechslung bei öffentlichen Kassen vollständig ab.[241] Ebenso ist eine mutmaßliche Einwilligung unter den genannten Voraussetzungen beim Austausch von vertretbaren Sachen möglich oder wenn dem Eigentümer die Sache offensichtlich gleichgültig ist.[242]

 

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Die Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung entfällt außerdem, wenn der Täter bzw. bei Drittzueignungsabsicht der Dritte einen (zivilrechtlichen) fälligen einredefreien Anspruch auf (genau) die Sache hat, denn dann vollzieht der Täter nur die zivilrechtlich gewollte Rechtslage.[243] Der Täter mag hier (mangels dinglicher Einigung nach § 929 BGB) zwar dennoch das weiterhin formal geschützte Eigentum verletzen, der ohnehin zur Übereignung verpflichtete Eigentümer ist bei einer Stückschuld aber nicht mehr im strafrechtlichen Sinne gegen die verbotene Eigenmacht des Täters (§ 858 BGB) schutzwürdig.[244] Handelt es sich jedoch um Gattungssachen, dann verletzt die Wegnahme das Aussonderungsrecht des Gläubigers nach § 243 Abs. 2 BGB.[245] Der Täter wird hierbei aber oft irrtümlich davon ausgehen, er handle rechtmäßig, was von der Rechtsprechung bei Geldforderungen als Tatbestandsirrtum angesehen wird.[246] Es scheint überzeugend, bei Geldforderungen aufgrund eines fälligen einredefreien Anspruchs die Rechtswidrigkeit auszuschließen, da hier kein schutzwürdiges Auswahlrecht des Schuldners besteht, weil es sich nur um die Forderung auf eine Wertsumme handelt.[247] Jedoch entfaltet dies keine Wirkung, wenn der Täter bestimmte Geldzeichen mit einem höheren Wert als die Forderungssumme (z.B. aus einer Münzsammlung) wegnimmt.[248] Umstritten ist die Konstellation, ob die Rechtswidrigkeit auch schon entfällt, wenn der Täter durch Anfechtung einen Anspruch auf Rückübereignung begründen könnte, er bisher aber nicht von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch gemacht hat.[249] Ebenso können andere schuldrechtliche Ansprüche zur Rechtmäßigkeit der beabsichtigten Zueignung führen, wie z.B. die Teilungsbefugnis zwischen Eigentümern bezüglich des dem Täter zustehenden Anteils.[250] Des Weiteren ist die Zueignung nicht rechtswidrig, wenn der Täter ein Aneignungsrecht, z.B. nach §§ 910, 954 ff. BGB oder Art. 130 EGBGB hat.[251]