Handbuch des Strafrechts

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[117]

BeckOK-Beukelmann, § 263 Rn. 1 m.w.N.

[118]

Hoven, in: Fischer u.a., Dogmatik und Praxis des strafrechtlichen Vermögensschadens, 2015, S. 201, 205.

[119]

BGH NStZ 2012, 629.

[120]

So stellt etwa die Täuschung über den Kilometerstand eines gebrauchten Fahrzeugs keinen Betrug dar, wenn das Fahrzeug gleichwohl zu einem marktüblichen Preis verkauft wird.

[121]

Otto, WM 1988, 729, 733; ders., ZRP 1996, 300, 303 ff.; ders., Die Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, 1970, S. 64 f.; Bockelmann, JZ 1952, 461, 464 f.; Hardwig, GA 1956, 6, 17 ff.; Heinitz, JR 1968, 387 f.; Geerds, Jura 1994, 309, 320; Ceffinato, NZWiSt 2015, 90.

[122]

Pawlik, Das unerlaubte Verhalten beim Betrug, 1999, S. 277 ff.; NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 33.

[123]

Krit. hierzu Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 99a.

[124]

NK-Kindhäuser, § 263 Rn. 284; SK-Hoyer, § 263 Rn. 223 ff.

[125]

BGHSt 16, 321, 331; 23, 300, 301; BGH NStZ 2016, 149; Fahl, JA 1995, 198; MK-Hefendehl, § 263 Rn. 794 ff. m.w.N.

[126]

St.Rspr. BGHSt 16, 321, 331; 23, 300, 301; BGH NStZ 2016, 149.

[127]

BGH NStZ 2016, 149. Der BGH betont hier, dass es „auf die Vorstellungen, Wünsche oder Absichten des Geschädigten [. . .] insoweit nicht an[komme]. Betrug schützt wie auch Erpressung nicht die Dispositionsfreiheit, sondern das Vermögen.“

[128]

LK-Tiedemann, § 263 Rn. 180.

[129]

Vgl. MK-Hefendehl, § 263 Rn. 816.

[130]

BGHSt 6, 117; 21, 112; 23, 300 m. Anm. Lenckner, JZ 1971, 320; 53, 202; 54, 123; BGH GA 1962, 214; MDR/H 1979, 636; StV 1987, 535; BB 1991, 713; NStZ 1995, 232; NStZ 1998, 570; wistra 2004, 60; BayObLG NJW 1988, 2550; Maurach/Schroeder/Maiwald/Hoyer/Momsen, BT/1, § 41 Rn. 124; Graba, NJW 1970, 2221; Satzger, Jura 2009, 524; Schröder, JR 1971, 71, 74; Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 143; ausf. hierzu MK-Hefendehl, § 263 Rn. 533, 703.

[131]

BGHSt 44, 376, 384; BGH NStZ 2003, 540; NStZ-RR 2005, 343; Fischer, § 266 Rn. 150; BeckOK-Wittig, § 266 Rn. 55.

[132]

BeckOK-Wittig, § 266 Rn. 55.

[133]

BGHSt 47, 148, 156 m. Anm. Kühne, StV 2002, 198 ff.; Schünemann, NStZ 2008, 430, 432.

[134]

BGHSt 51, 100, 121 m. Anm. Ransiek, NJW 2007, 1727; BGH NStZ 2007, 704; BGHSt 52, 182, 190.

[135]

BGH NStZ 2013, 715.

[136]

Bernsmann, GA 2007, 119, 230; hierzu auch Schünemann, NStZ 2008, 430.

[137]

BGH NJW 2008, 2451, 2452. Zu dieser Kontroverse s.: Fischer, StraFo 2008, 269; Nack, StraFo 2008, 277.

[138]

BVerfGE 126, 170, 229; Jahn, JuS 2012, 266; Kraatz, JR 2012, 329; Kudlich, JA 2012, 230; Schlösser, NStZ 2012, 473; Schuhr, ZWH 2012, 105; Steinsiek/Vollmer, ZIS 2012, 586; Waßmer, HRRS 2012, 368.

[139]

BVerfGE 126, 170, 229; hierzu auch Bittmann, NStZ 2013, 73; Sch/Sch-Perron, § 263 Rn. 143.

[140]

Brüning, ZJS 2009, 300, 301.

[141]

Dies zu Recht; schließlich sind §§ 263, 266 StGB als Verletzungs- und nicht Gefährdungsdelikte konzipiert; Naucke, StV 1985, 187.

[142]

Wittig, Wirtschaftsstrafrecht, § 6 Rn. 8. S. Momsen/Grützner-Rotsch, Wirtschaftsstrafrecht, S. 13, 21.

[143]

MK-Kasiske, § 265 Rn. 3.

[144]

Krit. → AT Bd. 1: Weigend, § 11 Rn. 47.

[145]

Kubiciel, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafsachen, 2015, S. 164–177.

[146]

S. etwa Schünemann, in: Kühne/Miyazawa, Alte Strafrechtsstrukturen und neue gesellschaftliche Herausforderungen in Deutschland und Japan, 2000, S. 15, 24; Institut für Kriminalwissenschaften Frankfurt a.M. (Hrsg.), Vom unmöglichen Zustand des Strafrechts, 1995, S. 5 f.; vgl. auch → AT Bd. 1: Weigend, § 11 Rn. 47.

[147]

S. bereits Lüderssen, in: Kempf/Lüderssen/Volk, Die Handlungsfreiheit des Unternehmers, 2009, S. 241, 255 f.; Prittwitz, Strafrecht und Risiko, 1993, S. 249. Zusf. Momsen/Grützner-Rotsch, Wirtschaftsstrafrecht, S. 22.

[148]

In diese Richtung bereits Tiedemann, JuS 1989, 689, 691.

[149]

LK-Tiedemann, § 265 Rn. 4, 6; ders., JZ 1986, 865, 868; Sch/Sch-Perron, § 265 Rn. 2; Wessels/Hillenkamp/Schuhr, BT/2, § 16 Rn. 656; Kubiciel, in: Jahn u.a., Strafverfolgung in Wirtschaftsstrafsachen, 2015, S. 158, 165 f.; ders., ZStW 129 (2017), 473, 475. Dagegen: MK-Kasiske, § 265 Rn. 4; SK-Hoyer, § 265 Rn. 6 f.; → AT Bd. 1: Weigend, § 11 Rn. 47; Bussmann, StV 1999, 613, 617; Geppert, Jura 1998, 382, 383; Tiedemann, in: ders. u.a., Die Verfassung moderner Strafrechtspflege, 2016, S. 13, 18.

[150]

Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit von Sportwettbetrug und der Manipulation berufssportlicher Wettbewerbe, BT-Drs. 18/8831, S. 10 und 20.

[151]

So auch Krack, ZIS 2016, 544.

[152]

So dann auch der Gesetzesentwurf, BT-Drs. 18/8831, S. 10: „Die herausragende gesellschaftliche Rolle des Sports sowie seine große wirtschaftliche Bedeutung machen es erforderlich, den Gefahren, die von Sportwettbetrug und Manipulationen berufssportlicher Wettbewerbe für die Integrität des Sports und das Vermögen anderer ausgehen, auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzutreten.“; übereinstimmend Sch/Sch-Perron, § 265d Rn. 1; die Legitimität eines solchen Rechtsguts verneinend allerdings MK-Schreiner, § 265d Rn. 4.

[153]

Otto, Struktur des strafrechtlichen Vermögensschutzes, 1970, S. 341.

[154]

So sind etwa § 249 StGB und §§ 253, 255 StGB in einem gemeinsamen Abschnitt geregelt.

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 29 Diebstahl und Unterschlagung

Hans Kudlich

§ 29 Diebstahl und Unterschlagung

A.Einführung1 – 8

I.Diebstahl als Phänotyp von Kriminalunrecht1

II.Einordnung der §§ 242 ff. StGB2 – 7

 

III.Historische Entwicklung8

B.Kriminologische Befunde9 – 12

C.Hauptteil13 – 174

I.Das gemeinsame Tatobjekt von Diebstahl und Unterschlagung: fremde bewegliche Sachen13 – 29

1.Sachbegriff14 – 18

2.Beweglichkeit der Sache19

3.Fremdheit20 – 29

II.Die Tathandlung beim Diebstahl: Wegnahme30 – 50

1.Gewahrsamsbegriff31 – 37

a)Allgemeines31 – 33

b)Einzelfragen zur Reichweite des Gewahrsams34 – 37

2.Gewahrsamsbruch38 – 44

3.Gewahrsamsbegründung45 – 50

III.Die überschießende Innentendenz beim Diebstahl: Zueignungsabsicht51 – 71

1.Absicht51, 52

2.Zueignung53 – 63

a)Gegenstand der Zueignung54 – 56

b)Enteignungskomponente57 – 61

c)Aneignungskomponente62, 63

3.Rechtswidrigkeit der beabsichtigten Zueignung64 – 66

4.Drittzueignung67 – 71

IV.Die vollendete Zueignung als Tathandlung der Unterschlagung72 – 90

1.Tatobjekt76

2.Tathandlung77 – 89

a)Überblick77

b)Der Zueignungsbegriff und seine Grenzen78 – 85

c)Drittzueignung86, 87

d)Rechtswidrigkeit der Zueignung88, 89

3.Subjektiver Tatbestand der Unterschlagung90

V.Besonders schwere und qualifizierte Fälle des Diebstahls91 – 132

1.Die Regelbeispiele93 – 111

a)Allgemeine Grundsätze93 – 109

b)Die Regelbeispiele im Einzelnen110, 111

2.Qualifikationen112 – 132

a)Allgemeine Grundsätze113 – 118

b)Die Qualifikationen im Einzelnen119 – 132

VI.Spezielle Strafantragserfordernisse bei Diebstahl und Unterschlagung133 – 145

1.Voraussetzungen des § 247 StGB (Haus- und Familiendiebstahl)134 – 137

2.Voraussetzungen des § 248a StGB (Diebstahl geringwertiger Sachen)138 – 145

VII.Sondertatbestände im 19. Abschnitt des StGB146 – 170

1.Unbefugte Verwendung eines Fahrzeugs, § 248b StGB146 – 157

2.Entziehung elektrischer Energie, § 248c StGB158 – 170

VIII.Aktuelle Herausforderungen171 – 174

D.Internationalisierung und Rechtsvergleich175 – 178

E.Bezüge zum Strafverfahrensrecht179 – 185

Ausgewählte Literatur

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 29 Diebstahl und Unterschlagung › A. Einführung

A. Einführung

I. Diebstahl als Phänotyp von Kriminalunrecht

1

Der Diebstahl (und teilweise auch die hier einmal in einem eher phänomenologisch als dogmatisch-systematischen Sinne als „diebstahlsähnlich“ bezeichneten Delikte) gehört geradezu zum Kernbestand jedes Verständnisses von Kriminalität: Als siebtes Gebot („Du sollst nicht stehlen“) ist der Diebstahl schon im Dekalog erwähnt; unter den Tatbeständen des Kernstrafrechts spielt er eine überragende Rolle in der Kriminalitätswirklichkeit (vgl. auch näher unten Rn. 9 ff. zur Bedeutung in der PKS); bei der Kriminalitätsfurcht und Kriminalitätsprävention (vom Türschloss unserer PKWs bis zu Alarmanlagen an Privathäusern) ist häufig der Diebstahl im Blick, und sowohl „ökonomisch“ als auch soziobiologisch (Verschaffung von Wirtschaftsgütern bzw. von Reproduktionsressourcen) gibt es kaum ein Delikt, dessen unmittelbarer und leicht verwertbarer[1] Nutzen für den Täter[2] so leicht greifbar ist wie derjenige des Diebstahls.[3]

II. Einordnung der §§ 242 ff. StGB

2

Unter den §§ 242 ff. StGB sind Diebstahl und Unterschlagung eng miteinander verknüpft. Das macht etwa die „fremde Sache“ als identisches Tatobjekt beider Vorschriften ebenso wie das gemeinsame Strafantragserfordernis des § 247 StGB deutlich. Für bestimmte Tatobjekte bzw. Begehungsformen finden sich Ergänzungen in den §§ 248b, 248c StGB. Geschütztes Rechtsgut sind sowohl beim Diebstahl und seinen Qualifikationen als auch der Unterschlagung das (zivilrechtliche) Eigentum als spezialisiertes Rechtsgut und die damit verbundene Verfügungsbefugnis,[4] aber bei § 242 StGB auch der Gewahrsam an beweglichen Sachen.[5] Das Vermögen als Ganzes wird durch § 242 StGB nicht (unmittelbar) geschützt, und es kommt demnach anders als etwa bei den §§ 253, 263, 266 StGB nicht auf eine (beabsichtigte) Entreicherung des Eigentümers oder eine (beabsichtigte) Bereicherung des Täters an. Grenzfragen des Anwendungsbereichs treten demnach insbesondere dort auf, wo der Schutz des Eigentums und der Schutz des Vermögens verschwimmen.[6]

3

§ 242 StGB ist Grundtatbestand der Diebstahlsdelikte.[7] Er wird durch die §§ 244, 244a StGB qualifiziert; ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falles und damit eine Strafzumessungsvorschrift stellt § 243 StGB dar. Als erfolgskupiertes Delikt setzt § 242 StGB im objektiven Tatbestand keine Zueignung, sondern nur eine „Zueignungsabsicht“ als überschießende Innentendenz voraus.[8] Damit ist er keine Qualifikation zu § 246 StGB. Im Grundsatz ist § 242 StGB ein Offizialdelikt; in den Fällen der §§ 247, 248a StGB ist ausnahmsweise ein Strafantrag erforderlich.

4

Obwohl auch die §§ 249, 252 StGB jeweils die Merkmale des § 242 StGB enthalten, sind sie selbstständige Tatbestände, keine Diebstahlsqualifikationen: In § 249 StGB werden als selbstständigem (zweiaktigem) Delikt die objektiven und subjektiven Merkmale des Diebstahls miteingeschlossen und mit einer qualifizierten Nötigung verbunden.[9] Eine solche ist aber in der Regel noch nicht anzunehmen, wenn der Täter etwa durch schnelles oder listiges Zugreifen oder eine ruckartige Bewegung eine Unaufmerksamkeit beim Opfer ausnutzt, da in diesen Fällen nicht Kraft oder Zwang, sondern das Überraschungsmoment im Vordergrund steht und die Wegnahme bereits beendet ist, bevor das Opfer überhaupt Widerstand zu leisten im Stande ist.[10]

5

Diebstahlsähnliche (selbstständige) Zueignungsdelikte sind die §§ 248b, 248c, 290 StGB. Das Erfordernis der Zueignung bzw. des Handelns in Zueignungsabsicht grenzt Diebstahl und Unterschlagung von der Sachbeschädigung und -entziehung (bei denen es an der Aneignungskomponente fehlt) und von der Gebrauchsanmaßung (bei der es an der Enteignungskomponente fehlt) ab. Hinsichtlich letztgenannter inkriminiert § 248b StGB in Abweichung von der sonst geltenden Straflosigkeit des „Gebrauchsdiebstahls“ (furtum usus) aufgrund eines bestehenden Rückführungswillens den Sonderfall des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen. Die in § 248c StGB unter Strafe gestellte Entziehung elektrischer Energie ist eine Straftat eigener Art, die darauf gründet, dass elektrischer Energie durch das Reichsgericht die Sacheigenschaft abgesprochen wurde.[11]

 

6

Im Unterschied zum Diebstahl greift in Fällen des § 263 StGB als Selbstschädigungsdelikt der Täter nicht eigenmächtig in das Vermögen des Opfers hinein, sondern lässt sich den jeweiligen Vermögenswert mittels einer irrtumsbedingten Vermögensverfügung (als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal) vom Opfer selbst „herausreichen“. Wie bei § 242 StGB wird bei § 263 StGB ebenfalls eine „überschießende Innentendenz“ gefordert. Dies besteht beim nicht auf die Verletzung fremden Eigentums gerichteten bzw. beschränkten Betrug nicht in einer Zueignungs-, sondern in der Bereicherungsabsicht.

7

Die Pfandkehr (§ 289 StGB) schließlich stellt wie beim Diebstahl zwar ebenfalls die Wegnahme beweglicher Sachen (im Eigentümerinteresse) unter Strafe, knüpft aber nicht an die Fremdheit an, sondern betrifft Fälle, in denen die Wegnahme in rechtswidriger Absicht zum Nachteil eines gegenüber dem Eigentümer Berechtigten erfolgt. Die Vorschrift dient insofern nach überwiegender Ansicht nicht dem eigenständigen Schutz des Gewahrsams des Berechtigten, sondern nur dem Schutz einiger privater Pfand- und Sicherungsrechte bzw. ähnlicher Berechtigungen an der Sache.[12]

III. Historische Entwicklung

8

§ 242 StGB bzw. § 246 StGB in der jeweils heute gültigen Fassung beruhen auf Art. 1 Nr. 48 bzw. Nr. 52 des 6. StrRG vom 26. Januar 1998,[13] durch welches auch die Qualifikationsvorschrift des § 244 StGB deutlich umgestaltet wurde. Seitdem wird auch die Drittzueignungsabsicht ausdrücklich erfasst, nachdem bis dahin die Fassung der Neubekanntmachung des RStGB vom 15. Mai 1871[14] über mehr als 100 Jahre inhaltlich unverändert geblieben war.[15] Hinsichtlich § 246 StGB wurde durch das 6. StrRG dessen Subsidiarität explizit angeordnet[16] und die veruntreuende Unterschlagung in einen eigenen Absatz ausgegliedert. Auf das frühere Merkmal „Besitz oder Gewahrsam“ wurde verzichtet, und es wird nunmehr auch hier die Drittzueignung erfasst. Die erfolgten Änderungen haben insoweit den Anwendungsbereich des Unterschlagungstatbestandes deutlich erweitert[17] und Strafbarkeitslücken geschlossen. Im Jahr 2017 wurde die Qualifikation des Wohnungseinbruchdiebstahls in dauerhaft genutzte Privatwohnungen zum Verbrechen hochgestuft.

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 29 Diebstahl und Unterschlagung › B. Kriminologische Befunde

B. Kriminologische Befunde

9

Der Diebstahl ist ein Massendelikt, und die praktische Bedeutung der Diebstahlskriminalität (§§ 242–244 StGB) ist mit rund 35 % der im Jahr 2018 in Deutschland in der Polizeilichen Kriminalstatistik erfassten Straftaten (immer noch) enorm,[18] auch wenn die Anzahl der Diebstähle stetig rückläufig ist[19] und Verschiebungen hin zum Betrug erkennbar sind (die nicht zuletzt verschiedenen technischen Entwicklungen geschuldet sind[20]). Der Diebstahl ist die am häufigsten polizeilich registrierte Straftat, wenngleich Diebstahlskriminalität in manchen Bereichen eher verwaltet als im traditionellen Sinne bestraft wird.[21] Das Verhältnis von einfachem Diebstahl (19,5 %) und Diebstahl unter erschwerenden Umständen (15,5 %) ist vergleichsweise ausgewogen. Die Unterschlagung hat hingegen (auch ihrer Subsidiarität geschuldet) mit nur 2 % der gesamten registrierten Kriminalität eine deutlich geringere, aber immer noch nennenswerte, praktische Bedeutung.[22]

10

Von den Diebstählen ohne erschwerende Umstände macht der einfache Ladendiebstahl etwa ein Drittel aus.[23] Bei einfachen Ladendiebstählen fällt der überwiegend sehr geringe Wert der gestohlenen Sachen auf. Zudem fällt ins Auge, dass sich beim Diebstahl ohne erschwerende Umstände, bei dem ja die eben genannten Ladendiebstähle mit ihren überwiegend geringen Schäden mit berücksichtigt sind, die Schadensfälle dennoch zu 47,4 % im Schadensbereich zwischen 50 und 500 Euro bewegen und damit sogar zu einem höheren Prozentsatz in diesem Schadensbereich vertreten sind als der Diebstahl unter erschwerenden Umständen, der hier 40,8 % ausmacht. Vergleicht man freilich den rechnerischen Durchschnittsschaden des Diebstahls ohne erschwerende Umstände mit dem der Unterschlagung, so ergibt sich, dass der Unterschlagungsschaden mit rund 2820 Euro knapp dem Sechsfachen des entsprechenden Wertes beim Diebstahl (ca. 500 Euro) entspricht.[24] Bei den erfassten Diebstählen unter erschwerenden Umständen kommt dem Einbruchsdiebstahl eine herausgehobene Rolle zu.[25] Jeweils etwa 5 % der gesamten gezählten Diebstähle entfallen auf den Diebstahl in/aus Kraftfahrzeugen und den Diebstahl von (abgeschlossenen) Fahrrädern.[26]

11

Aussagen über den Umfang der „tatsächlichen“ Diebstahlskriminalität unter Einbeziehung des Dunkelfeldes sind kaum zu treffen. Sie hängen stark von der Anzeigebereitschaft der Verletzten ab, welche wiederum maßgeblich durch die Höhe des entstandenen Schadens beeinflusst sein dürfte. In die Rechtspflegestatistik gehen Diebstahlsdelikte, die nicht bereits nach §§ 153, 153a StPO eingestellt werden, sehr häufig über das Strafbefehlsverfahren ein, welches auch als Verurteilung gezählt wird. Dennoch liegt der Anteil der Verurteilungen wegen aller Diebstahlsdelikte (§§ 242–248c StGB) mit ca. 17 % aller Verurteilungen deutlich unter den entsprechenden Anzeigen.

12

Diebstahlsdelikte gelten als jugendtypische Kriminalität. Laut PKS 2018[27] entfallen unter den von Jugendlichen und Heranwachsenden begangenen Taten auf Diebstahl in den Kategorien Ladendiebstahl und Diebstahl unter erschwerenden Umständen zusammen etwa 30 % aller registrierten Fälle, unter den von Heranwachsenden begangenen Taten dagegen nur noch ca. 14,5 %. Damit sind die Diebstahlsdelikte auch bei Jugendlichen die häufigsten Straftaten, während bei Heranwachsenden die Körperverletzungs- und Rauschgiftdelikte noch häufiger sind.

8. Abschnitt: Schutz des Vermögens › § 29 Diebstahl und Unterschlagung › C. Hauptteil

C. Hauptteil

I. Das gemeinsame Tatobjekt von Diebstahl und Unterschlagung: fremde bewegliche Sachen

13

Tatobjekt von Diebstahl und Unterschlagung ist eine fremde bewegliche Sache.[28]

1. Sachbegriff

14

a) Sachen sind zunächst alle körperlichen Gegenstände, also alle Rechtsobjekte.[29] Dies entspricht zwar der Legaldefinition des § 90 BGB; der strafrechtliche Sachbegriff ist aber – ohne dass daraus zugegebenermaßen Unterschiede im Ergebnis resultieren – nach vorzugswürdiger Ansicht autonom vom Zivilrecht zu bestimmen.[30] Der Diebstahl an Tieren kann damit unproblematisch durch § 242 StGB erfasst werden, ohne dass eine (freilich zulässige!) „entsprechende“ Anwendung nach § 90a S. 3 BGB erforderlich wäre.[31]

15

Körperlich ist jeder Gegenstand, der durch eigene räumliche Begrenzung oder durch ein Behältnis abgegrenzt werden kann,[32] unabhängig von seinem Aggregatzustand. Auch Gas, Dampf oder Wasser können daher körperliche Gegenstände sein,[33] solange sie abgrenzbar sind. Elektrizität ist dagegen kein körperlicher Gegenstand und wird deshalb – wie eingangs erwähnt – von § 248c StGB erfasst.

16

b) Keine Körperlichkeit weisen dagegen Forderungen und sonstige Rechte auf,[34] ebenso wenig wie gespeicherte Computerdaten.[35] Im Gegensatz hierzu sind Urkunden, die eine Forderung verkörpern, wie etwa Sparbücher, Lebensmittelkarten, Schecks und Wechsel,[36] körperliche Gegenstände. Einzelne Teile eines Gegenstandes gelten ab dem Zeitpunkt, ab dem sie vom (Haupt-)Gegenstand getrennt wurden, als eigenständige Sachen. Der wirtschaftliche Wert einer Sache spielt keine Rolle.[37]

17

c) Grundsätzlich keine Sachen im strafrechtlichen Sinn sind Körperteile. An ihnen kann im Regelfall kein Eigentum begründet werden;[38] sie erlangen aber Sachqualität, wenn sie vom Körper abgetrennt werden, ohne dass sie wieder in diesen integriert werden sollen.[39] Soweit die (natürlichen oder auch künstlichen) Körperteile durch Abtrennung Sachqualität erlangen, fallen sie analog § 953 BGB in das Eigentum des Trägers.[40] Bei Implantaten ist zu differenzieren: sog. Substitutiv-Implantate, wie etwa künstliche Gelenke, Zahnplomben oder Organe teilen das Schicksal natürlicher Körperteile und verlieren daher mit der Implantation ihre Sachqualität.[41] Dagegen wird vielfach davon ausgegangen, dass sog. Supportiv-Implantate (z.B. Herzschrittmacher) auch bei fester Verbindung mit dem Körper Sachen bleiben.[42]

18

d) Was den lebenden Mensch selbst und auch den Embryo angeht, so können diese nicht als Sachen qualifiziert werden.[43] Dies ergibt sich schon aus der Menschenwürdegarantie.[44] Der menschliche Leichnam wird zwar – wenn auch nach durchaus nicht unbestrittener Ansicht – wohl zur Sache, jedoch kann daran grundsätzlich kein Eigentum begründet werden.[45] Eine Sacheigenschaft (und auch eine Eigentumsfähigkeit) ist aber zu bejahen, wenn der Leichnam nicht für die Bestattung, sondern für andere Zwecke (etwa Anatomien oder Museen) bestimmt ist. Entsprechendes gilt für Leichenteile.[46]