Handbuch des Strafrechts

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3. Kausalität

150

Zwischen Irrtum und Vermögensverfügung muss Kausalität in der Weise bestehen, dass die Verfügung als auf dem Irrtum beruhend anzusehen ist, dass also die Vornahme der Vermögensverschiebung durch den Verfügenden (auch) aus der Unkenntnis der Sachlage erklärt werden kann.[244] Insoweit fehlt es an einem Ursachenzusammenhang, wenn der Getäuschte die Tatsachenbehauptung zwar für wahr hält, ihr aber für seine Verfügung keine Bedeutung beimisst oder zur Erfüllung einer anderweitig bestehenden Pflicht handelt.

4. Unbewusste Verfügungen

151

Da das zusätzliche Merkmal der Vermögensverfügung als Bindeglied zwischen Irrtum und Schaden nur sicherstellt, dass die Vermögensverschiebung ohne rechtswidrigen Zwischenschritt des Täters (oder eines für ihn handelnden außenstehenden Werkzeugs) erfolgt, setzt es grds. kein Verfügungsbewusstsein des Getäuschten voraus. Auch ein Akt, dessen Vermögensrelevanz der Getäuschte verkennt, ist, wenn er eine unmittelbare Vermögensverschiebung bedingt, eine tatbestandsmäßige Verfügung.[245] Beispielhaft sind das Unterschreiben eines Schecks (durch einen Blinden) in der Annahme, es handele sich um eine Grußkarte, oder das Leisten einer Unterschrift unter ein Bestellformular, durch die angeblich nur weiteres Informationsmaterial angefordert oder der Besuch des Provisionsvertreters bestätigt wird.[246] Diejenigen Lehren, die – wie die Lagertheorie und die subjektive Befugnistheorie (Rn. 165) – bei der Abgrenzung von Vermögensverfügung und Wegnahme in Dreiecksverhältnissen auf die Vorstellungen des Verfügenden abstellen, müssen beim Sachbetrug ausnahmsweise ein Verfügungsbewusstsein fordern.[247]

5. Dreiecksverhältnisse

a) Allgemeines

152

Wird der Betrug als Delikt mit vertypter mittelbarer Täterschaft verstanden, so folgt hieraus die Erforderlichkeit einer Identität von Getäuschtem und Verfügendem. Dagegen können der Verfügende und der an seinem Vermögen Geschädigte (unstreitig) verschiedene Personen sein.[248] Wegen der vielfältigen Formen von Arbeitsteilung im Wirtschaftsleben ist der sog. Dreiecksbetrug eine häufige Form der Tatbegehung; dies gilt insbesondere dann, wenn die Geschädigte eine juristische Person ist, die sich im Rechtsverkehr zwangsläufig natürlicher Personen für die ihr zurechenbare Handlungen bedienen muss.[249] Praktisch relevant sind häufig auch die Fälle des Prozessbetruges, bei dem das Gericht täuschungsbedingt eine für eine Partei nachteilige Entscheidung trifft, sowie solche Konstellationen, in denen ein getäuschter Dritter über Forderungen des Vermögensinhabers verfügt.[250] Hier wird jeweils durch den Dritten unmittelbar Vermögen auf Kosten des Vermögensinhabers verschoben.

153

Allerdings können die Voraussetzungen eines Dreiecksbetruges noch nicht als in Rspr. und Schrifttum geklärt angesehen werden. Der Streit bezieht sich vor allem auf die Frage, wie das Verhältnis zwischen Dritten und Geschädigtem (vor allem zur Abgrenzung des sog. Sachbetruges vom Diebstahl in mittelbarer Täterschaft) beschaffen sein muss. Übereinstimmung herrscht nur insoweit, als Betrug ausscheidet, wenn der Verfügende in keinerlei Beziehung zum Vermögensinhaber steht, also nur als (irrendes) außenstehendes Werkzeug des Täters agiert.[251]

154

Beim sog. Forderungsbetrug ist umstritten, ob auch Verfügungen einschlägig sind, bei denen der getäuschte Dritte gutgläubig oder aufgrund eines Garantieversprechens Forderungen erwirbt (vgl. § 405 BGB, Art. 16 WG) oder vernichtet (vgl. §§ 370, 407, 409, 808 Abs. 1, 851 BGB, § 56 HGB). Auch hier hängt die Entscheidung, ob solche Konstellationen tatbestandsmäßig oder straflos sind, von den Anforderungen ab, die an die Beziehung von Täter und Verfügendem einerseits und Verfügendem und Geschädigtem andererseits zu stellen sind.

b) Theorien zur Abgrenzung von Betrug und Diebstahl

155

Konstruktiv bieten sich zwei Möglichkeiten der Abgrenzung von Sachbetrug und Diebstahl in mittelbarer Täterschaft an: Man kann auf das Verhältnis zwischen Täter und Drittem abstellen und fragen, ob der Dritte bereits vor der Täuschung eine Verfügungsmöglichkeit über das Tatobjekt besaß, von der er irrtumsbedingt Gebrauch machte; wird dies bejaht, hat die Tat Betrugscharakter. Man kann aber auch auf das Verhältnis zwischen Drittem und Vermögensinhaber abstellen und fragen, ob sich der Vermögensinhaber das Verhalten des Dritten zurechnen lassen muss (dann Betrug) oder nicht (dann Wegnahme).

aa) Nähetheorie

156

Die Rspr. und ein Teil der Literatur lösen das Abgrenzungsproblem mit Blick auf das Verhältnis von Täter und Drittem: Für die Annahme eines Dreiecksbetruges soll es ausreichen, wenn der Dritte dem betroffenen Vermögen insoweit nähersteht als der Täter, als er bereits vor der Täuschung kraft Sachherrschaft tatsächlich über das Tatobjekt verfügen kann.[252] Überträgt also der Dritte seinen bereits bestehenden Gewahrsam (täuschungsbedingt) willentlich auf den Täter, so ist die Tat ein Betrug. Vom Diebstahl in mittelbarer Täterschaft unterscheidet sich der Betrug insoweit, als der Täter seinen Gewahrsam jedenfalls von einem der bisherigen Gewahrsamsinhaber ohne deliktischen Zwischenschritt erlangt.

157

In der Konsequenz dieses Ansatzes liegt es, die sich aus dem Gesetz ergebende Möglichkeit, fremde Forderungen wirksam zu beeinflussen, für die Annahme eines Forderungsbetrugs im Dreiecksverhältnis genügen zu lassen. Denn auch in diesem Fall hat der Dritte bereits vor der Täuschung faktisch die Möglichkeit, Vermögenswerte zulasten des Vermögensinhabers zu verschieben, so dass das erforderliche Näheverhältnis bejaht werden kann.

bb) Lagertheorie

158

Eine im Schrifttum verbreitete Ansicht sucht die Lösung des Abgrenzungsproblems in einer betrugsspezifischen Bestimmung des Verhältnisses von Drittem und Vermögensinhaber. Die vorherrschende sog. Lagertheorie verlangt für die Annahme eines Sachbetruges, dass der Dritte als Beschützer oder Gehilfe normativ dem „Lager“ des Geschädigten zuzuordnen ist.[253] Dazu ist Voraussetzung, dass der Dritte demselben Machtkreis angehört, dem der Vermögensgegenstand zugeordnet ist. Dies kann zum einen jedenfalls dann der Fall sein, wenn der Dritte bereits zumindest Mitgewahrsam an der Sache hat (etwa als Testamentsvollstrecker oder Insolvenzverwalter), zum anderen aber auch, wenn der Dritte „nur“ Besitz- oder Gewahrsamsdiener ist, denn auch dann ist – wenn auch mit geringerer Intensität – die notwendige Obhutsbeziehung noch gegeben. Zumeist[254] werden neben dem Bestehen einer solchen Obhutsbeziehung noch die Vorstellungen des Dritten über sein Verhalten mit in die Beurteilung der Vermögensverschiebung einbezogen: Gibt der Dritte die Sache nach seiner Vorstellung (gutgläubig) im Interesse des Vermögensinhabers weg, so soll eine diesem zurechenbare Vermögensverfügung vorliegen; überschreitet er dagegen bewusst seine „Hüteposition“, so soll er Werkzeug eines Diebstahls in mittelbarer Täterschaft sein.[255]

159

Die Frage nach der Möglichkeit eines Forderungsbetruges bei Verfügungen, die aufgrund von Gutglaubensregeln wirksam sind, wird von der Lagertheorie uneinheitlich beantwortet: Teils wird die sich aus dem Gesetz ergebende Möglichkeit, fremde Forderungen wirksam zu beeinflussen, als hinreichend zur Begründung der „Lagerzugehörigkeit“ angesehen.[256] Teils wird jedoch auch vorausgesetzt, dass bereits vor der Täuschung eine rechtliche bzw. tatsächliche Beziehung zwischen Verfügendem und Vermögensinhaber bestanden haben muss, mit der Folge, dass die Möglichkeit eines Scheckkartenbetruges oder eines Betrugs bei gutgläubiger Forderungsvernichtung zu verneinen ist.[257]

160

In der Literatur findet sich darüber hinaus ein Vorschlag, der das Recht auf Wahrheit mit der Lagertheorie verbindet: Von einer betrugsrelevanten Täuschung kann danach nur die Rede sein, wenn die Kompetenz des irregeführten Dritten zur Entgegennahme und Beurteilung der Erklärung des Täters als Ausprägung der Selbstbindung des betroffenen Vermögensinhabers erscheint.[258] Damit ergibt sich die Möglichkeit des Dreiecksbetruges nur noch dort, wo der Dritte nicht nur einfach dem Machtkreis des Vermögensinhabers angehört, sondern darüber hinaus in seiner spezifischen Rolle im Rechtsverkehr auch hinsichtlich des Vermögensgegenstandes mit einer gewissen Entscheidungskompetenz auftreten kann: Täuscht der Täter etwa vor, für ein Reinigungsunternehmen einen Pelzmantel abholen zu sollen, wäre Betrug zu bejahen, falls ihm der Mantel von der getäuschten Zofe übergeben wird, dagegen Diebstahl (in mittelbarer Täterschaft), falls der getäuschte Gärtner die Verfügung vornimmt.[259]

 

161

Bedenken gegen diesen Ansatz ergeben sich aus dem Umstand, dass die Abkoppelung des Anspruchs, nicht getäuscht zu werden, von der zivilrechtlichen Ermächtigung zur Vornahme (einer bestimmten Art) von Verfügungen zu einer mehr oder weniger freischwebenden Kompetenzzuweisung führt. Während sie im präsentierten Beispiel aufgrund der evidenten Unterschiedlichkeit der Beschäftigungstypen „Zofe“ und „Gärtner“ noch plausibel durchgeführt werden kann, dürfte dies in – praktisch wohl auch relevanteren – Fällen moderner Industrie-, Handels- und Dienstleistungsbetriebe aufgrund der zahlreichen, sich teilweise auch überschneidenden Berufsbilder kaum in jedem Falle möglich sein. Zudem lässt sich die Wirksamkeit gutgläubiger Verfügungen Dritter über Forderungen nicht als Ausprägung einer Selbstbindung des geschädigten Vermögensinhabers deuten. Damit vermag die unter Rückgriff auf das Recht auf Wahrheit modifizierte Lagertheorie keinen plausiblen Grund für die Ausscheidung des Forderungsbetruges aus dem Anwendungsbereich des § 263 StGB anzubieten.

cc) Befugnistheorie

162

Die in der Literatur verbreitete sog. Befugnistheorie nimmt in Dreiecksverhältnissen, wie der Name bereits sagt, Betrug an, wenn der Getäuschte zur Vornahme der Verfügung rechtlich befugt ist.[260]

(1) Objektive Befugnistheorie

163

Diese Lehre stellt – in ihrer „objektiven“ Variante – bei der Bewertung des Geschehens auf den Vermögensinhaber ab und verneint einen Diebstahl nur in dem (seltenen) Fall, in dem der Vermögensinhaber seinen Gewahrsamsverlust gegen sich gelten lassen muss, weil der Dritte – etwa aufgrund einer entsprechenden Bevollmächtigung – zur Besitzübergabe in seinem Namen befugt ist. Nach dieser Ansicht ist ein Sachbetrug folglich nur gegeben, wenn sich der Dritte bei der Besitzverschiebung im Rahmen der ihm erteilten oder ihm gesetzlich zustehenden Ermächtigung hält. Dies ist etwa der Fall, wenn der gesetzliche Vertreter über das Vermögen eines minderjährigen Kindes verfügt oder der Gerichtsvollzieher eine Pfändung vornimmt.[261]

164

Ein Forderungsbetrug ist nach dieser Lehre nur möglich bei hoheitlichem Handeln und bei einem Handeln aufgrund privater Ermächtigungen. Dagegen sind Verfügungen, die von einem getäuschten Dritten nach Gutglaubensregeln rechtswirksam vorgenommen werden, mangels einer entsprechenden Befugnis nicht tatbestandsmäßig.[262] Diese Restriktion begegnet jedoch insoweit erheblichen Bedenken, als gerade solche Vermögensbeeinträchtigungen wegen ihres den Vermögensinhaber regelmäßig bindenden Effektes nicht weniger als die anderen Fälle den strafrechtlichen Schutz des Betrugstatbestands verdienen. Vielmehr bedarf die vom Gesetz vorgesehene Einräumung der Möglichkeit, durch gutgläubiges Handeln fremdes Vermögen rechtlich wirksam zu verschieben, durchaus einer wirksamen Sanktion gegen ihren Missbrauch.

(2) Subjektive Befugnistheorie

165

Da der Dritte häufig objektiv nicht zur Vornahme des Gewahrsamswechsels befugt ist, wird die Befugnistheorie überwiegend subjektiviert; es soll für eine Zuordnung der Verfügung zum Vermögensinhaber ausreichen, wenn sich der Dritte – nach seiner irrtumsbedingten Vorstellung – im Rahmen seiner Befugnis wähnt.[263] Gegenüber dem Diebstahl wird aber gleichwohl Exklusivität bejaht. Diese Lehre ordnet folglich auch solche Fälle dem Betrug zu, in denen der Dritte noch nicht einmal Gewahrsamsdiener ist, jedoch von einer Verfügungsbefugnis ausgeht. Dies wäre etwa der Fall, wenn sich ein Wohnungsnachbar, dem während der Urlaubszeit die Schlüssel zu Kontrollzwecken übergeben wurden, irrig für berechtigt hält, einem angeblichen Reinigungsdienst einen Pelzmantel auszuhändigen. Fraglich ist bei diesem Ansatz, wie eine nur vermeintlich bestehende Befugnis die Zurechenbarkeit der Verfügung zum Vermögensinhaber soll begründen können. Die irrige Annahme, zur Vornahme eines Gewahrsamswechsels befugt zu sein, vermag nicht das fehlende Einverständnis des Vermögensinhabers in den Gewahrsamswechsel zu überspielen.

dd) Folgerungen

166

Nach alledem darf festgestellt werden, dass sich die Probleme des Dreiecksbetruges von der Nähetheorie in ebenso einfacher wie plausibler Weise lösen lassen:

167

Nicht nur, dass sich, wie gesehen, beim Forderungsbetrug in den Gutglaubensfällen keine wertungswidrigen Strafbarkeitslücken ergeben, auch für eine sachgerechte Abgrenzung des Sachbetruges vom Diebstahl ist es in der Tat nur erforderlich, dass der Dritte bereits vor der Täuschung Gewahrsam am Tatobjekt hatte. In der Grundkonstellation des Zweipersonenverhältnisses unterscheiden sich Sachbetrug und Diebstahl nämlich nur insoweit, als sich der Täter beim Betrug den Gewahrsam verschaffen lässt, indem er den Gewahrsamsinhaber als irrendes Werkzeug benutzt, während er beim Diebstahl den Gewahrsam eigenhändig bricht. Beim Diebstahl ist es aber ohne Belang, ob der betreffende Gewahrsamsinhaber gegenüber dem Eigentümer ein Recht zum Besitz hat (auch der Gewahrsam des deliktischen Besitzers – z.B. des Diebes an der Beute – kann gebrochen werden). Es ist nun kein Grund ersichtlich, im Gegensatz dazu beim parallelen Sachbetrug, der sich vom Diebstahl nur durch die Form des Tätervorgehens unterscheidet, eine besondere Beziehung im Innenverhältnis von Gewahrsamsinhaber und Eigentümer zu verlangen. Vielmehr muss es auch – im Sinne der Nähetheorie – beim Dreiecksbetrug unmaßgeblich sein, ob der getäuschte Gewahrsamsinhaber eine Verfügungsbefugnis über das Tatobjekt innehat oder auch nur glaubt, im Interesse des Vermögensinhabers zu handeln.

168

Zudem wird so in Fällen des deliktisch begründeten Besitzes der Anwendungsbereich des Betrugstatbestandes – sachgerecht – eröffnet: Rechnet man mit der vorherrschenden Lehre die Beute nämlich nicht zum Vermögen des Diebes, so ist, da der Dieb bei der Übergabe des Tatobjekts weder gutgläubig noch befugt handelt, ein (möglicher) Betrug zum Nachteil des Eigentümers von vornherein ausgeschlossen, wenn man der Lager- oder Befugnistheorie folgt. Jedoch wäre (unstr.) ein Diebstahl zum Nachteil des Eigentümers anzunehmen, wenn der Täter dem Dieb einen Beutegegenstand wegnimmt. Da es keinen sachlichen Grund gibt, eine Eigentumsverletzung durch Wegnahme anders zu behandeln als eine solche durch Täuschung oder Nötigung, vermag auch insoweit die Nähetheorie Wertungswidersprüche zu vermeiden: Fälle, in denen sich der Dritte das Tatobjekt auf deliktische Weise (z.B. Diebstahl) verschafft hat und nun seinerseits vom Täter durch Täuschung zur Übergabe eines Beutegegenstandes veranlasst wird, fallen mithin als Dreiecksbetrug in den Anwendungsbereich des § 263 StGB.

169

Kommt es schließlich nach der Nähetheorie für die Abgrenzung des Diebstahls in mittelbarer Täterschaft vom Sachbetrug nur darauf an, ob der Täter den bereits bestehenden Gewahrsam des Dritten bricht oder nicht, wirft auch die Vorsatzzurechnung keine Probleme auf, die ansonsten entstehen könnten, wenn dem Täter – wie im Regelfall – das Innenverhältnis von Gewahrsamsinhaber und Eigentümer unbekannt ist.

6. Mehrere Vermögensinhaber

170

Neben den Konstellationen des Dreiecksbetruges im engeren Sinne, bei denen der Verfügende nicht der Inhaber des verschobenen Vermögensgegenstandes ist, treffen Diebstahl und Betrug ferner in solchen Fällen aufeinander, in denen der Verfügende zwar (auch) Vermögensinhaber ist, aber nur Mitgewahrsam am Tatobjekt hat. Da hier der Verfügende auch Vermögensinhaber ist, greift der Betrugstatbestand ohne Weiteres ein. Beispielhaft: Die getäuschte Ehefrau E übergibt dem Täter einen Gegenstand, an dem sie mit ihrem Mann M zugleich Mitgewahrsam und Miteigentum hat. Die Behandlung solcher Fälle ist umstritten: Teils wird Tateinheit zwischen Betrug zum Nachteil der E und Diebstahl in mittelbarer Täterschaft durch E als gutgläubiges Werkzeug zum Nachteil des M angenommen.[264] Nach einem anderen Vorschlag soll in Orientierung am typischen Tatbild dem Betrug der Vorrang einzuräumen sein.[265] Dieser Ansatz erscheint vorzugswürdig, da er mögliche Irrtumsprobleme umgeht.

IV. Vermögensschaden
1. Vermögen

a) Allgemeines

171

Unrechtserfolg des objektiven Betrugstatbestandes ist die Schädigung fremden Vermögens. Ein Schaden in diesem Sinne ist gegeben, wenn das Vermögen einer Person gegen ihren (wahren) Willen vermindert ist. Da mit dem Begriff der Vermögensverfügung bereits eine Verringerung des Vermögensbestandes durch ein Verhalten des Getäuschten erfasst ist, geht es bei der Bestimmung des Vermögensschadens um die Beantwortung der Frage, unter welchen Bedingungen die durch die Verfügung eingetretene Vermögensverringerung als hinreichend kompensiert anzusehen ist. Die zur Beantwortung dieser Frage erforderliche Bestimmung des Inhaltes und Umfanges von Vermögen ist bis heute in Judikatur und Schrifttum nicht (nur) im Detail, sondern (auch) in der Festlegung der Prämissen umstritten.

172

Die oben (Rn. 42 ff.) aufgezeigten Unterschiede in der Inhaltsbestimmung des Vermögensbegriffes durch die juristische, die wirtschaftliche, die juristisch-ökonomische und die personale Lehre bedingen beträchtliche Abweichungen in der Zuweisung von Gütern zum Vermögen einer Person. Dies führt zu der Frage, welche Verfügung über Güter überhaupt zu einem Schaden führen kann. Im Zentrum der Diskussion stehen Positionen, die zwar rechtlichen Wertungen nicht zuwiderlaufen, deren Zuordnung zum strafrechtlich geschützten Vermögen aber gleichwohl davon abhängt, ob eher einer wirtschaftlichen oder eher einer (zivil-)rechtsakzessorischen Betrachtungsweise gefolgt wird.

173

Ein Schaden ist nicht nur gegeben, wenn dem Opfer rechtlich zustehende Verfügungsmacht über Vermögenswerte entzogen wird, sondern auch dann, wenn ihm die Möglichkeit der Ausübung der ihm zustehenden Verfügungsmacht vorenthalten wird. Betrugsrelevant ist ein solcher Schaden allerdings ebenfalls nur dann, wenn er auf einer Verfügung des Opfers beruht (die ihrerseits dann im Regelfall den Charakter einer Unterlassung hat). Einschlägig ist demnach das täuschungsbedingt verspätete oder gänzlich unterlassene Geltendmachen eines (fälligen und einredefreien) Anspruchs,[266] etwa, wenn dem Berechtigten verschleiert wird, dass der Anspruch besteht, oder er davon abgebracht wird, Vollstreckungsmaßnahmen zu ergreifen. Stets ist erforderlich, dass die (sofortige) Geltendmachung des Anspruchs überhaupt zu seiner Realisierung geführt haben könnte. Ist der Schuldner ohnehin zahlungsunfähig, wird durch das Unterlassen der Geltendmachung des Anspruchs dem Gläubiger kein ihm zustehender Vermögenswert vorenthalten.

b) Rechte

174

Gerade für die Einordnung von Rechten als Bestandteile des Vermögens ist der je eingenommene dogmatische Standpunkt zum Vermögensbegriff wesentlich: Nach dem juristischen Begriff gehören Vermögensrechte aller Art zum Vermögen einer Person. Keine Rechte in diesem Sinne sind reine Persönlichkeitsrechte – wie Leib, Leben und Ehre – und persönliche Familienrechte. Demgegenüber zählen die wirtschaftliche und die juristisch-ökonomische Lehre Rechte nur unter der Voraussetzung zum Vermögen, dass sie einen konkreten Marktwert haben. Für einschlägig werden auch Gestaltungsrechte (Anfechtung, Kündigung, Rücktritt, Minderung usw.) gehalten, soweit sie wirtschaftliche Folgen zeitigen.[267] Als Gegenstände ohne fassbaren wirtschaftlichen Wert werden wertlose (z.B. uneinbringliche) Forderungen betrachtet.

 

175

Eine gewisse Sonderbehandlung erfährt das Eigentum: Obwohl es das Vermögensrecht schlechthin ist, wird es sowohl von den Vertretern der wirtschaftlichen wie auch der juristisch-ökonomischen Lehre nur unter der Voraussetzung zum Vermögen gerechnet, dass es einen Marktwert besitzt.[268] Abgesehen davon, dass diese Einschränkung praktisch nicht zu bewältigende Bewertungsfragen aufwirft – wie soll etwa der Marktwert eines Tagebuches oder eines sonstigen Manuskripts eingeschätzt werden? –, kann sie sachwidrige Verwerfungen im Verhältnis der speziellen Eigentumsdelikte zu den allgemeinen Vermögensdelikten bedingen. Zumindest dort, wo sich der Eigentumserwerb nach deutschen Recht richtet, spielt es aufgrund des Abstraktionsprinzips keine Rolle, ob das Eigentum unredlich erworben wurde.

176

Dem Vermögen unterfallen weiterhin Anwartschaften, d.h. solche Positionen, die sich für ihren Inhaber nach Maßgabe des bürgerlichen oder öffentlichen Rechts bereits als eine rechtlich gesicherte Vorstufe für den Erwerb des Vollrechts darstellen (insbesondere das Vorkaufsrecht,[269] eine den Anbieter bindende Offerte,[270] die Bezugsberechtigung zum Erwerb von Sachen und Rechten[271] oder die Anwartschaft auf Übereignung einer unter Eigentumsvorbehalt gekauften Sache).

177

Naturalobligationen und andere nicht einklagbare Forderungen können nach richtiger Ansicht nicht zum Vermögen des Gläubigers gerechnet werden, da ihre Realisierung allein vom Willen des Schuldners abhängt (vgl. §§ 656, 762 f. BGB). Dass das zu ihrer Erfüllung Geleistete vom Gläubiger nicht zurückgefordert werden kann, ändert nichts daran, dass der Schuldner nicht zur Leistung verpflichtet ist und in seiner Entscheidung zur Leistung rechtlich völlig frei ist. Die auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise fußende Gegenauffassung, die den Vermögenswert rechtlich nicht durchsetzbarer Forderungen vom Leistungswillen des Schuldners abhängig macht,[272] gerät in (rechtliche) Wertungswidersprüche, wenn eben dieser Leistungswille durch Täuschung manipuliert wird: So soll einen Vermögensschaden erleiden, wer täuschungsbedingt eine Naturalobligation erfüllt.[273] Doch kann schwerlich die Leistung auf eine Forderung, die zum Vermögen des Gläubigers gehört, einen Vermögensschaden beim Schuldner bedingen; jedenfalls wäre eine rechtswidrige Bereicherung zu verneinen.

178

Unter Zugrundelegung rechtlicher Zuordnungskriterien haben (vor allem gemäß §§ 134, 138 BGB) nichtige Forderungen keinen betrugsrelevanten Vermögenswert.[274] Dies gilt auch nach der rein wirtschaftlichen Betrachtungsweise, denn da solche „Forderungen“ nicht auf dem Rechtsweg durchgesetzt werden können, kommt ihnen kein regulärer Marktwert zu.

179

Übertragbare Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, die rechtlichen Schutz genießen (z.B. durch §§ 826 BGB, 1, 17 ff. UWG, 404 AktG, 85 GmbHG), gehören zum Vermögen ihres berechtigten Inhabers. Hierzu zählt auch – steuerlich aktivierbares – technisches und betriebswirtschaftliches Know-how.[275]

180

Der (mittelbare wie auch unmittelbare) Besitz gehört jedenfalls dann zum Vermögen, wenn er berechtigt ist. Nach dem wirtschaftlichen Vermögensbegriff ist weitergehend jede Sachherrschaft als Vermögenswert einzustufen, so ihr denn nach der Verkehrsauffassung ein Marktwert zugesprochen wird.[276] So soll es tatbestandsmäßig sein, wenn einem Dieb die Beute (mit wirtschaftlichem Besitzwert) abgeschwindelt wird.[277] Dies scheint allerdings nur auf den ersten Blick einfach handhabbar, denn wenn Wertberechnung in Kenntnis der Rechtslage erfolgen soll; so erscheint es schon fragwürdig, ob z.B. dem (widerrechtlichen) Besitz der Beute aus einem Schmuckdiebstahl ein Marktwert zugesprochen werden kann. Aber auch innerhalb der „juristisch“ orientierten Ansichten ist umstritten, ob nur der berechtigte Besitz zum Vermögen zu zählen ist. Teils wird es für ausreichend gehalten, dass der Besitz redlich ist.[278] Teils wird aus den Vorschriften der §§ 858 f. BGB geschlossen, dass selbst der rechtswidrige Besitz rechtlich nicht missbilligt sei.[279] Die Vorschriften der §§ 858 f. BGB dienen jedoch nicht dem Vermögensschutz, sondern sollen zur Sicherung des Rechtsfriedens die Klärung der endgültigen Vermögenslage rechtlich geordneten Verfahren vorbehalten.

181

Auch die Möglichkeit, Sachen und immaterielle Güter zu nutzen, zählt jedenfalls dann zum betrugsrelevanten Vermögen, wenn sie berechtigt ist. Daher ist die rechtswidrige Überschreitung von Nutzungsbefugnissen als Vermögensschädigung anzusehen, so etwa, wenn ein Arbeitnehmer die ihm von seinem Arbeitgeber (Dienstherrn) zweckgebunden zur Verfügung gestellten technischen Geräte unerlaubt (und unentgeltlich) zu privatem Nebenerwerb einsetzt.[280]