Handbuch des Strafrechts

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b) Die Qualifikationen im Einzelnen

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aa) In § 244 Abs. 1 StGB sind als Qualifikationen genannt der


Diebstahl mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen (Nr. 1a);
Diebstahl mit sonstigen Werkzeugen (Nr. 1b);
Bandendiebstahl (Nr. 2);
Wohnungseinbruchdiebstahl (Nr. 3 und Abs. 4).

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bb) Besondere Beachtung verdient hierbei zunächst der Diebstahl mit anderen gefährlichen Werkzeugen (Nr. 1a 2. Alt.):[400] In seinem Wortlaut entspricht der Diebstahl mit Waffen oder anderen gefährlichen Werkzeugen der Qualifikation des schweren Raubes nach § 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB und stellt das Mitführen von bestimmten Gegenständen unter Strafe, wobei es bei mehreren Beteiligten ausdrücklich (und unabhängig von § 25 Abs. 2 StGB) ausreicht, wenn nur einer von ihnen einen entsprechenden Gegenstand bei sich führt. Durch den Normtext „Waffen oder andere gefährliche Werkzeuge“ wird ersichtlich, dass es sich bei Waffen nur um einen Unterfall des Oberbegriffs der „gefährlichen Werkzeuge“ handeln kann[401] mit der Folge, dass auch eine Waffe eine hinreichende Gefährlichkeit haben muss. Im Gegensatz hierzu ist der Begriff des „anderen gefährlichen Werkzeuges“ unter Beachtung des Umstandes, dass eine Gleichbehandlung mit den Waffen zu rechtfertigen ist,[402] im Einzelnen stark umstritten.

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(1) Eine Einfügung des „anderen gefährlichen Werkzeuges“ als Oberbegriff zu den Waffen erfolgte mit dem 6. StrRG u.a. in die §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a, Abs. 2 Nr. 1 StGB,[403] mit dem Ergebnis, dass das StGB nun zwischen drei verschiedenen Arten von Werkzeugen unterscheidet, so dass sich die Frage stellt, inwieweit hiermit die gleichen Gegenstände gemeint sind. Die „anderen gefährlichen Werkzeuge“ müssen sowohl von den „sonstigen Werkzeugen“[404] als auch von den „gefährlichen Werkzeugen“ nach § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB unterschieden werden.[405]

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Nach herrschender und zutreffender Meinung ist bei der Begriffsbestimmung der „anderen gefährlichen Werkzeuge“ keine Anlehnung an § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB möglich.[406] Im Gegensatz zur gefährlichen Körperverletzung bedarf es zur Erfüllung der Nr. 1a gerade keines Gebrauchs des Werkzeugs, so dass ein Rückgriff auf die gängige Definition von der „Art der Beschaffenheit und der (die Definition dominierenden!) konkreten Verwendung“ unbrauchbar erscheint. Wie in Abgrenzung hierzu das „andere gefährliche Werkzeug“ konkret zu bestimmen ist, ist umstritten.[407] Hierbei ist aber festzuhalten, dass bereits nach dem Wortlaut des Gesetzes – im Unterschied zu den „sonstigen Werkzeugen“ nach Nr. 1b) – eine objektive bzw. abstrakte Gefährlichkeit vorliegen muss, mit der Konsequenz, dass nach dem Willen des Gesetzgebers Scheinwaffen aus dem Anwendungsbereich von Nr. 1a herausfallen.[408] Auch die Tatsache, dass in §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB sowie in § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB der gleiche Begriff verwendet wird, was systematisch einerseits ein einheitliches Verständnis nahe legt, während andererseits gerade bei § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine Auslegung unter Berücksichtigung der konkreten Verwendung (eher) möglich erscheint[409] und von der Rechtsprechung im Ergebnis auch vorgenommen wird, macht eine Begriffsbestimmung schwierig (vgl. → BT Bd. 5: Petra Wittig, Raub, § 30 Rn. 135).

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(2) Eine Ansicht zieht lediglich die objektive Gefährlichkeit heran, so dass jeder Gegenstand ein anderes gefährliches Werkzeug ist, der nach seiner Beschaffenheit geeignet ist, mehr als nur unerhebliche Verletzungen herbeizuführen.[410] Eine andere Ansicht vertritt hingegen einen subjektiven Ansatz und bestimmt den Begriff allein nach der Zielsetzung des Täters, weshalb nach dieser Ansicht „andere gefährliche Werkzeuge“ solche Gegenstände sind, die der Täter allgemein[411] oder in der konkreten Situation als Waffe einsetzen will.[412]

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(3) Es erscheint jedoch zweifelhaft, den Begriff des „gefährlichen Werkzeugs“ allein anhand des Verletzungspotentials des Gegenstandes zu bestimmen, denn es gibt kaum einen Gegenstand, der nicht entsprechend geeignet sein kann, erhebliche Verletzungen herbeizuführen. Der subjektive Ansatz führt zwar zu einem gewissen Gleichklang mit § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB, was jedoch dem Umstand widerspricht, dass §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a eben keine Gebrauchsabsicht verlangt, sondern es nur auf die Verfügbarkeit des Gegenstandes ankommt.[413] Richtigerweise sind daher unter dem Begriff der „anderen gefährlichen Werkzeuge“ letztlich nur solche Gegenstände einzuordnen, die bei wertender Betrachtung waffenähnlich sind und aufgrund ihrer Beschaffenheit und der Tatumstände aus (objektivierter) Tätersicht dazu bestimmt erscheinen, eine „Waffenersatzfunktion“ auszuüben, so dass der Täter auf die jeweiligen Gegenstände in einer Bedrängnissituation typischerweise zurückgreifen würde.[414] Damit kann im Einzelfall durchaus eine Rolle spielen, ob der Gegenstand von Anfang an nur den Schluss zulassen kann, im Bedarfsfalle wie eine Waffe eingesetzt zu werden, was bei einem Baseballschläger (wenn der Täter nicht auf dem Heimweg vom Sport ist) eher der Fall ist als bei einem Brecheisen, das zu einem Einbruchdiebstahl mitgeführt wird.[415] Durch die Kombination der genannten Kriterien kann einerseits eine uferlose Ausdehnung des Begriffs verhindert werden und andererseits dem Umstand der fehlenden Gebrauchsabsicht Rechnung getragen werden. Diese Waffenähnlichkeit darf freilich nicht so verstanden werden, dass der Gegenstand originär dazu bestimmt sein muss, erhebliche Verletzungen herbeizuführen, da sonst immer zugleich eine Waffe im strafrechtlichen Sinn zu bejahen wäre.[416]

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(4) Die Rechtsprechung des BGH zum gefährlichen Werkzeug ist allgemein stark von § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB her geprägt.[417] Dieser stellt meist auf die konkrete Verwendung ab und greift nicht auf die (abstrakte) Waffenähnlichkeit des Gegenstandes zurück.[418] In Fällen des bloßen Beisichführens sieht der 2. Strafsenat auf Grund der „missglückten Gesetzesfassung“ dagegen „von vornherein keine Auslegung des Begriffs des anderen gefährlichen Werkzeugs“ als möglich, die „unter Anwendung allgemeiner und für jeden Einzelfall gleichermaßen tragfähiger rechtstheoretischer Maßstäbe für alle denkbaren Sachverhaltsvarianten eine in sich stimmige Gesetzesanwendung gewährleisten könnte“ und bezweifelt, dass „mit den Mitteln herkömmlicher Auslegungstechnik eine umfassende, sachgerechte Lösung für alle denkbaren Einzelfälle (…) zu erreichen ist“, weshalb er den Versuch einer allgemeingültigen Definition ablehnt, insgesamt aber einer Bestimmung anhand von objektiven Kriterien zuneigt.[419]

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Insbesondere aber bei Gegenständen des täglichen Lebens, die von jedermann in sozialadäquater Weise mitgeführt werden können (wie z.B. Taschenmesser), bleiben die Ausführungen der Rechtsprechung insofern mitunter vage.[420] Es bedarf hier eines sachgedanklichen Mitbewusstseins auf subjektiver Ebene, den Gegenstand zur Bedrohung oder Verletzung von Personen einzusetzen. Dieses ist umso wahrscheinlicher gegeben, je mehr der Gegenstand einer Waffe ähnelt.[421]

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cc) Beim Diebstahl mit sonstigen Werkzeugen ergibt sich insbesondere ein Problem im Umgang mit ungefährlichen Tatmitteln, also solchen, die auch nach der Art ihrer (geplanten) Verwendung vollends ungefährlich sind. Zwar war vor dem 6. StrRG noch heftig umstritten, ob die §§ 244 Abs. 1 Nr. 2, 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB a.F. auch Scheinwaffen erfassen würden,[422] dieser Streit ist heute aber im Wesentlichen geklärt. Zum einen steht fest (auch schon vor dem 6. StrRG), dass es sich bei Scheinwaffen nicht um (Schuss-)Waffen bzw. abstrakt gefährliche Werkzeuge i.S.v. §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB handelt.[423] Des Weiteren spricht seit der Gesetzesänderung mit dem 6. StrRG alles dafür, Scheinwaffen grundsätzlich in den Anwendungsbereich der §§ 244 Abs. 1 Nr. 1a, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB einzubeziehen. Dies ergibt sich bereits aus der Unterscheidung zwischen Nr. 1a und 1b, da die jeweilige Nr. 1a „andere gefährliche Werkzeuge“ mit enthält, so dass von der jeweiligen Nr. 1b gerade auch objektiv ungefährliche Gegenstände erfasst sein müssen. Diese Einbeziehung entspricht – für § 250 StGB wie auch für § 244 StGB – auch dem expliziten Willen des Gesetzgebers[424] und ist mittlerweile ganz h.M.[425]

 

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Sofern der Täter aber nicht eine (täuschend) echt aussehende Scheinwaffe mit sich führt, sondern einen auch äußerlich ganz offensichtlich ungefährlichen Gegenstand, wie einen Lippenstift („Labello-Fälle“) oder ein Plastikrohr, verwendet und mittels Täuschung beim Opfer lediglich den Eindruck vermittelt, es handle sich um eine Waffe, gilt etwas anderes. Der BGH verneinte seit jeher die Anwendbarkeit von § 250 Abs. 1 StGB a.F.[426] Es entsprach dem Willen des Gesetzgebers, diese Rechtsprechung fortgeführt zu lassen,[427] was entgegen teilweise kritischen Anmerkungen in der Literatur[428] auch keineswegs unklar und willkürlich ist. Denn stellt man auf die objektiv-äußere Erkennbarkeit der (Un-)Gefährlichkeit ab, so entspricht dies vielmehr der überragenden Bedeutung des Gesichtssinnes für die Wahrnehmung einer etwaigen Gefährlichkeit durch das Opfer.[429] Jeder Einsatz einer „Scheinwaffe“ ist in gewissem Maße zwar auch eine Täuschung; im Rahmen der „Labello-Fälle“ steht aber die Täuschung des Täters viel stärker im Vordergrund (und wäre letztlich auch ganz ohne irgendeinen Gegenstand denkbar, was unstreitig nicht unter Nr. 1b fallen würde),[430] denn in diesen Fällen geht die einschüchternde Wirkung gerade erst von dem damit verbundenen (expliziten oder konkludenten) kommunikativen Akt aus, und eben nicht vom Gegenstand als solchem. Dies entspricht im Ergebnis auch der Meinung des BGH (trotz gewisser Abgrenzungsschwierigkeiten).[431]

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dd) § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB ordnet eine Qualifikation für Fälle des Bandendiebstahls an: Eine Bande setzt nach h.M. einen Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus,[432] die sich zur fortgesetzten Begehung einer unbestimmten Anzahl an Raubtaten oder Diebstählen verbunden haben.[433] Der Zweck der Bande ist der Zusammenschluss zur fortgesetzten Begehung von Straftaten, womit allerdings nicht die frühere „fortgesetzte Tat“ gemeint ist.[434] Es müssen mehrere eigenständige Diebstahls- oder Raubtaten begangen oder zumindest geplant werden. Hinsichtlich der Bandenabrede ist erforderlich, dass das einzelne Mitglied einen Willen aufweist, sich mit mindestens zwei anderen Personen zur Begehung von Straftaten für die Zukunft und für eine gewisse Dauer zusammenzutun.[435] Als Bandenmitglied ist anzusehen, wer in die Organisation der Bande eingebunden ist, die dort geltenden Regeln akzeptiert und darüber hinaus zum Erhalt der Bande beiträgt und sich an den Straftaten als Täter oder Teilnehmer beteiligt.

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Für den Bandendiebstahl nach Nr. 2 (ebenso wie etwa auch für den bandenmäßigen Raub nach § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB) ist nötig, dass der Täter die Tat unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds begeht. Zwar besteht eine Bande nach h.M. aus mindestens drei Personen, diese müssen aber nach dem klaren Wortlaut der Norm nicht alle drei bei der Tatbegehung mitwirken. Es genügt nach der Entscheidung des Großen Strafsenates – anders als nach früherer Rechtsprechung – ein irgendwie geartetes Zusammenwirken (auch ohne direkte Zusammenarbeit, insbesondere ohne Anwesenheit eines zweiten Mitglieds am Tatort).[436] Die Organisationsgefahr, die von einer Bande ausgeht, hat offensichtlich einen höheren Stellenwert als die Durchführungsgefahr, die von zwei Bandenmitgliedern am Tatort ausgehen würde.[437] Es ist hierbei irrelevant, wer die Wegnahmehandlung im jeweiligen Einzelfall durchführt, denn nach h.M. genügt hinsichtlich der Mitwirkung grundsätzlich jede Form der Beteiligung, weshalb daher auch eine Teilnahme nur im Vorfeld der eigentlichen Tatausführung denkbar ist.[438] Da Täter des Bandendiebstahls nur ein Bandenmitglied sein kann, kommt ein Nichtmitglied hinsichtlich § 244 Abs. 1 Nr. 2 StGB nur als Teilnehmer in Frage. Die Bandenmitgliedschaft stellt nach der h.M. in Rechtsprechung und Literatur ein besonderes persönliches Merkmal i.S.v. § 28 Abs. 2 StGB, also ein täterbezogenes Merkmal dar.[439] Dies bewirkt, dass sich das Nichtmitglied auch nicht wegen Teilnahme am Bandendiebstahl, sondern nur wegen Teilnahme am (gegebenenfalls schweren) Diebstahl strafbar macht.

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ee) In § 244 Abs. 1 Nr. 3 und Abs. 4 StGB ist schließlich der Wohnungseinbruchdiebstahl geregelt; bei unter diese Vorschriften fallenden Räumlichkeiten begründen die Tathandlungen des § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB (Einbruchdiebstahl) eine Qualifikation. Wohnungen sind dabei solche abgeschlossenen und überdachten Räumlichkeiten, die zur Unterkunft von einer oder mehrerer Personen zu dienen bestimmt sind.[440] Um dem gegenüber § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB erhöhten Unrecht Rechnung zu tragen, muss der Wohnungsbegriff restriktiver als bei § 123 StGB bestimmt werden. Danach genügen nicht Räume, die nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmt sind, sondern nach zutreffender Ansicht nur diejenigen Räume, die zum Kernbereich der privaten Lebensführung zählen, während Nebenräume wie z.B. Keller, Treppe oder Garage zumindest bei Mehrfamilienhäusern regelmäßig nur von § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 StGB erfasst werden;[441] keinesfalls werden Arbeits-, Geschäfts- oder Ladenräume (und zwar auch bei gemischt-genutzten Gebäuden, sofern eine hinreichende physikalische Barriere zum Wohnbereich besteht) oder frei stehende Gartenhäuser erfasst.[442] Handelt es sich gar um eine dauerhaft genutzte Privatwohnung, wird die Tat nach Abs. 4 zum Verbrechen.[443] Mit Blick auf den schon in Abs. 1 Nr. 3 restriktiv auszulegenden Wohnungsbegriff dürfte die wesentliche Abgrenzung über das Merkmal der dauerhaften Nutzung erfolgen.

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Der Täter muss zur Ausführung der Tat in eine Wohnung einbrechen (d.h. durch das gewaltsame Öffnen bzw. Aufheben einer Umschließung von außen unter Aufwendung nicht nur unerheblicher Körperkraft in die Wohnung gelangen)[444], einsteigen (d.h. die Umschließung unter nicht nur unerheblichen Schwierigkeiten überwinden, indem er auf eine nicht hierfür vorgesehene Art und Weise in den Raum gelangt)[445], mit einem falschen Schlüssel (dem also die Widmung des Berechtigten fehlt, zur Tatzeit zur Öffnung des Verschlusses genutzt werden zu können)[446] oder Werkzeug eindringen oder sich darin verborgen halten. Dabei muss der Täter schon zum Zeitpunkt des Einbrechens oder Einsteigens Diebstahlsvorsatz aufweisen. Eine genaue Betrachtung ist erforderlich, wenn der Täter in die Wohnung einbricht, dann aber nur aus einem Nebenraum stiehlt, oder umgekehrt in Nebenräume einbricht oder eindringt, um von dort aus in die Wohnung zu gelangen und hier zu stehlen. Im erstgenannten Fall ist nach zutreffender Ansicht der Wohnungseinbruchdiebstahl zu bejahen,[447] denn das Gesetz setzt bereits dem Wortlaut nach nur voraus, dass der Täter in die Wohnung gelangt, um zu stehlen, was freilich nicht automatisch bedeutet, dass er auch aus diesem Raum stehlen muss. Dagegen bricht bzw. steigt der Täter im umgekehrten Fall nicht in die Wohnung, sondern nur in die nichterfassten Nebenräume ein; obwohl der Unterscheid aus Opfersicht zufällig erscheint und auch sonst starke teleologische Gründe dafür sprechen, den Wohnungseinbruchdiebstahl auch hier zu bejahen, sieht der BGH[448] die Grenzen möglicher Auslegung überschritten, da das Gesetz einen Einbruch gerade in die Wohnung verlangt.

VI. Spezielle Strafantragserfordernisse bei Diebstahl und Unterschlagung

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Diebstahl und Unterschlagung stellen grundsätzlich Offizialdelikte dar, sodass es für die Strafverfolgung an sich keines Strafantrages bedarf. Sowohl § 247 StGB (Haus- und Familiendiebstahl) als auch § 248b StGB (Diebstahl geringwertiger Sachen) ordnen dagegen Strafantragserfordernisse an. Bei § 247 StGB handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt, weswegen das Fehlen eines Strafantrags ohne Rücksicht auf ein mögliches besonderes öffentliches Interesse ein Verfahrenshindernis darstellt und zu einer Verfahrenseinstellung außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss, in der Hauptverhandlung durch (Prozess-)Urteil führt. Der Gesetzgeber legt durch § 247 StGB fest, dass in bestimmte Verhältnisse nur auf Antrag und anderenfalls gar nicht eingegriffen werden soll.[449] Dagegen stellt § 248a StGB lediglich ein relatives Strafantragserfordernis auf. Ein Diebstahl bzw. eine Unterschlagung ist zunächst unabhängig vom Wert der gestohlenen Sache strafbar, weswegen Fällen des Bagatelldiebstahls[450] im Rahmen einer prozessrechtlichen Lösung durch das relative Strafantragserfordernis Rechnung getragen wird. So kann im Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse bejaht werden, um besonderen Umständen möglichst flexibel begegnen zu können, wie beispielsweise in Fällen erheblicher krimineller Intensität des Täters, häufiger Rückfälle oder aber wenn das Opfer von der Stellung eines Strafantrages aus Angst vor Repressalien Abstand nimmt oder bei einem über die reine Sachentziehung weit hinausgehenden Gesamtschaden.

1. Voraussetzungen des § 247 StGB (Haus- und Familiendiebstahl)

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Ziel des § 247 StGB ist es, den Familienfrieden bzw. den häuslichen Frieden innerhalb enger Verbindungen zu schützen und den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, die Angelegenheit selbst zu bereinigen.[451] Es soll damit nicht etwa einer geminderten Schuld des Täters Rechnung getragen werden, sondern der Gesetzgeber bewertet lediglich den Erhalt der häuslichen Gemeinschaft höher als das gesellschaftliche Interesse an der Strafverfolgung, sofern der Verletzte selbst hieran kein Interesse zeigt. Der Anwendungsbereich der Norm erstreckt sich auf alle im 19. Abschnitt geregelten Formen von Diebstahl und Unterschlagung mit Qualifikationen (§§ 244 bis 246 StGB) und jeweils auf alle Absätze.[452] Eine Erstreckung auf die in anderen Abschnitten geregelten Sondervorschriften, also insbesondere für den Raub (§§ 249 ff. StGB) und für den räuberischen Diebstahl (§ 252 StGB), erfolgt aber nicht.

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Das in der Norm geschilderte besondere Näheverhältnis zum Verletzten muss zum Zeitpunkt der Tat bestehen. Im Falle des Auseinanderfallens von Eigentümer und Gewahrsamsinhaber beim Diebstahl ist § 247 StGB nur anwendbar, wenn Eigentümer und Gewahrsamsinhaber zu den in § 247 StGB genannten Personen gehören.[453]

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Der Begriff des Angehörigen wird in § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB legaldefiniert; Angehörige sind danach Verwandte, Ehepartner, Verlobte sowie weitere in lit. a und b aufgeführte Personen. Eine häusliche Gemeinschaft setzt voraus, dass Täter und Verletzter aufgrund eines freien Willens (der etwa für Soldaten in einer Kaserne oder für Strafgefangene fehlt) und eines ernstlichen Entschlusses (der fehlt, wenn der Täter das Zusammenleben von vornherein nur zum Zwecke der Begehung von Straftaten gegen die Mitglieder der Gemeinschaft herbeiführt)[454] für eine gewisse Dauer[455] tatsächlich mit gemeinsamem Haushalt zusammenleben und dabei zudem den Willen haben, die Verpflichtungen aus der persönlichen Bindung zu tragen.[456]

 

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§ 247 StGB statuiert ein Antragserfordernis, das prozessualen Charakter hat. Die Vorstellung des Beteiligten ist dabei irrelevant, maßgeblich sind allein die objektiven Voraussetzungen des Tatbestands.[457]