Handbuch des Strafrechts

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V. Besonders schwere und qualifizierte Fälle des Diebstahls

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Besonders schwere Fälle wie auch die Qualifikationen des Diebstahls sind lediglich auf den Diebstahl selbst anwendbar. Die Unterschlagung wird von ihrem Anwendungsbereich nicht umfasst. In § 243 StGB sind Regelbeispiele genannt, die für bestimmte beispielhaft aufgezählte Fälle auf Ebene der Strafzumessung „in der Regel“, d.h. nicht nur und auch nicht stets, den verschärften Strafrahmen des § 243 StGB rechtfertigen. Bei geringwertigen Tatobjekten ist die Annahme eines besonders schweren Falles gemäß § 243 Abs. 2 StGB ausgeschlossen.

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Im Unterschied hierzu haben die qualifizierten Fälle des Diebstahls besondere Begehungsweisen und eine damit verbundene erhöhte Gefährlichkeit der Tatbegehung bzw. Tatobjekte, die besonderem Schutz bedürfen, zum Inhalt. Es handelt sich hier um selbstständige, abschließende und zwingend anzuwendende Tatbestände,[316] die den Grundtatbestand des Diebstahls bereits auf Tatbestandsebene qualifizieren. Bei Vorliegen der entsprechenden Merkmale schreiben sie also einen erhöhten Strafrahmen zwingend vor. Eine Gesamtabwägung wie in § 243 StGB ist nicht vorzunehmen. Die Strafbarkeit nach § 244 StGB beurteilt sich zudem ungeachtet einer eventuellen Geringwertigkeit der Tatobjekte.

1. Die Regelbeispiele

a) Allgemeine Grundsätze

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aa) Voraussetzung für die Annahme eines besonders schweren Falles des Diebstahls gemäß § 243 StGB als Strafzumessungsvorschrift[317] mit Regelbeispielen[318] ist die rechtswidrige und schuldhafte Begehung des § 242 StGB, bei dem es aufgrund besonderer Umstände zu einer Strafschärfung nach § 243 StGB kommt.[319] Im Unterschied zu Tatbestandsmerkmalen, hat ein erfülltes Regelbeispiel nur Indiz- bzw. Regelwirkung, und der Katalog des § 243 StGB ist damit weder zwingend noch abschließend. Das Vorliegen eines Regelbeispiels führt daher lediglich zu einer widerlegbaren Vermutung dafür, dass ein besonders schwerer Fall des Diebstahls gegeben ist,[320] dennoch ist es dem Gericht aber möglich – dann aber mit expliziter Begründung[321] – einen solchen ablehnen.[322] Umgekehrt ist es dem Gericht aber auch möglich einen schweren Fall zu bejahen, obwohl keines der aufgezählten Regelbeispiele verwirklicht wurde.[323] Diese flexible Regelung ermöglicht es dem Richter, anhand des jeweiligen Einzelfalles zu überprüfen, ob Umstände vorliegen, die das Unrecht des einfachen Diebstahls nach § 242 StGB soweit steigern, dass ein höherer Strafrahmen angemessen erscheint.[324] Eine Aufnahme in den Urteilsspruch erfolgt grundsätzlich nicht, da es sich bei der Annahme eines schweren Falles um einen Strafzumessungsgesichtspunkt handelt.

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Aufgrund des Umstandes, dass Regelbeispiele das Unrecht der Tat erhöhen und damit Tatbestandsähnlichkeit aufweisen, muss der Täter auch diese in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben, d.h. §§ 15, 16 StGB finden aufgrund der Tatbestandsähnlichkeit analog zu Gunsten des Täters Anwendung.[325] Es genügt für diesen Quasivorsatz grundsätzlich dolus eventualis,[326] wobei etwa die Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 3 schon nach ihrer Definition zielgerichtetes Handeln voraussetzt.[327] Der Vorsatz des Täters muss zudem die fehlende Geringwertigkeit der Sache umfassen.

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bb) Auch der Versuch eines Diebstahls nach § 242 Abs. 2 StGB kann ein besonders schwerer Fall sein.[328] Der Versuchsbeginn bestimmt sich nach § 22 StGB mit dem unmittelbaren Ansetzen zur Wegnahme. Da es sich bei den Regelbeispielen nicht um Tatbestandsmerkmale handelt, kann deren Vornahme allein noch nicht zur Bejahung des unmittelbaren Ansetzens führen. Freilich wird darin dennoch oft das unmittelbare Ansetzen zur Wegnahme liegen.[329]

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In diesem Zusammenhang ist es umstritten, wann beim „Zusammentreffen von Versuch und Regelbeispiel“ die Regelwirkung eintritt.[330] Eine Unterscheidung ist zwischen versuchtem Grunddelikt mit vollendetem Regelbeispiel, vollendetem Grunddelikt mit versuchtem Regelbeispiel und versuchtem Grunddelikt mit versuchtem Regelbeispiel möglich.

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Im Falle eines Grunddelikts, das im Versuchsstadium stecken geblieben ist, das Regelbeispiel aber bereits erfüllt ist, kann man von einem versuchten Diebstahl in einem besonders schweren Fall ausgehen.[331] Auch gibt es keine Gründe, die gegen eine derartige Anwendung sprechen, da § 243 Abs. 1 StGB auf den Diebstahl insgesamt verweist und daher den versuchten Diebstahl nach § 242 Abs. 2 StGB mit erfasst.[332]

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Größere Probleme bereitet der umgekehrte Fall eines vollendeten Grunddelikts und lediglich versuchten Regelbeispiels.[333] Richtig ist hier lediglich von einem einfachen Diebstahl nach § 242 StGB auszugehen.[334] Vorgeschoben ist bereits generell diskutabel, ob die Indizwirkung des besonders schweren Falles überhaupt eingreifen kann, wenn das Regelbeispiel nicht einmal erfüllt ist.[335] Zumindest aber ist unter Wertungsgesichtspunkten anzunehmen, dass ein nur versuchtes Regelbeispiel keine Indizwirkung für die Annahme eines besonders schweren vollendeten Diebstahls entfalten kann. Die Verhängung höherer Strafen in diesen Fällen, obwohl der erhöhte Unwert der Tat nicht einmal vollständig verwirklicht wurde, wäre nicht nur unbillig, sondern hätte auch zur Folge, dass eine bloße Strafzumessungsregel durch ihren bloßen „Versuch“ die Kraft hätte, die Bewertung der vollendeten Haupttat zu beeinflussen. Eine stattdessen zumindest billigere Lösung wäre, eine klarstellende Idealkonkurrenz zwischen vollendetem Diebstahl und einem Versuch in einem besonders schweren Fall anzunehmen,[336] was jedoch dann im Widerspruch zu den allgemeinen Konkurrenzregeln stünde, was umso mehr für den Vorschlag gilt, einen Vorrang des versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall auf Konkurrenzebene anzunehmen. Nur wenn es sich um einen unbenannten schweren Fall handelt, ist deshalb insgesamt von einem besonders schweren Fall auszugehen.[337]

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Im Fall eines versuchten Grunddelikts und versuchten Regelbeispiels ist nach Ansicht des BGH ein versuchter besonders schwerer Diebstahl gegeben, was er wiederum mit der Tatbestandsähnlichkeit der Regelbeispiele begründet.[338] Im Unterschied zu der Fallkonstellation, in der das Grunddelikt vollendet, aber das Regelbeispiel nur versucht ist, ist diese Lösung insoweit akzeptabel, da sie zum einen zur Folge hat, dass dem im versuchten Regelbeispiel hervorgetretenen erhöhten Handlungsunrecht Rechnung getragen werden kann[339] und sie zum anderen dazu führt, dass eine Berücksichtigung des dem vollendeten Regelbeispiel gegenüber geringeren Erfolgsunrechts durch Strafmilderung möglich ist.[340] Jedoch kommt man dann auch zu dem unbefriedigenden Ergebnis, dass man dann – sofern man für das vollendete Grunddelikt einen Eintritt der Regelwirkung ablehnt – selbst unter Berücksichtigung der Strafmilderung nach § 23 Abs. 2 StGB bei einem Eintritt des Erfolges zu einem geringeren Strafrahmen kommt (bis fünf Jahre statt bis siebeneinhalb Jahre).

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cc) Nach § 243 Abs. 2 StGB ist „in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1 bis 6 ein besonders schwerer Fall ausgeschlossen, wenn die Tat sich auf eine geringwertige Sache[341] bezieht“.[342] Dieser (zwingende) Ausschluss gilt über den Wortlaut hinaus wohl auch für unbenannte schwere Fälle nach § 243 Abs. 1 S. 1 StGB.[343] Dies begründet sich zum einen daraus, dass es dem Willen des Gesetzgebers widerspräche eine (vermeintliche) Beschränkung auf benannte Fälle vorzunehmen – vielmehr beruht der Wortlaut des Abs. 2 auf einer Umformulierung anlässlich der Aufnahme der Nr. 7 ins Gesetz –, zum anderen, weil sonst ein zu enges Verständnis auch die entsprechende Anwendung in anderen Fällen ad absurdum führen würde.[344]

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Die Bestimmung der objektiven Geringwertigkeit der Sache erfolgt wie bei § 248a StGB grundsätzlich nach ihrem Verkehrswert, also dem Verkaufswert zum Tatzeitpunkt,[345] und muss bis zu einer Grenze von etwa 50 Euro angenommen werden.[346] Zwischen den unterschiedlichen Regelbeispielen wird kein unterschiedlicher Maßstab angelegt, auch finden individuelle Affektionsinteressen keine Berücksichtigung. Bedeutsam ist allein der Wert des Tatobjekts, etwaige weitere Schäden durch die Tat bleiben außer Betracht.[347] Im Falle des Diebstahls von verbotenen Sachen, wie z.B. Drogen[348] (falls man diese Möglichkeit bejaht), ist maßgeblicher Wert der jeweilige Schwarzmarktpreis.[349] Beim Diebstahl mehrerer Sachen erfolgt zur Bestimmung der Geringwertigkeit nur dann eine Zusammenrechnung, wenn es sich um einen einzigen Diebstahl handelt.[350] Bei Mittäterschaft ist auch der Gesamtwert der Tatbeute entscheidend und nicht etwa der Anteil der jeweiligen Täter.[351] Im Falle von Sachen, die mangels Bestimmung zum Verkauf keinen Verkehrswert besitzen, wie dies etwa bei Dokumenten, Pässen, Formularen oder Akten, aber auch den Tatobjekten der Nr. 4 und Nr. 5 der Fall ist, wird teilweise die Meinung vertreten, der Abs. 2 sei mit der Folge zu verneinen, dass ein besonders schwerer Fall nie ausscheiden kann.[352] Die Gegenansicht in der Literatur stellt darauf ab, ob ein hypothetischer Marktwert bestimmbar ist,[353] wobei bei amtlichen Dokumenten u.U. auch die Höhe der zur Ausstellung des Dokuments zu zahlenden Kosten herangezogen werden könnten.[354] Insbesondere unter Beachtung der Tatsache, dass im Rahmen des Abs. 2 keine Differenzierung zwischen den Regelbeispielen erfolgt und auch nur die Nr. 7 ausdrücklich vom Anwendungsbereich ausgeschlossen wurde, ist mit Blick auf die Tatobjekte in den Fällen der Nr. 4 und Nr. 5 zumindest auf den illegalen Verkaufswert der Sache abzustellen.[355]

 

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Die objektive Geringwertigkeit muss der Täter auch subjektiv in seinen Vorsatz aufgenommen haben.[356] Irrt der Täter über die Geringwertigkeit, so finden nach h.M. die Irrtumsregeln nicht analog zu Gunsten des Täters Anwendung, mit der Folge, dass keine Anwendung des Abs. 2 stattfindet.[357] Jedoch ist zumindest bei einem Folgen dieser Ansicht der Irrtum im Rahmen der Gesamtwürdigung der Tat angemessen zu berücksichtigen, mit der Folge, dass hierdurch die Indizwirkung entfallen kann.

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Fälle, in denen sich der Vorsatz hinsichtlich des Tatobjekts bzw. dessen Werts während der Tatausführung ändert, sind teilweise umstritten. Als Quintessenz kann man hierzu sagen, dass es sich bei dem Tatobjekt von Beginn des Versuchs bis zur Vollendung der Wegnahme um eine „objektiv und subjektiv geringwertige“ Sache handeln muss, damit Abs. 2 Anwendung findet. Im Falle einer Änderung zwischen Versuchsbeginn und Vollendung, tritt bei Verwirklichung eines Regelbeispiels immer die Regelwirkung des Abs. 1 ein. Falls der Täter in ein Gebäude einbricht, sich dabei keine Gedanken über den Wert der Sachen macht und er anschließend dann eine objektiv und subjektiv geringwertige Sache an sich nimmt, so entfaltet Abs. 2 seine Wirkung.[358] Wenn ein Vorsatzwechsel stattfindet, ist nach zutreffender h.M. für die Anwendung des Abs. 2 entscheidend, ob sich der Vorsatz während der Wegnahme, also vom Versuchsbeginn bis zur vollendeten Wegnahme, auf eine geringwertige Sache bezogen hat.[359] Richtet sich der Vorsatz des Täters zunächst auf eine wertvolle Sache und wechselt dieser dann aber und er nimmt eine geringwertige an sich, so ist Abs. 2 nicht einschlägig, denn der Vorsatzwechsel hat nach dem Eintritt des Versuchsstadiums stattgefunden, es bleibt bei der Bestrafung wegen eines besonders schweren Falles.[360] Im umgekehrten Fall hingegen, in dem der Täter zunächst nur eine geringwertige Sache wegnehmen will und dann doch eine wertvolle Sache wegnimmt, ist das Ergebnis das Gleiche, denn auch hier bezieht sich der vollendete Diebstahl nicht auf eine geringwertige Sache.[361]

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Man wird dagegen unter Wertungsgesichtspunkten Abs. 2 in Fallkonstellationen des rücktrittsähnlichen Vorsatzwechsels anwenden müssen, in welchen der Täter bereits mit der Wegnahme einer wertvollen Sache begonnen, dann aber aus freien Stücken die wertvolle Sache gegen eine geringwertige austauscht: Dies hätte einen Rücktritt hinsichtlich des versuchten Diebstahls an der wertvollen Sache zur Folge mit der Konsequenz, dass in der Mitnahme der geringwertigen Sache – da sie ja auch auf einem neuen Tatentschluss beruht – insoweit eine neue Tat zu sehen ist, bei der Abs. 2 eingreift.[362]

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dd) Was die Teilnahme an einem Diebstahl in einem besonders schweren Fall angeht, so sind die Akzessorietätsregelungen analog anzuwenden und daher die tatbezogenen erschwerenden Umstände bei Kenntnis des Teilnehmers zuzurechnen.[363] Eine Ausnahme bildet die Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 3, diese stellt ein täterbezogenes Merkmal dar, auf das § 28 Abs. 2 StGB analog angewendet wird.[364] Vergleichbares wie für die Teilnahme gilt auch für die mittelbare Täterschaft.[365] Obwohl die Akzessorietätsregeln Anwendung finden, ist für jeden Beteiligten im Rahmen einer Gesamtbewertung das Vorliegen eines besonders schweren Falles gesondert zu prüfen.[366]

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ee) Da es sich bei § 243 StGB nicht um eine Qualifikation, sondern um eine bloße Strafzumessungsregel handelt, besteht zwischen § 243 und § 242 StGB keine Gesetzeskonkurrenz, sondern Grunddelikt und Regelbeispiel bilden ein einheitliches Delikt.[367] Gleiches gilt, wenn mehrere Regelbeispiele gleichzeitig erfüllt werden. Eine Verbindung mehrerer Diebstähle zur Handlungseinheit durch eine Gewerbsmäßigkeit nach Nr. 3 findet nicht statt.[368]

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Sofern aber neben den §§ 242, 243 StGB noch andere Delikte verwirklicht werden, finden die allgemeinen Konkurrenzregeln Anwendung. In seiner neueren[369] Rechtsprechung vertritt der BGH die Auffassung, dass § 303 StGB von Taten nach Nr. 1 nicht konsumiert wird.[370] Dies vermag jedoch dann nicht zu überzeugen, wenn der durch die Sachbeschädigung verursachte Schaden über den des Diebstahls nicht hinausgeht. § 123 StGB hingegen kann als typische Begleittat angesehen werden. Im Falle eines Zusammentreffens von lediglich versuchtem Diebstahl im besonders schweren Fall und einer vollendeten Sachbeschädigung ist Idealkonkurrenz anzunehmen.[371] Im Fall der §§ 244, 249 StGB sind die §§ 242, 243 StGB subsidiär.[372]

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Zwischen §§ 242, 243 StGB und anderen Delikten ist Wahlfeststellung nach allgemeinen Grundsätzen möglich,[373] aber auch zwischen mehreren Regelbeispielen, sofern nur sicher ist, dass eines von mehreren Regelbeispielen erfüllt ist.[374]

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Was die Strafzumessung anbelangt, so wird der Diebstahl mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu zehn Jahren bestraft, wenn ein besonders schwerer Fall nach Abs. 1 gegeben ist, so dass der maximale Strafrahmen doppelt so hoch ist wie beim einfachen Diebstahl nach § 242 StGB.

b) Die Regelbeispiele im Einzelnen

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Als Regelbeispiele genannt sind in § 243 StGB der


Einbruch- und Nachschlüsseldiebstahl (Nr. 1, vgl. hierbei zu den Tathandlungen auch unten Rn. 132 zu den identisch formulierten Varianten des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB);
Diebstahl bei besonders gesicherten Sachen (Nr. 2);
gewerbsmäßige Diebstahl (Nr. 3);
Kirchendiebstahl (Nr. 4);
Kulturgüterdiebstahl (Nr. 5);
Schmarotzerdiebstahl (Nr. 6);
Waffen- und Sprengstoffdiebstahl (Nr. 7).

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Da – wie aus dem Wort „insbesondere“ deutlich wird – die Regelbeispiele nicht abschließend sind, kommen zu der Aufzählung noch unbenannte Regelbeispiele in Betracht. Hierzu muss das Gericht im jeweiligen Einzelfall unter Abwägung aller relevanten tat- und täterbezogenen Umstände eine Gesamtbewertung vornehmen.[375] Als derartige Umstände kommen z.B. die besondere Intensität des Angriffs, der besonders hohe Wert der gestohlenen Sache[376] oder etwa auch die Tatsache, dass der Täter Amtsträger war, dem die weggenommene Sache in dieser Eigenschaft zugänglich war, in Betracht.[377] Ebenso kann ein besonderer Vertrauensbruch durch den Täter[378] oder die Überwindung einer Vorrichtung, die zwar nicht unter § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 StGB fällt, mit diesem aber vergleichbar ist, einen unbenannten Fall darstellen, wobei hierbei immer eine gewisse Vergleichbarkeit mit einem der genannten Regelbeispiele vorliegen muss.

2. Qualifikationen

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In Abweichung zu den Regelbeispielen in § 243 enthält § 244 Abs. 1 StGB vier Qualifikationen mit eigenen Tatbeständen, welche aber (mit Ausnahme des 2017 eingeführten Abs. 4[379]) nach § 12 Abs. 2 StGB Vergehen bleiben. Die Geringwertigkeit des Tatobjekts spielt bei § 244 StGB anders als bei § 243 Abs. 1, 2 StGB keine Rolle, und auch § 248a StGB ist nicht anwendbar; ein Strafantrag ist nur in den Fällen des § 247 StGB zu stellen.

a) Allgemeine Grundsätze

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aa) Durch Absatz 1 Nr. 1 (Mitführen von Waffen, gefährlichen und sonstigen Werkzeugen[380]) und Nr. 2 (Bandendiebstahl) wird zum einen das Diebstahlsopfer vor der erhöhten Gefährlichkeit der Tatbegehung geschützt und zum anderen zugleich die darin zum Ausdruck kommende Rücksichtslosigkeit des Täters unter eine höhere Strafe gestellt,[381] denn dieser begründet auch meist eine Gefahr für die körperliche Unversehrtheit des Opfers, zumindest aber für dessen Entschlussfreiheit[382] bzw. wird aus der Sicht eines objektiven Dritten ein entsprechender Eindruck[383] hervorgerufen. Auch stellt die bandenmäßige Begehung nach Abs. 1 Nr. 2 nach herrschender (wenngleich nicht unbestrittener) Auffassung eine besonders gefährliche Begehungsform dar,[384] da die Wahrscheinlichkeit der Tatbegehung durch den Zusammenschluss im Vergleich zum Alleintäter erhöht ist.[385] Die Strafschärfung der Nr. 3 bzw. des Abs. 4 (Wohnungseinbruchdiebstahl) ergibt sich aus der besonderen Verletzung der Privatsphäre des Opfers und dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung vor derartigen Eingriffen.[386]

 

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bb) Die Strafbarkeit des Versuchs ist in § 244 Abs. 2 StGB geregelt. Ein unmittelbares Ansetzen nach § 22 StGB liegt erst vor, wenn der Täter auch zur Wegnahme unmittelbar ansetzt; es ist gerade nicht auf die qualifizierenden Umstände als solche abzustellen.[387] Für die rechtliche Bewertung eines Irrtums des Täters bzgl. qualifizierender Umstände ist entscheidend, in welchem Verhältnis die Nr. 1a und Nr. 1b zueinanderstehen. Im Falle eines tatbestandlichen Exklusivitätsverhältnisses[388] wäre der Versuch der Nr. 1a gegeben, wohingegen die h.M. von einem Auffangtatbestand ausgeht und daher allein nach Nr. 1b bestrafen würde.[389] Auf Konkurrenzebene erfolgt nur eine Bestrafung wegen einer Tat, selbst wenn mehrere Qualifikationsalternativen des § 244 StGB gegeben sind.

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Was den Rücktritt vom Versuch angeht, ist umstritten, ob der Täter separat von der Qualifikation zurücktreten kann, obwohl der Diebstahlsvorsatz nach § 242 StGB bestehen bleibt. Gegen einen solchen Teilrücktritt wird hervorgebracht, der Qualifikationstatbestand müsse nur zu irgendeinem Zeitpunkt der Tat erfüllt sein, dies sei aber bereits beim Versuchsbeginn gegeben.[390] Hingegen spricht sich eine verbreitete Ansicht in der Literatur für die grundsätzliche Möglichkeit des Teilrücktritts von der Qualifikation aus mit der Begründung, dass sich der Diebstahlsvorsatz im Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Handlung nur noch auf den Grundtatbestand beziehe und der Rücktritt vom Qualifikationsmerkmal bis zur Vollendung des Diebstahls möglich sein müsse.[391] Eine weitere Ansicht geht von einer Unanwendbarkeit der Rücktrittsvorschriften aus, falls die Qualifikation bereits vollendet ist, und zieht stattdessen der Gedanke der tätigen Reue beim Abbruch qualifizierender Verhaltensweisen heran.[392]

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cc) Trotz der Verwirklichung mehrerer Qualifikationsmerkmale bei einer Tat liegt grundsätzlich gleichwohl nur ein einheitlicher qualifizierter Diebstahl vor.[393] Fälle von Gesetzeskonkurrenz sind sowohl mit dem Grunddelikt (samt etwaigen Regelbeispielen) nach § 243 StGB als auch mit dem Raub und seinen Qualifikationen und des Weiteren mit dem räuberischen Diebstahl und der räuberischen Erpressung möglich. Die §§ 242, 243 StGB treten im Wege der Spezialität hinter § 244 StGB zurück, hingegen ist bei lediglich einem Versuch der Qualifikation nach § 244 StGB aus Klarstellungsgründen Idealkonkurrenz gegeben.[394] Mit waffenrechtlichen Delikten nach dem WaffG,[395] sowie beim Bandendiebstahl mit den §§ 129 f. StGB ist Tateinheit möglich. Da § 244 StGB einen tatbestandlichen Charakter hat, gilt noch mehr als bei § 243 StGB, dass eine Sachbeschädigung jedenfalls dann konsumiert wird, wenn nicht der Schaden auf Grund der durch den Einbruch verursachten Sachbeschädigung über den Wert der Diebesbeute hinausgeht.[396] Zwischen dem Bandendiebstahl und der Bandenhehlerei nach § 260 StGB ist Wahlfeststellung möglich.[397]

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dd) Der Strafrahmen des § 244 StGB liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Freiheitsstrafe, im Fall des Abs. 4 (Einbruchdiebstahl in dauerhaft genutzte Privatwohnungen, vgl. auch Rn. 131) zwischen einem Jahr und zehn Jahren. Eine Verhängung einer Geldstrafe ist daher grundsätzlich nicht möglich. Darüber hinaus ist bei der Strafzumessung zu beachten, dass die besonders gefährlichen Begehungsweisen nicht nochmals strafschärfend berücksichtigt werden dürfen.[398] Jedoch stellt es nach der Rechtsprechung keinen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB dar, wenn straferschwerend berücksichtigt wird, dass Waffen eingesetzt wurden, die – wie etwa eine scharfe Handgranate – derart gefährlich sind, dass im Einzelfall von einer besonders intensiven Rechtsgutsgefährdung auszugehen ist.[399]

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Im Fall eines Familiendiebstahls gilt auch bei § 244 StGB das Strafantragserfordernis des § 247 StGB, während § 248a StGB nicht anzuwenden ist. Die Verjährung beträgt nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 StGB zehn Jahre.