Wie ein leises Berühren

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Ein Fasten, wie ich es liebe …

„Ist das ein Fasten, wie ich es liebe, ein Tag, an dem man sich der Buße unterzieht: wenn man den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt? Nennst du das ein Fasten und einen Tag, der dem Herrn gefällt? Nein, das ist ein Fasten, wie ich es liebe: die Fesseln des Unrechts zu lösen, die Stricke des Jochs zu entfernen, die Versklavten freizulassen, jedes Joch zu zerbrechen. An die Hungrigen dein Brot auszuteilen, die obdachlosen Armen ins Haus aufzunehmen, wenn du einen Nackten siehst, ihn zu bekleiden und dich deinen Verwandten nicht zu entziehen. Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden werden schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.“ (Jesaja 58,5–8)

Das Herz an einen Stern hängen

Der Prophet Jesaja zeigt uns den Stern, der unser Leben prägen kann. Wem kann ich durch ein gutes Wort Freiheit verkünden aus der Enge seines Denkens, seiner Angst, seiner Verzweiflung? Wem kann ich durch eine gute Tat helfen aus der Armut, die ihn niederdrückt? Wen kann ich bei der Hand nehmen, um ihm zu zeigen, wofür er blind ist oder was er nicht mehr sehen kann, weil Tränen seine Augen trüben?

Verbringen wir unser Leben nicht mit der Bekämpfung täglicher Hindernisse, sondern hängen wir unser Herz an einen Stern, einen Stern, der uns leuchtet und auf einen anderen Horizont hinweist, auf ein jenseitiges Land.


Ich will es – werde rein!

Aussatz hat in unseren Tagen viele Gesichter: Ich bin alt. Ich bin einsam. Ich bin behindert. Ich habe Aids. Ich bin arbeitslos. Ich bin geschieden. Ich hänge an der Nadel. Ich bin finanziell ruiniert. Ich habe Schuld auf mich geladen. Ich bin Ausländer. Ich habe keinen Gesprächspartner. Und, und, und …

Alle diese Erfahrungen führen oft in die Einsamkeit und die Isolation. Damals wie heute. Wenn keine(r) mehr in der Nähe ist und die Einsamkeit unserer Seele den Atem nimmt, dann stellt sich die Frage, was denn noch Halt gibt. Wenn kein Mensch uns hält, worauf kann man sich dann noch verlassen? Fragen, die am tiefsten bohren, bringen manchmal die wichtigsten Antworten.

Im Evangelium wird erzählt, wie Jesus einen Aussätzigen heilt, wie er diese Mauer der Einsamkeit, die einen Menschen eingeschlossen hat, durchbricht (Markus 1,40–45). Er ignoriert alle Regeln der medizinischen Vernunft von damals, indem er auf Aussätzige zugeht. Aussatz war unheilbar und extrem ansteckend. Betroffene Menschen mussten durch Schreien und Geräusche auf sich aufmerksam machen, damit man ihnen rechtzeitig aus dem Weg gehen konnte. Doch Abstand und Distanz können die Wunden der Einsamkeit nicht heilen.

Körper und Seele werden heil

Die Heilung des Aussätzigen hat mehrere Ebenen. Jesus gibt dem Kranken zunächst seine körperliche Gesundheit wieder. Der Aussatz verschwindet. Aber er geht noch weiter: Er berührt den Aussätzigen.

Mit Bedrückung denke ich an die vielen Tausend Leprakranken unserer Tage: verstümmelte Hände und Füße, entstellte Gesichter. Medikamente können den Zerfall des Körpers stoppen. Aber sie heilen nicht die Wunden der Seele. Keine Berührung aus Angst vor Ansteckung. Kein wertschätzender Blick, weil der Anblick so unerträglich ist. Keine Umarmung, weil Ekel sich breit macht. Diese Verletzungen der Seele sind nur durch Liebe heilbar. Jesus hatte Mitleid. Er streckte die Hand aus. Er berührte den Aussätzigen.

Dem Herzen schenken

Christus handelt nicht nach großen Konzepten und Plänen. Es braucht einfach den Mut zur Begegnung, den Mut, einem Menschen das Gefühl der Nähe, der Achtung, des Vertrauens zu schenken, um die Formen des Aussatzes heute zu heilen.

Der Schriftsteller Rainer Maria Rilke10 erzählt von einer Erfahrung, die er in Paris gemacht hat. Täglich ging er um die Mittagszeit an einer alten Bettlerin vorbei. Wie unzählige andere Menschen in dieser Stadt saß diese Frau da und nahm die Gaben der Vorübergehenden entgegen, ohne jedes Anzeichen der Dankbarkeit. Rilke sagte zu seiner Begleiterin: Man müsste ihrem Herzen schenken, nicht ihrer Hand. Eines Tages erschien Rilke mit einer wundervollen Rose und legte sie in die Hand der Bettlerin. Da geschah etwas Merkwürdiges: Die Frau stand auf, griff nach seiner Hand, küsste sie und ging mit der Rose davon. Eine Woche lang blieb sie verschwunden. Dann saß sie wieder auf ihrem Platz, stumm, starr wie zuvor. Wovon hat diese Frau die ganze Woche gelebt? – Sie lebte von dieser Rose, diesem Zeichen herzlicher und menschlicher Begegnung. Überall, wo Christinnen und Christen so leben, ereignet sich, was Jesus wollte: das Reich Gottes.


„Dir wird der Humor wohl auch langsam vergehen?“

So begrüßte mich vor einiger Zeit ein Bekannter und spielte damit auf die damalige Situation der österreichischen Kirche an, die gerade von Skandalen heftig gebeutelt wurde. Ich war im ersten Moment etwas überrascht über diese Form der Begrüßung. Ich stellte fest, dass mir trotz der unerfreulichen Vorkommnisse die Freude an der Kirche nicht abhandengekommen war. Das Thema Humor gehört ja nicht nur in die närrische Zeit des Faschings. Und auch der Fasching ist mit eine Erfindung der Christen, die ein Gegengewicht zur Fastenzeit haben wollten.

Humor ist Medizin

Der Verhaltensforscher Konrad Lorenz11 hat uns eindrücklich ermahnt, dass wir den Humor noch nicht ernst genug nehmen. Wenn Sie sich an Gespräche mit Menschen erinnern, die Ihnen ein Problem anvertraut haben, dann werden Sie merken, dass das Gespräch oft eine andere, eine gute Richtung nahm, wenn ein Mensch ein wenig über sich und seine Situation lachen konnte. Humor eröffnet neue Möglichkeiten der Wahrnehmung.

Viktor Frankl12 sieht im Humor, in der Heiterkeit eine Eigenschaft, die psychische und physische Gesundheit fördert. Einer seiner heilenden Ratschläge ist die „Paradoxe Intention“: Ich tue mit Humor gerade das, wovor ich mich am meisten fürchte. Hoffnung tritt dann an die Stelle der Angst.

Christen haben allen Grund zur Heiterkeit

„Christen sollte man anmerken, dass sie eine frohe Botschaft zu verkünden haben. Nichts wirkt deprimierender als ein christlicher Sprecher, der jammert und den Hörer ratlos und verängstigt zurücklässt.“ So meinte einmal der deutsche Bundespräsident Karl Carstens.

Eine Anekdote bringt diesen oft gehörten Gedanken auf den Punkt: Der Bischof kommt zu einer Priesterversammlung und ermutigt seine Pfarrer, die Predigten doch mit mehr Mimik und Gestik zu unterstreichen. „Wenn Sie vom Himmel reden“, so sein wohlgemeinter Ratschlag, „dann machen Sie einladende Handbewegungen und ein strahlendes Gesicht.“ „Und wenn wir von der Hölle predigen?“, will einer der Pfarrer wissen. – „Dann können Sie so bleiben, wie Sie sind.“

Es tut gut, Christen mit einer ansteckenden Heiterkeit zu erleben. Heiterkeit und Fröhlichkeit sind Zeichen für eine stimmige Spiritualität. Ein heiterer Mensch verschließt die Augen nicht vor der Situation der Welt oder der Kirche. Er verdrängt das Dunkle nicht. Aber er sieht alles aus einer anderen Perspektive, aus einer Perspektive des Geistes, der auch die Finsternis durchschaut, bis er auf den leuchtenden Grund Gottes darin stößt. Wir Christen können aus der Gewissheit heraus fröhlich sein, dass der Tod nicht das letzte Wort hat. „Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet!“, ruft uns der Apostel Paulus zu (Römer 12,12).

Ohne Lachen lässt sich nicht leben

Lachen ist gesund. Du hast Lachen nötig.

Humor ist gesund.

Ob du an diese Seite deiner Gesundheit

wohl genug denkst?

Durch deine ganzen Sorgen

machst du dir Falten in dein Herz,

und schnell hast du dann

auch Falten im Gesicht.

Lachen befreit. Humor entspannt.

Lachen kann dich erlösen vom falschen Ernst.

Lachen ist die beste Kosmetik fürs Äußere

und die beste Medizin fürs Innere.

Regelmäßig die Lachmuskeln betätigen –

das ist gut für die Verdauung,

der Appetit kommt in Gang,

und der Blutdruck bleibt stabil.

Humor gibt dir ein Gespür für die Dinge,

wie sie sich zueinander verhalten

und wie viel Gewicht ihnen zukommt.

Lachen und Humor wirken sich aus

nicht nur auf deinen Stoffwechsel,

sondern auch auf deine Umgebung.

Lachen und Humor entlasten.

Sie verringern Spannungen und Tränen.

Sie befreien vom erdrückenden Ernst

der bleiernen Probleme,

von der erstickenden Luft des Alltags.

Lachen und Humor –

das beste Mittel gegen Vergiftung

von Geist und Herz.

Lachen und Humor machen den Weg frei

zu ungeahnter Lebensfreude.

Was ist ein verlorener Tag?

Ein Tag, an dem du nicht gelacht hast!

 

(Phil Bosmans)13


Die Zeit des Lachens

Pünktlich wie die Uhr wird uns die Zeit der Buntheit, des Lärms, der Dekoration und Maskerade beschert. Wieder befinden wir uns in der Zeit des Faschings, einer Zeit des Gleichmuts und der plakativen Freude. Allerorts wird ausgiebig gefeiert, getanzt und gelacht. Viele von uns erleben den Fasching wie eine Woge des „vollen Lebens“ vor der Zeit der Ruhe und der Besinnung.

Jüngst habe ich gelesen, der Humor zähle zu jenen geistigen Gaben, die uns für kurze Augenblicke Aspekte der Wirklichkeit verändern lassen. Mit Witz und Lachen werden angstmachende Momente des Lebens erträglich, oftmals sogar gelöst, aufgehoben. In einer Situation, die uns bedrohlich erscheint, schafft der Humor die notwendige Distanz, um Hoffnung zu schöpfen. Humor setzt Selbstkritik voraus. Der tiefen Erkenntnis also ist der Humor vorangestellt, so wie der Fasching der Fastenzeit vorausgeht.

Wechselspiel von Freude und Trauer

Unser Leben bewegt sich im Wechselspiel zwischen Freude und Trauer. Beides kann nur erkannt werden, wenn es auch das andere gibt. Das Lachen bleibt dabei ein Geheimnis. Es gibt das behagliche, verspielte, freudige Lachen genauso wie die verzweifelte, zynische oder gar abfällige Tollerei. Lachen ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft, das ist gewiss. Unser Leben ist voller komischer Episoden, Ereignisse und Anlässe für humorige Äußerungen. Gelassenheit und Humor können weise machen, wie diese „Seligpreisungen“ von Urban Camenzind-Herzog nahelegen:


„Selig die, die über sich selbst lachen können;

sie werden immer genug Unterhaltung finden.

Selig die, die einen Berg von einem Maulwurfhügel

unterscheiden können;

sie werden sich viel Ärger ersparen.

Selig die, die schweigen und zuhören können;

sie werden dabei viel Neues lernen.

Selig die, die fähig sind, sich auszuruhen und zu schlafen,

ohne dafür Entschuldigungen zu suchen;

sie werden weise werden.

Selig die, die lächeln können und kein böses Gesicht machen;

sie werden sonnenbeschienen sein.

Selig die, die denken, bevor sie handeln, und beten, ehe sie denken;

sie werden eine Menge Dummheiten vermeiden.

Selig die, die lächeln und schweigen können, auch wenn

man ihnen das Wort abschneidet oder auf die Zehen tritt;

sie sind dem Geiste des Evangeliums sehr nahe.

Selig die, die es verstehen, die kleinen Dinge ernst und die

ernsten Dinge gelassen anzusehen;

sie werden im Leben sehr weit kommen.“14

Anliegen hinter den Masken

Wenn wir also bei einem Faschingsumzug hinter die lachenden Fassaden blicken, hinter den Lärm, hinter die Böller und die Masken, so werden wir viele ernsthafte, tiefe Anliegen der Menschen erkennen. Da finden sich Gruppen zusammen, die in wochenlanger Kleinarbeit ein politisches, ein gesellschaftliches oder soziales Thema in einen „Auftritt“ verpacken und allen Menschen bei Umzügen präsentieren. Da werden Politiker entmystifiziert, indem über sie gelacht werden darf, da werden wichtige Themen für die Gemeinde oder die Stadt in humoriger Weise präsentiert, da nehmen sich prominente Persönlichkeiten durch ihre Teilnahme am Umzug selbst „auf die Schaufel“. Sie sind es, die uns vorleben, dass Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Auch über sich selbst. Und sich damit bestens selbst unterhält.

Humor als Geschenk

Humor ist ein Geschenk an uns Menschen. Wir werden uns im selbstkritischen Humor unserer Bedeutung und gleichzeitig unserer Unbedeutsamkeit bewusst. Humor weist weit über das Leben, das uns hier geschenkt ist, hinaus. „Dort, wo das Lachen ist, hat der Teufel keinen Platz“, heißt es in einem alten Sprichwort. Der Humor verhindert, dass wir uns zu tief in eine Sache verbeißen, dass Verzweiflung an die Stelle der Zuversicht tritt. Hoffnungsfroh zu sein, heißt auch Humor zu haben.

Macht kein finsteres Gesicht

Die Zeit nach dem durchaus sympathisch oberflächlichen Fasching – die Zeit nach dem Aschermittwoch –, in der wir Einkehr halten und uns besinnen, lässt uns aus der Freude und dem Lachen der vergangenen Zeit Spuren finden hin zum wahren Leben. Zu den Wurzeln und der Bestimmung unseres Lebens. Diesen Weg sollten wir in seiner ganzen Dimension, in seiner Tiefe und Spiritualität ebenso lachend gehen. Mit Humor schaffen wir uns den Raum für diesen tiefen Atem, der notwendig ist in Zeiten des Umbruchs, in Zeiten der Belastung oder gar der Trauer. Am Ende dürfen wir Hoffnung schöpfen, dann, wenn es Ostern wird in unseren Herzen.

MÄRZ
HIMMLISCHE
STUNDEN
Der Kompass des Herzens

„Kehrt um zu mir von ganzem Herzen

mit Fasten, Weinen und Klagen.

Zerreißt eure Herzen, nicht eure Kleider,

und kehrt um zum Herrn, eurem Gott.

Denn er ist gnädig und barmherzig,

langmütig und reich an Güte.“ (Joel 2,12f.)

Diese Worte des Propheten Joel stehen am Beginn der Fastenzeit. Sie zeigen uns, dass Fasten im christlichen und im spirituellen Sinn etwas sehr Innerliches ist. Es geht nicht um das Äußere wie das Zerreißen von Kleidern, was in alten Zeiten als ein Zeichen von Reue, Buße und Umkehr galt, sondern es geht um unser Herz.

„Halt amol dein Herz offen“

So hieß es beim Aschermittwoch-Gottesdienst 2014 auf dem Leutbühel und in der Seekapelle in Bregenz. Schülerinnen und Schüler der Landesberufsschule 1 Bregenz hatten ihn mitgestaltet. Dem Feuer, in dem auch die Palmzweige des Vorjahres verbrannt wurden, haben sie alles Belastende übergeben, von dem sie sich in der Fastenzeit freimachen wollen: „Unsere Lustlosigkeit“, „den Streit“, „das Chaos des Lebens“, „unsere Faulheit“, „unsere Sorgen“, „die Verletzungen unserer Seele“, „unsere Freudlosigkeit“ lasen sie da auf den Zetteln, bevor sie sie den Flammen übergaben.

Ein Feuer, das reinigt

Feuer, Asche reinigt, lässt Neues entstehen. Auf anderen Zetteln war dann festgehalten, was es für einen Neustart braucht: „unterstützende Begleiter und Freunde“, „Freude am Leben“, „klare Ziele“, „Mut für das Neue und Ungewohnte“, „Sehnsucht nach dem Lebendigen“, „die Bereitschaft, uns zu versöhnen und einander zu vergeben“, „innere Stärkung durch Gottes Segen“.

Fasten ist, wie wenn wir den Kompass unseres Herzens neu einstellen. Er ist oft beeinflusst von vielen Dingen, die uns belasten, die uns Sorgen machen, die uns aufgedrängt werden. Deshalb weicht die Nadel dann ab von der guten Richtung. Fasten meint eine neue Achtsamkeit für das, was unsere Seele und unser Herz brauchen. Eine dreifache Achtsamkeit ist nötig:

Achtsamkeit für unsere Beziehungen. Wo gibt es Verletzungen? Wo ist Unversöhntes in unserem Leben? Wo ist ein neuer Anfang gefragt?

Achtsamkeit für unsere Schöpfung. Die Schöpfung als Ganzes ist uns anvertraut. Sie braucht Rücksichtnahme, eine intelligente Reduktion, die allen Menschen Raum zum Leben gibt. Die Zerstörung der Natur ist die Zerstörung unseres Lebensraumes. Fasten meint ein behutsames Umgehen mit den Ressourcen, die uns die Natur schenkt.

Achtsamkeit für den Sinn unseres Lebens. Wir verlieren manchmal das Wesentliche aus den Augen. Zu viel Arbeit, Stress, Konflikte lenken uns ab. Übermäßiger Genuss und Konsum verstopfen die Sinne unseres Herzens. Fasten heißt, sich zu fragen, was mein persönlicher Auftrag für mein Leben ist. Wofür lebe ich? Welchen Traum hat Gott für meinen Weg?

Fasten und Verzichten

Zum Fasten gehört auch Verzichten, weil Verzicht die Augen unseres Herzens öffnet und unsere Sinne schärft. Letztlich geht es im Fasten um das Tiefste in unserem Leben. Es geht darum, dass wir unser Herz zerreißen, nicht nur um ein äußerliches Loswerden von Kilos. Es geht darum, dass wir unser Herz zerreißen für das, was wirklich wichtig ist, für die Liebe, für unsere Beziehungen, für die Schöpfung, in der wir atmen, und für den tiefen Sinn unseres Lebens, für den Traum, den Gott im Leben eines jeden Menschen schreiben möchte.


Tabor – der Weg zum Glück, der Weg zu Gott

Der Berg hat im Leben des Menschen eine große Bedeutung. Er ist ein Ort einzigartiger Schönheit jenseits aller Zeit. Ein Ort des Überblicks, der sich zum Horizont weitet. Dorthin, wo auch unsere Sehnsucht uns hinzieht. Der Berg ist aber auch ein Ort für den Kick. Ein Ort der Gefahr und des plötzlichen Todes. Er ist ein Ort der Einsamkeit.

Jesus führte die Jünger auf den Berg Tabor, um ihnen Wesentliches für ihr Leben zu zeigen: das Glück und die Gotteserfahrung (Matthäus 17). Petrus – einer der Freunde Jesu, die dabei waren – ist begeistert und überwältigt. Er will bleiben und schlägt vor, drei Hütten zu bauen auf dem Berg.


Freudige Lebendigkeit

Was geschah in dieser Tabor-Stunde damals? Was geschieht in den Tabor-Stunden heutiger Tage und heutiger Menschen?

Es gibt viele Definitionen von Glück. Eine, die mich besonders angesprochen hat, ist, dass das Glück etwas zu tun hat mit einer freudigen Lebendigkeit.

Das Sehnen nach Glück

Die psychologische Forschung der letzten Jahrzehnte hat sich immer wieder die Frage gestellt, was denn herausragende und besonders vorbildliche Menschen zu solchen macht? Was macht sie so besonders leistungsfähig, gesund, widerstandsfähig, schöpferisch, erfolgreich? Was hilft einem Menschen letztendlich, ein glückliches Leben zu führen?

Zwei Ergebnisse haben mich besonders überzeugt. Das eine sind die Forschungen des berühmten Psychologen Abraham Maslow15. Er zeigt, dass es mystische Erfahrungen sind, die besonderen Menschen gemeinsam sind. Sie alle berichten in den Untersuchungen von Augenblicken, in denen sie sich einer grenzenlosen Zugehörigkeit bewusst wurden, und alles, was um sie herum war, als wahr und gut und schön erlebten. Maslow entwickelte den Begriff der „peak experiences“ – Gipfelerlebnisse –, weil es seine Medizinerkollegen unpassend fanden, in der Naturwissenschaft von mystischen Erlebnissen zu sprechen.

Glück und Sinn

In eine ähnliche Richtung führen uns die Erkenntnisse von Viktor Frankl16, der sagt, dass das Glück dort ist, wo der Mensch im Sinn aufgeht, wo er etwas tut und gestaltet, was sein Leben im Tiefsten sinnvoll werden lässt: in schöpferischen, in kreativen Tätigkeiten, in schönen Erlebnissen und gerade auch in der Erfahrung der Hoffnung und des Vertrauens in Situationen, die das Leben schwer machen.

Mein persönlicher Berg Tabor

Ich bin überzeugt, dass alle Menschen solche Gipfelerlebnisse kennen. Dass sie – theologisch gesprochen – Tabor-Stunden erleben durften. Vielleicht erinnern Sie sich an einen Augenblick in Ihrem Leben, wo Sie eine tiefe und freudige Lebendigkeit erfahren durften, wo Sie gespürt haben, dass die Welt mehr ist als unser kleines Leben, wo Sie plötzlich aufgingen in der großen Erfahrung der Ewigkeit und des Ganzen, wo das Schöne, das Wahre, das Gute irgendwie spürbar geworden sind. Theologen sprechen dann von Gotteserfahrung.

Wir werden manchmal hineingenommen in solche Erfahrungen durch eine wunderschöne Musik, durch einen Blick in das Firmament einer sternenklaren Nacht, bei der Geburt eines Kindes, in der Erfahrung des Geliebtseins, beim Anblick eines schlafenden Kindes, im Erleben, irgendwo dazugehören zu dürfen, dabei zu sein. Es ist die Erfahrung der Zugehörigkeit, die der Gegenpol ist zu Verlassenheit und Verzweiflung. Wir fühlen uns daheim, wir sind geborgen, wir wissen uns beschenkt.

 

Wir verstehen, dass Petrus diese Erfahrungen nicht loslassen will. Er will auf dem Berg Tabor drei Hütten bauen, die Symbole dafür sind, dass er bleiben will. Die Lebenserfahrung zeigt uns aber, dass wir solche Augenblicke nicht festhalten können. Sie sind wie ein scheuer Vogel, der auf unserer Hand sitzt und nur so lange dort bleibt, bis wir versuchen, ihn festzuhalten. Wenn wir die Hand zur Faust ballen wollen, dann fliegt er noch im selben Augenblick davon. Glück und Gotteserfahrung brauchen ein offenes Herz, das nicht fesselt, das nicht krampfhaft festhält, das einfach offen ist für das Empfangen.

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