Za darmo

Zwei Erzählungen

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Er sah sie forschend an: »Wohin denn?«

»Wollen Sie mir nicht helfen?« fragte sie verwundert, »Sie haben mir’s doch versprochen!« Und sie ging voraus.

»Was habe ich versprochen?« dachte er beunruhigt.

Sie führte ihn durch einen langen Gang, nahm eine kleine Laterne, die dort in einer Ecke hing und stieg eine schmale gewundene Treppe hinab. Auf den untersten Stufen blieb sie stehen und wandte sich um: »Ich bekomme ihn allein nicht herauf!« flüsterte sie, »er ist schwer!« Sie stellte die Laterne nieder und suchte in der Tasche. Dann steckte sie den Schlüssel ins Schloß, er knackte zweimal. Die niedrige alte Kellertür fiel schwer gegen die Mauer. Ein unerträglicher Geruch, der schon auf der Treppe zu merken gewesen war, schlug ihnen entgegen. Sie hob die Laterne hoch. Der Lichtkreis erreichte eine breite Mannsgestalt, die aufrecht an der Wand lehnte. Es war keine Leiche.

»So ist er seither,« flüsterte sie.

Ein ganz von Bart überwachsenes Gesicht mit gläsernem Tierblick neigte sich vor, schwer gelallte Laute bewegten den Mund und hagere Hände mit sehr langen Fingernägeln griffen nach dem Licht.

»Also warum fassen Sie nicht zu?« flehte sie gequält, »ich werde Ihnen dann schon helfen!«

Richner streckte mechanisch die Hand nach der Schulter des Mannes aus.

Mit einem tiefen grollenden Knurren aus geschlossenem Mund zog der Mann Arme und Beine an sich und preßte den Leib trotzig gegen die Wand.

Mochte es nun der Geruch in dem Raum sein, das langgezogene wie von fernher drohende Hundeknurren oder die Berührung der Fingerspitzen mit dem haarigen Hals, der so kühl und feucht wie die Mauer war, – über Richner schlug ein übermächtiges Grauen zusammen. Er sprang hinaus. Ein gellendes Gelächter folgte ihm die Treppe hinauf.

Er stand auf der Straße. Etwas saß ihm im Rücken und peitschte ihn wie Kinder im Dunkel, hinunter zwischen bewohnte Häuser zu kommen, unter Menschen!

Auf den Wiesen lag die Mittagssonne und sie spiegelte sich im Fluß, als er über die schwankende Brücke floh.

Wie? Hätten nicht vielleicht alle Frauen so gehandelt, wenn sie den Einfall gehabt hätten? – Und er sah alle Männer der Welt in die lichtlosen Kellerkäfige ihrer Häuser ohnmächtig eingesperrt, statt auf der verzweifelten Suche nach dem notwendigen Weg zum Glück (in der Raserei des Zornes über das vergebliche Umirren) miteinander um die Macht und Ehre ihres Volkes zu ringen.

Hinter der Brücke blieb er stehen und sah zurück. Er unterschied noch das helle Holzgitter des vorspringenden Gartenzauns.

Es widerstrebte ihm, damit jetzt zum Popen zu gehen; aber was hätte er anderes tun sollen?

UNWAHRSCHEINLICHES GERÜCHT VOM ENDE EINES VOLKSMANNS

Ein blauer Sommertag lag über dem stillen Dorf. In den Feldern draußen klangen die Sicheln und Sensen und rauschten in den Halmen zu den Reden der Weiber. Von einigen ganz nahen hörte man es bis auf den Platz vor der Kirche. Der Pfarrer las heute die Messe fast nur für den Küster und war vielleicht darum so merklich bald fertig.

In den Dorfstraßen schliefen die Hunde, die Sonne brannte in die leeren Höfe und niemand hörte einem kleinen Kinde zu, das eingesperrt im Stübchen hinter dem Fenster in seinem Korbe lag. Es kaute am Unterleib eines ehemaligen Kautschuksoldaten und lachte und spuckte und strampelte und freute sich über Gott weiß was.

Da raste rasselnd, brauste, donnerte, schoß ein Auto die unaufhörliche Landstraße von der Bahnstation herunter, dampfte hohe weiße graue Wolken um sich, hinter sich langhin bis an den Himmel. Der hagere rotbärtige Mann drin beugte sich fast gleichzeitig nach rechts und links hinaus und seine Augen drangen auf die Häuser, die Zäune, die Meilensteine, die Bäume zu beiden Seiten ein.

Der Chauffeur mußte schon einiges gewohnt sein, denn er blieb sitzen, wandte den Kopf nicht, lächelte kaum, als in dem Augenblick, da er eben erst zu halten beabsichtigte, sein Herr schon aus dem Wagen und gegen die Tür des Wirtshauses sprang, die er, hoffentlich nur, weil sie gerade zufällig angelehnt war, mit den Füßen aufstieß. Ein markerschütternder Schrei war sein: »Wirt!« Es hallte in dem leeren Hause: »Wirt!«

Er war nicht zu Hause und auch die Wirtin nicht; selbst die Kinder waren draußen auf den Feldern. Nur ein alter Großvater schlurfte endlich zittrig in seinen zerlumpten Schlafschuhen aus dem dämmrigen Hintergrund des schmalen tiefen Gangs heran.

»Ja, was soll denn das heißen?« fuhr der Herr los, »niemand an der Bahn, niemand hier! Was ist das für eine Ortsgruppe?«

»Bier?« fragte der Alte zaghaft, »Wein? – Aber mein Sohn hat leider die Kellerschlüssel mit, – er ist so ängstlich! – «

Wie die plötzlich in die wahrgenommene Welt durchgebrochene ewige mechanische Herzensangst der toten Materie pulste, hämmerte unerschöpflich gleichmäßig hilflos verzweifelt die gefesselte Kraft des stehenden Motors draußen hinter ihnen auf der Straße.

»Ja, wo ist denn der Ausschuß, das Komitee, der Vertrauensmann oder nur ein Ersatzobmannstellvertreter? Nächste Woche ist doch die Wahl!« Der Herr keuchte, tobte verzweifelt, fast weinend. Er drang auf den Alten ein: seine Augen, seine Hände, seine Zähne funkelten.

Der Greis sah ihn ängstlich forschend an, sehr gern bereit, zu erschrecken und zu bereuen, schuldbewußt schon, weil er noch nicht herausbekommen hatte, warum und in welcher Art es von ihm erwartet wurde.

»Siebenunddreißig Dörfer, fünf Marktflecken, drei Städte gehören zu meinem Wahlkreis! Glaubt man hier, ich habe siebenunddreißig Wochen, fünf Monate, drei Jahre zur Verfügung? Sie, Mann, hören Sie! Was denkt man hier? Was stellt man sich denn hier vor?«

Wie sollte der Greis, der sich gewiß auch in seiner Jugend nie näher mit Politik befaßt hatte, ahnen, daß es sich dem Herrn unmöglich um das Gewicht der Wählerschaft in diesem Örtchen handeln konnte und etwas Tieferes auf dem Grunde dieser Erregung war? Wie sollte er ahnen, daß der Herr im Vorbeifahren beim Anblick des selig strampelnden Kleinen in seinem Korbe hinter dem Fenster fern zu Hause sein einsames krankes Kind nach ihm wimmern hörte und gehetzt und getrieben vor dem wahnsinnigen Wunsche floh, schwächer zu sein, nicht so durchdrungen von dem richtigen Notwendigen, oder kalte eiserne Maschine zu werden ohne Leben für sich, ohne Gefühl in den Gliedern, empfindungslose Hülse des leuchtenden Wissens vom Notwendigen ohne Wahl, abgeschnellt seinen einen Weg abzuschnurren. – Wie sollte der Greis das ahnen? – Aber mit jenem rätselhaften Feingefühl, wie es manche, auch ungebildete Menschen deutlich vor andern auszeichnet, spürte er genau, daß er von dem Schreiben der Frau an den Gemeindevorsteher, – oder war es ein Telegramm? – durch das heute morgen im letzten Augenblick die schon anberaumte Versammlung abgesagt worden, besser vielleicht nichts erwähne.

»Die Ernte!« wagte er versuchsweise schüchtern für jeden Fall, »wenn so lange Regenwetter war, und dann die Sonne schön herauskommt.« —

»Ernte! Welche politische Reife!« Der Herr lachte erbittert, »begreift ihr denn nicht, daß alles Ernten, alles Säen, alles Haben und Verdienen euch nichts nützen kann, wenn die falschen Grundsätze euch regieren, zur Macht kommen!«

Er blickte dabei die Wände entlang nach allen Seiten, bohrend bis in die Schatten der Winkel, als ob er durch die Decke, durch den Boden sehen könnte, wenn er nur allen Willen in die Augen brachte. Er glaubte, er müßte es doch dem Hause von außen ansehen, wenn man drin auf ihn wartete. Er suchte in den Augen, in den Mienen des Alten; aber er fragte nicht! Nicht einmal, ob Fremdenzimmer im Hause seien. – Wie qualvoll, daß es so geheim bleiben mußte! Wenn er wenigstens sich hätte erkundigen dürfen, ob nicht jemand durch den Ort gekommen war und nach ihm gefragt hatte! Aber sie hatten ja nicht nach ihm gefragt. Diese Menschen waren viel zu gefühllos, gewissenhaft und beherrscht!