Der Amok-Insasse: Die Psychothriller Parodie

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3.

7 Stunden 59 Minuten und 12 … 13 … 14 Sekunden später

„Du wirst es dir ansehen“, sagte die Stimme aus dem Dunkeln.

Phill saß in seinem Bürostuhl im Keller und starrte bis gerade eben noch auf seinen Laptop-Bildschirm.

Er war vertieft in idiotische Nachrichtenartikeln mit Schlagzeilen wie: „Frau geht aufs Klo, was dann passiert, werdet ihr nicht glauben“ oder „Mann mit Kind auf Spielplatz erwischt“. Klickte man auf die dummen Dinger, ging es um eine Frau beim Stuhlgang oder einen Vater, der sein Kind auf der Schaukel anschubste. Jegliche Form von ernstem Journalismus im Internet war längst ausgestorben und zu Sensationslockfallen verrottet. Ein Video ohne Brüste im Vorschaubild brauchte schon den Segen mehrerer Götter und des Weihnachtsmanns, um Klicks zu erhalten.

Plötzlich war sie hinter ihm.

Diese Stimme, die aus dem Nichts zu kommen schien. Sie säuselte und flüsterte. Zu leise, damit verständlich war, was sie wollte, und zu laut, um sie zu ignorieren.

Und Phill wusste, wenn er sich jetzt umdrehte, würde ihn irgendetwas angreifen.

Ein kalter Schweißtropfen rann ihm den Nacken hinunter und erinnerte ihn daran, ja, es war mal wieder Zeit zu duschen.

Die Temperatur im Raum schien eisig kalt und der Geruch leicht modrig. Es war fast so, als würden Bücher, die lange im Keller lagerten, einen merkwürdigen Geruch annehmen. Phill fragte sich: Warum habe ich diesen dicken Pullover angezogen, wenn ich ihn eh nur voll schwitze?

Mit einem Satz drehte er sich herum, sprang aus dem Stuhl und schlug dem auf ihn zurennenden Angreifer direkt ins Gesicht.

„AUA“, schrie sein Sohn Klax und ging hart zu Boden.

„Oh Analgulasch …“, fluchte Phill und kniete sich zu seinem Sohn nieder, „das war ein Reflex. Tut mir furchtbar leid, Klax.“

„Du hast gesagt, man soll nicht Scheiße sagen.“

„Außer wenn ich dir direkt in die Fresse schlage, dann ist das erlaubt. Außerdem war es ein Synonym.“

„Okay“, murmelte Klax und hielt sich die Nase. Blut begann daraus zu fließen und tropfte auf den Schlafanzug seines Sohnes.

„Ach komm, blute hier doch nicht alles voll“, sagte Phill und versuchte, das Blut mit einem gebrauchten Taschentuch aufzuwischen, „ich hab echt schon genug andere Sorgen.“

„Tut mir leid, Papa“, sagte Klax nasal.

„Na, da kannst du ja nichts dafür. Auch wenn du dich nicht so hättest anschleichen sollen.“

„Anschleichen?“, fragte er, „ich hab laut gerufen und bin auf dich zugerannt. Soll ich vielleicht noch auf einen Topf einschlagen?“

„Guter Punkt“, sagte Phill. „Tut mir leid, ich bin leicht zu erschrecken. Na, was wolltest du mir denn zeigen?“

„Habs vergessen. Muss es holen.“

Sein Sohn trottete schlaksig davon. Phill ließ den Kopf hängen, immer noch in den Knien, und stand auf. Plötzlich erschien seine dicke osteuropäische Frau Olga im Türrahmen. Einst eine bildhübsche Frau, wie man sie sonst nur erträumen konnte, doch nach zwei Kindern, Jahren der Ehe und das Leben mit einem Mann, der für weniger zu gebrauchen war als ein Römertopf, hatte sie sich zu einer dicken und frustrierten Frau gemausert, deren Verdruss und Enttäuschung sich in ihrem Körperbild manifestiert hatten.

„Ich habe gesehen, Kind hat blutende Nase“, sagte sie in einwandfreiem Duden-Deutsch.

„War ein Unfall.“

„Unfall, ja? Letztens hast du unsere Tochter beim Ballett abgesetzt und bist davongefahren.“

„Ich dachte, man macht das so, wenn die Kinder ihren Hobbys nachgehen? Hinfahren, abholen und dafür bezahlen oder … äh … sie fördern oder wie das heißt.“

„Svetlana tanzt seit zwei Jahren nicht mehr. Sie spielt Basketball. Sie ist vier Kilometer weg von ihrer Ballettschule durch den Schnee gelaufen, um zur Halle zu kommen.“

„Schnee?“

„Wir haben Winter.“

„Ist mir noch gar nicht aufgefallen.“

„Und das mit deiner sonst so perfekten Auffassungsgabe. Ich gehe jetzt wieder. Wenn Kind später noch blutet, es bekommt Transfusion von Papa. Kapisch?“

Phill schluckte. Er wünschte, sie würde es nicht ernst meinen, doch dazu kannte er sie zu gut. Sie hatte ihn quasi mit sich zwangsverheiratet. Bevor er Nein sagen konnte, hatte sie schon zwei Kinder von ihm zur Welt gebracht, war mit ihm nach Deutschland zurückgekehrt und zusammengezogen. Er war sich bis heute nicht im Klaren, was er von dieser Beziehung erwartete, jemals wollte oder wieso er dieses eine Mal in seinem Leben nicht einfach in die andere Richtung gerannt war. Und dabei hatte es so viele Gelegenheiten gegeben. Sogar der Pfarrer hatte gefragt, ob er sich sicher war, „das“ heiraten zu wollen. Doch dann wieder der Borschtsch, den Olga kochte, war ziemlich gut und sie selbst ein exzellenter Partner an Brettspielabenden. Wenn wieder Pärchenabend war, sägten sie alle gnadenlos ab, unter anderem, weil viele der deutschen Pärchen nicht über eine Verdauung verfügten, welche mit Olgas Borschtsch und den rauen Mengen billigen Kräuterschnaps umgehen konnte, die dann flossen.

Klax kam wieder ins Zimmer. In seinen Händen hielt er ein Raumschiff aus Star Trek – Next Generation.

„Was hast du denn da Schönes?“, fragte Phill und beugte sich zu seinem Sohn herunter.

„Frag doch nicht so blöd, Papa. Du hast es mir gekauft und mit mir die Serie über Netflix geschaut. Und das, obwohl ich erst in der dritten Klasse bin und die Serie so brutal ist.“

Phill sog energisch Luft ein. Nicht einer seiner stolzesten Momente als Vater. Doch es war entweder Star Trek – The Next Generation oder direkt Breaking Bad.

„Das ist das Raumschiff der Borg“, erklärte Klax, „Captain Picard ist auch an Bord. Und Geordi und Mama und bald auch du, Papa. Denn Widerstand ist zwecklos“, sagte er mit kindlicher Stimme, „und egal, wie sehr wir uns lieb haben, die Borg verfolgen uns bis ans Ende des Universums, um uns Drähte in den Körper zu stecken und uns Batterien in den Hintern zu schieben. Bis wir alle tot sind.“

„Sehr äh … sag mal, schaust du die Serie noch immer?“

„Aber klar doch. Star Trek ist meine Lieblingsserie, schon immer gewesen.“

Der Kleine war echt pfiffig. Irgendwann würde er merken, dass es einen im Nachhinein in den Hintern beißen konnte, der Cleverste zu sein.

Phill dachte, er wäre clever gewesen, schnell zu der alten Patientin zu kommen. Das Baby, das der Frau gehörte, welche die älteste Mutter der Welt sein musste, hatte auch überlebt. Stellte sich raus, es hatte den Fehler gemacht, eines der Kaffee-Sahne-Bonbons zu essen, das die Olle ihm andrehen wollte. Amra hatte das Bonbon aus dem Rachen des Babys gezogen und die Alte in den Krankenwagen verfrachtet. Wäre Phill auf dem Weg ins Krankenhaus nicht über das große Schlagloch gefahren, hätte ihr Amra auch nicht die Infusionsnadel zwischen die Augen gerammt und die Dame hätte überlebt. Aber Schwamm drüber, spätestens in einem Jahr wäre die eh kalt gewesen. Das Baby würde sich über den Platz in der Wohnung freuen, selbst wenn es noch nicht so gut verdiente. Gerade in Berlin einen WG-Bewohner zu finden, war auch nicht das Schwerste der Welt.

„Und was willst du mit deinem Raumschiff machen?“, fragte Phill und stupste seinen Sohn gegen die blutverkrustete Nase.

„Aua“, schrie Klax und schlug die Hand seines Vaters weg.

„Oh Mist entschuldige.“

„Mama sagt immer, in einer Welt, in der du Rettungssanitäter bist, hofft sie auf einen schnellen Tod, wenn sie mal dringend einen Arzt braucht.“

„Sagt sie das? Mama macht gerne mal einen Witz. Jetzt verrats mir schon, Klaxi, was machen wir mit dem tollen Raumschiff?“

„Wir machen gar nichts. Ich gehe jetzt rüber ins Nachbarhaus und versuche, Hannah zu assimilieren.“

Hannah war die Tochter ihrer Nachbarin. Klax war wie besessen von ihr. Manchmal saß er wie ein unkastrierter Hund auf dem Balkon und heulte vor Geilheit den Mond an. Schon komisch, wie verrückt die Hormone bei manchen Leuten spielen konnten.

„Klaxi, ich glaube, das lassen wir.“

„Der einzige Grund, warum ich zu dir gekommen bin, Vater, ist, weil ich dir sagen wollte, dass du nichts tun kannst, um mich aufzuhalten. Jetzt aber, da du mir die Nase blutig gehauen hast, sage ich dir Folgendes: Schlafe besser mit einem offenen Auge, denn man weiß nie, wann ich mich entscheide, mit dem Feuerzeug zu spielen“, seine Kinderaugen funkelten Phill an wie zwei Perlen des Wahnsinns. Das Kind würde es noch weit bringen. CSU-Parteivorsitzender oder eine Diktatur in einem kleinen Land war mit Sicherheit für Klax im Bereich des Machbaren.

Sein Sohn drehte sich um und verschwand aus der Tür.

Kinder sind wie Weihnachtsgeschenke, wenn man erwachsen ist, dachte Phill, meistens entpuppt sich alles als nutzloser Plunder und wehe man ist nicht begeistert. Er setzte sich zurück an seinen Laptop. Phill musste noch eine E-Mail an seinen Chef schreiben, in der er begründete, wieso es nötig war, einen voll ausgestatteten Krankenwagen als Rammbock zu benutzen, um einen einzigen gotzigen Fiat 500 aus der Welt zu schaffen. Den Vorwand, dass Menschenleben auf dem Spiel standen und Sachschäden somit kollateral waren, ließ sein Chef nicht mehr durchgehen.

Prompt fiel ihm etwas ein. Das Passwort, das Klax wissen musste! Ein Sicherheitswort, das ihn vor Entführungen schützen sollte, quasi ein menschliches Sicherheitssystem.

Er schrie die Treppe zum Haus hinauf: „Klax, wie lautet das Passwort?“

Zu spät. Klax schlug gerade die Haustür hinter sich zu.

„Na, was kann einem kleinen Kind schon passieren, das nachts in Kreuzberg alleine von Haus zu Haus läuft“, sagte Phill zu sich selbst und fing an, seine E-Mail zu tippen.

Unterdessen lief Klax Gefahr, für immer aus seinem bisherigen Leben gerissen zu werden.1

 

1 Spielen Sie hier bitte einen dramatischen Tusch ab. Auf YouTube wird sich sicher etwas finden lassen.

Merken Sie schon, wie die Spannung steigt? Sie können es bestimmt kaum abwarten, weiterzulesen oder das Buch wegzulegen. Je nachdem, aus welchem Holz Sie geschnitzt sind. Aber wie jemand, der aufgibt, sehen Sie mir nicht aus. Habe ich recht?

4.

Klax schlussfolgert

Keine Ahnung, rief sich Klax das Passwort in Erinnerung, welches ihn vor Entführern, Pädophilen und alten Leuten mit Großeltern-Komplexen retten sollte.

Ursprünglich hatten seine Eltern sich das so gedacht: Wenn ein Fremder vorgab, seine Eltern hätten ihm erlaubt, mit ihm mitzugehen, sollte er sie nach dem Passwort fragen.

Leider, und das war selbst Klax mit seinen acht Jahren bewusst, waren die beiden nicht mal halb so schlau, wie sie annahmen, sondern eher gerade mal ein Drittel so intelligent wie eine auf der Weide grasende Milchkuh. Denn wie irgendeine erfundene Phrase einen fremden Perversen davon abhalten sollte, Klax seiner Päderasten-Trophäensammlung hinzuzufügen, war ihm ein Rätsel. Noch dazu war das Passwort nicht sonderlich gut gewählt, sodass Klax sicher war, dass ein Fremder es im Notfall erraten konnte. Schon die Frage „Wie lautet das Passwort“ forderte das eigentliche Passwort geradezu heraus, ausgesprochen zu werden.

Was ihn an der Dummheit des Mannes, welcher ihm als Vater diente, am meisten störte, war die Tatsache, dass der so viel Zeit damit verbrachte, seiner Dummheit nachzugehen wie andere Leute einem Hobby. Er stürmte irgendwelche Terroristen-Hochburgen und verlor dafür seinen Job, musste eine lange Forstwirtausbildung machen und verbrachte jede freie Minute im Rettungswagen, um, wie er sagte, „die Brötchen zu verdienen“. So ein großer Fan von Brötchen war Klax gar nicht, er wäre viel lieber mit seinem Papa in dem schönen Rettungswagen durch die Gegend gefahren und hätte dabei das Blaulicht eingeschaltet.

Doch weit gefehlt.

Wenn sein Vater zu Hause war, verbrachte er die Zeit vor dem Computer, um „den Bürokratie-Scheiß zu erledigen“ oder weinte nachts im Badezimmer, wobei er immer wieder den gleichen Satz wiederholte: „Womit hab ich das alles verdient? Womit hab ich das alles verdient?“

Klax war froh, dass es in so einem missratenen Kinderleben noch Hannah gab. Die lebte nebenan, war achtzehn Jahre alt, hübsch sowie wohlriechend und spielte bei ihm auch gerne mal den Babysitter. Sie hatte auf ihn aufgepasst, seitdem er ein Baby war. Er durfte sich abends immer noch an sie kuscheln und wenn er Angst hatte, schlief sie mit ihm im Bett. Das war ganz nett, aber viel lieber hätte er sie als Freund anstatt als weiteren Erwachsenen, der mit ihr in der Babysprache redete und ihn knuddelte.

Schnell bemerkte er, dass es draußen im Winter doch recht kalt war. Denn anders als im reichen Bayern war in Berlin noch nicht im gesamten Bundesland die Fußbodenheizung verlegt worden. Er tapste in seinem Schlafanzug das Treppenhaus hinunter und hielt sich dabei am Geländer fest. Unten trat er in das gelbe Licht der Straßenlaternen.

Er schaute auf. In Baden-Württemberg standen bestimmt längst LED-Lampen, aber nicht in Berlin-Kreuzberg. Hier durfte man froh sein, dass es keinen Nachtwächter gab, der umherging, um die Kerzen in den Straßenlampen zu entzünden und dabei laut rief: „ALLES IST IN ORDNUNG“, während im Schatten der gelöschten Lampen geraubt, geplündert und entsprechende Wahlplakate aufgehängt wurden.

Unter einer der Laternen stand eine aufreizende Dame. Rote Lackstiefel, rote Lederjacke. Viel Make-up, wenig Niveau. Ihre Jacke trug die Nummer #4672.

„Guten Abend Trixie“, sagte Klax im Vorbeigehen. Er winkte ihr aus seinem mit kleinen Monden bedruckten Schlafanzug zu.

„Meine Jüte“, stammelte die Prostituierte und hustete, „wat en kleener Bub wie du hier draußen tut zu diese Uhrzeit, des is mich ja en Rätsel.“

Klax stolperte auf Trixie zu.

„Was haste denn da in dein Rucksack?“

„Das Raumschiff der Borg.“

„Aso“, sagte Trixie und aschte ab. „Des geht da rein wie? Is aber sehr kompakt.“

„Mama hat gesagt, ich soll dir das hier geben“, sagte er und zog einen Fünfzigeuroschein aus seiner Hosentasche.

„Och Jung, is das lieb“, sagte sie und steckte sich den Fuffie in ihren Slip, wo zwei kleine Hände danach griffen, um ihn erst auf Echtheit zu überprüfen und dann sicher zu verstauen. Einen Fünfhunderter hätte ihr Höschen sofort wieder ausgespuckt. „Wenn du ma wüsstest, wat du da tust, wenn de mir Jeld bringst, kleiner Klax.“

„Mama sagt, Bringschulden sind Ehrenschulden.“

„Det is richtig, Jung, hörste auf deine Mama. Da soll der en oder andre schon von jescheit geworden sein, nich?“

Ein Auto hielt neben Trixie.

„Scheer dich, Klax, uff zu dene Hannah. Die berechnet dir hoffentlich noch nix.“

„Ne, ich bin doch so süß, da muss ich nirgends was zahlen“, sagte er und stiefelte davon. Kurz vor Hannahs Haustür traf er auf einen Mann, der ziemlich verschwitzt war. Merkwürdig, denn überall lag Schnee und er fror, dass er schon langsam anfing zu zittern.

„Hey Kleiner“, sagte der Mann lüstern.

„Meine Eltern sagen, ich darf nicht mit Fremden reden“, erklärte Klax und wollte an ihm vorbei, um auf Hannahs Klingel zu drücken.

„Mein Name ist Svenson Jokel. Ich bin dreifach geschieden, liebe Schokolade mit Nuss, fand den letzten Star-Wars-Film scheiße. Ich wohne im Filibuster Weg zwei hier in Berlin und bin auf der Suche nach …“

„Ist ja ein toller Trick“, sagte Klax und schmatzte mit den Lippen.

„Jetzt, da wir uns kennen“, wollte Svenson seine Masche fortsetzen.

„Fahren wir zu dir, wo du mich mal so richtig von hinten zum Eis essen einlädst, was?“, Klax’ Stimme hatte sich verändert. Er klang nicht mehr wie ein kleiner Junge, sondern älter, reifer. Der Blick, den er dem Kerl zuwarf, war reserviert für Amateure, die mit einem Profi sprachen.

Svenson schaute verdutzt drein.

„Wie lautet das Passwort?“, fragte Klax wieder in kindlicher Stimme.

„Öh … Keine Ahnung?“, sagte Svenson.

Klax klatschte sich mit der Hand ins Gesicht und schüttelte den Kopf. „Eine Welt voller Idioten“, murmelte er leise.

„Sag mal, hättest du Lust …“

Klax fiel ihm wieder ins Wort. Er nahm seinen Rucksack vom Rücken. „Helfen Sie mir mal kurz?“, fragte er und drückte dem nächtlichen Triebtäter den Rucksack in die Hand. Dann zog er das Raumschiff der Borg daraus hervor, holte aus und machte aus Svensons Familienjuwelen Rührei.

Der Mann griff sich in den Schritt und fiel Kopf voraus fiepend hinten über. Dick und Doof hätten Applaus geklatscht, wären sie Zeuge gewesen.

Klax nahm Svenson seinen Rucksack aus den Händen. „Einen schönen Abend noch.“

„Danke“, hechelte der mit dem letzten bisschen Luft in seiner Lunge.

Er setzte den Rucksack leer auf und stellte das Borgraumschiff vor sich ab. Dann klingelte er bei Hannah.

Ihre liebliche Stimme ertönte blechern aus dem Lautsprecher neben dem Klingelschild.

„Ja?“

„Guten Abend Hannah.“

Sie lachte. „Guten Abend Klax. Was kann ich für dich tun?“

„War in der Gegend und ich hab da was, das ich dir unbedingt mal zeigen muss.“ Das Wort unbedingt zog er unnötig in die Länge.

„Was ist es denn?“

„Ein Raumschiff.“

„Na dann komm mal hoch, kleiner Raumfahrer.“

Die Tür surrte und mit dem Borgraumschiff in beiden Händen arbeitete sich Klax die Treppen hoch. Klopapier sei dank waren es nicht so viele. Hannah und ihre Eltern wohnten in der zweiten Etage. Einem merkwürdigen Gesetz nach schienen ansonsten alle, die man besuchen wollte, immer im obersten Stockwerk zu wohnen, nur damit man möglichst viele Treppen zu laufen hatte und es sich zweimal überlegte, ob man überraschend zu Besuch kam.

Und da stand sie in der Tür. Hannah. Enge Jeans und weiße Sneakersocken. Als Oberteil einen warmen Pullover, den ihr vielleicht ihre Oma gestrickt hatte. Sie lächelte und zeigte dabei ihre Zahnspange.

„Guten Abend“, sagte Klax noch mal und kam zum Stehen.

Schweißperlen standen ihm auf der Stirn. Der ein oder andere Fruchtzwerg war in letzter Zeit definitiv zu viel gewesen. „Schau mal, was ich hab“, sagte er und hob das Raumschiff an.

„Wow, was ist das denn?“

„Es ist das Raumschiff der Borg.“

„Aus Star Trek?“

„Genau. Kennst du die Serie?“

„Klar. Wir haben auch Netflix.“

„Wollen wir vielleicht eine Folge zusammen anschauen? Es ist zwar schon längst über meine Bettzeit hinaus, aber ich bin aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. Star Trek hilft mir immer beim Einschlafen.“

„Tut mir leid, Klax, aber es ist schon recht spät. Bist du etwa alleine hier rübergekommen?“

„Ja, meine Eltern macht das nix aus. Mama ist zu betrunken und Papa googelt gerade, wieso Fingernägel nur in eine Richtung wachsen oder irgend so einen Piepes.“

„Piepes“, wiederholte Hannah und kicherte. „Selbst wenn es deinen Eltern egal wäre, Klaxi, meine sind gerade nicht zu Hause.“

Klax ließ das Raumschiff fallen und lehnte sich mit einer Hand cool gegen den Türrahmen. „Umso besser“, sagte er und wackelte mit den Augenbrauen, „dann schauen wir gleich zwei Folgen. Wenn die Mäuse aus dem Haus sind, tanzen die … äh … wie ging das noch mal?“, er versuchte, sich an das Sprichwort zu erinnern.

„Leider ist mein Freund heute da.“

„HANNAH, VERDAMMT, WAS MACHST DU DA SO LANGE“, schrie einer aus der Wohnung.

„Du solltest besser gehen“, sagte Hannah.

Doch schon war es zu spät.

Ein Teenager in einer Badehose, der das Oberteil einer Postbotenuniform trug und dazu noch die stinkenden Handschuhe eines Müllmanns kam hinter Hannah zum Vorschein. Seine Haare waren lang, wild und ungewaschen.

„Na, wen haben wir denn da?“, fragte der Kerl.

„Das ist Mike“, stellte Hannah ihren Freund vor.

„Der Gartenzwerg kommt wie gerufen“, sagte Mike und griff nach Klax.

„Wie lautet das Passwoooooo…“

Weiter kam er nicht. Mike hatte ihn in die Wohnung gerissen. Denn, was Klax nicht wusste, war, dass seine angehende Freundin einen bösen Fetisch für ungezogene Jungs hatte, und Mike war einer von der besonders schlimmen Sorte.

Und Klax war nur ein weiterer Name in einem noch nicht geschriebenen Wikipedia-Artikel über die Opfer des PostbotenBademeisterMüllmannMeuchelMörders vom Wannsee.

Hannah rollte mit den Augen und knallte die Tür zu.

Armer kleiner Klax.

Er würde weder Trixie noch seine Mutter je wiedersehen.