Das Geschenk der Psychothriller-Parodie

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9.

Juhu Juhu!

Noch ’ne Rückblende!

Merlan war sich zwar nicht endgültig sicher, aber er könnte schwören, dass die Sache mit der Beziehungstherapie nicht so dolle gelaufen war, wie Tabea sich das erhofft hatte.

Also war er wieder Single. Grad recht. Es war schon eine Weile her, dass er Weihnachten die Zeit gehabt hatte, über Suizid nachzudenken. Die letzten Jahre war all das in der Glückseligkeit der Feiertage untergegangen. Dem Geschenkekaufen und -einpacken, dem Planen und Kochen, dem Beisammensein und der gegenseitigen Wertschätzung, die er durch Tabea erfahren hatte.

Zugegeben, tief im Inneren war er ein kleines Sündenschwein, das sich gerne im Selbstmitleid suhlte. Er würde sich bestimmt nicht umbringen, dafür hatte er viel zu viel, für das es sich zu leben lohnte. Wer solle denn dann seinem Vermieter monatlich Geld für seine Wohnung in Berlin überweisen? Wer solle die Burger ins Fett werfen und frittieren, wer die Dose Salat aufreißen, um die Dose Dressing darüberzuschütten? Und wer würde an seiner statt Leute ausbeuten, die sogar noch weniger in der Birne hatten als er?

Das Leben war gut. Jawohl. Und wer was anderes sagte, war doch nur neidisch. Und genau das gab Merlan Kraft. Neider. Es macht nichts so sehr Spaß, bis es einem jemand anders nicht gönnte.

Mit bester Laune kam er am Restaurant an.

„Frisch aus dem Fett“ wurde in drei Schichten bekocht, jeweils acht Stunden. Der Laden war 24 Stunden geöffnet, jedoch wusste jeder, der sich auskannte, dass man dort nicht zwischen 1:00- 9:00 Uhr warme Speisen bestellte. Der Koch, der dann Dienst hatte, brachte seiner Arbeit eine gewisse Abneigung entgegen und schaffte es tatsächlich, das Fast Food schmecken zu lassen, als würde er die Burger unter seinen Armen frittieren.

Am Eingang stand Paulchen Panthers Bodyguard, Kötte. Ein vergnüglicher Mittfünfziger mit Hut und abgetragener Lederjacke. Seine Haltung war gekrümmt, sein Gesichtsausdruck hing immer schief unter seiner gekämmten Frisur und konnte von „Aha … so so …“ bis hin zu „Na, was willst du den, Flitzpiepe?“ wirklich alles bedeuten.

Doch Merlan schien er zu mögen.

„Na so was“, sagte Kötte, der immer nach kalten Zigarillorauch roch. „Wen haben wir denn da. Den Sternekoch persönlich.“ Er nahm seinen Hut ab und machte einen Knicks. „Hochwürden …“

„Danke“, sagte Merlan und wippte mit der Hand am Bauch auf den Zehenspitzen nach oben. „Stehen Sie bequem, Köttchen.“

Kötte entspannte sich. „Der Chef hat nach dir gefragt. Er will dich an Tisch drei sehen.“

„Wirklich? Bin ich zu spät?“

„Keine Ahnung, ich hab keine Uhr. Und ma ehrlich, findest du es nicht komisch, dass sich ein Frittenbuden-Besitzer Sorgen macht, wenn der Koch zu spät kommt?“

„Na ja, Arbeit ist Arbeit und Pflicht ist Pflicht. Ob man jetzt die Straße kehrt oder die nächste Generation in der Schule züchtigt, wir alle haben unser Rädchen zu drehen, damit die Maschine läuft“, dozierte Merlan mit erhobenem Zeigefinger.

Kötte klimperte mit den Augenbrauen.

„Aha. Wo hast du denn das her, Genosse?“

„Angeborenes Pflichtbewusstsein.“

„Du? Ha!“, sagte Kötte und lachte erstickt. „Bist du sicher, dass du das nicht auf dem Weg hierher gefunden hast?“

„Wenigstens spiele ich nicht den Sicherheitsmann für einen vertrottelten Typen, der den ganzen Tag in einem fleckigen Paulchen-Panther-Kostüm rumläuft“, sagte Merlan und rümpfte dem Sarkasmus passend seine Nase.

„Ja“, sagte Kötte selbstmitleidig, „das ist so eine Sache …“ Er kratzte sich am Kinn. „Aber sei so gut und lass dich an Tisch drei blicken, dem Chef ist es wohl ein Anliegen.“

„Ist es dir schon mal in den Sinn gekommen“, fragte Merlan, „dass wir für einen Verrückten arbeiten?“

„Verrückte sind die besten Arbeitgeber, glaub mir. Du willst nicht für jemanden arbeiten“, er begann an den Fingern aufzuzählen, „der übereifrig, jung und hoch motiviert ist. Nein danke. Da lobe ich mir unser Paulchen. Kaum mehr als eine Latte am Zaun, aber er zahlt pünktlich, gut und er gibt mir des Öfteren ein Feierabendbier aus.“

„Hast du denn keine größeren Ansprüche an das Leben?“

„Ach“, sagte Kötte und zuckte mit dem Kopf, „auf Barbados hab ich drei Jahre gelebt, Millionen hab ich gehabt, Sportwagen bin ich gefahren und die schönsten Frauen haben mein Bett geteilt.“

„Und wieso bist du dann hier?“

„Weil ich so gerne im kalten Dezember vor Frittenbuden stehe und mir meine zwölfhundert Eier im Monat verdiene. Hast du jemals nachgedacht, bevor du etwas fragst?“

„Ich denke selten nach.“

„Eine weitverbreitete Geschlechtskrankheiten. Bei Frauen oft noch schlimmer als bei Männern. Wird durch Konversation übertragen.“

„Du solltest Kalender schreiben bei deinen Weisheiten.“

„Werd nicht frech ja? Sonst kommst du hier nicht rein!“

„Aber ich arbeite hier?“

„Ach so ja … stimmt … na dann mach mal, dass du reinkommst.“

Merlan wollte gerade an ihm vorbei, da wurde er von Köttes Hand aufgehalten. „Eine Sache noch. Wie heißt dieses Lied. Ich kann mich nur noch schwach an die Lyrics erinnern: If you don’t scrub that kitchen floor, You ain’t gonna rock and roll no more …“

Merlan warf die Hände in die Luft und rief: „YEKTY YAK!“

Ein Saxofonist begann zu spielen und eine A-capella-Gruppe tanzte um die Ecke, die Männer sangen: „Don’t talk back!“

Wie sich Kötte die alten Klamotten vom Leib riss und einen Frack präsentierte, machte Merlan, dass er ins Restaurant kam.

Merlan band sich in der Küche seine Schürze um und kontrollierte die Bestellungen. Tabea war noch nicht da, ein junger Kerl im Studentenalter bediente die Tische.

Schnell waren die Burger und Fritten sowie das eine bestellte Steak zubereitet. Er arbeitete mit dem Koch der Mittagsschicht zusammen und machte dann die Übergabe.

„Vieles ist dreckig, das muss sauber gemacht werden“, sagte der andere Koch, den Merlan nur liebevoll „Kelle“ nannte, da er immer eine Suppenkelle an einem Band um den Hals trug.

„Danke“, sagte Merlan und verzog das Gesicht. „Sauber mache nicht ich, sondern die Küchenhilfe, wie oft soll ich dir das noch sagen?“

„Es ist trotzdem dreckig.“

Die beiden starrten sich an. Keiner konnte dem anderen etwas abgewinnen. Wie zwei Soldaten, die sich gegenseitig auswechselten, standen sie sich gegenüber. Der eine von Kopf bis Fuß mit Fett bespritzt, zerzaustes Haar, Augenringe und Hände so rau wie Reibeisen.

Der andere sauber, als hätte man ihn gerade erst aus der Verpackung befreit. Es war geradezu barbarisch, was acht Stunden Gastronomie mit einem Menschen anstellen konnten.

Kelle nahm seine Suppenkelle vom Hals und klopfte Merlan auf den Kopf. Dann lief er davon. So ging das jeden Abend.

Der Schlag auf den Kopf beförderte den Gedanken nach oben, dass er an Tisch drei vortanzen sollte. Merlan schmierte sich schnell etwas auf die Schürze, es sah immer schlecht aus, wenn ein Koch nicht dreckig war, und ging zu Tisch drei.

Dort saßen zwei Männer in Jogginganzügen. Der eine hatte schulterlange Haare und einen schwarzen Vollbart. Der andere war korpulent, glatt rasiert und hatte kurze Stoppelhaare. Zwei Menschen so gegensätzlich, als wäre dem Autor nichts Besseres eingefallen.1

„Hey sachte“, sagte der schlankere von beiden und nahm seinem Gegenüber den Laptop weg. „Die Geschichte ist ein empfindliches Spinnennetz aus Handlung, Charakter und Liebe zum Detail. Jetzt muss ich so eine blöde Fußnote hinzufügen, damit sich die Leute nicht wundern.“

Der Dicke im Jogginganzug muss so laut lachen, dass er sich verschluckte und zu ersticken drohte. Er hämmerte auf den Tisch. Sein Gesicht wurde knallrot.

„Geschieht dir recht“, sagte der mit dem Laptop. „Finger weg von meiner Handlung.“

Der Dicke begann wieder zu prusten.

„Äh“, machte Merlan.

Der schlanke, gut aussehende und äußerst wohlriechende nahm die Finger von der Tastatur und blickte auf.

„Guten Tag, Merlan, schön, dich kennenzulernen. Mein Name ist Bastian Litsek“, sagte er mit einem Lächeln, das Merlan darauf warten ließ, dass dem Mann gleich Schleim aus dem Mundwinkel lief. Aus dem Augenwinkel sah er, dass der dicke Mann wieder am Laptop zugange war.

„Wer sind Sie?“, fragte Merlan.

Der Mann legte ihm eine Hand auf die Schulter und kam näher. „Ich bin dein Erschaffer“, sagte er mit funkelnden Augen. „Ich bin der Autor dieses Werkes.“

„Mein Erschaffer?“, fragte Merlan verdutzt. „Werk?“

„Ist nicht so wichtig“, sagte Litsek, „komm, setz dich zu uns. Mein Agent hier wollte dich persönlich kennenlernen.“

Die beiden nahmen Platz. Der Agent reichte Merlan die Hand.

„Vorsicht“, sagte Litsek, „wenn du ihm die Hand reichst, will er 10 Prozent von allem, was du als Nächstes anfasst.“

Der Agent verzog das Gesicht. „Sehr witzig.“

„Oh das war es nicht“, gab Litsek zurück und nahm einen Schluck von seinem Wein, den er aus einem Pappbecher trank.

„Mein Name“, stellte sich der Agent vor, „ist Achteck Fuldas Orion.“

Bastian Litsek hustete das Wort „Anagramm!“, dazwischen.

„Gesundheit“, sagte der Agent. „Merlan“, fuhr er fort, „wir treffen uns heute, um ein wenig zu plauschen. Über dies und das, hier und dort, jenes und solches. Du verstehst schon?“

Merlan nick-schüttelte den Kopf. Häh?, blinkte es in seinem Kopf immer wieder auf.

„Ich wollte fragen, bist du zufrieden mit deiner bisherigen Geschichte?“

„Natürlich ist er das“, ging Litsek dazwischen.

 

„Dich habe ich nicht gefragt, Bastian.“

Der Autor hob gestikulierend die Hände, als wolle er sagen, schon gut, ich bin ruhig.

„Nun ja. Es ist ein wenig schwierig, sich mit den ganzen Rückblenden zurechtzufinden“, erklärte Merlan.

„Das glaube ich dir sofort“, bestätigte ihn der Agent.

„Und wissen Sie, wir sind gerade in einer Rückblende, während mein erzählendes Ich im Gefängnis sitzt für eine Tat, von der der Leser nur vermuten kann, was es war.“

Litsek hatte die Arme verschränkt und murmelte hochnäsig dazwischen: „Es ist offensichtlich das tote Kind. Pah! Was sollte es denn sonst sein.“

„Bastian!“, mahnte Orion liebevoll, aber streng.

„Und wissen Sie, ich hätte die Geschichte lieber in der Gegenwart erzählt, den Gefängniskram weglassen und die Logiklöcher etwas kleiner gehalten.“

„Was für Logiklöcher denn?“, fragte der Autor.

„Na, ich überfalle das Restaurant und zack in der nächsten Szene war ich schon zwei Jahre mit meiner Angreiferin zusammen? Und arbeite im selben Restaurant?“

„Und?“, platzte es aus Litsek unverständnisvoll heraus.

„Das ergibt keinen Sinn“, sagte Merlan. „Warum sitze ich nicht für den Überfall im Gefängnis?“

„Dann hätte ich dich ja nicht für den Kindesmord in den Knast gehen lassen.“

„Habe ich das Kind wirklich ermordet?“, fragte Merlan und schaute zwischen Agent und Autor hin und her. Achteck Fuldas schaute zu seinem Klienten Litsek.

„Was?“, sagte der immer noch patzig. „Schaut mich nicht so an, bin ich hier das große Orakel?“, fragte er und tippte weiter die Geschichte in den Laptop.2 „Na gut, ich gestehe“, sagte der Autor und warf die Hände in die Luft. „Ich lese die Vorlage von Kapitel zu Kapitel und schreibe dann immer mein eigenes.“

„Warum sind wir hier?“, fragte Merlan.

„Weil dieses Kapitel im Original recht lahmarschig und doof war. Daher habe ich gedacht, ich hebe das Niveau etwas an und bringe mich samt meines vorzüglichen Agenten ins Spiel.“

„Danke, mein Lieber“, sagte der und legte sich die Hand auf die Brust. „Wollen wir fortfahren?“

„Aber sicher, mein Freund, hier sind meine Ideen für weitere Projekte.“

„Wie bitte?“, sagte Merlan entsetzt. „Ich will Antworten!“

„Liebes“, sagte Bastian tuntig, „du spielst hier nicht die erste Flöte.“

„Ach nein? Ich bin der Hauptcharakter!“

„Bist du dir da sicher?“, fragte der Agent und schaute Merlan fragend an.

„Moment, ich habe eine Idee“, sagte der Autor und tippte etwas in den Laptop.

Merlans Kopf wurde schwer, so schwer, dass er ihm in den Nacken fiel. Wie er ihn wieder nach vorne richtete, sah er zwei Männer, die er in seinem Leben noch nie gesehen hatte. Er würde gleich einer Konversation beiwohnen, an die er sich später nicht erinnern würde. Er hielt während des gesamten Gesprächs die Klappe und brachte nur einmal frische Getränke an den Tisch, damit der Agent und der Autor nicht durstig sein mussten.

Litsek hörte auf zu tippen, er drehte den Laptop zu seinem Agenten um, damit der lesen konnte, was er gerade geschrieben hatte.

„… beiwohnen … Klappe …“, murmelte der beim Lesen.

„Ich hasse es, wenn du das tust“, sagte Litsek genervt.

„… Getränke …“, der Agent schaute auf, die Hände an der Tastatur des Laptops. „Etwas zu trinken wäre wunderbar, Merlan“, sagte er an den Trickbetrüger gewandt, der außerdem ein Gefängnisinsasse war sowie ein potenzieller Kindermörder, mit Sicherheit aber ein vergesslicher Unsympath, nur ein Werkzeug seines Herrn und Meis…

Litsek entriss seinem Agenten den Laptop. „Gibt das her, du Klotaucher“, sagte er und grinste.

„Ich kann einfach nicht widerstehen, mich zu verewigen. Also Basti, was gibt es, was hast du dir überlegt? Amazon hat angefragt zwecks Ideen für eine Serie. Zehn Folgen, kleines Budget.“

„Hier ist Idee Nummer eins.“

Merlan stand vom Tisch auf und ging hinter die Theke an die Bar, um ein paar Getränke zu holen.

„Das Ganze spielt in Amerika. Die Indianer erobern das Land zurück, verbünden sich mit den Afroamerikanern und etablieren eine völlig neue Kultur. Die Weißbrote werden gejagt wie Wildvieh. Die erste Staffel beschäftigt sich mit dem Aufstieg der neuen Kultur. Schlachten, Widerstand und viel Drama. Der Untergang des weißen Mannes in den USA.“

„Klingt nett, aber woher sollen plötzlich die ganzen Indianer kommen? Es gibt doch kaum mehr welche.“

„Die haben doch die ganzen Kasinos dort drüben. Das ganze Geld haben sie genutzt, um heimlich eine gigantische Klon-Armee zu schaffen.“

„Klone? Klingt eher wie Science-Fiction.

„Na ein bisschen ist es das auch.“

„So wie The Man in the High Castle?“

„Quasi, man könnte es damit bewerben. Und die Idee ist frisch, nicht ausgelutscht. Hast du so was schon mal gehört?“

„Nicht wirklich … Was hast du sonst noch?“

„Ein Mann wird eingefroren, wacht wieder auf und befindet sich auf einem Planeten, der von Amazonen beherrscht wird. Er glaubt, er ist noch auf der Erde, doch am Ende stellt sich heraus, er wurde von seiner Familie an ein paar Aliens verkauft, die ihn in ein Videospiel gesperrt haben.“

„Äh“, machte Achteck Fuldas, „vielleicht ein wenig zu abgedreht …“

„O.K., ich kann auch sachte …“

Merlan kam wieder, stellte dem Agenten einen Kaffee hin und dem Autor eine Vanille Cola Zero.

„Danke“, sagten beide. Merlan nahm wieder Platz und wohnte der Unterhaltung bei wie ein Sklave, dem das Sprechen nicht erlaubt war.

„Wikinger reisen durch ein Portal in eine andere Zeit und treffen auf Steinzeitmenschen, deren Kultur sie erheblich voranbringen. Sie etablieren eine beherrschende Weltmacht, wenden den Asteroiden ab, der die Dinosaurier zerstört hat, und am Ende von Staffel eins verschwinden sie, weil sie ja jetzt quasi ihre eigene Existenz verhindert haben. Die Dinosaurier beherrschen die Welt. Tragen lustig aussehende Kleidung, fahren riesige Autos. Staffel zwei wäre dann eine Sitcom oder eine halb-pornografische Horrorserie.“

Achteck Fuldas hob mahnend den Finger. „Hat uns Avengers Endgame nicht gelehrt, dass eine Timeline besteht und nicht erlischt, wenn man etwas verändert, sondern eine neue Timeline erschafft?“

„Ach Fuldi, Zeit ist, was du daraus machst. Das ganze Zeitgefüge hat sich jemand ausgedacht, genau wie die Bibel.“

„Ho ho ho“, sagte er und schaute sich um. „Vorsichtig mit solchen Anschuldigungen. Wir wollen doch nicht den Marktanteil deiner gläubigen Leser verlieren. Geld ist Geld, Basti, vergraul mir die Leute nicht.“

„Oh, recht hast du. Das streichen wir dann wohl mal lieber …“, sagte Litsek, markierte die blasphemische Textstelle und hämmerte auf die Löschen-Taste an seinem Laptop.

„Das ist alles ein wenig zu abgefahren …“, sagte der Agent und seufzte.

„Du willst es einfach? Hab ich auch im Programm. Eine Comedy-Show über einen Autor und seinen Agenten, die versuchen, nach gescheiterten Beziehungen und ohne jegliches Einkommen wieder auf die Beine zu kommen. Sie ziehen zusammen. Endlich kommt etwas Neues zustande, doch Liebe und alte Feindschaften drohen, ihr neues Filmprojekt zu zerstören.“

„Eine Sitcom?“

„Oder was ist damit: Ein kleiner Bär, der einen fliegenden Freund hat, mit dem er Abenteuer erlebt? Kunterbunt und süß. Zeichentrick.“

„Eine Kinderserie? Ich bezweifle, dass jemand dich einspannt, um Kinder zu unterhalten.“

„Hey“, sagte Litsek und wies gestikulierend alle Schuld von sich, „solange sie mich nicht kennen, verkaufst du mich eben als das, was ich sein sollte, oder? Das ist dein Job.“

„Stimmt auch wieder. Aber wenn das das Beste ist, was du …“

„Eine WG! Vladimir Putin, Angela Merkel und Donald Trump müssen gemeinsam in einem Haus leben und erteilen sich gegenseitig Aufgaben. Wir wechseln jede Staffel die Regierungsoberhäupter und am Ende wird jedes Mal der exekutiert, der die wenigsten Punkte hat.“

Achteck Fuldas Orion war sprachlos. „Du willst jemanden umbringen?“

„Nur im Spaß, als CGI-Animation oder so. Ach komm, die Beliebtheitswerte von den Leuten werden durch die Decke gehen. Wir machen das mit Stil.“

„Uaaaaah“, sagte der Agent und schüttelte sich bei der Vorstellung.

Bastian Litseks Gehirn feuerte wild Ideen für die Politiker-Show ab: „Schachduelle bei Livemusik während eines Hochseegefechts, Schwertgefechte ohne Schutzkleidung. Wettrennen und teure Autos. So Schnickes, den sich nur Superreiche leisten können.“

„Und wie willst du die ranghöchsten Politiker der Welt von so etwas überzeugen?“

„Wir versprechen ihnen Wählerstimmen und Geld, wenn das nicht hinhaut: Prostituierte.“

Der Agent warf den Kopf in den Nacken und stöhnte genervt. „Basti, ich muss gehen, ich hab noch einen anderen Termin.“

„Halt bitte“, sagte Litsek und rutschte auf seinem Sitz nach vorne. „Ich hab noch mehr, nicht jede Idee ist Gold wert, auch ich fasse mal daneben.“

„Mal daneben“, wiederholte der Agent. „Basti, du bist seit fast zehn Jahren mein Klient. Kein Verlag im ganzen Land will deine Bücher. Himmel, wir haben sogar zwei davon auf eigene Kosten ins Englische übersetzen lassen, und was ist dabei rausgekommen? Niemand hat sich gemeldet. Als ich dir gesagt hab, du kannst das Ding im Selbstverlag herausbringen, war das mehr ein Scherz als ein ernst gemeinter Vorschlag.“

„Aber es hat funktioniert! Es hat sich verkauft?“

„Gerade mal so, ja. Genug für die Fortsetzung, die dir aber gerade zu entgleiten scheint. Und deine Serien-Ideen sind wirklich verrückt.“

„Eine Ente, die sprechen kann und auf der Suche ist nach ihrer Familie!“, flehte Litsek den Agenten an.

„Das gibt es schon.“

„Mist“, brummelte Litsek. „Wie wäre es dann mit …“

Sein Agent brachte ihn mit einem Handzeichen zum Schweigen. Er hatte genug. „Das Eis ist dünn, Basti“, sagte er und trank seinen Kaffee aus. „Und wenn es bricht, sinken wir alle ein.“ Er schaute irgendwo hin, während seine Gedanken abschweiften. „Du kannst froh sein, dass bisher niemand von Droemer Knauer hiervon Wind bekommen hat. Deren Rechtsabteilung lässt das Imperium in Star Wars aussehen wie eine freundliche Armee aus Seelsorgern.“

„Achteck, ich …“

„Wir sprechen uns, Basti. Tu dein Bestes mit dem Rest dieses Buches. Es hängt mehr davon ab, als du dir vorstellen kannst.“

Der Agent ging. Litsek blieb alleine am Tisch zurück und schlürfte verlassen und einsam durch einen Strohhalm seine Vanille Cola Zero.

„Mist“, brummelte er. Dann nahm er sich den Laptop und gab etwas ein.

Merlan setzte sich ihm gegenüber. Bastian schnippte mit dem Finger und Merlan erwachte wie aus einer Trance.

„Was zum Teufel war das?“, fragte der Hauptcharakter dieses Buches.

„Ich bin mir sicher, du hast viele Fragen. Eine davon“, sagte der Autor, „werde ich dir gewähren.“

„Warum tragen Sie beide Jogginganzüge zu einem geschäftlichen Treffen?“

Bastian Litsek brauchte einen Moment. Merlan hätte alles nur Denkbare wissen können. Das Ende zum Beispiel. Manche Leute waren sich nicht im Klaren, was sie überhaupt wollten.

„Hast du etwa richtige Anzüge erwartet?“

„Irgendwie schon, ja.“

„Es ist nicht diese Art von Buch“, sagte Litsek und gestikulierte Merlan, die Sache nicht so ernst zu nehmen.

Bastian Litsek zog eine Taschenuhr aus seiner Hosentasche. Er nahm sie in die Hand und pendelte die Uhr vor Merlans Augen hin und her.

„Deine Glieder werden schwer, du wirst müde. Wenn ich bis drei gezählt habe, bist du wieder in einem Tagschlaf gefangen, bis der nächste für die Handlung relevante Charakter auftritt …“

Merlan schaute gebannt auf das Pendel.

Es schwang nach links.

Es schwang nach rechts.

„Eins …“

Links

„Zwei …“

Rechts.

„Drei!“

Merlans Augen wurden wieder glasig. Er sabberte.

Bastian Litsek nahm seinen Laptop unter den Arm und stand auf. Wehleidig betrachtete er den Protagonisten seiner Tragödie. Dann seufzte er und schaute dem Leser direkt in die Augen.

„Jetzt bekommt er es gleich. Sein Präsent.“3

1 Hey hey, sachte ja?! Ich werde hier wohl doch nicht von meinen eigenen Texten beleidigt. Wer hat das geschrieben??

 

2 Gibt es den Fifth Wallbreak schon? Ich fühle mich, als hätte ich gerade etwas Neues erfunden.

3 Könnt ihr es glauben, dass mich eine Copyright-Abmahnung davon abgehalten hat das „G“ Wort zu benutzen, das im Titel des Buches bereits enthalten ist? Bescheuert oder. Vielen Dank hierbei an meinen ehemaligen Korrektor, der mich an Droemer Knaur verpfiffen hat. Du steckdosenbefruchtender Analdelfin du!