Wir brauchen andere Trainings!

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Wir brauchen andere Settings und Methoden

Wir alle kennen das Standardsetting eines normalen Trainings: Bereits vor dem Seminarraum ist Musik zu hören, die uns in gute Laune versetzen und zu Anfang entspannen soll (mittlerweile gibt es in einigen Methodenbüchern sogar Playlists – die sich jedoch meist nicht am Musikgeschmack der Millennials orientieren). Dann betreten wir den Raum und sehen den Stuhlkreis. Wer befürchtet hat, in einer Psychogruppe gelandet zu sein, beruhigt sich beim Anblick des Beamers auf dem kleinen Wagen in der Mitte des Stuhlkreises wieder. Es werden wohl weniger persönliche Statements und Gespräche verlangt und wir dürfen mit PowerPoint oder verwandten Medien rechnen.

Die Teilnehmenden erwarten nun nichts Spannendes mehr, es ist ja wie immer. Und die Krönung der Langeweile: das Flipchart mit dem Willkommensherz. Spätestens jetzt weiß jeder, wie der Hase heute laufen wird: zuerst der übliche Einstieg mit Organisatorischem und dem besonderen Bonbon der Erwartungsabfrage, die gerade bei Zwangsschulungen komplett absurd ist. Welche Erwartungen werden wohl Menschen haben, die unfreiwillig in einem Seminar sitzen? Dann folgt ein Präsentationsteil mit PowerPoint, der meist über die erträglichen 20 Minuten hinausgeht und das Thema – oft von Grund auf – noch einmal vorstellt. Bei Einsetzen einer gewissen Müdigkeit wird dann eine Methode gemacht oder eine Aktivierung angeboten, die oft nicht themen- bzw. inhaltsbezogen ist, sondern einfach irgendein »Spiel« zum Muntermachen.

Solange Trainerinnen und Trainer diese altvertrauten und dementsprechend unspannenden Settings nicht ändern, werden sie aus dem selbst inszenierten Trägheitsmoment nur schwer herauskommen.

Doch es gibt sie ja, die wilden, kreativen Formate, in denen neu gedacht wird: Thinktanks, Bootcamps etc. sind eindrucksvolle Settings, in denen sich Menschen hierarchiefrei austauschen können. Natürlich sind diese Settings in gewisser Weise auch Lernräume, also Orte, an denen voneinander und miteinander gelernt wird. Letztendlich jedoch sind es Gedankenschmieden, in denen Neues erdacht wird und wo Kollaboration, Kreativität und Kommunikation an erster Stelle stehen. Und warum sollten Unternehmen nicht dazu übergehen, solch neue Formate auch für Weiterbildung und Training zu schaffen? Wirksame Seminare müssen nicht im klassischen Seminarraum stattfinden.

Ganz klar ist: Informationen, die interessant visualisiert sind, bekommen mehr Aufmerksamkeit und werden besser behalten. Wenn schön gestaltete Flipcharts im Seminarraum hängen, bekommen die Teilnehmenden schnell das Gefühl, »dass sich da jemand Mühe gegeben hat« und sie willkommen sind. Zumindest höre ich das immer wieder. Derzeit boomen die Kurse zur hochwertigen Flipchart-Gestaltung. Trainer und Trainerinnen investieren einiges in Kurse und Bücher, um ihre persönliche Flipchart-Kunst zu verbessern – und dieser Einsatz wird von den Teilnehmenden oft mit mehr Motivation und positivem Feedback honoriert.

Problematisch kann es dann werden, wenn im Seminar »mal eben schnell« ein neues Flipchart erstellt werden muss, weil Ideen, Geistesblitze, Erkenntnisse etc. visualisiert werden sollen. Da wird der Unterschied zwischen den wunderschön vorbereiteten Flipcharts und den spontan kreierten offensichtlich. Flipcharts, die im Tun entstehen, weil die Trainerin zum Beispiel die Frage eines Teilnehmers beantwortet hat und die Essenz ihrer Antwort festhalten möchte, sind quasi große Notizblätter für Gedanken. Wer als Trainerprofi auf hochwertige Fragen antwortet, braucht normalerweise einen Moment, um die wesentlichen Gedanken zu sammeln und kurz zu überlegen, wie diese visualisiert werden können. Während dieses komplexen Prozesses kann er oder sie sich nicht darauf konzentrieren, das Flipchart auch noch »schön« zu machen. Eine anschließende Optimierung geht aber immer! Ich plädiere daher dafür, das Flipchart zu retten, aber unnützen Papierverbrauch zu vermeiden. So können Standard-Flipcharts wie »Unser Weg durchs Seminar« oder »Der Baum der Erkenntnis« einfach entfallen, ohne dass es jemandem auffällt. Und wir entdecken unsere Liebe zu den unperfekten Flipcharts, denn diese lassen sich immer noch aufhübschen. Auf diese Weise lebt die Trainerin auch den Wert »Flexibilität« vor!

Doch es gibt noch mehr als Flipcharts. Eine einfache Alternative, die den gleichen Effekt hat und um einiges ökonomischer ist, ist die Wäscheleine – die Zettel mit den Informationen können immer wieder verwendet werden, außerdem bleiben sie die ganze Zeit sichtbar. Auch Kartons oder (wiederverwertbare) Plakate mit Beschriftungen können zum Einsatz kommen. Und selbst eine ganz normale Pinnwand kann kreativ mit vielen interessanten Informationen versehen werden.

Mittlerweile weiß wohl jeder, dass PowerPoint keine gute Lösung für Trainings und Schulungen ist – also weg damit. PowerPoint-Präsentationen sind zwar schnell erstellt, doch letztendlich schüttet man damit Informationen vor Menschen einfach nur so aus. PowerPoint überfordert uns – Lesen und Zuhören zugleich geht nicht, insbesondere dann, wenn das Gelesene sich vom Gesprochenen unterscheidet. Dann bekommt kaum noch einer etwas mit. Die Vortragenden stehen quasi neben dem Inhalt – nicht dazu. Stehen sie vor der Projektionsfläche, dann werfen sie einen Schatten aufs Thema. Nehmen Sie diesen Satz ruhig in seiner Doppeldeutigkeit ernst. Und nicht nur die Verdunkelung macht müde; auch zu viele Folien haben diesen Effekt – da ist der Arbeitsspeicher schnell voll und die Aufmerksamkeit lässt spätestens nach der zehnten Folie nach.

»Menschen, die wissen, wovon sie reden, brauchen keine Folien«, sagte Steve Jobs. Das kann ich nur unterschreiben. Wer konsequent ohne PowerPoint präsentiert, erarbeitet sich schnell ein neues, umfangreiches Repertoire an Präsentationsmöglichkeiten. Hier darf Kreativität gelebt werden. Allem voran steht das lebendige Storytelling. Wer fesselnd vorträgt, punktet bei den Zuhörenden. Multisensorische Methoden wie zum Beispiel starke Präsentationen, bei denen die Inhalte knackig visualisiert werden und mit guten Erinnerungsankern gearbeitet wird, sind gerade für die Vermittlung von Zahlen, Daten und Fakten der Renner. Quizvarianten stehen ganz oben auf der Liste, wenn die Teilnehmenden sich den Inhalt selber erarbeiten sollen. Gut aufbereitete Inhalte ersetzen oder ergänzen so manchen PowerPoint-Vortrag, dazu können beschriftete Papierbögen an Wäscheleinen, Pinnwänden oder Fenstern angebracht werden, man kann Inhalte auf großen Kartons visualisieren oder in Form von TV- oder Verkaufsshows aufbereiten. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt (mehr dazu in dem Kapitel »Die Methoden«).

Wir brauchen mehr Mut in den Unternehmen

Was ist der Treibstoff in den Tanks Ihres Unternehmens? Wenn wir von A nach B kommen wollen, brauchen wir Bildung, wir benötigen neue Informationen, neues Wissen, neues Können – und manches Mal die Einsicht, dass wir überhaupt nach B wollen. B sollte also ein attraktives Ziel sein.

Ihre Unternehmenskultur ist einer der zentralen Aspekte Ihrer Organisation. Menschen bleiben oder gehen, je nachdem, ob ihnen die gelebte Kultur in Ihrem Unternehmen liegt oder nicht. Die Weiterentwicklung dieser Kultur gelingt durch Bildung – aber diese muss hochwertig, lebendig und stets auch auf Ihre bestehenden oder zukünftigen Werte bezogen sein.

Wenn Unternehmenskultur und Bildungskonzeption nicht miteinander in Resonanz sind, dann verschwenden Sie womöglich wertvolle Ressourcen, und das ist schade und unnötig. Die Bildungskonzepte, die Sie für sich und Ihre Mitarbeitenden stricken, gestalten den lebendigen Körper Ihrer Unternehmenskultur – sie wird zum Treibstoff. Wissen, Können, Möglichkeiten-Wachstum füllen den Tank und wirken wie ein Perpetuum mobile der gemeinsamen Weiterentwicklung. Ein stimmiges Blended-Learning-Konzept – die bewusste Verschränkung von Präsenz- und E-Learning-Elementen – beschleunigt die Lernprozesse in den Unternehmen. Eine Information gelangt rasend schnell in die Köpfe und Herzen der Menschen.

Blicken Sie also beim Thema interne Weiterbildung über den Tellerrand der Personalabteilung hinaus. Die Verantwortlichen für die Entwicklung des Unternehmens sollten auch die Verantwortung für die Trainings bzw. die Weiterbildung übernehmen. Das wertvollste und wichtigste Gut des Unternehmens sind seine Mitarbeitenden und Führungskräfte. Sie gilt es mit Wissen, neuen Ideen und Impulsen voranzubringen. Dafür brauchen Unternehmen gestandene Persönlichkeiten, die das entsprechende Wissen, die gewünschten Impulse, Kenntnisse und Fähigkeiten mitbringen und in der Lage sind, verschiedene Aufgaben zu erfüllen: Sie müssen ermöglichen, aufzeigen und lehren.

Es geht dabei auch immer um die großen Fragen und Antworten, die von den Verantwortlichen gesucht, erkannt, erfasst und besprochen werden. Das setzt eine tiefe Kenntnis der Inhalte voraus, die in der Personalabteilung nicht immer vorhanden ist. Das Team in dieser Abteilung wird vermutlich innerhalb des eigenen Kompetenzlevels nach Trainern und Formaten suchen, am liebsten nach etwas, was es bereits kennt. Das könnte der gewünschten Weiterentwicklung zuwiderlaufen. Eine kreative Gestaltung des Anliegens selbst bleibt aus – das kann die Personalabteilung auch nicht leisten, denn hier geht es nicht um Events, sondern um Trainingskunst. Hier braucht es den Blick nach außen, und so wie bei New-Work-Konzepten komplett anders gedacht wird, sollte es auch bei New Training sein.

 

Mit einer gehörigen Portion Mut im Gepäck können Sie neue Wege gehen und für Ihre Mitarbeitenden und Führungskräfte in puncto Weiterbildung neue Horizonte erschließen.

Wir brauchen Persönlichkeiten als Trainer

Der klassische Trainer hat ausgedient. Punkt. Früher ging es in den Trainings vor allem um Wissensvermittlung, doch heute ist so gut wie jede Information auch im weltweiten Netz auffindbar. Das bedeutet: Nicht nur die Menschen in den Unternehmen brauchen neue Fähigkeiten, neue Verhaltensmuster und neue Einstellungen, auch die eingekauften Trainer und Speaker müssen sich weiterentwickeln oder gar neu erfinden.

Als Kernkompetenzen der Zukunft gelten die vier Ks: Kreativität, kritisches Denken, Kommunikationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft. Dazu treten Charaktereigenschaften wie Achtsamkeit, Mut, Belastbarkeit, ethisches Bewusstsein und Führungsstärke. Am wichtigsten wird laut Yuval Noah Harari die Fähigkeit werden, mit Veränderung umzugehen, neue Dinge zu lernen und in unvertrauten Situationen das seelische Gleichgewicht zu wahren. »Wollen wir mit der Welt des Jahres 2050 Schritt halten, müssen wir nicht nur neue Ideen und Produkte erfinden – wir müssen vor allem uns selbst immer wieder neu erfinden.«7

Das Wissen wird interdisziplinär und wir können uns, unter anderem durch entsprechende Trainings- und Coachingkonzepte, auch in puncto Selbstreflexion und persönlicher Weiterentwicklung verbessern. Damit rückt die Lernende wieder mehr in den Mittelpunkt. Der Trainer ist dadurch nicht überflüssig, ganz im Gegenteil. Er wird gebraucht, um Lernsettings zu ermöglichen, in denen Menschen Neues erfahren, damit sie sich und andere und das Thema (des Trainings) neu betrachten können. Für all das brauchen wir keine Standardtrainings mehr und – natürlich – auch keine Standardtrainer. Wir brauchen Persönlichkeiten, die in den Präsenztrainings faszinieren und die einen gewissen Aufruhr ins Leben, ins Thema und in die Arbeitswelt der Lernenden bringen. Trainerinnen und Trainer werden zu Lernbegleitern, Impulsgebern, Bildungsmanagerinnen, Inhaltsaufbereitern, Lernzieldefinierern und Inhaltsdosierern, die uns mit den digitalen Tools weiterbringen. Wir brauchen Raumhalter, Vorleberinnen, Rollenmodelle, Weise, Heilerinnen, Revolutionäre, Leuchttürme …

Für vieles, was wir zukünftig lernen sollen / wollen / müssen, brauchen wir wahre Expertinnen, Menschen, die das verkörpern, was wir erreichen wollen, und uns genau das lehren können. Und: Eine echte Trainerpersönlichkeit bringt das Thema – und nur das – zum Leuchten. Sie verfügt über die innere Größe, sich selbst zurückzunehmen, um das Thema zu inszenieren und ihm einen entsprechend großen Raum und Rahmen zu geben.

Wir brauchen Befruchtungsmomente

Kennen Sie den »Ruf«? Auch »the Call« genannt? Da ruft uns etwas, da mahnt etwas, da kommt eine Stimme von innen oder außen, die uns klar macht: Jetzt wird es anders, ich will / muss etwas tun. Solche Weckrufe können auch Trainings sein – Trainings, in denen etwas passiert, in denen wir mit uns, einem Thema, einem Anliegen konfrontiert werden, das uns tief bewegt.

Jedes Training – fast jedes – sollte mit einem beeindruckenden, berührenden und eindrucksvollen Moment starten. Dann wissen alle: Hier wird es anders. Die Erwartungen an ein langweiliges Standardseminar werden also von Anfang an bewusst nicht erfüllt.

Wenn ich Trainings designe, dann steht immer die Frage nach dem geistigen Befruchtungsmoment im Vordergrund: Wo macht es »klick« im Kopf der Teilnehmenden? Wie erreiche ich die Ebene der Einstellung, wie berühre ich Menschen in ihrem inneren Wertesystem oder Erleben so, dass sie innehalten und das, was sie kennen, neu betrachten? Das ist mein Fokus. Denn wenn die »Einsicht« erst da ist, ist der Rest ein leichtes Tun. Die weiteren Schritte im Seminardesign reihen sich automatisch aneinander wie die Perlen einer Kette.

Trainings – sofern dieser Begriff noch ansatzweise für das passt, worüber wie hier nachdenken – sind Momente, in denen Menschen zusammenkommen, um gemeinsam etwas zu erleben und zu erfahren. Die Mahnung ohne den erhobenen Zeigefinger: Das ist ein Gedanke, der zu dieser neuen Art von Veranstaltungen unbedingt gehört.

Diese Mahnung – oder leichte Erschütterung – hat eine starke Wirkung, denn sie fragt nach dem WARUM:

WARUM wir besser miteinander kommunizieren sollen

WARUM wir bessere Führungskräfte werden sollen

WARUM wir uns im Team besser arrangieren sollen

Es gibt viele WARUMs für Themen, sie sind im Grunde doch das oberste Ziel von Trainings- und Bildungsmaßnahmen.

Aber kommen wir noch einmal zurück zum eingangs erwähnten »Ruf.« Dieser Begriff gehört zum Konzept der Heldenreise, das Joseph Campbell, ein amerikanischer Mythologieforscher, entwickelt hat. Ein Ruf, ob er nun von außen oder von innen kommt, geht oft einher mit Schwierigkeiten, einer Krise, einem Aufbegehren, einer Vision oder dem Wunsch, dass etwas ganz anders wird. Unfreiheit, Not und ähnliche Erlebnisse und Situationen befördern diesen Ruf noch mehr.

Traditionelle Arbeitsplätze und Berufe verändern sich rasant oder verschwinden ganz; neue Berufe entstehen, von denen wir oft gar nicht wissen, wie sie genau aussehen werden. Künstliche Intelligenzen übernehmen mehr und mehr Arbeitsprozesse und auch daraus entstehen neue Betätigungsfelder für den Menschen.

Dies bringt nach meinem Verständnis eine tiefe Auseinandersetzung mit unserer eigenen Aufgabe und den unterschiedlichsten Rollen, die wir privat und beruflich einnehmen werden. Wenn wir den Ruf nicht hören oder ihn ignorieren, kann das fatale Folgen haben. Doch der Ruf kann auch durch etwas Schönes, Positives ausgelöst werden: Wir sehen einen Film, lesen ein Buch oder treffen einen Menschen und plötzlich wird eine starke Sehnsucht in uns geweckt.

Das sollte auch in Lernräumen und Trainings, auf Tagungen und bei anderen beruflichen Events geschehen. Die Teilnehmenden hören den Ruf und spüren eine tiefe Sehnsucht nach etwas. Das kann alles Mögliche – Sinn, Ethik, Kreativität, Kollaboration, Zusammenhalt – sein. Im Idealfall decken die Unternehmensziele das »Sehnsuchtsthema« ab, dann berührt es die Menschen eher, es klingelt sozusagen in ihrem eigenen Persönlichkeitsnetzwerk.

Als Teilnehmende möchte ich erschüttert werden, mein bisheriges System soll ins Wanken kommen und auf den Prüfstand gestellt werden; meine eigenen Wenn-dann-Logiken sollen Purzelbäume schlagen, ich will wachsen und neue Erkenntnisse bekommen.

Wie das geschieht? Durch besondere Methoden und Erlebnisse, die dem Thema eine neue Bedeutung geben. Die üblichen Erkenntnisspiele greifen zwar, aber nur oberflächlich. Inszenierungen, die ein Thema erfahrbar machen, sind da viel eher geeignet. Wenn wir ein Meeting zum Beispiel gemeinsam am Lagerfeuer anfangen, hat das eine ganz andere Qualität. Selbst wenn es ein »trockenes« Feuer ist – eine große Sitzfläche auf dem Boden, in deren Mitte trockene Holzscheite als Feuerstelle aufgebaut sind –, so wirkt doch die Art und Weise, wie diese Runde zelebriert wird.

Sobald eine Methode aus dem üblichen Allerlei hervorsticht, eine gewisse Tiefe, Stille oder andere Atmosphäre verbreitet, ist es meist keine Methode mehr, sondern ein Ritual, eine Intervention, eine Zeremonie. Diese hat eine ganz andere Wirkung: Sie spricht die affektiven Lernziele an – also Ziele, die sich auf das Herz, die innere Haltung, die persönliche Einstellung und die Emotionen beziehen – und fördert die Verbundenheit der Menschen untereinander. Um solche Momente zu schaffen, braucht es die entsprechende innere Haltung des Trainers, er oder sie muss wissen, warum er oder sie etwas macht. Und es braucht die Gabe, tief gehende Lernsettings zu gestalten.

Wir brauchen persönliche Transformation

Menschen streben nach Weiterentwicklung und Veränderung. Viele unserer Verhaltensweisen, unser Werteverständnis und unser Mindset – unsere Mentalität – reichen angesichts der VUCA-Welt und der zunehmenden Digitalisierung einfach nicht mehr aus und müssen sich verändern. Und dieses Gefühl hat unter Umständen gravierende Folgen: Viele von uns spüren, dass sie inmitten einer persönlichen Disruption stehen.

Unsere Arbeitswelt wandelt sich – das besagt unter anderem eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB): »Die Digitalisierung hat kaum Auswirkungen auf das Gesamtniveau der Beschäftigung, führt aber zu größeren Verschiebungen zwischen Branchen, Berufen und Anforderungsniveaus. Bis zum Jahre 2020 gehen nach Auffassung des IAB 710 000 Arbeitsplätze durch Digitalisierung verloren, gleichzeitig entstehen aber 720 000 neue Jobs. Bis 2035 schätzt das Institut den Verlust auf 1,46 Millionen Arbeitsplätze ein, den Zugewinn auf 1,4 Millionen.«8

Diese Zahlen beschreiben nur einen der vielen Gründe, warum wir uns selbst neu erfinden müssen – oder dürfen, je nachdem, wie optimistisch oder pessimistisch wir die Sache sehen. Es stellt sich nur die Frage, ob ich jemand anderes werden kann als derjenige, der ich gestern war.

Die Digitalisierung hat einen ähnlich massiven Effekt auf die Arbeitswelt wie die Dampfkraft in früheren Zeiten. Viele Firmen werden verschwinden – manche schon in wenigen Jahren. Um das zu verhindern, müssen sie sich ebenso wandeln wie wir Einzelnen.

Es geht, kurz gesagt, um Transformation. Dafür müssen wir uns zunächst eines klarmachen: Es gibt unbewusste Prozesse, die auch für uns unbewusste Grenzen setzen. Das Überwinden dieser Grenzen ist der Weg zur Transformation. Wir können lernen, bisherige Grenzen zu überwinden, neue Möglichkeiten zu erfahren, die uns zu etwas Neuem oder Reiferem bringen. Wir reifen in unseren Erkenntnissen über das Bisherige und bekommen eine weit größere Perspektive.

Zum Lebensende hin streben wir Integrität an. Die Reise unseres Lebens soll Sinn ergeben. Und dafür braucht es im Vorhinein die regelmäßige Reflexion: »Wer bin ich und was will ich wirklich?« Solche Fragen können auch in Coachings oder Leadership-Trainings bisherige Lebens- und Arbeitskonzepte komplett durcheinanderbringen.

Die Suche nach persönlicher Weiterentwicklung – die Selbstfindung – ist ein relativ neues Gut. In früheren Jahrhunderten hielt das Tagwerk die Menschen oft davon ab, sich diese Fragen zu stellen. Jetzt möchte sich der Mensch neu erfinden und optimieren. »Mache das beste Selbst aus dir« – so klingt es in manch einem Seminar oder Ratgeber.

Menschen dabei zu begleiten, das Beste aus sich zu machen, ist ein typisches Trainer- und Coach-Credo. Menschen, die sich an ihrem Arbeitsplatz verwirklichen können, bringen Früchte fürs Unternehmen. Dort können sie ganz sie selbst sein und ihr Wissen und ihre Power (oder auch Ideen, Haltung und Einstellung, Fragen etc.) zur Verfügung stellen. Und das hat noch einen weiteren Vorteil: Menschen, die diese Qualität am Arbeitsplatz erleben, bleiben!

Lebenslanges Lernen nicht als Schlagwort, sondern als Weg zur persönlichen Transformation. Das Beste aus sich machen zu wollen – das ist ein wertvoller Wunsch, der mit den entsprechenden Bildungskonzepten wahr werden kann. Als Ziel dieses Wunsches formulierte der frühere US-Präsident Barack Obama: »Arbeite an etwas mit, das für die Gesellschaft nützlich ist, was einen Mehrwert hat, kümmere dich mehr darum, was du sein willst, kümmere dich mehr darum, was du Sinnvolles machen möchtest.«9

Kann ich mich ändern, wenn ich das möchte? Für Barack Obama ist das möglich, wenn man:10

eine innere Unzufriedenheit spürt,

die Einsicht hat, dass etwas auf bisherigem Wege nicht funktioniert,

die Bereitschaft hat, sich Informationen von anderen zu holen,

 

die Veränderung in kleinen Schritten angeht, denn eine Veränderung kommt nicht über Nacht, weil sie ein Prozess ist,

überzeugt ist, dass man täglich besser wird, indem man die notwendigen Dinge anders macht. Trainings und andere Lernsettings sollten sich zentral darauf beziehen, dass Menschen die Möglichkeit bekommen, das Beste aus sich zu machen.

Wenn Obama sagt: »Werde der Beste, der du sein kannst!«11, dann spricht er unsere Sehnsucht an, bei uns selbst anzukommen. Wer für seine persönliche Weiterentwicklung Unterstützung und Möglichkeiten am Arbeitsplatz bekommt, der gibt eher sein Bestes. Und das ist viel mehr als nur die Anhäufung von Fachwissen, es ist die Kunst, sich in der sich ständig wandelnden Welt als Mensch bewegen zu können.