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Das Mormonenmädchen Erster Band

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Eigentlich hegte er den Plan, alle Worte, welche durch die dünne Laubwand bis zu ihm dringen würden, niederzuschreiben, um sie später mit mehr Muße in Zusammenhang zu bringen. Er traute sich nämlich nicht zu, eine in schwedischer Sprache geführte Unterhaltung genau verfolgen zu können, wenn er auch wirklich in früheren Jahren auf einer Kunstreise durch die skandinavischen Hochlande sich nothdürftig zu verständigen gelernt hatte.

Als er sich an seinem Tischchen niederließ, wurde nebenan noch englisch gesprochen, und zwar bestand die Unterhaltung aus nur oberflächlichen Mittheilungen, welche bald den Schiffbruch, bald die Ankunft in New-York, bald das Schicksal dieser und jener Person in Europa oder Amerika betrafen.

»Wir haben Mühe gehabt, das Schiff heute schon verlassen zu dürfen,« sagte Rynolds endlich, auf die Geschäftsangelegenheiten übergehend; »wir boten indessen unsere ganze Beredtsamkeit auf, denn die unbestimmten Gerüchte, die uns über die Lage unserer Brüder am Salzsee zugegangen, ließen uns das Schlimmste befürchten.«

»Der Krieg ist erklärt, und die Unsrigen haben die Erklärung mit gebührendem Trotz entgegengenommen,« bemerkte der fremde Herr, der von den beiden anderen im Laufe des Gesprächs mehrfach Mr. Abraham genannt wurde.

»Es ist weniger der Krieg, der uns zu dem späten Besuch veranlaßte, als die bewußte Angelegenheit,« versetzte Jansen mürrisch. »Meine Nichte hat beinahe seit Jahresfrist keine Nachricht von ihrer Schwester erhalten, weshalb wir durchaus ihr hier irgend eine Beruhigung über deren Ergehen verschaffen müssen. Wie ist es, habt Ihr neuerdings Briefe vom Salzsee gehabt?«

»Seid vorsichtig,« sagte Rynolds in schwedischer Sprache, in dem er verstohlen auf die Laube wies, in welcher der Maler saß; »man kann in diesem Lande keinem Menschen trauen; hat es uns doch nicht geringe Mühe gekostet, den groben Seemann los zu werden, welchen der alberne Schiffslieutenant auf unsere Fährte setzte.«

Abraham warf einen Blick zwischen den Blättern hindurch auf Falk, zuckte verächtlich die Achseln, als er in ihm einen Deutschen erkannte, gebrauchte aber doch die Vorsicht, sich nunmehr der schwedischen Sprache zu bedienen und seine Stimme etwas zu dämpfen.

»Briefe habe ich allerdings vom Salzsee erhalten,« hob er an, »aber leider keine sehr erfreulichen Nachrichten. Die Schwester hat im verwichenen Herbst aus Eifersucht, daß ihr Gatte sich mit einer zweiten Frau verheirathete, sammt ihrem Kinde die Salzsee-Stadt verlassen. Man setzte ihr nach, aber erst eine Woche später entdeckte man die untrüglichen Spuren, daß sie während eines Sandsturms in der Wüste zu Grunde gegangen und verschüttet sei.

»Mutter und Kind?« fragte Jansen auffahrend, und im Klange seiner Stimme lag eine tiefe, aber mit aller Gewalt unterdrückte Theilnahme, »Mutter und Kind? und das erfahre ich erst heute, nachdem fast ein Jahr darüber vergangen?«

»Mutter und Kind,« antwortete Abraham eintönig, »und heute erfahrt Ihr es erst, weil es mir zu gewagt erschien, Euch das Unglück nach Europa zu berichten. Uebrigens erwarte ich Euch ja bereits seit sechs Monaten.«

»Sehr, sehr schlimm,« bemerkte Rynolds, den Kopf schüttelnd. »Was werden wir ihr sagen, wenn sie nach ihrer Schwester fragt? Sie glaubt mit Bestimmtheit hier Briefe von ihr vorzufinden.«

»Das Fehlen der Briefe könnte sehr leicht durch die ausgebrochenen Feindseligkeiten erklärt werden,« versetzte Abraham beruhigend, »denn wer weiß, ob sie ihre Gesinnung nicht änderte, wenn sie die Wahrheit in ihrem ganzen Umfange erführe. Noch schlimmer aber wäre es, erhielte sie eine Ahnung davon, daß sie selbst zur zweiten Frau eines der einflußreichsten und energischsten Mormonen bestimmt ist, oder daß überhaupt die Vielweiberei unzertrennlich von unserer Lehre ist.«

»Es wäre thöricht, sie jetzt schon darüber aufklären zu wollen,« bestätigte Rynolds, »sie wird Alles frühe genug erfahren, wenn sie am Salzsee eingetroffen ist, und sich dann leichter in das Unabänderliche fügen. Nehmt ihr aber die Sehnsucht nach ihrer Schwester, und sie weigert sich, mit Euch zu gehen. Sie besitzt überhaupt die Neigung, auf Diejenigen zu hören, die mit glatten Schmeichelworten unsere gesegnete Lehre verleumden. Ich habe ihr Benehmen dem Schiffslieutenant gegenüber sehr wohl beobachtet, und ich versichere Euch aus vollster Ueberzeugung, es ist die höchste Zeit, sie von einander zu trennen. Es ist ein großes Unglück, daß auch das Kind nicht mehr lebt. Das Auszahlen des Vermögens der Mutter an den Vater würde im entgegengesetzten Falle keine Schwierigkeiten gehabt haben —«

»Anstatt daß es jetzt der noch unverheiratheten Schwester, dem einzigen noch lebenden Mitgliede der Familie anheimfällt,« fügte Jansen, noch immer tief erschüttert, den Worten seines Gefährten hinzu.

»Es ist noch zweifelhaft,« bemerkte Abraham nachdenkend, »aus den Briefen, welche zu Eurer Einsicht in meiner Wohnung bereit liegen, scheint hervorzugehen, daß man Spuren entdeckte, welche darauf hindeuten, daß das Kind die Mutter, wenn auch nur auf kurze Zeit, überlebte, wodurch der Vater dennoch seine Ansprüche als rechtmäßiger Erbe seines Kindes erheben könnte.«

»Sei es, wie es wolle,« fiel Jansen wieder ein, »sie hat ihre Schwester, und ich eine liebe Nichte verloren. Mag der Herr ihrer Seele gnädig sein, wenn sie als eine Abtrünnige hinüberging. Ist auch das Kind vom Verderben ereilt worden, was Gott verhüten möge, dann haben wir die größte Ursache, aufʼs Sorgfältigste über das Mädchen zu wachen und keine Stunde länger, als unumgänglich nothwendig ist, in New-York zu verweilen. Sie ist das letzte Erbtheil meines armen Bruders; sie soll, sie muß dem allein seligmachenden Glauben erhalten werden, um zu sühnen die Schuld ihrer als Abtrünnige dahingeschiedenen Schwester. – Selbst ihre alte Erzieherin, die sie fast keinen Augenblick aus dem Bereich ihrer Argusaugen läßt, kann getäuscht werden und der Einfluß eines Ungläubigen sich bei dem unschuldigen Kinde geltend machen, ehʼ wir eine Ahnung davon erhalten.«

»Wann gedenkt Ihr Eure Reise fortzusetzen und auf welcher Route?« fragte Abraham, nachdem er mit nachdenkender Miene sein Glas leer getrunken und es dann wieder gefüllt hatte.

»Sobald wie möglich und auf derjenigen Reute, die uns bei den jetzigen widerwärtigen politischen Verhältnissen als die sicherste empfohlen wird,« antwortete Rynolds.

»Und außerdem wünschen wir geheim zu halten, wohin wir uns eigentlich wenden,« fügte Jansen hinzu, »denn würde es ruchbar, daß wir uns mit so bedeutenden Mitteln unseren Brüdern am Salzsee zuzugesellen beabsichtigen, so könnten uns noch von den Gentiles wer weiß was für Hindernisse in den Weg gelegt werden.«

»Aber ist das Geld nicht Eigenthum Eurer Nichte, und seid Ihr Beide nicht die gesetzlichen Vormünder?« fragte Abraham.

»Das wohl,« entgegnete Rynolds mit einem unzufriedenen Blick auf Jansen, dessen offene Trauer um den Tod seiner andern Nichte ihm sehr ungelegen zu kommen schien; »aber es würde den Gentiles eine besondere Freude gewähren, unsere Schutzbefohlene bis zu ihrer Großjährigkeit zurückzubehalten und sie während dieser Zeit in eine Abtrünnige umzuwandeln. Glaubt mir, so vorbedacht und behutsam wir auch immer zu Werke gegangen sein mögen, bei der jetzigen feindlichen Stimmung gegen unser Volk wäre es ihnen ein Leichtes, Fäden zu entdecken, die ihnen bei einem gerichtlichen Verfahren den gewünschten Halt böten.«

Rynoldsʼ Worte mußten die drei Mormonen zum Nachdenken veranlaßt haben, denn sie schwiegen und schauten finster vor sich nieder. Falkʼs Spannung dagegen hatte allmälig einen so hohen Grad erreicht, daß er kaum die Fortsetzung des Gesprächs erwarten konnte und, wie um seine Ungeduld zu bekämpfen, las er die Worte noch einmal durch, die er mehr mechanisch, als um einen wirklichen Anhalt zu gewinnen, niedergeschrieben hatte. War ihm auch Einzelnes unverständlich geblieben, so hatte er den Sinn der Unterhaltung doch hinlänglich erfaßt, um nicht mehr zu bezweifeln, daß er einem finstern Complot auf die Spur gekommen sei, in welchem man, theils aus gefährlichem religiösem Fanatismus, theils mit der strafbarsten Gewissenlosigkeit, harmlose Menschen zu den Opfern verbrecherischer Pläne gewählt hatte.

Er saß so, daß er den Mormonen den Rücken zukehrte, und regungslos und mit angehaltenem Athem blickte er in sein Notizbuch. Da veranlaßte ihn plötzlich ein leises Geräusch zwischen den Blättern der ihm gegenüberliegenden Laubwand, aufzuschauen, und heftig schrak er zusammen, als er von dort her zwei wildglühende Augen auf sich gerichtet sah. Ein zweiter Blick überzeugte ihn indessen, daß es das vernarbte, ausgewetterte Gesicht des alten Seemanns sei, welches sich zwischen das Blätterwerk hindurchdrängte und, obgleich zur Hälfte beschattet und zur Hälfte von der unstät flackernden Gasflamme beleuchtet, einen unverkennbaren komisch fragenden Ausdruck zeigte.

Er bebte, denn er glaubte von Raftʼs Eifer und unbeholfenen Bewegungen Alles befürchten zu müssen. Allein geräuschloser hätte kein Marder entschlüpfen können, als der Bootsmann, sobald er die abwehrende Geberde Falkʼs bemerkte, sich zurückzog und sich im Hintergrunde seiner Laube gleichsam in die Dunkelheit vergrub. Die wachsende Ungeduld hatte ihm nämlich die Räumlichkeiten im Hause zu enge erscheinen lassen, und mit vieler Mühe war es ihm gelungen, von dem Gewirr der sich entfernenden Gesellschaften aus, die drei Mormonen und den Wache haltenden Künstler zu entdecken und sich demnächst in sichern Hinterhalt zu legen. —

Jansen brach endlich wieder das Schweigen.

»Welche Hülfsmittel stehen den Unsrigen zu Gebote?« fragte er, sich an Abraham wendend; »haben dieselben in letzter Zeit zugenommen?«

»Gewachsen sind sie allerdings,« antwortete der Befragte, »ob sie aber genügend sein werden, den Vereinigten Staaten auf lange Jahre Widerstand zu leisten, ist mehr als zweifelhaft.«

 

»Haben die Sendungen denn schon eingestellt werden müssen?« fragte Jansen weiter.

»Auf dem Wege durch die Prairien, ja, weil die Vereinigte Staaten-Trains dieselben förmlich überschwemmen; doch ist uns die bequemere Verbindung über Kalifornien offen geblieben, und ganz andere Mittel müßten aufgeboten werden, wollte man uns auch dort noch hindernd entgegentreten. Erst mit dem letzten Dampfboot ging eine beträchtliche Anzahl Kisten und Ballen, welche Pulver, auseinander genommene Büchsen, Revolver und Decken enthielten, unter harmlosen und sichern Signaturen nach San Francisco; noch bedeutendere Sendungen aber werden mit dem nächsten und den folgenden Dampfbooten expedirt werden.«

»Waffen und Munition sind oft weniger werth, als gute handfeste Männer,« bemerkte Jansen finster.

»Auch das Geschäft des Recrutirens hat seinen guten Fortgang,« antwortete Abraham; »es würde noch besser gehen, wären wir nicht gezwungen, Alles so heimlich zu betreiben. Indessen verläßt kein Panama-Dampfer den hiesigen Hafen, der nicht einige Dutzend frisch angeworbener Leute an Bord hätte. Sogar der Mangel an mehr theoretisch ausgebildeten Officieren wird allmälig gedeckt werden; erst gestern glückte es mir wieder, mit zwei deutschen ehemaligen Officieren ein bindendes Uebereinkommen zu treffen.«

»Die besten Officiere sind diejenigen, die ihrem Feinde auf hundert Ellen das Auge aus dem Kopfe zu schießen vermögen,« warf Jansen mit geringschätziger Miene ein, »und dergleichen Officiere brauchen wir am Salzsee nicht weit zu suchen.«

»Und dennoch gebrauchen wir Leute, die mit den strategischen Bewegungen geschlossener Truppenmassen vertraut sind und unsere Artilleristen einschulen,« entgegnete Abraham.

»Was sind strategische Bewegungen?« fragte Jansen ungeduldig. »Wir besetzen die Engpässe und schießen Jeden nieder, der sich nähert – aber sagt, wie steht es mit den Eingeborenen?«

»Nach den neuesten Nachrichten dürfen wir auf alle Stämme der Utahs rechnen, ferner auf die Bannaks, die Nez-perces, die Schlangen- und die Krähenindianer, und dann ist endlich noch Aussicht vorhanden, die kräftigen Stämme der im Colorado-Thale lebenden Eingeborenen für unsere Sache zu gewinnen. Einige derselben haben sich wenigstens schon taufen lassen.«

»Lauter Hülfstruppen, die nur an Rauben und Morden denken,« bemerkte Rynolds zweifelnd.

»Das ist Alles, was wir von ihnen verlangen,« entgegnete Jansen, und seine sonst so ernste Physiognomie erhielt durch den erwachenden Fanatismus einen unheimlich wilden Ausdruck. »Laßt sie morden und die Reihen der Gentiles lichten, laßt sie rauben, so viel sie wollen, denn der Sold, welchen sie von uns beziehen, wird sich nicht sehr hoch belaufen.«

Hier gerieth die Unterhaltung wieder inʼs Stocken. Jansen und Abraham schauten nachdenkend vor sich nieder, während Rynolds den Zeigefinger der rechten Hand mit dem verschütteten Wein befeuchtete und einige mathematische Figuren auf den Tisch zeichnete, dabei aber heimlich mit Schlangenblicken Jansenʼs Minenspiel bewachte.

Im Garten war es allmälig stiller geworden. Nur noch hin und wieder bemerkte man eine erleuchtete Laube, oder Gruppen von Männern, die mit lallender Zunge Abschied von einander nahmen, und dann zu zweien oder dreien, Arm in Arm, singend und lachend dem Ausgange zuschwankten.

Der Aufbruch der letzten Gäste mochte die Mormonen daran erinnern, daß es schon spät sei, denn Jansen fuhr plötzlich, wie aus einem Traume erwachend, empor, und sich an Abraham wendend, fragte er, ob in der Nähe ein Gasthaus sei, in welchem sie übernachten könnten.

»Gasthäuser befinden sich allerdings in der Nähe,« antwortete dieser, allein ich habe darauf gerechnet, daß Ihr bei mir Wohnung nehmt. Schon seit drei Wochen sind die für Euch bestimmten Gemächer hergerichtet und die Betten aufgeschlagen.«

»Um so besser,« sagte Jansen, indem er sich erhob, »wir werden dort unsere Verhandlungen ungestört fortsetzen können. Auch möchte ich die Papiere, welche sich auf das Vermögen meiner Nichten beziehen, so wie die Wechsel bei Euch niederlegen. Aber wie ist es?« fragte er im Ausgange der Laube kurz stehen bleibend, »werden die Frauen ebenfalls bei Euch ein Unterkommen finden?«

»Die Frauen vor allen Dingen,« antwortete Abraham; »sie finden in meinem Hause vielleicht nicht alle gewohnten Bequemlichkeiten, da Ihr aber selbst den Wunsch ausspracht, sie mit anderen Menschen nicht in Berührung kommen zu lassen, so denke ich —«

»Gewiß, gewiß,« versetzten Jansen und Rynolds gleichzeitig, »wir erkennen Eure Vorsorge dankbar an,« und indem sie noch sprachen, gingen sie an der Laube vorüber, in welcher Falk über sein Notizbuch geneigt saß.

Alle Drei blickten zu ihm hinein, allein nicht der leiseste Argwohn beschlich sie, als sie den einfachen Deutschen so versunken in seine Berechnungen sahen. Falk fühlte gleichsam den Druck ihrer Blicke, und das Blut stieg ihm bis zu den Schläfen hinauf, indem er bedachte, daß er eine so klare Einsicht in ihr feindseliges Gewebe gewonnen. Er gerieth in Versuchung, zu ihnen emporzuschauen, um ihre Physiognomien seinem Gedächtniß einzuprägen, stand aber davon ab, weil es ihm war, als hätten sie seine Gefühle aus seinen Augen herauslesen müssen.

Gleich darauf bewegten sie sich an der Laube vorüber, in welcher Raft sich verborgen hatte. Sie beachteten dieselbe nicht, es brannte ja kein Licht hinter den dicht berankten Gittern, und mit eilfertigen Bewegungen, jedoch schweigend, begaben sie sich nach dem Durchgang des Hauses. Kaum war indessen die Thür hinter ihnen zugefallen, da glitt Raft zu Falk hinein und legte seine Hand schwer auf dessen Schulter.

»Mann!« rief er dringend aus, und die Narbe in seinem Gesicht glühte förmlich vor innerer Aufregung; »sie sind fort, und Ihr liegt hier so ruhig vor Anker, wie ʼn Leuchtschiff über ʼner Untiefe? Fort, sage ich Euch, fort, geschwinde laßt uns folgen, so lange ihr Fahrwasser noch Schaum und Strudel zeigt, oder Ihr mögt sie ebenso gut zwischen den Bahama-Inseln suchen!«

Falk schaute lächelnd zu dem eifrigen alten Seemann empor. »Vor allen Dingen setzt Euch und helft mir den Rest dieser Flasche austrinken,« sagte er, etwas zur Seite rückend.

»Goddam Euern Wein!« entgegnete Raft, und machte Miene, den Mormonen allein nachzusetzen. »Es sind jetzt ihrer Drei, also um so mehr Grund, sie nicht aus Sicht zu verlieren!«

»Beruhigt Euch und setzt Euch nieder,« erwiderte Falk in so überzeugender Weise, daß Raft seiner Aufforderung mechanisch Folge leistete. »Ich weiß, wo sie ihr Quartier aufgeschlagen haben, wohin sie aber gegangen sind, dahin vermögen wir ihnen nicht nachzufolgen. Aber trinkt erst, und dann wollen wir weiter sprechen.«

Raft stieß einen verdrießlichen grunzenden Ton aus, nahm das dargebotene volle Glas, und nachdem er es in einem Zuge geleert, schaute er fragend auf seinen neuen Freund.

»Ihr seid von Jemand beauftragt, auszukundschaften, wohin die beiden schwedischen Mormonen sich begeben würden.«

»Aie Aie, Herr.«

»Gut, und zwar von Jemand, den bei seinen Nachforschungen weniger das allgemeine Interesse, als das Privatinteresse leitet.«

»Verdammt! wenn Ihr meint, daß ich mich augenblicklich nicht im Dienste des Leoparden befinde, so habt Ihr recht.«

»Gut; jetzt bin ich aber im Zweifel, ob es demjenigen, der Euch entsendete, ebenfalls recht sein wird, wenn ich das, was ich hier erlauschte, und ich habe sehr Wichtiges vernommen, auch noch einer dritten Person mittheile.«

»Goddam! Habe Dickie auf meinen Armen getragen, als er noch nicht lange vom Stapel gelaufen war; ich streiche die Flagge vor Eurer Schulgelehrsamkeit, aber hängen will ich mich lassen, wenn Dickie Weatherton jemals ein Geheimniß vor mir hatte! Das ist originell!«

»Alle Achtung vor Eurer Person und vor Euerm Charakter, aber wenn ich wirklich Euch zum Ueberbringer der betreffenden Nachrichten wählte, so würdet Ihr, und wäret Ihr ein Professor, nicht Alles so wiedererzählen können, wie ich es Euch vorsage und wie ich es selbst gehört habe.«

»Professor?« rief der Bootsmann unangenehm berührt aus, und zugleich zischte ein brauner Strahl zwischen seinen Zähnen hindurch nach der andern Seite der Laube hinüber. »Professor? hätte eines andern Mannes Sohn sein müssen, um ein Professor zu werden! Aber Ihr habt recht, könnte die Signale verwechseln; werde Euch inʼs Schlepptau nehmen, sollt noch in dieser Nacht an Bord des Leoparden kommen und mögt Dickie dann selbst Eure Meldung machen, das heißt Weatherton, dem ersten Lieutenant. Bei Gott!« unterbrach er sich plötzlich selbst, »hole eben in Gedanken Alles über, was Ihr gesprochen, und denke, Ihr müßt durchaus ein Gentleman sein, ich sagte doch wohl von einem Aufschub von zwei Monaten für das Ordnen unserer persönlichen Differenzen?«

»Allerdings sagtet Ihr das,« entgegnete Falk, den die Art, in welcher sich des Seemanns wachsende freundliche Gesinnung äußerte, ungemein ergötzte.

»Gut denn, brechen wir auf,« versetzte Raft, sich erhebend, »den Jungens wird die Zeit lang geworden sein, sind aber nicht dumm genug, die halbe Nacht ohne einen Tropfen Nasses Wache zu halten.«

»Noch einen Augenblick,« bat Falk, indem er den letzten Rest aus der Flasche in das einzige Glas schänkte und dieses dann dem Seemann hinschob, »trinkt noch einmal, ehʼ wir scheiden,« fuhr er fort, ohne Raftʼs Ueberraschung zu beachten, »denn mit an Bord kann ich nicht gehen.«

»Was? Ihr wollt nicht mit?« fragte Raft ungläubig.

»Nein, ich darf nicht; still, still, unterbrecht mich nicht, bis ich ausgesprochen habe; ich weiß, Ihr wollt sagen, daß wenn ich in Eurer Begleitung komme, mir Niemand an Bord des Leoparden den Weg vertreten wird, allein so war es nicht gemeint. Aus Euern Mittheilungen geht hervor, daß die Mormonen wieder zu Euch zurückkehren.«

»Ganz gewiß, sie müßten denn gerade die beiden Ladies dem Leoparden vermachen.«

»Was sie aber ganz gewiß nicht thun werden,« ergänzte Falk. »Es wäre also doch eine Möglichkeit, daß ich mit ihnen zusammenträfe. Da sie mich aber so genau betrachteten, als sie an dieser Laube vorbeigingen, so muß ich befürchten, von ihnen wiedererkannt zu werden, und nur ein leiser Verdacht dürfte die Ursache werden, daß die ganze Gesellschaft plötzlich und geheimnißvoll aus unserm Gesichtskreise verschwände.«

Raft sah das Richtige dieser Bemerkung ein und kratzte sich verlegen mit beiden Händen hinter den Ohren. Endlich, wie um sich Rath zu verschaffen, ergriff er das Glas Wein, und mit einer blitzschnellen Bewegung stürzte er den Inhalt in seine Kehle hinab.

»Um also dieses unwillkommene Verschwinden zu verhüten,« fuhr Falk fort, während er ein weißes Blatt aus seiner Brieftasche riß und einige Worte auf dasselbe schrieb, »gebe ich Euch hier meine Adresse, welche Ihr Euerm Dickie oder Lieutenant Weatherton pünktlich einhändigen werdet. Sagt ihm dabei, daß ich morgen den ganzen Nachmittag für ihn zu Hause sei, und daß er kommen möge, um meine Bilder in Augenschein zu nehmen; ich bin nämlich Maler.«

»Verzeihung, Herr,« versetzte Raft, seinen Hut vorschriftsmäßig lüftend, »da Ihr ein Künstler seid, so malt Ihr vielleicht auch Kriegsschiffe und Seeschlachten. Könnte Euch manchen guten Rath ertheilen, von wegen Segel und Takelage; das ist originell! Habe nämlich bei meinem früheren Kreuzen im Broadway und in anderen Städten in den Schaufenstern noch kein einziges Bild mit einem seegerechten Fahrzeug gesehen. Müssen von Weibern gemalt gewesen sein: Stückpforten zu hoch, Masten falsch gerichtet, viel zu wenig Tauwerk und von dem, was da war, nichts am rechten Ort —«

»Auch Proben von Seestücken besitze ich,« unterbrach Falk den Bootsmann, der plötzlich ungewöhnlich gesprächig geworden war, »und wenn Euer Dickie Euch mitbringen will, so soll es mir sehr angenehm sein.«

»Das ist originell, Herr! Bei Gott, Herr! Seid ein Gentleman, Herr!« rief der Bootsmann entzückt aus, indem er Falkʼs schmale weiße Hand, wie um sie zu zermalmen, in seiner knochigen Faust drückte; »aber fällt mir ein, Herr,« fuhr er eifrig fort, den Maler, der schon aufgestanden war, zurückhaltend, »ʼs liegt mir wie ʼne Ladung Ballast auf der Seele, nämlich meine Faust und Eure Augen. Sagte ich doch von zwei Monaten, will aber einen Vorschlag machen; ich streiche die Flagge und trage die Unkosten, habe ich doch Euch, und nicht Ihr mich angesegelt!«

»Einverstanden von ganzem Herzen!« erwiderte Falk, nun seinerseits der alten gewissenhaften Theerjacke die Hand drückend; und nachdem er sodann seine Zeche an einen herbeieilenden Aufwärter bezahlt, ging er Arm in Arm mit Raft durch das Haus auf die nunmehr schon leer gewordene Straße hinaus.

Gleich vor der Thür trennten sie sich, Raft, um zu der seiner harrenden Jolle zurückzukehren, Falk, um sich auf den Heimweg nach seiner, fast auf dem andern Ende der Stadt gelegenen Wohnung zu begeben. Es war noch ein weiter Weg, der vor ihm lag, allein derselbe erschien ihm in dieser Nacht so kurz, wie noch nie. Die Erlebnisse der letzten Stunden beschäftigten unablässig seinen Geist; er war plötzlich, und ohne es zu ahnen oder zu wollen, in eine geheimnißvolle, abenteuerliche Geschichte verwickelt worden, deren Ende und Tragweite gar nicht abzusehen war. Doch indem vor seiner Seele die phantastischsten Bilder auftauchten, wuchs auch seine Theilnahme für die ihm noch unbekannten, augenscheinlich bedrohten Personen.