Die Bad Religion Story

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Die Session dauerte nicht allzu lange. Sie nahmen nur eine Handvoll Songs auf, aber es war auch das erste Mal, dass sie halbwegs professionell aufnahmen, was eine aufregende Erfahrung war. Als sie beim Abmischen saßen und sich das Tonband anhörten, sprang Brett vor Begeisterung aus seinem Sessel. Sein Fuß traf dabei auf die gläserne Tischplatte des Kaffeetisches, die dabei zu Bruch ging. „Sorry“, sagte Jay. „Wir werden auf jeden Fall dafür aufkommen.“

So aufregend die Session auch war, so brachte sie für Jay auch eine bittere Erkenntnis: „Au Backe! Ich bin ja schrecklich! Ich ließ überall Noten aus und kam mit dem Tempo nicht mit. Das war das erste Mal, dass ich hörte, wie mies ich war.“

Dennoch hielten sie nun ein fertiges Demo-Tape in Händen.

Später am Abend erhielt Brett einen Anruf vom Manager des Studios.

MANAGER: Hey, ihr habt überall Graffiti hingesprayt, nicht wahr?

BRETT: Yeah.

MANAGER: Nun, so geht das aber nicht. Das ist Vandalismus. Ihr müsst nochmal herkommen und alles wieder saubermachen.

BRETT: Echt jetzt? Weil, na ja, da waren doch schon überall Graffiti.

MANAGER: Wir wissen nicht, wer das war, aber euer Bandname stand noch nirgends, bevor ihr hier einmarschiert seid.

„Ich bin mir sicher, dass wir das nicht hätten tun müssen“, sagt Brett heute, „aber da wir nun einmal dumme Jungs waren, kehrten wir nach Hollywood zurück und übermalten unser Graffiti.“

Die Erfahrung motivierte die Band, sich erneut im Hell Hole einzufinden, um neues Material zu schreiben. Nachdem sie eine erste Erfahrung mit dem Aufnahmeprozess gemacht hatten, wollten sie eine richtige Platte aufnehmen – nur nicht im Studio 9. Sie hatten ein Punk-Tape in einem Punk-Studio eingespielt, aber jetzt wollten sie etwas produzieren, das auch tatsächlich gut klang. Dieses Verlangen, Musik zu kreieren, die nicht nur hart und schnell, sondern wohlklingend war, unterschied Bad Religion von ihren Zeitgenossen. Im Verlauf ihrer Karriere sollte ihr Streben nach einer perfekt tönenden Platte zwischen einem ästhetischen Grundsatz und blanker Obsession hin und her pendeln.

Mithilfe des Schlagzeuglehrers von Ziskrout fanden sie ein bescheidenes Studio, das sich in der Garage neben dem Haus eines Produzenten in Thousand Oaks befand, um dort die sechs Songs ihrer ersten EP aufzunehmen. Dieses Erlebnis versetzte Brett mitunter in Staunen. „Wir hatten keine Ahnung, was wir da machten“, gesteht er. „Wir hatten keine Vorstellung davon, wie man eine Platte aufnahm. Wir hatten bloß unsere Songs und wollten sie konservieren. Andere Bands produzierten Seven-Inch-Schallplatten. Wir wussten, dass das im Bereich des Möglichen war. Uns wäre nie in den Sinn gekommen, zuerst einmal Material für 30 Minuten zu schreiben und dann eine Show zu spielen.“

Jay lernte immer noch, wie er mit seiner Ausrüstung umgehen, beziehungsweise, was er lieber bleiben lassen sollte. „Mein kleiner Kurzhals-Jazz-Bass war im Sunburst-Design lackiert. Schwarz, orange, gelb. Ich wollte ihn aber ganz schwarz haben, weil das viel cooler ist. So begab ich mich in die Garage und fand eine Dose mit pechschwarzer Farbe. Ich besprühte zunächst die Rückseite der Bassgitarre, und es sah wie Gummi aus. Total cool eben. Also besprühte ich auch noch die Vorderseite sowie das Griffbrett, die Saiten und den Kopf. Ich hatte ja keine Ahnung, was ich da tat!“

„Das war unmittelbar, bevor wir ins Studio gingen“, fügt Greg hinzu. „So erhielten wir unseren einzigartigen Sound auf unserer ersten EP.“

In den Gold Star Studios in Hollywood, einem legendären unabhängigen Studio an der Ecke Santa Monica Boulevard und Vine Street, wurden ihre Aufnahmen gemastert. Das war ein Quantensprung im Vergleich zu Studio 9. Im Gold Star hatte einst Phil Spector sein Handwerk gelernt und die einmalige Akustik des Studios genutzt, um seine legendäre Wall of Sound hochzuziehen. Und die Ramones hatten ihr Album End of the Century, das im selben Jahr erschien, mithilfe von Spector im Gold Star aufgenommen.

Als Bad Religion nun mit ihren Aufnahmen im Studio eintrudelten, wurden sie von Johnette Napolitano begrüßt, die am Empfang arbeitete. Johnette war hilfsbereit und geizte nicht mit Ratschlägen. Da schadete es natürlich auch nicht, dass sie violett gefärbte Haare hatte und sich durch eine Affinität für Punk auszeichnete.

Als sie die Platte hörte, berichtet Jay, wurde sie sogar noch zuvorkommender: „Wenn ihr Jungs mal eine LP machen wollt, solltet ihr statt dem Tontechniker vom Studio meinen Freund als Produzenten anheuern.“ Johnettes Freund war ihr Bandkollege Jim Mankey, der zusammen mit seinem Bruder Earle zu den Gründungsmitgliedern der Sparks gehört hatte. Johnette und Jim spielten nun gemeinsam in einer Band namens Dream 6 und sollten später Concrete Blonde gründen.

Napolitanos Enthusiasmus verlieh der Band Auftrieb, doch für Brett stellte vor allem der Umstand, sich in einem professionellen Studio aufzuhalten, eine erleuchtende Erfahrung dar. „Als ich zum ersten Mal ein echtes Studio sah, verliebte ich mich. Nicht jeder reagiert so, aber als ich die Reihen von Knöpfen und Lichtern sah, drehte ich durch. Ich liebte es. Ich wusste, dass das genau das Richtige für mich war. Ich musste lernen, damit umzugehen!“

Er war bestrebt, von erfahreneren Musikern zu lernen, vor allem von jenen, die nicht gleich über Punk die Nase rümpften.

Sobald die Songs gemastert waren, musste die EP gepresst werden. Brett nahm das Telefonbuch zur Hand und fand ein Presswerk. Mithilfe eines Kredits seines Vaters ließ er die Platte pressen, doch sollte das ein wenig Zeit in Anspruch nehmen. Es war Herbst 1980 und die EP erschien erst Anfang des nächsten Jahres.

Da sie nun eine Platte herausbrachten, brauchten sie noch einen Namen für ihr Label. Greg und Brett entschieden sich für den Namen Epitaph, nach einem Song von King Crimson. Der Refrain dieses Songs – „Confusion will be our epitaph“ – legt nahe, dass der Name des Labels zum Ausdruck bringen sollte, wie wenig sie davon verstanden, was sie da taten. Trotzdem hatten sie innerhalb kurzer Zeit bereits große Schritte mit ihrer Band gemacht. Sie hatten ein paar Songs geschrieben, eine EP aufgenommen und ein Demo produziert. Sie hatten diese Möglichkeiten nicht angeboten bekommen, sondern selbst realisiert. Abgesehen von den Proben im Hell Hole hatten Bad Religion bis dahin nur noch nicht live vor Publikum gespielt. Es war an der Zeit, endlich auch ein paar Konzerte zu geben.


Eine markante Eigenschaft des San Fernando Valleys war seine erdrückende Gleichförmigkeit. Die langen, schnurgeraden Straßen und Boulevards waren im Schachbrettmuster angeordnet und erstreckten sich kilometerweit in alle Richtungen. Das Valley war ringsum von Gebirgsketten eingerahmt und die schlechte Luftqualität und der dicke Smog erschwerten es, sich zurechtzufinden. Für Außenstehende unterschieden sich die Ortschaften dort kaum voneinander.

Einheimische kannten die Unterschiede natürlich und konnten stolz die Geschichte jeder größeren Straßenkreuzung herunterleiern: Zuerst wurde das Ackerland in Obstgärten und dann in gewerbliche Bauflächen umgewidmet, was seinerzeit einzigartig für diesen Ort war. Doch die Homogenität dieser vorstädtischen Landschaften erschwerte es Außenseitern, sich anzupassen. Die Mitglieder von Bad Religion waren sich absolut bewusst, dass sie nicht dazugehörten. Eine Punk-Band zu gründen, verschlimmerte die Situation nur noch. So wie sonst Außenseiter, wurden auch sie geächtet, weil sie aus der Reihe tanzten.

Zum Glück und dank ihrer Liebe zur Musik fanden diese schlauen Jugendlichen mit ihrem sozialen Gewissen zueinander. Punkrock half ihnen dabei, etwas zu erschaffen, das nicht nur ihr eigenes Leben verändern, sondern auch das Musikgenre, das sie so liebten, nachhaltig beeinflussen sollte. Trotz ihres gemeinsamen Vorgehens beschritt jedes einzelne Bandmitglied eine ureigene Route auf dem Weg zu Bad Religion.

Gregs Wurzeln lagen in Wisconsin und Indiana, der jeweiligen Heimat seines Vaters und seiner Mutter. In gewisser Hinsicht begann alles aber schon viel, viel früher, mit seinem Urgroßvater mütterlicherseits, Edward M. Zerr, einem Prediger und Lehrer, der das Land bereiste und Bibelkurse leitete. Während seiner 60 Jahre dauernden Mission hielt er über 8.000 Predigten. „Er war der erste Act in unserer Familie“, so Greg, „der auf Tournee ging.“

Zerr verfasste einen Bibelkommentar in sechs Bänden und war ein Anhänger einer überaus strikten Auslegung des Alten Testaments. Er war der Überzeugung, dass die Erde gerade mal 6.000 Jahre alt war. Das Bibelstudium und das Teilen seiner Erkenntnisse gehörten ebenfalls zu seiner Berufung. Die konservative Glaubensrichtung, der Zerr angehörte, verbot das Tanzen, das Spielen von Musik und andere frivole Aktivitäten. Selbst die Hymnen, die er komponierte, mussten ohne instrumentale Begleitung auskommen.

Zerrs Tochter – Gregs Großmutter – war sehr fromm und puritanisch, doch war sie im Vergleich zu ihrem Vater schon ein wenig weltoffener. Sie übernahm von ihm ein überraschend fortschrittliches Ideal: die Wertschätzung guter Bildung. So besuchte sie zu einer Zeit die Universität, in der nur wenige Frauen die Möglichkeit hatten, sich Bildung anzueignen. Auch ihre Kinder erzog sie dazu, für sich selbst zu denken. Nachdem Gregs Mutter Marcella ihren Universitätsabschluss gemacht und Kinder zur Welt gebracht hatte, beschloss sie, ihren Jungs zwar nichts aus der Bibel beizubringen, sie aber auch nicht vor religiöser Musik, die ihr immer schon gefiel, abzuschotten.

Nach der Trennung seiner Eltern verbrachten Greg und sein älterer Bruder Grant ihre Zeit abwechselnd im Haus der Familie in Racine, Wisconsin, wo ihr Vater wohnte, und dem Haus der Mutter in einem Vorort von Milwaukee. Greg trieb in seiner Jugend Sport – Baseball im Frühling und Eishockey im Winter. In beidem zeigte er großes Talent, doch schon als kleiner Junge offenbarte sich auch seine Begabung für Musik.

 

Greg besuchte die Lake Bluff Elementary in einem wohlhabenden, nördlich von Milwaukee gelegenen Vorort, wo eine gewisse Jayne Perkins den Musikunterricht leitete. Sie unterrichtete ihre Schüler, indem sie ihnen beibrachte, damals angesagte Musikstücke zu singen. Perkins begleitete den Chor am Klavier und leitete ihn an, Arrangements von zeitgenössischen Klassikern wie „American Pie“, „You’ve Got a Friend“, „Age of Aquarius“ und „Locomotion“ zu singen.

Greg schloss sich mit Begeisterung dem Chor an und lernte, mit anderen in Harmonie zu singen. Oftmals wurde er für Schulkonzerte als Solosänger auserkoren. So wurde er auch zu musikalischen Sommerlagern nach Madison, Wisconsin, eingeladen. Diese Erfahrungen gaben Greg das Selbstvertrauen, später, als er Punk für sich entdeckte, seine raue stimmliche Darbietung etwas abzuschwächen. „Meine Herangehensweise ist sehr natürlich. Ich höre zwar die Melodien, doch in meinem Kopf singe ich bereits eine Harmonie dazu. Diese Methode brachte ich zu Bad Religion mit. Und nicht umgekehrt.“

1976 zog Gregs Mutter nach L.A., um dort einen Job an der UCLA anzunehmen. Sie ließ sich im San Fernando Valley nieder und die Jungs besuchten fortan dort die Schule. Die Sommer verbrachten sie bei ihrem Vater Walter in Racine. Marcella brachte ihr Spinett mit nach Kalifornien, und dort erweckte es auch zum ersten Mal Gregs Interesse. „Greg haute unablässig in die Tasten“, so Marcella. „Er machte ununterbrochen Musik. Jedes Mal, wenn er am Klavier vorbeiging, spielte er ein paar Akkorde.“

Das Klavier gab Greg Rückhalt und spendete ihm Trost, während er die Unbilden der Pubertät in Südkalifornien durchlebte. Dort passten sich die Kids entweder an, indem sie sich mittels cooler Klamotten und Spielsachen zu einem gewissen Status verhalfen, oder rebellierten, indem sie Pot rauchten und langsam im Dunstschleier des Rock’n’Roll aufgingen. Obwohl ihm bewusst war, dass es ihn soziales Ansehen kosten würde, lehnte Greg die erdrückende Konformität der High School ab und ging lieber seinen eigenen Interessen nach, ganz egal, wie uncool diese waren. Und damals gab es nur wenige Dinge, die als noch uncooler galten als Punk.

Greg entdeckte den Punkrock für sich, als er mit 14 von seiner Freundin, die ein Jahr älter war als er, sitzengelassen wurde. „Ich war mir sicher, dass ich sie heiraten würde. Dann verließ sie mich für einen 17-Jährigen. Sie war ziemlich etepetete und ich wollte nun das Gegenteil davon sein. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich mit kurz rasierten, schwarz gefärbten Haaren und schäbigen Klamotten in der Schule aufkreuzte.“

Greg nutzte die Gunst der Stunde, dass seine Mutter gerade verreist war, um seine Metamorphose zum Punk in die Tat umzusetzen. Marcella hatte eine Freundin aus Milwaukee eingeladen, damit sie ein Auge auf die Jungs hatte, während sie unterwegs war. Als Marcella zurückkehrte, war ihre Freundin krank vor Sorge, weil sich Greg die Haare gefärbt hatte. Sie war sich sicher gewesen, dass Marcella aus der Haut fahren würde, doch stattdessen fand Gregs Mutter die Sache eher amüsant: „Das war Gregs erste Handlung als Punk – er färbte sich die Haare zwei Nummern dunkler.“

Sich die Haare raspelkurz zu schneiden und zu färben und seine T-Shirts mithilfe von Schablonen zu bedrucken, machte Greg zum Ziel von Spott und Hohn sowohl seitens der Schüler als auch der Lehrer. Greg war schockiert, dass Erwachsene sich so darüber aufregten, weil er sich nicht einfügen wollte. Einige Schüler versuchten, ihn einzuschüchtern, indem sie ihm Gewalt androhten, was ihn aber nur darin bestärkte, sich vom Status quo abzuwenden. Seine Verwandlung in einen Punk spiegelte sein Innenleben wider und war kein Versuch, Aufmerksamkeit zu erregen, indem er Gleichaltrige aus der Reserve lockte. Es zeigte ihm schon sehr früh, dass er auf Ablehnung stieß, wenn er Normen hinterfragte, Dogmen ablehnte und nach besseren Antworten suchte. Dass er seine nonkonformistische Ader wertschätzte, unterschied ihn sowohl als Denker als auch als Sänger von anderen.

Brett Gurewitz, Gregs Co-Songwriter, kann sich nicht daran erinnern, jemals keine Musik gemacht zu haben: „Meine Großmutter in New York besaß ein kleines Klavier, auf dem ich gerne klimperte. Sie tanzte dann und summte mir etwas vor. Das ist eine meiner frühesten Erinnerungen.“

In jungen Jahren nahm Brett Akkordeon-Unterricht und lernte, ein paar Lieder darauf zu spielen. Seine erste Schallplatte, „Yellow Submarine“ von den Beatles, die ihm seine Eltern schenkten, begründete seine Leidenschaft, alleine in seinem Zimmer Musik zu hören und sie dann mit der Gitarre zu begleiten. „Ich ging nicht davon aus, irgendwann einmal in einer Band zu spielen, da alle Bands, die ich liebte, so unglaublich gut waren. Die Beatles, Cat Stevens, Joe Cocker, Stevie Wonder, Led Zeppelin, David Bowie – sie schienen alle unerreichbar zu sein.“

Diese Sichtweise wandelte sich langsam, als er 1977 mit Punk in Berührung kam. „Meine erste Punk-Scheibe war von den Ramones. Als ich ihr Debütalbum hörte, setzte das etwas in Bewegung. Ich liebte es nicht nur aufrichtig, ich sprang sogar auf meinem Bett herum. Aber ich konnte auch sofort die Songs spielen. Ach ja, so geht das … Wow, das ist alles, was man benötigt? Plötzlich erschloss sich mir auch jeder Song aus den Fünfzigerjahren. Der Code des Rock’n’Roll war geknackt. Ich fand es aber leichter, mir selbst Songs einfallen zu lassen, als andere zu lernen. Also fing ich an, Songs zu schreiben.“

Brett brauchte keine spezielle Begründung dafür, dieser neuen Beschäftigung nachzugehen. Er war ein unersättlicher Leser und ein Mensch, der ständig nach Antworten auf die großen Fragen suchte. Songs zu schreiben war für ihn ein neues Ventil, um seine Ideen zum Ausdruck zu bringen. Als sich die Möglichkeit eröffnete, sich einer Band anzuschließen, war er bereit dafür. „Ich war schon als Junge kreativ. Ich hatte bereits Songs parat, bevor ich mich einer Band anschloss. Zum Beispiel den Quarks. Ich weiß nicht mehr, wie das gelaufen ist, aber ich hatte schon Songs.“

So wie Brett spielte auch Jay Gitarre, und so wie Gregs Eltern hatten sich auch seine Eltern getrennt, was seine Erfahrung von Südkalifornien noch intensivierte. Nach ihrer Scheidung heirateten beide Elternteile erneut und zogen um. Jay verschlug es somit von Saugus (heute Canyon Country) nach Woodland Hills, wo er fortan mit seiner Mutter und seinem Stiefvater lebte. Sein Vater ließ sich hingegen in Manhattan Beach nieder, wo Jay seine Sommer verbrachte. Das passte Jay gut in den Kram. „Meine Mutter heiratete eine Führungskraft bei Textron – einen Schlipsträger. Wir kamen nie wirklich miteinander aus. Meine Mom tat mir leid. Sie heiratete diesen Typen und brachte mich mit in die Ehe. Das war starker Tobak für so einen Kerl im Anzug.“ Jays Vater war das komplette Gegenteil davon. „Ein kiffender Ex-Marine und Hippie, der am Strand lebte.“

Jay bekam sein erstes Skateboard mit acht und war hocherfreut darüber, so nahe am Skatepark von Reseda zu wohnen, den man auch im Film Skateboard und in einer Folge von CHiPs bewundern kann. „Ich sah die Dogtown-Jungs dort. Die Skate-Kultur hatte es mir schwer angetan.“

Er hing nun vermehrt am Strand ab und verbrachte seine Freizeit mit Surfen und Skaten im Kreis seiner Freunde, deren ältere Brüder wiederum die Musikzeitschrift Raw Power ins Leben gerufen hatten. Sie hatten Zugang zu Musik, die Jay nie alleine gefunden hätte. „Sie schleppten mich zu den schrägsten Sachen mit! Als die Heavy-Metal-Combo Quiet Riot an der El Camino Real auftrat, inspirierte Randy Rhoads’ Gitarrenspiel Jay dazu, selbst auch in einer Band spielen zu wollen. Er nervte seine Mutter so lange, bis sie ihn ins Starwood brachte, wo er sein neues Idol Randy Rhoads bestaunen konnte. „Ich wusste, dass er es verdammt noch mal richtig draufhatte und ich niemals so gut sein würde. Es war wie der Traum, Astronaut zu werden, und dann zu begreifen, dass das nicht so einfach ist. Mir wurde zum ersten Mal klar, dass sich eine Idee, die ich mir in den Kopf gesetzt hatte, vermutlich nicht umsetzen ließ.“

Punk änderte das. Nachdem Jay eine Handvoll Punkrock-Shows besucht hatte, schien der Traum, ein Musiker zu sein, in greifbare Nähe zu rücken. „Ich dachte mir: Ich kann das. Ich kann eine Note richtig schnell spielen!“ Es mag seltsam anmuten, aber Jay begann noch vor Bad Religion mit einem zukünftigen Mitglied der Band zu jammen. „Ich spielte Gitarre mit dem späteren Schlagzeuger von Bad Religion, Davy Goldman. Er lebte in derselben Straße wie ich. Wir spielten „Iron Man“ von Black Sabbath. Wir waren richtig schlecht! Aber er hatte ein Schlagzeug und ich hatte eine Gitarre und einen kleinen Verstärker. Wir fanden heraus, dass man zusätzlich zur Gitarre auch noch ein Mikro an meinen Amp anschließen konnte. Also sangen wir: ‚I am Iron Man!‘ Das war mein Einstieg als Musiker.“

Jay Ziskrout, der das Quartett komplettierte, wuchs zunächst in North Hollywood auf, doch seine Eltern zogen nach Woodland Hills, wo er schließlich auf Brett traf. An der Hale Junior High freundeten sich die beiden rasch an. Beide gingen gerne wandern, kampierten im Freien und waren Leichtathleten.

Ziskrouts musikalische Ausbildung begann in der siebten Klasse. „Ich belegte einen Anfängerkurs für Blasinstrumente und Perkussion. Sobald ich den Raum betrat, wollte ich Schlagzeug spielen. Das war eine sehr spontane Entscheidung. Ich fing mit der Marschtrommel an. Als nächstes bekam ich dann ein kleines bräunlich glänzendes, dreiteiliges Jazz-Schlagzeug von Gretsch. Nun konnte ich loslegen.“ Gegen Ende der Junior High fing Ziskrout an, mit Brett in verschiedenen Bands zu spielen.

Zusammen erschufen die Gründungsmitglieder von Bad Religion etwas Einzigartiges in der Punkrock-Szene. Ob es nun ihr Name, ihre Weltanschauung, ihr Musikstil oder eine Kombination aus all diesen Elementen war, sie machten sich mit einem Eifer daran, in Erfahrung zu bringen, was es ausmachte, eine Band zu sein, der für ihr Alter untypisch war. Alle Mitglieder brachten etwas Eigenes in die Band ein, doch ihre Leidenschaft verlieh der Gruppe noch eine Extraportion Intensität. Obwohl sie ihre genauen Ziele kaum in Worte fassen konnten, war ihre Herangehensweise alles andere als albern. Nach gerade einmal einer Handvoll Proben herrschte bereits ein Übereinkommen darüber, dass es nun kein Zurück mehr gab.