Sinfonie der Lust | Erotischer Roman

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»Dreh dich auf den Bauch und heb dein Becken«, befahl er mit belegter Stimme. Lara kam seinem Wunsch nach. Er schob ihr sein Kopfkissen unter den Bauch, damit sie bequemer lag. Er spreizte ihre Beine und fingerte weiter an ihrem immer noch wenig erregten Eingang herum. Ihr Kopfkino versuchte einen erneuten Start. Wie es wohl wäre, wenn er ihre Hände auf dem Rücken fesseln würde? Was, wenn ein anderer Mann dabei wäre? Einer mit einem riesigen Schwanz. Vielleicht sogar ein gut gebauter Afroamerikaner. Sie wurde feucht und kam langsam in Fahrt. Sie stellte sich den Kontrast vor, den die dunkle Haut zu ihrer eher blassen bildete, wenn dieser muskulöse Körper auf ihr lag. Allein der Gedanke an diesen Anblick erregte sie. Sie spürte Michaels Mund auf ihrem Hintern. Sein unbeholfenes Vorspiel hielt nicht lange an, dann drängte er sich mit seinem Steifen zwischen ihre Schenkel und drang in sie ein. Bei seinen ersten vorsichtigen Stößen dachte sie darüber nach, wie es wohl wäre, wenn sie zwischen diesen Männern liegen würde. Sandwichsex nannte es ihre Freundin. Einen Schwanz in ihrer feuchten Vagina und der andere … Nein, undenkbar. Lara, du bist versaut, wie kannst du nur an Analsex denken. Ja, wie nur? Es machte sie immer geiler. Nur der Gedanke, dass es schmutzig war und so komplett anders als das, was sie mit Michael kannte, reichte aus, um sie zu erregen. Als er ein paar Stöße später über ihr zusammensackte, spielte Lara ihm aus reiner Gewohnheit ein befriedigtes Stöhnen vor, doch einmal mehr war sie tief enttäuscht.

Er rollte sich auf die Seite und kurz darauf war er eingeschlafen. Sie stand frustriert auf und ging ins Bad, um eine Dusche zu nehmen. Als ihre Finger ihre feuchte Scham berührten, wallte Verlangen in ihr auf. Das warme Wasser streichelte über ihre Haut und entlockte ihr einen Seufzer. Der Massagestrahl traf ihre Klit. Ein wohliges Kribbeln durchströmte sie und trug sie fort.

Oft stellte sie sich vor, dass sie dabei jemand beobachten würde. Dann fühlte sie sich verrucht und sie kam ziemlich schnell zum Ziel. Heute wollte sie eine andere Fantasie heraufbeschwören. Die Duschkabine verschwand und Lara fand sich unter einem Wasserfall wieder, der in einen kristallklaren See mündete. Um sie herum taten sich zerklüftete Felshänge auf, an denen sich grüne Ranken herabschlängelten. Die Luft war erfüllt von exotischen Geräuschen, die in ihrem Kopf eine verlockende Melodie hervorzauberten. Laras Haut prickelte und das Blut floss heiß durch ihren Schoß.

Als der Unbekannte vor ihr aus dem Wasser auftauchte, schnappte sie nach Luft. Schnell legte er die kurze Distanz zu ihr zurück, ergriff sie und küsste sie leidenschaftlich. Sie versuchte, sich gegen ihn zu stemmen, hatte aber im kühlen Nass keine Möglichkeit dazu. Er sah aus wie ein Wilder mit verschnörkelten Zeichnungen auf seiner Haut und langen schwarzen Haaren. Er war stark und muskulös. Spielerisch konnte er sie aus dem Wasser heraus an Land tragen. Sie zappelte mit den Beinen und hämmerte mit den Fäusten gegen seinen Rücken, aber das schien ihn nicht zu beeindrucken. Er gab ihr lediglich einen kräftigen Klaps auf den Hintern, bevor er sie ins Gras legte. Sie japste, als hätte sie einen Sprint absolviert und sah ihn mit schreckgeweiteten Augen an. Er war so umwerfend gut gebaut, dass ihr die Luft wegblieb. Wasserperlen glitzerten in seinen Haaren und liefen über seine Brust. Lara musste schlucken, als ihr Blick über seinen steifen Schwanz glitt. Ein Bild von einem Mann. Er lächelte wissend und kniete sich zu ihr hinunter. Leise raunte er ihr ins Ohr. »Ich weiß genau, was du willst.« Dann ergriff er ihre Hände, hielt sie über ihrem Kopf fest und küsste sie wild. Mit der anderen Hand erfasste er ihre bebenden Brüste und zwirbelte die Nippel zwischen Daumen und Zeigefinger. Das süße Ziehen breitete sich bis in ihren Schoß aus. Er schmeckte nach Kakao und Minze. Seine Hand schien überall zu sein und schon längst hatte sie jegliche Gegenwehr aufgegeben. Willenlos ließ sie ihn gewähren, als er seinen Mund in ihrer Scham vergrub und sie genüsslich zu lecken begann, während er zwei Finger in sie einführte und sie damit stimulierte. Das Bild löste sich gleichzeitig mit ihrem Orgasmus auf. Leicht taumelnd hielt sie sich an der Armatur fest, bis sie wieder zu Atem gelangte. Das konnte doch nicht ewig so weitergehen! Eigentlich sollte es ihr jetzt besser gehen. Der Druck hatte sich zwar aufgelöst, aber dennoch fühlte sie sich leer. Es war einfach nicht das Gleiche. In den Armen eines echten Mannes Erfüllung zu finden, das abenteuerliche Prickeln des Unbekannten zu spüren, aber sich gleichzeitig geborgen zu fühlen, das schwebte ihr vor. Irgendwann musste sie mit Michael darüber reden. Nicht nur ihre Befriedigung kam zu kurz, sondern auch ihre Fantasien. Noch nie hatten sie es außerhalb ihres Schlafzimmers getrieben, geschweige denn etwas ausprobiert, das über gewöhnlichen Blümchensex hinausging.

Bei dem Gedanken daran, was ihre Freundin Vanessa ihr alles erzählt hatte, konnte sie fast rot anlaufen. Ausgelacht hatte sie sie, weil sie von den meisten Dingen noch nicht einmal etwas gehört hatte. »Tantra« war nur eines ihrer Schlagwörter, bei dem Lara sich nicht getraut hatte, nachzufragen und das sie deshalb im Internet recherchieren musste. Wie ein unerfahrenes Küken hatte sie sich gefühlt. Bei diesen Gesprächen kribbelte es immer zwischen ihren Beinen. Eigentlich sollte ihr das peinlich sein. War es aber nicht, denn es zeigte ihr lediglich, wie erregend diese unbekannten Spielarten des erotischen Miteinanders auf sie wirkten. Ja, Lara wünschte sich, Neues auszuprobieren. Aber wenn sie ihn gerade heute damit konfrontierte, würde er sicher verstört sein und verständnislos reagieren. Nein, es war nicht der richtige Zeitpunkt für ein solches Gespräch, obwohl es längst überfällig war. Nach seiner Geschäftsreise würde sie es ansprechen, das schwor sie sich, aber vorher machte es keinen Sinn. Vielleicht erwischte sie dann einen der inzwischen selten gewordenen zärtlichen Momente, in denen ihre alte Vertrautheit wieder auflebte. Warum sollte sie ihn jetzt damit belasten, er hatte ohnehin keinen Kopf mehr für sie. Gedanklich saß er bereits im Flugzeug. So war es immer. Die zwei verbleibenden Tage würde er über den Plänen brüten, sich Fotos ansehen und noch etwas über die vor Ort herrschenden Begebenheiten recherchieren.

Mit einem Badelaken trocknete sie sich gründlich ab und begann sich dann mit einer Bodylotion einzucremen, auf die sie nicht verzichten konnte. Pfirsich! Sie roch an ihrer Haut. Früher war er von diesem Duft fasziniert gewesen. Seine Hände hatten zärtlich die Linien ihres Körpers nachgezeichnet. Micha hatte immer ein paar Komplimente dafür gehabt, wie zart sie sich unter seinen Fingern anfühlte. Er war stets so umsichtig gewesen. Stundenlang hatten sie sich einfach nur gestreichelt und liebkost. Irgendetwas war mit ihnen geschehen und sie bedauerte, dass sie die Zeit nicht zurückdrehen konnten, um an der Stelle weiterzumachen, wo sie sich einst verloren hatten. Lara seufzte, öffnete das Fenster und ließ die kühle Luft ins Bad strömen.

Bei dem Blick in den Garten stieg Wut in ihr auf. Wenn er weg war, durfte sie sich auch noch allein um die Gartenarbeit kümmern. Schon vor dem Kauf hatte das große, heckengesäumte Grundstück sie abgeschreckt. Aber er wollte nichts davon hören. Kinder bräuchten Platz zum Toben, war er ihr über den Mund gefahren. Sie sah sich schon im Zweikampf mit dem Motormäher. Schwächlich war sie zwar nicht, aber ihre zierliche Statur und der Umstand, dass sie es nicht gewohnt war, körperlich zu arbeiten, machten die Sache mit dem Anlasser zu einem Kraftakt. Aber auch da wollte er nicht auf sie hören. Lieber hätte sie einen Elektromäher gehabt, damit hätte sie ohne Probleme den Rasen trimmen können, aber er meinte nur: »Schatz, dafür hast du doch mich geheiratet.« Doch wenn er nicht anwesend war, konnte sie seine sogenannte Arbeitsteilung sowieso vergessen.

Glaubte er wirklich, sie hatte ihn deshalb geheiratet? Der große, starke Beschützer, der ihr, der schwachen Frau, die schwere Arbeit abnahm, damit sie sich die Fingernägel nicht ruinierte? Nein, definitiv nicht. Sie stand gerne auf ihren eigenen Füßen und traf selbst Entscheidungen. Leider vergaß er das häufig und sorgte regelrecht dafür, dass sie seine Hilfe in Anspruch nehmen musste. Dass sie seit einigen Monaten nicht mehr Autofahren konnte, schränkte sie noch weiter ein. Sie hatte sogar schon ein paar Jobs ablehnen müssen, weil sie für die erforderlichen Recherchen nicht flexibel genug war. Bislang hatte sie aufgrund ihrer guten Verbindungen diesen Umstand wegstecken können. Aber wie lange würde es noch dauern, bis sie in diesem schnelllebigen Geschäft den Anschluss verlor und Verlage sie nicht mehr buchten?

Das Schlimmste daran war aber, dass sie das Gefühl nicht loswurde, dass es Michael gefiel, wenn sie dann noch abhängiger von ihm war. Das machte sie schrecklich wütend. Irgendetwas musste sich schnellstens ändern. Schließlich war sie fast dreißig. Mit einem Ruck schloss sie das Fenster. Morgen musste er einen Gärtner für die Zeit seiner Abwesenheit engagieren. Genug war genug. Schließlich hatte sie auch einen Job oder vielmehr drei. Neben der journalistischen Tätigkeit und den Klavierstunden erledigte sie auch Übersetzungsarbeiten für einen großen Buchverlag. Aber das interessierte ihn ja nicht.

Sie beschloss, mit nassen Haaren ins Bett zu gehen, auch wenn sie dadurch eine Erkältung riskierte. Wenn sie sich überhaupt so weit beruhigte, dass sie einschlafen konnte. Vielleicht sollte sie sich noch ein Glas Milch mit Honig gönnen? Ja, und eine halbe Stunde Musikforum. Sie wollte noch etwas über das Konzert mit ihrer Lieblingspianistin in Erfahrung bringen, das im nächsten Monat in der Berliner Philharmonie stattfinden sollte. Sicher war jemand dort und konnte ihr sagen, was auf dem Programm stand. Die junge Frau füllte durch ihr verzückendes Spiel und mit ihrer charismatischen Erscheinung ganze Konzerthallen. Wie gerne wäre sie selbst an ihrer Stelle gewesen.

 

***

Es war ein kurzer emotionsloser Abschied gewesen. Ein unbedeutender Kuss an der Tür, dann war Michael in das Taxi gestiegen und ohne sich noch einmal nach ihr umzudrehen, in Richtung Flughafen verschwunden. Lara hatte sich erleichtert gefühlt. Das war nun schon ein paar Tage her. Sie hatte sich am Sonntag mit ihrer Freundin zum Kaffeetrinken verabredet. Vanessa stellte einen krassen Gegensatz zu Lara dar. Obwohl sie ungefähr gleich alt waren, machte ihre Freundin einen sehr viel reiferen Eindruck. Das kam nicht von ungefähr, denn sie war auch in vielerlei Hinsicht um einiges erfahrener.

Es war purer Zufall gewesen, dass Lara ihre einstige Busenfreundin aus dem Gymnasium auf einer Wiedersehensparty vor zwei Jahren getroffen hatte, denn Michael hatte alles daran gesetzt, dass sie nicht dorthin fuhr. Seine Argumente waren völlig aus der Luft gegriffen und sie war so verärgert gewesen, dass sie am Ende sogar, statt mit einem Taxi nach Hause zu fahren, in einem Hotel übernachtet hatte. Klar war das eine reine Trotzreaktion von ihr gewesen, aber sie wollte sich dieses Treffen auf keinen Fall entgehen lassen. Fast zwei Wochen lang hatte Michael seine schlechte Laune an ihr ausgelassen. Vermutlich ging er davon aus, dass sie durch seine Sturheit weniger zu widersprechen wagte. Und teilweise – das musste Lara sich eingestehen – hatte er das wirklich geschafft. Sein kleinkindhaftes Trotzverhalten ging ihr in letzter Zeit immer öfter auf die Nerven. Michael war – wie so viele Männer – ein Egoist. Jedenfalls befürchtete sie, dass auch die meisten anderen Kerle so waren, aber eigentlich fehlten ihr die direkten Vergleichsmöglichkeiten.

Es war so schön gewesen, als sie Vanessa wiedergetroffen hatte. Sofort war sie erneut da, diese Vertrautheit der Jugendzeit, als hätten sie sich nie voneinander entfernt. Zu Michaels Leidwesen kam Vanessa seitdem regelmäßig zu Besuch. Gemeinsam schwelgten die Freundinnen in Erinnerungen an wilde Zeiten und immer wieder versuchte Vanessa, sie auf die eine oder andere Party mitzuschleifen, was sie aber mit Rücksicht auf den Haussegen ablehnte oder auf unbestimmte Zeit verschob. Schließlich war sie keine siebzehn mehr. Insgeheim sehnte sie sich aber nach mehr Aufregung in ihrem behüteten Leben. Wenn Vanessa ihr dann von ihren Eroberungen erzählte, hing Lara an den Lippen ihrer Freundin und saugte alles in sich auf.

Vanessa berichtete gerne und ausführlich von ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz, und wenn Lara ihren Berichten über sexuelle Ausschweifungen lauschte, kam es des Öfteren vor, dass sie rot wurde wie eine Tomate. Vanessa hatte sich nach einer längeren Beziehung von ihrem Freund getrennt und genoss nun die Vorteile des Singlelebens. Auch optisch hatte sie sich seit der Trennung verändert. Um sechzehn Kilo leichter geworden, hatte sie sich entschieden, sich die Brüste vergrößern zu lassen. Außerdem war sie jetzt haselnussbraun und nicht mehr straßenköterblond, was nun besser zu ihren grün-grauen Augen passte. Es war kein Wunder, dass ihr die Typen reihenweise die Bude einliefen. Dagegen fühlte sich Lara wie eine graue Maus. Aber auch, wenn sie jünger aussah und eigentlich recht hübsch war, konnte sie sich nicht vorstellen, ein derart enges und ausgeschnittenes Kleid zu tragen. Die schwarzen, zum Etuikleid passenden High Heels sahen nahezu gefährlich aus. Michael würde so etwas niemals dulden, da war sie sich sicher.

»Was ist los? Ich sehe doch, dass irgendetwas nicht stimmt.«

»Ach nichts, alles in Ordnung«, wiegelte Lara ab, ohne überzeugend zu wirken.

»Du weißt, dass ich so lange bohre, bis du mir verrätst, was dich bedrückt.« Vanessa biss in einen Keks und sah sie abwartend an.

»Ich weiß auch nicht. Wenn ich dir jetzt gestehe, dass ich erleichtert bin, dass er weg ist … Was denkst du dann von mir?« Sie kaute auf ihrer Unterlippe und blickte in ihren Becher, als würde sie die Zukunft darin lesen können. Außerdem fühlte sie sich unwohl. Aber ihre Freundin war die Einzige, der sie vertrauen konnte. Und sie musste einfach reden. Es ging so vieles in ihrem Kopf herum.

»Ich verurteile dich deshalb nicht. Lange schon wundere ich mich, dass du alles so hinnimmst. Mich würde der Mann in den Wahnsinn treiben. Wo genau drückt denn der Schuh?«

»Ich glaube, er betrügt mich«, platzte es aus Lara heraus.

Ihre Freundin sah sie überrascht an. »Wie kommst du denn auf so etwas, Süße?«

Lara stockte kurz, nahm einen Schluck und nuschelte in die Tasse: »Es gibt genügend Anzeichen dafür. Und seit Längerem gibt er sich beim Sex keine Mühe mehr und anscheinend stört es ihn nicht im Geringsten, wenn ich nicht zum Höhepunkt komme.«

»Das muss doch aber nicht gleich heißen, dass er dich betrügt. Vielleicht ist er einfach zu gestresst«, versuchte ihre Freundin sie zu beruhigen.

»Van, ich bin nicht blöd.« Lara erhob sich, holte einen Zettel aus einer Schublade und hielt ihn ihrer Freundin vor die Nase.

»Berghotel ›Goldener Bär‹ …«, entzifferte Vanessa.

»Mit mir war er nicht vor ein paar Monaten in Aspen zum Skifahren. Das war in der Zeit, als er eigentlich für drei Wochen auf einer Geschäftsreise gewesen sein sollte. Dazu gehörte wohl auch ein Abstecher mit seiner Geliebten. Meine Alarmglocken schrillen schon länger, aber ich bin einfach nicht in der Lage, ihm das an den Kopf zu knallen.« Ein Schluchzen drängte sich aus ihrem zugeschnürten Hals und dann fing sie an, hemmungslos zu weinen.

Vanessa nahm sie in die Arme und tröstete sie:

»Ich will dir mal was sagen: Michael ist ein Idiot. Eine bessere Frau als dich konnte er gar nicht bekommen.«

Das half zumindest so weit, dass sie aufhörte, zu schluchzen.

»Hast du einen Verdacht, wer sie sein könnte?«, hakte Vanessa nach.

Sie zog die Nase hoch, schüttelte den Kopf und sagte dann: »Keinen blassen Schimmer. Er hat nie eine Andeutung gemacht.«

»Okay. Du darfst dir das nicht länger gefallen lassen. Du musst ihn damit konfrontieren. Wenn ihm noch etwas an dir liegt, gesteht er vielleicht seine Affäre und dann kannst du immer noch entscheiden, ob du ihm eine Chance gibst. Aber wenn er dich weiter anlügt, schmeiß ihn raus. Und außerdem musst du an deinem Selbstbewusstsein arbeiten. Ich schau’ mir das so nicht länger an.«

Vanessa zog ein Taschentuch aus ihrer Tasche und hielt es Lara vor die Nase: »Hier und nun trinken wir erst mal einen guten Tropfen Wein miteinander.« Sie holte eine Flasche spanischen Rotweins aus der Bar, entkorkte diesen und schenkte die Gläser voll. Lara schniefte noch immer, nahm dann aber einen tiefen Schluck, was ihr spürbar guttat.

Ja, so ging es wirklich nicht weiter, da hatte ihre Freundin vollkommen recht. Aber die Situation war derart festgefahren, dass sie einfach nicht wusste, wie sie da rauskommen sollte, ohne seelischen Schaden zu nehmen.

Bis spät in die Nacht unterhielten sie sich und am Ende blieb Vanessa sogar über Nacht. Irgendwie fühlte es sich richtig gut an, gegen Michaels Regeln zu verstoßen.

***

Am nächsten Morgen wachte Lara verkatert auf. Von ihrer Freundin fand sie nur noch einen Zettel auf dem Frühstückstisch:

Muss arbeiten. Rufe dich später an. Kopf hoch.

hdl Van

Dunkel erinnerte sie sich an die Worte ihrer Freundin. »Wenn er es dir nicht besorgt, dann such dir ein Abenteuer. Er braucht es doch nicht zu erfahren. Du bist fast dreißig und lebst das Leben eines Mauerblümchens. Du hattest noch nie jemand anderen im Bett. Die meisten Männer können Sex und Liebe gut voneinander trennen.«

War das tatsächlich so? Waren Männer und Frauen so unterschiedlich gestrickt? Fehlte es ihrem Mann an Abwechslung im Bett? Warum suchte er sie woanders? Wirkte sie auf ihn vielleicht unerotisch und …? Die Kaffeemaschine lief noch, als das Telefon klingelte. Vanessa hatte den Alkoholexzess des vergangenen Abends besser weggesteckt, denn sie quasselte bereits wieder wie ein Wasserfall.

»Habe ich dir schon die Story von meinem Sex-Chat erzählt?«

Lara überlegte. Nein, Sex-Chat, an eine solche Geschichte müsste sie sich erinnern, oder nicht? Wie sollte das denn überhaupt funktionieren? Irgendwie war sie schon wieder neugierig. Der Gedanke an heiße, unanständige Unterhaltungen schob sogleich das fiese Hämmern in den Schläfen hinweg, das der Kater von gestern verursachte. Vanessa war echt ein einziges Mysterium. »Van, ich will es genau wissen«, antwortete sie und schenkte sich abermals Kaffee nach.

»Gut, Süße, dann sperr mal deine Lauscher auf. Ich verspreche dir, es wird schmutzig und scharf.«

2

Oh mein Gott, schon wieder so eine Tussi, die ihren Text nicht beherrschte. Wenn das so weiterging, dann konnte sie die Verabredung mit Ben heute Abend getrost in die Tonne treten. Dabei hatte Vanessa sich schon so auf die Cocktailbar und die darauffolgende heiße Nummer gefreut. Die Laienschauspieler waren nur noch für diesen Tag gebucht, deshalb musste der Dreh heute im Kasten landen. Es fehlten aber immer noch zwei entscheidende Einstellungen und es war bereits 18.00 Uhr durch.

»Abbruch. Sorry, du hast jetzt statt ›Sohn‹ ›dein Mann‹ gesagt. Außerdem hast du schon wieder vergessen, dich seitlich zur Kamera aufzustellen. Wir proben das besser noch einmal und starten dann wieder von vorn. Team bitte Stellprobe ab Szenenanfang.« Vanessa war Regisseurin aus Leidenschaft und hatte lange gebraucht, um als Frau in diesem Job Fuß zu fassen. Nun hatte sie eine Festanstellung bei einer Produktionsfirma, die für einen bekannten Privatsender arbeitete und sie war für die Herstellung der ganzen Staffel einer Dokusoap verantwortlich. Das bedeutete viel Stress und etliche Überstunden. Trotzdem würde sie um nichts in der Welt den Job mit jemand anderem tauschen wollen. Das war auch einer der Gründe, warum all ihre Partnerschaften gescheitert waren. Dem letzten Freund hatte jegliches Verständnis für ihre Tätigkeit gefehlt. Ständige Vorhaltungen und Eifersuchtsdramen konnte sie an einem arbeitsreichen Tag nicht auch noch gebrauchen. Sie hatte ihm den Laufpass gegeben und war nun froh, sich ihre Zeit wieder so einteilen zu können, wie sie es wollte. Allerdings musste sie zugeben, dass es komisch war, in eine leere Wohnung nach Hause zu kommen. Vanessa kehrte seit dieser Zeit in unregelmäßigen Abständen in der Cocktailbar »Metaxa Bay« ein. Da es sich bei diesem direkt an der Spree gelegenen Lokal um eine Strandbar handelte, musste das Wetter mitspielen, damit das gewünschte Urlaubsfeeling aufkommen konnte. Dort griff sie so manchen »Orgasmus« ab, und zwar nicht nur als Cocktail. Letzten Sommer hatten sie die Bar für eine Serie gebucht und seitdem war sie mehr oder weniger Stammkundin. Sie erinnerte sich immer noch gern an diesen Dreh. Das Set mit den Standkörben, Palmen und Kuschel-Lounges hatte etwas Magisches an sich. Sicher war auch die laue Sommerluft schuld daran gewesen, dass sie sich damals so wohlgefühlt hatte. Die nur spärlich bekleideten Laiendarsteller sorgten dann für das erotische Flair. Nackte Haut war für die Einschaltquoten immer gut. »Sex sells«, eine Weisheit, die besonders bei diesem Dreh wichtig gewesen war, bei dem es um eine Speed-Dating-Party ging. Ben war einer der gebuchten männlichen Laiendarsteller dieses Abends und seine Talkpartnerin war einfach zu blöde gewesen, ihren Text glaubhaft rüberzubringen, sodass Vanessa am Ende selbst einspringen musste, um der spärlich bekleideten Blondine zu erklären, worauf es ihr ankam. Irgendwie hatte der Schlagabtausch zwischen Vanessa und Ben dann eine Richtung eingeschlagen, die sie nicht mehr in den Griff bekommen hatte.

»Ich bin die Jasmin, 26 Jahre alt, Friseurin, habe zwei kleine Möpse mit Namen Ali und Baba. In meiner Freizeit gehe ich gerne tanzen und was machst du so? – So, siehst du den Unterschied zwischen dir und mir? Du musst ihn ansehen und mit Blicken verführen, beug dich vor, damit er freie Sicht in deinen Ausschnitt hat. Du weißt doch, was Flirten ist, oder? Du sollst ihn anmachen«, versuchte Vanessa der Blondie die Szene näherzubringen und gewährte Ben dabei einen tiefen Einblick in ihr Dekolleté.

»Simon, 34 Jahre, Bauarbeiter, stehe mehr auf Muschis als auf Hunde. Auf haarlose, ich habe nämlich eine Tierhaarallergie.« Ben lächelte breit und zeigte auf ihre linke Brust: »Ist dies hier Ali oder Baba? Sind sie bissig oder kann ich die mal streicheln?« Als er sie anschließend dann noch fragte: »Und suchst du für heute Nacht auch was zum Poppen?«, hatte sie für einen Moment vergessen, dass alle Augen auf ihnen ruhten. In seiner Hose konnte Vanessa eine gewaltige Beule ausmachen. Ihr Gegenüber war einfach unschlagbar direkt und brauchte seine Rolle nicht zu spielen, weil sie ihm offensichtlich auf den Leib geschneidert war. Zwischen ihnen hatte es von der ersten Sekunde an geknistert. Als der Drehtag beendet war, hatte er ihr dann auch einfach einen Zettel in die Hand gedrückt.

 

In zwei Stunden hier. Du schuldest mir noch eine Antwort

und einen vernünftigen Drink.

Ben

Seine anzügliche, direkte Art hatte sie scharf und neugierig gemacht und das war dann auch der Grund gewesen, warum sie auf einer der überbreiten Strandliegen gelandet waren. Vanessa prüfte grundsätzlich die Ware, bevor sie einen Mann mit ins Bett nahm. Erste Regel: Schau dir seine Hände an. Große Hände, so ihre Theorie, ließen auf einen beachtlichen Schwanz schließen. Wenn er dann noch gut küssen konnte, was sollte da noch schieflaufen? Und es stellte sich heraus, Ben konnte sehr gut küssen. Seine Finger waren überall gewesen und Vanessa musste sich zusammenreißen, damit sie ihn stoppen konnte. Es hätte dann auch nicht viel gefehlt und sie wären vor den zahlreichen Gästen zum öffentlichen Ärgernis geworden. Aber im entscheidenden Moment schob sie ihn weg: »Nicht hier, du großer, böser Bube. Wie weit ist es zu dir?« Ben hatte seine Wohnung in Kreuzberg und somit lag ihr Domizil dichter. Es dauerte keine fünfzehn Minuten, da hatten sie ihre Zweizimmerwohnung erreicht und Ben hatte ihr die Klamotten vom Körper gezerrt. Bereits in der Bahn waren sie kaum voneinander zu lösen gewesen, seine Hände waren immer wieder unter ihr knappes Strandkleid gewandert. Im Hausflur hatte er seinen prallen Schaft an ihrem Po gerieben, sodass sie kaum in der Lage war, ihre Haustür aufzusperren. Die Chemie zwischen ihnen war nahezu magisch. Als die Tür zuflog, ging es dann richtig zur Sache. Es waren schon einige gute Liebhaber in ihrem Bett gelandet, aber die erste Runde fand nicht dort statt, sondern im Flur ihres kleinen Domizils. Ben hatte sie mit so viel Feuer geküsst, dass ihr ganz schwindelig geworden war. Seine Hände waren überall und Vanessa konnte gar nicht so schnell realisieren, was er tat, da hatte er ihr schon das Kleid ausgezogen und ihren String zerrissen. Seine Lippen waren über ihren Nacken gewandert, während er ihren Po massierte. Irgendwann hatte er sie dann einfach auf die Arme gehoben und war mit ihr ins nächste Zimmer gestolpert. Das Wohnzimmer war ihm wohl passend genug erschienen. Er hatte sie kurzerhand über die Lehne des Sofas gelegt und sich dann genüsslich mit ihrem Hintern beschäftigt. Er knetete ihre Rundungen und küsste und leckte über ihre Pofalte, was für Vanessa in dieser Form eine ganz neue Erfahrung gewesen war. Offenkundig wollte er ihr damit zeigen, wie geil er ihr Fahrgestell fand. Sie musste sich eingestehen, dass es sie sehr erregte, und als seine Finger zwischen ihre Schamlippen glitten, waren diese bereits feucht. Andere Männer waren in erster Linie auf ihre Titten scharf gewesen, mit ihrem Hintern hatte sich bislang kaum jemand beschäftigt. Als seine Hand auf ihren Po klatschte, war sie dann doch etwas überrascht gewesen. Ihr war ein kleiner Schrei entwichen, worüber Ben gelacht hatte. Kurz darauf hatte er sie dann von hinten genommen. Wow, war der gut bestückt, seine tiefen, gleichmäßigen Stöße erzeugten bei ihr regelrecht Schnappatmung. Und der Mann hatte ungewöhnliches Stehvermögen. Damals hatte sie noch vermutet, dass es am Alkohol gelegen hatte, aber da wusste sie nicht, dass Ben sich einfach gut im Griff hatte. Vanessa war ihrem Orgasmus schon ziemlich nahe gewesen, als er sich auf einmal aus ihr zurückzog. Sie wollte protestieren, aber da drehte er sie einfach um, sodass sie mit Kopf und Rücken auf dem Sofa zu liegen kam, der Po auf der Lehne ruhte und ihre Beine in der Luft hingen. Er kniete sich zwischen sie und leckte sie genüsslich. Aber innerlich wünschte sie nur, dass er sie endlich erneut fickte. Als hätte er ihr stummes Flehen vernommen, packte er mit seiner Hand beide Füße an den Knöcheln, hob ihre Beine nach oben und drang erneut in sie ein. So war sie besonders eng und sie kam schon nach wenigen Stößen. Ben war damit aber noch nicht am Ende gewesen, es war nur der Auftakt zu einer unvergesslichen Nacht. Und von da an war Vanessa süchtig nach ihm. Egal, was sie sich vormachte, Ben war von einem Moment zum anderen zu ihrem Lieblingsliebhaber mutiert.

Als er am nächsten Morgen aus ihrem Bett gestiegen war, waren sie sich darüber einig gewesen, dass es nicht das letzte Mal gewesen sein sollte. Vanessa war der Ansicht, dass Sex ein super Katalysator zum Stressabbau war. Schließlich trieben es deshalb die Bonobo-Affen auch den ganzen Tag. Und Menschen waren doch auch nur eine weiterentwickelte Affenart, besonders wenn es ums Vögeln ging. Das war ihre gegenwärtige Lebensphilosophie. Die Absprache zwischen ihnen war eindeutig, es ging um heiße Dates – ohne Verpflichtungen. Und das hatten sie jetzt schon fast ein Jahr über ganz ohne jeden einengenden Zwang so praktiziert.

In den nächsten Tagen war Ben aber nicht verfügbar und am Wochenende hatte sie ihrer Freundin Lara versprochen, mal wieder vorbeizuschauen. Sie atmete tief durch, seufzte und gab dann die Anweisung für den Start zum Dreh der Wiederholungsszene: »Und Action.«