Za darmo

Lu die Kokotte

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

III

Als Harry nach des Vaters Tode von Mutter und Schwester Abschied nahm, da hatte Luise ihm in die Hand gelobt, daß sie mit allen großen und kleinen Sorgen, die sie bisher zum Vater getragen hatte, von nun an zu ihm kommen werde.

Sollte ihr erster Brief mit der Schilderung der bedrängten Verhältnisse beginnen, unter denen die Mutter litt? Sollte sie gar von der qualvollen Stunde ihrer Begegnung mit Kommerzienrat Mohr berichten? Das eine war so unmöglich wie das andere. Was sich in dieser Stunde zugetragen hatte, verbarg sie selbst vor der Mutter. Die wußte nur, daß Luise die abermalige Werbung weder angenommen noch abgelehnt, sich vielmehr ein paar Tage Zeit erbeten hatte, während der sie diesen bedeutsamen Schritt noch einmal erwägen wollte.

Wie schwer es doch war, zu lügen, wenn einem die Übung fehlte! Nicht einmal ein paar heitere Zeilen an ihren Bruder brachte sie fertig. So sehr sie sich zwang, alle Traurigkeit zu verbergen, aus ihren Worten klang es doch immer, als wenn sie das alles nur schrieb, um nicht von dem zu sprechen, was sie bedrückte. Das kam daher, daß sie so gar nicht Herr ihrer Gedanken war; die führten sie immer wieder zum Vater; dann wurde ihr schwer; sie hörte auf zu denken; vergaß alles andere; vergrub sich in ihrem Kummer; gab sich ihm willenlos hin.

Und denken mußte sie doch, wollte sie vorwärts kommen. – Wieviel leichter sie sich das alles gedacht hatte!

»Wenn nicht ein Wunder geschieht,« hatte die Muttee gesagt, »dann bleibt uns nichts anderes übrig, als Harry die Wahrheit zu sagen.«

Das war für sie das Zeichen, daß es kein Zögern mehr gab, daß sie handeln mußte. Sie schrieb:

»Lieber Harry!

Ich bringe ein Opfer, das fast über meine Kraft geht – das höchste, das ich bringen kann. Ich gebe mich auf! Denn ich werde mich diesem Manne geben, gegen den sich alles, was Weib in mir ist, auflehnt.

Seit acht Tagen lebe ich in dieser Vorstellung; und jedesmal, wenn ich in Gedanken das durchmache, was mir bevorsteht, gerate ich in Zustände, die unbeschreiblich sind.

Ach, Harry, wieviel froher und leichter wäre mir, könnte ich mit meinem Leben erwirken, daß uns geholfen wird!

Aber es geht nicht! Alles, was sonst in Frage kommt, genügt kaum, um für die Mutter zu sorgen, deren Herz sich durch den Auftritt mit dem Professor arg verschlimmert hat. Der Geheimrat ist für Davos. – Davos! Wenn er ahnte, wie es bei uns aussieht!

Aber du darfst: ja nicht denken, Harry, daß ich voll Bitterkeit dies Opfer bringe. Wenn es mir auch schwer fällt. Ich könnte laut heulen, wenn ich daran denke. Sieh mal, ich werde ja nicht seine Frau sein. Weißt Du, wie ich das meine? Dir erscheint das wahrscheinlich nur um so verächtlicher; mir hat es den schweren Entschluß erleichtert. Lach’ mich nicht aus! Ich habe nun mal so eine Art heiliger Vorstellung von allem, was mit der Ehe zusammenhängt. Es ist vielleicht töricht, was ich da empfinde; aber mir ist, als vollzöge sich damit erst die Weibwerdung des Mädchens; das Recht, Mutter zu werden; wenigstens dem Kinde gegenüber! Das gilt natürlich nur für Menschen, die aus Liebe zusammengehen. Und das bedeutete mir alles Glück, das ich für mich vom Leben erhoffte. Die Aussicht auf dies Glück begrabe ich nun für immer. —

Aber ich weiß auch, wieviel mehr ich leiden würde, wenn ich mir dies Bild aller Glückseligkeit durch eine Ehe mit diesem Menschen für immer zerstörte. Das Ideal, dem ich nun doch wenigstens in Gedanken und, wenn Gott es gut mit mir meint – bitte, Harry, lach’ nicht! Ich glaube in diesen Stunden mehr denn je an ihn! – auch in meinen Träumen nachgehen kann, bleibt mir! Und was ich tue, fasse ich rein als einen physischen Vorgang . . . Nein, nein! Harry, ich lüge, ich kann das alles nicht von meiner Seele trennen; da ich es niederschreibe, um mich zu beruhigen, zu stärken, zu ermutigen, bäumt sich alles in mir auf, und ich fühle, wie ich mich belüge . . . wie ich zu schwach zu dieser Lüge bin. – Ein Geschäft ist es, das ich mit ihm schließe, werde ich ihm ins Gesicht schreien, wenn er die Arme nach mir ausstreckt – aber ich werde zerbrechen . . . und zugrunde gehen . . .«

Sie legte die Feder fort, zerriß den Brief; strich sich das Haar aus der Stirn; fuhr mit der Hand über das heiße Gesicht . . . ihr war leichter; und sie konnte weinen.

Nebenan schlief die Mutter. Wenn die ihr Schluchzen hörte, wachte sie auf; kam und fragte, und sie mußte lügen. So schlich sie langsam zur Tür, die Treppe hinunter, lief in den Park weit hinein und heulte sich aus.

Matt kam sie wieder ins Haus, schlich die Treppen hinauf, setzte sich wieder an den Tisch, schob die Fetzen des Briefes beiseite, nahm eine Karte und schrieb:

»Mein lieber Harry!

Mir ist nun schon viel besser, und ich fühle mich freier. Alles, was ich jetzt tue, geschieht ohne Furcht, denn ich habe Dich lieb und glaube mit all der Kraft, deren ich fähig bin, an Dich. Denke an unseren lieben, guten Vater; aber in Freuden, so wie er es wünschte! Denke viel an ihn, dann werden sich unsere Gedanken oft begegnen.

Ich habe so viel Liebe im Herzen, Harry! Sie gehört ganz Dir, der Mutter und der Erinnerung an »ihn«. Ich werde nie einen anderen lieben als Euch! Denn ich müßte sonst unglücklich werden. So aber werden wir alle vielleicht noch einmal froh.

Deine Schwester Luise.«

Diesen Brief trug sie am nächsten Morgen selbst zur Post.

Dann nahm sie einen Bogen und schrieb:

Herrn Kommerzienrat Mohr!

Sie haben recht behalten: morgen nachmittag um 3 Uhr bin ich bei Ihnen. Und ich werde Gott danken, wenn man mich als Leiche von Ihnen trägt.

Luise.«

IV

Gegen Abend des nächsten Tages suchte Kommerzienrat Mohr den Universitätsprofessor Mallinger auf, mit dem er im dritten oder vierten Grade durch dessen Frau irgendwie verwandt war.

Als das Mädchen ihn meldete, drehte sich der Professor langsam an seinem Schreibtisch um und befahl mit sonorer Stimme:

»Sagen Sie dem Herrn Kommerzienrat, daß ich mich zwar für mein morgiges Kolleg noch nicht vorbereitet habe, daß ich ihn aber trotzdem bäte, abzulegen und näherzutreten.«

Der Professor mochte ihn nicht; kannte ihn kaum; hatte trotz der vielen Jahre, die er in seinem Hause verkehrte, kaum fünf Worte mit ihm gewechselt.

Das lag daran: Mohr galt als Lebemann. Man sprach sogar von einem Verhältnis, das er seit Jahren unterhielt. Einen rechten Begriff vermochte der Professor zwar damit nicht zu verbinden. Aber er hatte es im Gefühl, daß es etwas Anstößiges war, etwas, was der Ehe, der Institution des Staates, ins Gesicht schlug. Und das genügte ihm, um ihm diesen Menschen unsympathisch zu machen. Hinzu kam: für Mohr lag der tiefste Sinn des Lebens im Geldverdienen. Das an sich nahm er ihm nicht übel. Im Gegenteil! Aber daß er das Geld so leicht wieder unter die Leute brachte, anstatt es zusammenzuhalten, daß er es oft sogar in Lokalen ließ, in denen Frauen zweifelhaften Rufes verkehrten, verurteilte er scharf. Was aber das Schlimmste war: dieser Mohr sah in einem Universitätsprofessor durchaus keinen Honoratioren, der ihm besonderer Verehrung wert erschien; ja, es hatte sich ereignet, daß er auf einem Diner beim Hofbankier Walther zuerst den Oberlehrer Sasse und dann erst ihn begrüßte.

Alles das trat wieder in seine Erinnerung, als das Mädchen jetzt seinen Namen nannte; dennoch stand er auf und ging ihm entgegen!

»Was führt denn Sie, Herr Kommerzienrat, zu so ungewohnter Stunde in die Arbeitsstube eines Gelehrten?« fragte er ihn, als er eintrat.

»Sie gestatten wohl, daß ich mich setze?«

»Ich hatte nicht die Absicht, Sie stehen zu lassen,« sagte der Professor, »obschon meine Zeit beschränkt ist, da ich morgen um acht Uhr Kolleg und nachmittags Stadtverordnetensitzung habe, bei der ich gelegentlich des Müllabfuhrverbots den Standpunkt meiner Fraktion zu vertreten habe, ohne mich bisher mit der für die Kommune wie im besonderen für die Hausbesitzer äußerst wichtigen Materie mit der nötigen Gründlichkeit befaßt zu haben.«

Dem Kommerzienrat war das, obgleich er selbst Häuser besaß, ohne freilich je über die Müllabfuhr nachgedacht zu haben, höchst gleichgültig. Wie gut, daß Leute da waren, die sich über solche Dinge den Kopf zerbrachen, dachte er. Wozu so ’n Professor nicht alles gut ist! Aber er sprach es nicht aus. Da der Professor jedoch eine Antwort erwartete, so tat er interessiert und sagte:

»Gewiß, verehrter Professor, in einer Stadt wie Berlin muß die Müllabfuhr ja eine bedeutende Rolle spielen.« Was zur Folge hatte, daß der Professor sich leidenschaftlich über dies Thema ausließ, worauf Mohr ihn mit den Worten unterbrach:

»Sehr interessant, Herr Professor, aber der Grund, aus dem ich hier bin und es wage, Ihre Zeit in Anspruch zu nehmen, ist ein anderer.«

»Bitte, bitte!« sagte der gekränkt. »Ich weiß ja, daß die Politik nicht in Ihr Fach schlägt; ich bin in der Tat sehr beschäftigt, also bitte.«

»Ich hatte das Thema ja nicht angeschlagen,« erwiderte Mohr bissig, »ich weiß auch nicht, ob Sie aufmerksam wären, wenn ich von meinen Angelegenheiten sprechen würde.«

Entsetzt wehrte der Professor ab.

Nun ja, das fehlte gerade, daß er ihn in seine Abenteuer einweihte. Ihm genügte, was ihm seine Frau gelegentlich beim Schlafengehen erzählte; die bezog ihre Nachrichten von der Dame, die Mohr seit Jahren das Haus führte; auf Details verzichtete er gern; ließ sie sich nicht einmal von seiner Frau erzählen, der er erst kürzlich jedes Gespräch mit »dieser Person«, die solche Dinge um sich duldete und sie weitertrug, verboten hatte. Seine Frau freilich war ihm über den Mund gefahren, hatte ihn verächtlich von der Seite angesehen und gesagt:

 

»Es ist schlimm genug, daß ich mich seit zehn Jahren mit diesen Geschichten begnügen muß. Dein Verhalten mir gegenüber als Ehemann ist nicht derart, daß du das Recht hättest, mir dies harmlose Vergnügen zu verbieten.«

Und daß er diese Vorwürfe dulden mußte, war der vierte und vielleicht ernsteste Grund, aus dem er den Kommerzienrat haßte.

»Sie wissen,« begann Mohr, »daß ich mich seit Jahren für Ihre Nichte, Luise Kersten, interessiere.«

Der Professor, der sich kaum gesetzt hatte, sprang auf:

»Herr Kommerzienrat, ich muß Sie bitten, das interessiert mich nicht; wie mich nichts mehr interessiert, was mit diesen Leuten in Verbindung steht. Ich habe angeordnet, und diese Anordnung erstreckt sich auf alle, die in mein Haus kommen, daß der Name« – er vermied, ihn auszusprechen – »hier nicht mehr genannt wird.«

»Sie können doch Frau und Kinder nicht für das verantwortlich machen, was der Vater gesündigt hat.«

»Sie scheinen nicht zu wissen, daß die Familie zu den weitgehendsten Opfern bereit war.«

»Davon ist mir allerdings nichts bekannt.«

»Diese Leute haben es aber unmöglich gemacht, daß jemand, der auf Reputation hält, sich überhaupt noch um sie bekümmert. Statt jede Erinnerung an diesen – nun ist er tot; de mortuis nil nisi bene, sonst würde ich sagen: Verbrecher – in den Kindern zu töten, wissen Sie, was diese Mutter da tut? Sie werden es nicht für möglich halten: sie führt ihn den Kindern noch als nachahmenswertes Beispiel vor Augen.«

»Dann muß man die Kinder dem Einfluß der Mutter entziehen«, erwiderte Mohr.

»Das wäre das beste«, sagte der Professor. »Wenn Sie jemand wissen, der das Opfer bringt und die Zeit hat. Das Vormundschaftsgericht hat sich natürlich an mich gewandt; ich sollte Gegenvormund werden; ich habe dankend abgelehnt.«

»Ich erfuhr es, und das ist auch der Grund, aus dem ich hier bin; um Sie zu bitten, Ihre Weigerung zu widerrufen.«

»Es wäre sündhaft von mir,« erklärte der Professor mit feierlicher Stimme, »wenn ich der Wissenschaft und der Kommune dieser Leute wegen auch nur eine Stunde meiner Wirksamkeit entzöge. Offen gesagt, ich verstehe überhaupt nicht, wie Sie nach alledem noch den Mut finden können . . .«

»Herr Professor!« sagte Mohr und mühte sich, feierlich zu erscheinen, »da reden Gefühle. Ich bin mir bewußt, daß es mich gesellschaftlich Opfer kosten wird . . . große . . . vielleicht vernichtende. Ich habe das alles erwogen. Aber wie gesagt: die Gefühle sind stärker. Muß es sein, so gehe ich aus Berlin heraus. Die Welt ist groß.«

Er mußte über sich selbst lachen, als er sich so sprechen hörte. Aber der Professor fuhr mit einem gewaltigen Ruck in die Höhe, stellte sich kerzengerade vor ihn hin, streckte ihm mit großer Würde die Hand entgegen und rief:

»Sie sind ein Held!«

Mohr lehnte die Huldigung ab. Einmal hatte das noch Zeit, bis er seinen letzten Trumpf ausspielte, und dann wußte er: je selbstloser er hier auftrat, um so sicherer kam er zum Ziel.

»Alle Liebe ist am Ende Egoismus, verehrter Herr Professor, und darum sind es auch alle Handlungen, die aus ihr entspringen.«

»Sie sind übermäßig bescheiden!« entschied der Professor und setzte sich wieder.

»Mir scheint kein Preis zu hoch für das, was ich fordere«, erwiderte Mohr. »Natürlich bin ich mit meinen 44 Jahren nicht mehr jung genug, um ohne Besinnung auf mein Ziel loszustürmen. Ich weiß, daß erst Gras wachsen muß über die furchtbaren Ereignisse der letzten Wochen.«

Der Professor stimmte zu.

»Ein, zwei Jahre vielleicht! Das scheint mir aber auch im Interesse der Zartheit und Jugend Ihrer Nichte zu liegen. Und Sie wissen ja, Herr Professor, wie schnell sich in einer Stadt wie Berlin alles vergißt. So wird auch das vergessen. In zwei Jahren denkt kein Mensch mehr daran.«

»Hoffentlich!« sagte der Professor.

»Was Ihre Nichte zunächst mal nach all den Aufregungen braucht, ist Ruhe und Schonung; es ist daher durchaus wünschenswert, wenn sich eine Zeitlang möglichst niemand um sie bekümmert. Ich weiß, das alles regt sie auf; selbst wenn es noch so gut gemeint ist.«

»Vor mir ist sie sicher«, sagte der Professor.

»Leider«, erwiderte Mohr. »Gerade von Ihrem Einfluß hatte ich so viel erwartet.«

Der Professor stand auf und gab abermals breit und feierlich eine Erklärung ab.

»Herr Kommerzienrat!« begann er. »Als Onkel und Senior der Familie habe ich natürlich das denkbar größte Interesse an der Rehabilitation der Familie Kersten. Daß diese vor den nächsten Reichstagswahlen erfolgt, ist für mich beinahe eine Lebensfrage. Denn ich weiß nicht, ob ich es ohne diese Rehabilitation mit meinem Gewissen werde vereinbaren können, vor meine Wähler hinzutreten. Diese Rehabilitation kann bei meinem Neffen nur durch besondere Leistungen, für die ihm meines Erachtens die sittliche Reife fehlt, bei meiner Nichte nur durch die Ehe mit einem Manne von Reputation erfolgen. Ich stehe nicht an zu erklären, und ich darf wohl für mich die Fähigkeit, Menschen zu beurteilen, in Anspruch nehmen, daß ich meine Nichte durch eine Ehe mit Ihnen als durchaus rehabilitiert betrachten würde.«

Mohr stand auf, reichte dem Professor die Hand und dankte ihm.

»Darf ich Ihre Zeit noch fünf Minuten in Anspruch nehmen?« fragte er.

»Ich bitte darum.«

»Sehen Sie,« begann Mohr, »mir liegt natürlich daran, daß diese Rehabilitation, von der Sie da sprachen, auch die träfe, zu denen ich durch die Ehe in ein näheres verwandtschaftliches Verhältnis trete; ich meine die Mutter und den Sohn.«

»Sehr begreiflich!« bestätigte der Professor.

»Ja, mir muß daran liegen, daß diese Rehabilitation stattfände, bevor ich offiziell . . .«

»Ich verstehe . . .«

»Das ist aber nur möglich, wenn jemand wie Sie als Vormund mit aller Energie die Geschicke dieser Leute lenkt und jeden Einfluß eines Dritten, wer immer es sei, ausschaltet.«

Das schmeichelte dem Professor; und das kam so deutlich auf seinem Gesicht zum Ausdruck, daß Mohr einen Augenblick lang fürchtete, er werde womöglich seinen Widerstand aufgeben und die Vormundschaft annehmen.

»Natürlich ist es bei Ihrer Position als Lehrer der akademischen Jugend, als Vertreter der Stadt wie als Parlamentarier . . .«

»Das letzte noch nicht«, berichtigte geschmeichelt der Professor.

»Nun, auch das ist ja wohl nur eine Frage der Zeit, einer recht kurzen, wie ich im Interesse des Ansehens unseres Parlaments hoffen darf.«

Der Professor krümmte dankerfüllt seinen breiten Rücken.

»Ich meine,« fuhr Mohr fort, »auf der einen Seite darf man Ihre wertvolle Kraft nicht der Allgemeinheit auf Kosten einer einzelnen Familie entziehen . . .«

Der Professor war begeistert. »Das habe ich auch gesagt! Und das war für mich das Entscheidende!« stimmte er zu.

». . . auf der anderen Seite aber verlangt eine Vormundschaft wie diese natürlich ein vollkommenes Aufgehen in den Interessen dieser Menschen, an denen Jahre hindurch schwer gesündigt wurde.«

»So ist es«, bestätigte der Professor.

»Ich höre nun, daß man Sie im Falle Ihrer Weigerung um Vorschläge gebeten hat, wer Ihres Erachtens wohl als Vormund in Frage käme. Nun . . .« – er stand auf und trat dicht vor den Professor hin – »ich bin, falls Sie mich für würdig erachten, bereit, diese Vormundschaft zu übernehmen.«

»Sie wollten!« rief der Professor und erhob sich.

»Vorausgesetzt, daß zwei Bedingungen erfüllt werden«, erwiderte Mohr.

»Die wären?« fragte er.

»Einmal muß jeder Einfluß eines Dritten aus der Familie ausgeschaltet werden.«

»Dafür stehe ich Ihnen ein,« versicherte der Professor, »und das zweite?«

»Ja, das zweite«, fuhr Mohr fort und setzte sich wieder. »Natürlich sorge ich dafür, daß die Familie unverändert in dem Stile fortlebt, in dem sie bisher gelebt hat.«

»Was?« rief entsetzt der Professor. »Wissen Sie auch, was das bedeutet?«

»Fünfzig- bis sechzigtausend Mark im Jahre, hat man mir gesagt«, erwiderte Mohr völlig gelassen.

»Und Sie wollen?« fragte der Professor und war ganz außer sich, fuchtelte mit der Hand in der Luft herum und schüttelte den Kopf.

»Ja!« sagte Mohr, als handle es sich um eine Bagatelle, »aber« – und nun legte er wieder Nachdruck in seine Worte – »nun kommt die zweite Bedingung: Ihr Neffe sowie die Mutter dürfen unter keinen Umständen wissen, daß das Geld von mir kommt.«

Der Professor sah ihn erstaunt an.

»Von mir werden sie ’s nicht erfahren«, sagte er.

»Ihre Nichte wünscht das so,« erläuterte Mohr, »und ich weiß nicht, weshalb man ihr diese belanglose Bitte nicht erfüllen soll. Die Empfindsamkeit der Mutter, Sie verstehen, die darunter litte; und dann der Bruder – nun, er mag mich nicht, würde das Geld von mir nicht nehmen, womöglich seinen Beruf aufgeben . . .«

»Das soll er nur!« unterbrach ihn der Professor. »Das ist das Gescheiteste, was er tun kann.«

»Ihre Nichte hängt mit ganz besonderer Liebe an ihm. Ihr sehnlichster Wunsch ist es, daß er Maler wird! Mag er also bleiben, wo er ist. Und was liegt schließlich daran, wenn der Junge glaubt, das Geld kommt von Ihnen.«

Der Professor wehrte entschieden ab.

»Von mir unter keiner Bedingung; wenn das jemand erfährt, was sollte man davon denken, daß ich diese Leute unterstütze. Aber Geheimrat Walther wird das gern an meiner Stelle übernehmen. Ich verbürge mich sogar dafür, daß er es tut. Er ist Spezialist in der Kunst, auf Kosten anderer wohltätig zu sein. Und dann nimmt es diese Frau auch lieber von ihm als von mir – sie hat ihre Gründe dafür – verlassen Sie sich darauf. – Nein! Glück haben die Leute! Wahrhaftig mehr als sie verdienen.«

»Ich darf also damit rechnen?«

»Sie dürfen!« erwiderte der Professor. »Ich gehe noch heute zum Vormundschaftsgericht und erledige alles; auch das mit meinem Schwager.«

Dann wurde er zum drittenmal feierlich, stellte sich kerzengerade, warf den Kopf zurück und sagte: »Und nun will ich in unser aller Interesse hoffen, daß Sie für die gewaltigen Opfer, die Sie bringen, auch Dank ernten.«

Mohr grinste über das ganze Gesicht. Das Geschäft war perfekt.

»Darauf können Sie sich verlassen!« erwiderte er. »Ich sorge schon, daß ich nicht zu kurz dabei komme.« Dann reichte er dem Professor die Hand und verabschiedete sich.

»Wie man sich doch manchmal im Menschen täuschen kann«, sagte der Professor, als Mohr draußen war, und vertiefte sich wieder in seine Akten über die städtische Müllabfuhr.

Mohr stieg in sein Automobil. Er hatte die Bedingungen erfüllt, die Luise stellte, den Kaufpreis bezahlt. Es war nur natürlich, daß er bei den großen materiellen Opfern, die er nun bringen mußte, auch an sich dachte, ihr Vormund wurde, sich das Verfügungsrecht über sie sicherte und so jede Einwirkung und Kontrolle eines Dritten ausschaltete.