Za darmo

Lu die Kokotte

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

XLV

Als Werner und Luise des Abends den kleinen Saal des Kaiserhofs betraten, erhoben sich alle Gäste. – Weißgekleidete Kinder streuten Blumen und geleiteten das Paar bis in die Mitte des Saales. Ein Chor sang:

 
Lobe den Herren, der alles so herrlich regieret,
Der dich auf Adelers Fittichen sicher geführet,
Der dich erhält
Wie es dir selber gefällt.
Hast du nicht dieses verspüret?
 
 
Lobe den Herren, der künstlich und fein dich bereitet,
Der dir Gesundheit verliehen, dich freundlich geleitet:
In wie viel Not
Hat nicht der gnädige Gott
Über dir Flügel gebreitet!
 
 
Lobe den Herren, der deinen
Stand sichtbar gesegnet,
Der aus dem Himmel mit Strömen der Liebe geregnet;
 
 
Denke daran,
Was der Allmächtige kann,
Der dir mit Liebe begegnet.
 

Als das letzte Wort verklungen war, sagte der Geistliche ganz laut »Amen«, sah zur Erde und faltete die Hände. Dann warf er den Kopf in die Höhe, hob die Arme und sprach noch einmal ein kurzes Gebet; das Harmonium spielte, und die kurze Feier war beendet.

Nachdem der Geistliche das Brautpaar beglückwünscht hatte, stürzten die Verwandten über sie her, umarmten und küßten Luise und drückten Werner die Hand. Fast alle weinten vor Rührung, und jeder sagte ein paar passende Worte.

»Schade, daß deine guten Eltern den Tag nicht miterleben konnten«, meinte der Geheimrat und küßte Luise auf die Stirn.

»Meine liebe Luise,« sagte der Professor und drückte ihr die Hand, »du weißt, daß ich immer für dich da bin, wenn du Rat und Hilfe brauchst.«

»Nein, wie ich dir dein Glück gönne!« rief die Frau des Oberlehrers.

»Aber du hast es verdient«, stimmte ihr Mann bei. Unter den Klängen des Hochzeitsmarsches ging es zur Tafel.

Der alte Geldern hatte noch am Vormittage wegen Unwohlseins abgesagt; saß vergnügt zu Hause, spielte mit Weise Klabrias und trank alten Burgunder.

Der junge Helldorf und Liane waren unter den Gästen.

Luise hatte so lange in ihn hineingeredet, bis er, unter der Bedingung, daß sie weit auseinander saßen und sich Sie nannten, nachgegeben hatte.

Er führte Annemarie, die älteste Tochter des Geheimrats Walther, zu Tisch. Die war von ihrer Mutter mit besonderen Instruktionen ausgestattet worden.

»Mach’ ihm nicht den Hof! Sondern respektier’ ihn! Denn er ist mit Berthe de Cyliane versprochen. Aber er hat einen Bruder.«

Annemarie nickte überlegen.

»Laß nur, Mama! Ich kenne mich aus.«

Und in der Tat wußte sie Bescheid; denn Liane hatte ihr längst alles erzählt.

»Es wäre himmlisch,« hatte Liane gesagt, »wenn Fritz dich heiraten würde. Natürlich wäre es zwischen ihm und mir dann aus! Aber ewig würde es ja sowieso nicht dauern. Und er ist so blöd, daß er mir jetzt schon manchmal auf die Nerven geht!«

Und Liane und Annemarie hatten einen genauen Plan entworfen, um Helldorf für diese Ehe zu gewinnen. —

Als Helldorf eben auf seiner Tischführungskarte las, daß er gebeten werde, Fräulein Annemarie Walther zu Tisch zu führen und ihr mit einer kurzen Verbeugung den Arm reichte, da ahnte er noch nicht, daß er schon nach sechs Wochen – und früher als es Liane eigentlich lieb war, die gern noch ein paar Monate mit ihm zusammen geblieben wäre, – der Bräutigam Annemaries sein würde. —

Der Oberlehrer suchte seine Frau unter den Gästen; denn die Ehepaare gingen zusammen. – Leider! dachte er zu Hause. Aber nun war es ihm lieb. Denn er war wie immer fünf Minuten vor der angesetzten Zeit gekommen und hatte sich beim Manager nach den Weinen erkundigt.

»Ausgezeichnet!« sagte er; und er dachte: Wie gut, daß man sich nicht zu unterhalten braucht!

Endlich entdeckte er links am Fenster seine Frau. War es möglich! Mit wem stand sie da? – Berthe de Cyliane war es! Seine Berthe! Im Gespräch mit Maria, seiner ihm angetrauten Frau und Mutter seiner Kinder, die daneben wie eine Hallenfrau im Sonntagsstaate wirkte!

Menu und Weine waren vergessen! – Wovon sie wohl sprachen! Er wagte nicht einen Schritt näher an sie heranzutreten. Er sah nur immer, wie seine Frau demütig und ehrerbietig zu ihr emporblickte. Auch das Lächeln in Lianes Gesicht, die ihn längst bemerkte, sah er nicht; obschon es ihm galt.

Er war sich selbst nicht klar, was er fühlte: war seine Empörung, Berthe hier in der Gesellschaft und noch dazu im Gespräch mit seiner Frau zu finden, größer – oder seine Furcht, sie könnte so unvorsichtig oder gar so taktlos sein und ihn verraten.

Da bemerkte er ein paar Schritte von sich den Geheimrat. Er wankte auf ihn zu:

»Wie konntest du nur so unvorsichtig sein!« sagte er in seiner Not, in der er sich dem Geheimrat nahe fühlte.

»Was ist?« fragte der Geheimrat und erschrak.

»Da!« und er wies auf Berthe.

»Ihr Herr Gemahl sucht Sie«, sagte gleichzeitig Berthe zu Frau Oberlehrer. Denn sie sah längst, was vorging. »Kommen Sie!«

Der Oberlehrer sah, wie sie auf ihn zugingen und rückte noch näher an den Geheimrat heran.

»Darf ich Sie bekannt machen?« sagte der Geheimrat.

Aber Berthe streckte dem Oberlehrer schon die Hand entgegen.

»Bekannt machen?« sagte sie. »Ich bin so froh, daß ich Sie wiedersehe!«

Die Frau des Oberlehrers strahlte über das ganze Gesicht.

»Ich habe Mademoiselle de Cyliane aufgefordert, uns zu besuchen. Denke dir, sie bleibt für immer in Berlin.«

Der Oberlehrer verzog keine Miene.

»Sie wird auch die englischen Abendkurse wieder aufsuchen«, sagte seine Frau. – »Nicht wahr, dann fängst du auch wieder an?« – Und zu Berthe gewandt, fuhr sie fort: »Sie glauben gar nicht, wie sehr ihn das angeregt und auf seine Stimmung gewirkt hat.«

Der Geheimrat machte ein sehr verdrießliches Gesicht.

»Sie sollten sich auch beteiligen, Herr Geheimrat«, sagte Berthe.

»Wie reizend!« rief Frau Oberlehrer.

»Wir müssen zu Tisch!« wich der Geheimrat aus und flüsterte Liane zu:

»Du bist ein Filou!«

»Keine Spur! Ihr amüsiert mich nur!« erwiderte Berthe. »Ich finde euch alle unendlich komisch!«

Berthe hatte gebeten, sie als inoffizielle Braut ohne Herrn zu Tisch gehen zu lassen; und Frau Geheimrat Walther war über so viel Feingefühl ganz entzückt gewesen.

Daher kam es wohl, daß sie an der Ehrentafel placiert war; rechts vom Brautpaar saßen Walthers, denen sich einige Geheime Kommerzienräte mit großen Vermögen anschlossen; dann erst folgten Oberlehrers, die darüber empört waren und anfangs in Erwägung zogen, ob sie infolge dieser Brüskierung nicht lieber nach Haus gehen sollten. Als aber der Kellner einen Rieseneisblock mit Kaviar reichte, rief Frau Oberlehrer ganz laut:

»Martin! Sieh nur!« Und sie beschlossen, bis nach dem Essen zu bleiben.

Links vom Brautpaar saßen Professors, und neben dem Professor saß Berthe. Auch der kleine runde Anwalt, der aussah wie drei übereinandergestülpte Kugeln, war da. Als er bei Beginn der Feier kam und den jungen Helldorf sah, dessen märchenhafter Reichtum auch ihm bekannt war, stürzte er in den Saal, in dem die Tafel stand, und vertauschte seinen Platz mit dem von Helldorfs Visavis, der in der Nähe des Brautpaars lag und einem ordenbehängten koburgischen Kommerzienrat gehörte.

Das gab dann wieder ein kleines Ärgernis, weil der auf diese Weise unter das junge Gemüse versetzte Kommerzienrat, dem selbst der Riesenblock mit dem Malossol nicht im geringsten imponierte, Lärm schlug und sich erst beruhigte, als die Musik verstummte, der Professor ans Glas schlug und zu einer, wie der Geheimrat später sagte, kurzen, aber kernigen Rede auf das Brautpaar ausholte.

»Meine liebe Luise! Lieber Werner! An einem Tage wie dem heutigen schweigt der Gelehrte und der Mensch spricht. So habe ich wieder einmal auf einige Stunden die Arbeit unterbrochen, um im Kreise der Familie ein Fest zu feiern, ein Fest, an sich wohl geeignet, Freude und Hoffnungen zu erwecken und in allen, die den Beteiligten nahestehen, eine frohe Stimmung auszulösen. – Und doch geschieht es nur mit einem heitren Auge; das andre weint. Warum weint es? Weil du, liebe Luise, in freudvollen und leidvollen Tagen mir ganz besonders ans Herz gewachsen, in der Stunde deiner Ehe aus dem engen Verbande unserer Familie scheidest und in die Familie deines Mannes, dem du dich nun fürs Leben verbindest, übergehst. Und so bedeutet dieser Tag für uns alle eine Trennung, über die uns auch die Gewißheit, daß wir deinem Herzen nahebleiben, nicht hinwegzutäuschen vermag.«

»Das ist der Gipfel der Heuchelei!« flüsterte Luise. Werner beruhigte sie: »Verlaß dich drauf, er glaubt jedes Wort, das er spricht.«

»Aber noch aus einem andern Grunde«, fuhr der Professor fort, »liegt über diesem äußerlich heitren Feste ein Schimmer tiefer Trauer. Wenn wir bedenken, daß die fehlen, denen der Ehrenplatz an dieser Tafel gebührt, den ich heut’ einnehme. Ich meine die hochverehrten Eltern unsrer Braut, meinen lieben in Gott ruhenden Neffen Erich und meine ebenfalls verstorbene teure, unvergessene Nichte Fanny, denen es leider nicht mehr vergönnt war, Zeuge des Glücks ihres Kindes zu sein, das sie über alles liebten . . .«

»Er soll nicht von ihnen sprechen!« zitterte Luise. »Verbiete es ihm!«

Werner hatte Mühe, sie zu halten.

»Laß ihn doch reden!« sagte er. »Wie kann dich das noch berühren!«

»Alles, nur das nicht!« bat sie erregt.

Werner legte seinen Arm um sie.

»Was kümmert es uns?« sagte er zärtlich. »Die wollen es doch so haben.« Und er wies auf die Gäste, die in der Tat ergriffen waren, voll Bewunderung zu dem Professor aufsahen und schluchzten.

»Der Schuft!« bebte Luise.

»Du überschätzt ihn«, erwiderte Werner; »ein Schmierenkomödiant des Lebens ist er, der sein großes Publikum hat. Bei jedem Menschen mit verfeinertem Empfinden wird er Übelkeit erregen.«

 

Und als der Professor jetzt von der liebevollen Aufnahme sprach, die Luise bei seiner verehrten Nachbarin Berthe de Cyliane in Paris fand, die sie in ihrer Trauer gestützt und wieder aufgerichtet habe, da mußte auch Luise lachen.

»Daß ich ihn auch nur einen Augenblick ernst nehmen konnte!« sagte sie.

Und die Rede des Professors, die mit Begeisterung aufgenommen wurde, klang in ein Hoch auf das junge Paar aus.

Liane schmeichelte dem Professor so plump er es haben wollte. Sie hatte sich zuvor über alles Wissenswerte unterrichtet. Ließ sich ein paar Stellen seines Buches, von dem sie nicht einmal den Titel kannte, erläutern und hatte schon nach einer halben Stunde alles, was an ihm eroberungsfähig war, erobert.

Der Oberlehrer stand alle zehn Minuten auf und stieß mit Liane an; Annemarie nickte ihr freundlich zu, so oft der runde Anwalt lärmend auf den armen Helldorf einsprach, und flüsterte ihr zu:

»Es geht am Schnürchen.«

Der Geheimrat Walther dachte: Schade um die schöne Zeit, die man hier versitzt, und ärgerte sich, daß er von seinem Platze aus nicht einmal Liane sehen konnte, sondern gezwungen war, sich fortgesetzt mit Brehmer-Gelderns, die ihm vis-á-vis saßen, über die Mittel und Wege ihrer Nobilitierung zu unterhalten.

Die Brehmer-Geldern-Kinder tanzten Menuett – der Geheimrat Walther sprach auf den alten Geldern – ein witzloses Hochzeitscarmen stieg – Brehmer-Geldern toastete auf die Gäste – Hunderte von Telegrammen wurden verlesen – der Oberlehrer hielt einen Toast auf die Damen, der sich mit dem Raub der Sabinerinnen beschäftigte – und um 11 Uhr hob der Geheimrat Walther die Tafel auf. —

»Ganz lustig das Theater!« sagte Liane zu Luise und Werner. »Wenn man damit das Empfehlungsschreiben deiner Tante vergleicht, mit dem du nach Paris kamst!«

»Und Ihnen, liebe Liane« – ergänzte Werner mit verstelltem Pathos – »danken wir es, von diesen Leuten heute geliebt, verehrt und gefeiert zu werden.«

»Ich hätte nicht übel Lust,« erwiderte Liane, »der edlen Sippschaft den Star zu stechen, mich als das, was ich bin, zu erkennen zu geben und ihre beispiellose Heuchelei und die wahren Gründe ihrer plötzlichen Wandlung aufzudecken.«

»Lassen Sie’s,« riet ihr Werner, »ich kenne die Gesellschaft und prophezeie Ihnen, daß es dabei nur einen Leidtragenden gäbe – und der wären Sie!«

»Zweifellos!« bestätigte Luise. »Denn wenn du enden würdest und das bestimmte Gefühl hättest, jetzt müssen sie alle vor Scham unter die Erde versinken, dann würde sich mein Onkel, der Professor, stolz und selbstbewußt erheben und sagen:

Nach dem was wir – und leider auch unsre Frauen – soeben zu hören bekamen, habe ich folgende Erklärung abzugeben: Wir würden uns erniedrigen, wenn wir uns auf eine materielle Erörterung oder Widerlegung dessen, was wir soeben zu hören bekamen, einließen. Wir begnügen uns damit, die Ausführungen dieser »Ehrendame« niedriger zu hängen; und wir bedauern gleichzeitig unsre Schwäche, – entgegen einem vor Monaten gefaßten Beschlusse – noch einmal den Versuch gemacht zu haben, unsere – wie wir wußten – dem Laster verfallene Nichte der bürgerlichen Gesellschaft zurückzugewinnen.

Liane sah das ein und unterließ es. So groß der Reiz war! Und die Rücksicht auf Helldorf, der jeden Eklat haßte, erleichterte ihr den Entschluß.

Bald nach der Tafel verschwanden Werner und Luise; auch die meisten Gäste gingen.

Der Professor drückte Liane die Hand:

»Sie und ich« – sagte er mit großem Pathos – »dürfen uns heute mit ganz besonderem Stolze beglückwünschen; denn unser Verdienst ist es, Luise geläutert und auf den Weg der Tugend zurückgeführt zu haben. – Gute Nacht!« —

»Bäh!« blökte Liane und streckte ihm, so lang es ging, die Zunge entgegen.