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Lache Bajazzo

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Siebentes Kapitel

»Nimm es mir nicht übel, Werner,« sagte der alte Brand zu seinem Sohne, »aber ich als Praktiker habe deine Pazifistentätigkeit eigentlich nie ernst genommen. Ich meine in Bezug auf reale Wirkung. Du hast dir einen Namen gemacht, das Blatt, das du leitest, hat Qualität und Resonanz – aber als Tatsachenmensch, der ich nun einmal bin, meine ich, daß man diesen Dingen ethisch überhaupt nicht, sondern nur politisch beikommen kann.«

»Wenn auch,« erwiderte Werner, »man muß aber erst die sittliche Grundlage legen, auf der sich dann die politische, in meinem Falle also die pazifistische Weltanschauung erheben kann.«

»Falsch!« sagte der Alte. »Ethik und Politik wirst du nie unter eine Haube bringen; so wenig wie Politik und Religion, die ja letzten Endes auch nichts anderes als Ethik ist. Aber ich will den Begriff mal weiter fassen und sagen, was die Ethik in der Religion, das ist in der Politik das Interesse; das nackte Interesse. Daher darfst du deinen Friedensengel nicht auf die Gemütsseite einstellen. Sonst geht’s ihm wie Christus, der die Liebe unter den Menschen gepredigt hat und dem zuliebe mehr Blut geflossen ist als in den grausamsten Eroberungskriegen. Dein Friedensengel muß ein politisch gerissener Knabe sein, der sich statt in der Bibel im Hauptbuch auskennt, statt schöner Worte Zahlen im Munde führt und statt der Palme den Rechenstift im Arme hält.«

»Das alte Lied, Vater! Unsere Weltanschauungen sind nun mal leider so entgegengesetzt wie möglich.«

»Das bestreit’ ich eben. Ich will dasselbe wie du. Oder meinst du, ich wäre gegen den ewigen Frieden? Nur über die Wege dahin gehen unsere Meinungen auseinander. Wie ich denn überhaupt bezweifle, daß der ewige Frieden, mag die Staatsform sein, wie sie wolle, etwas anderes ist als eine Utopie. Er ist einfach ein Rechenexempel, das nicht aufgeht.«

»Das wäre traurig, wenn es so wäre.«

»Das Wort ›ewig‹ sollte man überhaupt aus dem Sprachschatz streichen. Aber wozu muß es gleich der ewige Friede sein? Genügt es nicht, gegenwärtig drohenden Kriegen vorzubeugen? Siehst du, wenn du das erstrebst, bist du mein Mann! Die augenblicklichen Verhältnisse kannst du übersehen und kannst, da du die Faktoren kennst, sie vielleicht auf eine Formel bringen, die aufgeht.«

»Das wäre schon immerhin viel.«

»Das will ich meinen. Da die Verhältnisse aber zu allen Zeiten verschiedene sind, müssen auch die Faktoren verschiedene sein. Und da du nicht wissen kannst, wie die Welt in hundert Jahren aussieht und welches dann die Interessen der Völker sein werden, so ist es eben ein Unsinn, von einer ewig gültigen Formel, die den ewigen Frieden verbürgt, zu sprechen.«

»Ich fürchte fast, daß es dir doch noch gelingt, mich zu überzeugen.«

»Möchte ich’s doch! Mich kränkt’s, wenn ich sehe, wie du deine guten Anlagen an solche Dinge verschwendest. Und wenn die Zahl eurer Friedensgemeinde tausendfach wächst – was besagt das? Nichts! Die hätten den Frieden sowieso nie bedroht!«

Werner nickte und sagte:

»Da hast du recht!«

Und Peter, der eben ins Zimmer trat, fragte:

»Na, haben Sie ihn bekehrt?«

»Ich hoffe.«

»Ich versteh nicht, wo Sie so ’n reicher Mann sind, so lassen Sie ihm doch das Vergnügen.«

»Du weißt, Peter, daß ich es nicht zu meinem Vergnügen tue. Wenn mich die Aufgabe auch befriedigt und mir Freude macht . . .«

»Wie kann einem etwas anderes Freude machen als Macht?« unterbrach ihn Peter.

»Und Geld hat keinen Reiz für Sie?« fragte der alte Brand.

»I wat! In mehr als einem Auto kann man nicht gleichzeitig sitzen; genau so is es mit ’ner Frau. Was hab ich denn von den Millionen, wenn ich die Macht nicht habe? Dann bin ich dasselbe, was der junge Heil und Röder ist – ’ne komische Figur, die niemand ernst nimmt als die Weiber. Aber wenn ich die Macht habe! Sie sollen mal sehen, wie die Direktoren von den großen Banken dann jelaufen kommen und die Türen aufreißen. Alle sind se dann auf einmal wieder da. Jenau wie se sich jetzt, nachdem ich am Kammergericht verloren habe, aus Angst vor meinem Vater zurückziehen. Ich kenn’ doch den Klöngel! Das reine Affentheater.«

»Ihr beide ergänzt euch eigentlich ausgezeichnet,« sagte der Alte. »Was der eine an nüchterner Weltauffassung zu viel hat, hat der andere zu wenig.«

»Daher auch unsere Freundschaft!« sagte Peter.

»Gewiß!« bestätigte Werner. »Reibungsflächen gibt’s nur, wo die Interessen die gleichen sind.«

»Na ja! So ’n bißchen aus dem Rahmen fallt ihr schon beide,« meinte der Alte, sah sie an und lachte.

»Wer ist denn nun von uns beiden der Verrücktere?« fragte Peter grinsend.

»Ihr nehmt euch nicht viel,« erwiderte Brand. »Aber ernstlich gesprochen, Baron, was gedenken Sie nun zu tun?«

»Gelder auftreiben.«

»Na, das wird doch nicht schwer fallen.«

»Das ist eine Heidenarbeit, weil se alle Angst vor meinem Vater haben.«

»Bei allem, was ich gegen Sie einzuwenden habe,« sagte Brand, »imponiert mir doch Ihre Zähigkeit. Geben Sie acht, daß Ihre Nerven standhalten, und hier —« er reichte ihm einen Scheck, »damit Sie nicht für die Reichsgerichtsgelder betteln brauchen.«

Peter wollte danken; der alte Brand winkte ab.

»Und Estella?« fragte Werner. »Wirst du sie halten können?«

»I wat! Die geht mir längst auf die Nerven mit ihrem dummen Theater. Ich habe sie auf halbe Bezüge gestellt und gefragt, ob sie mit mir durchhalten will.«

»Nun und?« fragte der Alte.

»Sie hat mich gefragt, was geschieht, wenn ich beim Reichsgericht verliere. Und da ich ihr die Aussichten so schwarz wie möglich geschildert habe, so hat sie erst geweint – sehr gut hat sie das übrigens gemacht – und gesagt, daß sie dann doch lieber den österreichischen Herzog heiraten wolle.«

»Was für ’n Herzog?«

»Das habe ich sie auch gefragt. Na, und es stellte sich dann heraus, daß es kein Herzog ist, sondern ein gewöhnlicher Herr von Kinsk, ein Budapester Börsenmann – und dann will der sie auch nicht heiraten – und vor allem betrügt sie mich, wie sich bei dieser Szene ergab, mit diesem Kerl schon seit Monaten.«

»Großartig!« sagte Brand.

»Jedenfalls bin ich sie los.«

Der Diener trat ein und reichte dem alten Brand eine Visitenkarte. Der las sie, stutzte, sagte:

»Nanu?« stand einen Augenblick in Gedanken und sagte dann zu dem Diener:

»Führen Sie die Dame in die Bibliothek; sie möchte sich einen Augenblick gedulden; ich bin beschäftigt, komme aber gleich.«

Der Diener verbeugte sich und ging.

Der Alte hielt noch immer die Karte in der Hand, schüttelte den Kopf und sagte:

»Sonderbar!«

»Unangenehmer Besuch?« fragte Peter. »Stör ich?«

»Durchaus nicht! Nur unerwartet kommt er. – Unter Umständen —« und man sah, daß ein bestimmter Gedanke ihn beschäftigte, »möchte ich Sie sogar bitten, Baron, falls Sie Zeit haben, zu bleiben, bis ich —« dabei hielt er noch immer die Karte in der Hand – »den Besuch hier abgefertigt habe. Es ist nämlich möglich, daß ich dann noch ein paar Worte mit Ihnen – also wie ist’s? Wollen Sie mir den Gefallen tun?«

»Aber natürlich. Ob ich ’ne halbe Stunde früher oder später zu meinen Anwälten komme, was liegt daran?«

Der alte Brand nickte Peter und seinem Sohn zu, sagte:

»Also dann bis nachher,« und ging aus dem Zimmer.

In der Bibliothek wartete Agnes.

Der alte Brand sah sie durch ein buntes Fenster des Korridors, das zur Bibliothek führte. Sie saß in einem der tiefen Ledersessel; eigentlich lag sie mehr und staunte mit ihren großen Kinderaugen die Wände an, die von der Erde bis hinauf zur Decke voll mit Büchern standen. Und es schien, als ob sie vor dieser Welt des toten Wissens, die sie hier umgab und die ihr ewig unerreichbar bleiben mußte, eine Art Scheu empfand. Sekundenlang stand der alte Brand vor diesem Bild versunken und erschrak, als er wahrnahm, wie schwer es ihm wurde, sich von ihm loszureißen.

»Unsinn!« schalt er sich selbst und sah sich in dem Spiegel – »alter Kerl!« riß sich zusammen und öffnete die Tür zur Bibliothek.

Agnes empfing ihn kühl

»Guten Tag, mein Fräulein!« sagte er, »entschuldigen Sie, daß ich Sie habe warten lassen.«

»Bitte!« erwiderte Agnes und bewegte kaum den Kopf, »ein Geschäft nach dem anderen.«

»Sie kommen demnach in Geschäften zu mir?«

»Haben Sie etwas anderes erwartet?«

»Ich habe keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Also, um was handelt es sich?«

»Doktor Holten hat mir zwanzig Prozent von seinen Helenatantiemen überlassen – hier ist der Ausweis —« sie reichte ihm einen Brief.

»Danke!« sagte er und machte eine ablehnende Bewegung. »Ich glaube es Ihnen auch so!«

»Ich will aber, daß Sie es sehen,« forderte Agnes, und Brand nahm den Brief, der ihre Angaben bestätigte.

»Kann ich daraufhin zehntausend Mark haben?« fragte sie.

Brand überlegte einen Augenblick, dann sagte er:

»Gewiß – selbst wenn Holtens Tantiemen auf die Helena augenblicklich noch nicht fünfzigtausend Mark betragen, so will ich . .«

»Wieviel denn?« unterbrach sie ihn.

»Ich schätze es auf fünfunddreißig.«

»Dann geben Sie mir sieben,« sagte Agnes.

»Ich gebe Ihnen aber gern zehn.«

»Sieben bitte!« wiederholte sie.

»Soll es ein Scheck sein?«

»Das ist mir gleich.«

»Sonst, wenn Sie etwa eine Zahlung zu machen haben, kann die zu Ihrer Bequemlichkeit gleich durch meinen Verlag erfolgen.«

Agnes sah ihn an; er verzog keine Miene. Sie trat dicht an ihn heran, faßte ihn unters Kinn, lachte schelmisch und fragte:

»Hat das was zu bedeuten?«

»Was?« erwiderte er und zuckte nicht mit der Wimper.

»Daß Sie so liebenswürdig zu mir sind – beinahe wie zu einer Dame!«

»Habe ich Sie je nicht als Dame behandelt?« fragte Brand.

»Ja!« sagte sie kurz und ließ ihn los. Dann kehrte sie ihm den Rücken und fuhr fort: »Aber Sie können die Zahlung für mich leisten. Empfänger ist Graf Hech, Kronprinzenufer 31. —« sie wandte sich schnell wieder zu ihm, um sein erstauntes Gesicht zu sehen – »als Kaufpreis für die Vollblutstute Estella – eigentlich heißt sie Lori, aber ich habe sie Estella getauft, weil sie genau wie die Pforten wiehert, und zwar auch immer ohne daß man weiß, warum. Vielleicht schreiben Sie dazu: Restsumme folgt.«

 

»Und Holten darf natürlich davon wissen?« fragte Brand.

»Brand, Mensch!« rief Agnes und klopfte ihm mit der Hand mehrmals auf die Stirn – »halten Sie mich wirklich für so dumm, daß ich ausgerechnet Ihnen anvertrauen werde, was Carl nicht wissen darf?«

»Bin ich solch ein Waschweib?«

»O nein! Aber sein Freund.«

»Muß ich darum Ihr Feind sein?«

»Ja!!« Sie trat nahe an ihn heran, stand jetzt dicht vor ihm und sagte: »Und damit Sie’s nicht vergessen, nochmals: ja!!«

»Das brauchte nicht zu sein,« sagte Brand.

»Gewiß nicht!« erwiderte Agnes. »Sie brauchen zum Beispiel nur auf meine Seite zu treten.«

Brand zog die Schultern hoch.

»Darüber ließe sich reden.«

Agnes sah ihn ungläubig an, kniff die Augen zusammen und sagte:

»Ich traue Ihnen nicht. Ich will nichts Halbes.«

»Ich bekenne, daß Sie mehr als irgendwer Anspruch auf etwas Ganzes haben.«

»Darf man wissen, woher Ihnen plötzlich diese Erleuchtung kommt?« fragte Agnes. »Hat Sie mein Erfolg so geblendet?«

»Welcher Erfolg?« verstellte sich Brand.

Agnes sah ihn an.

»Sie wollen mich kränken.«

»Nein! Aber das war für mich keine Ueberraschung.«

»Wieso nicht?« fragte sie erregt.

»Sie haben wochenlang Abend für Abend Estella in der Rolle gesehen – keiner anderen Schauspielerin wird das geboten. Sie haben ebenso lange von früh bis spät studiert, sich im persönlichen Verkehr mit der Pforten jede, auch die letzte ihrer Finessen angeeignet, sie hatten Holten, der Ihnen die Schwächen der Pforten genannt hat – Sie brachten äußerlich alles für die Rolle mit. Ja, du lieber Gott, bei Ihrem starken Willen und Ihrem Anpassungsvermögen, die beide erstaunlich sind, war das eine todsichere Sache.«

Agnes hatte, ohne eine Miene zu verziehen, alles mit angehört.

»Und mein Talent? – Ich meine, meine natürliche Begabung? – Wie? – Von der halten Sie nichts?«

Brand schwieg.

Agnes zog die Stirn in Falten und zerknautschte nervös ihr Spitzentuch, das sie in der Hand hielt. Sie sah von ihm fort.

»Und der Erfolg, glauben Sie war lediglich eine Folge . .«

»Ihres Willens und Ihres Anpassungsvermögens,« wiederholte Brand.

»Und ohne die Pforten und ohne Holten wäre es nach Ihrer Ansicht . . .« Sie hielt absichtlich inne und sah von der Seite zu ihm auf.

». . . nicht annähernd der Erfolg gewesen,« ergänzte Brand. »Weil allein der Wille für solche Rolle nicht ausreicht.«

Sie sah ihm jetzt voll ins Gesicht.

»Haben Sie das schon irgendwem gesagt?« fragte sie erregt. »Etwa Carl?«

Brand schüttelte den Kopf.

»Keiner Menschenseele,« sagte er.

»Versprechen Sie mir, daß Sie es niemandem sagen werden!« und sie streckte ihm die Hand hin.

Brand zögerte, dann schlug er ein und sagte:

»Ich versprech’ es Ihnen für den Fall, daß wir Freunde werden.«

»Ich will aber nicht verzichten! Ich will berühmt sein! Wie ich es werde, ob so oder so – was liegt daran? Da hinein —« und sie wies auf ihr Herz, »kann mir niemand sehen. Wenn es nur nach außen wirkt. Woher, das geht nur mich an!!«

Brand schüttelte den Kopf.

»Da, wo Sie jetzt stehen, da sieht man auch da hinein! Da prüft man bis auf die Nieren! Und was ›Mache‹ ist, das hat keinen Bestand. Das verschwindet ebenso schnell wie es gekommen ist. – Aber warum muß es gerade da sein?«

»Wo sonst? Ich will nicht wieder in den Dreck! Ich dank’ schön!«

»Wer spricht davon? Sie sollen hinauf! Höher als Sie jetzt sind. Und, worauf es ankommt, Sie sollen oben bleiben, sollen berühmter und reicher werden als Sie es in dem künstlerischen Milieu, in das Sie durch Holten geraten sind, je geworden wären.«

»Ich möchte wissen, wo das sein soll.«

»Für den Weg, den Sie jetzt gehen, fehlt Ihnen – nehmen Sie es mir nicht übel – die Voraussetzung: der göttliche Funke. Womit Sie Ihren Erfolg erzielten, das waren nur die Surrogate, die Sie freilich in so hohem Maße besitzen, daß Sie sich eine gewisse Zeitlang damit halten können.«

»Was verstehen Sie unter Surrogaten?« fragte Agnes.

»Damit meine ich in erster Linie Ihr Aeußeres, Ihre Grazie, Ihre Anmut, Ihre Pikanterie, Ihren Wuchs, Ihren Gang, Ihr Raffinement, Ihre Art, sich zu bewegen, zu sprechen, Ihre Kunst, sich zu kleiden – kurz alles das, was den Reiz Ihrer Person ausmacht. Das gibt ein Brillantfeuerwerk mit so grellen und strahlenden Farben, daß ein fachmännisches Auge dazu gehört, um zu erkennen, daß das eigentlich Wesentliche, der göttliche Funke, fehlt. Da aber, wo ich Sie hinstellen will, da werden gerade diese Surrogate das Wesentlichste sein.«

»Und wo soll das sein?« fragte Agnes.

»Im leichten Lustspiel, in der Operette und, damit in einem Jahre alle Welt Sie kennt, im Kino. Die Voraussetzungen zu allen diesen Dingen vereinigen Sie wie keine zweite Frau. Sie werden hier die Erste sein, dort im besten Falle für die zweite Besetzung in Betracht kommen. Sie werden das Hundertfache verdienen. Sie werden die Mode angeben, Sie werden in aller Munde, in allen Blättern, auf allen Säulen sein. Gerade jetzt, wo Sie durch eine glückliche Konstellation von Umständen bekannt geworden sind, ist der Moment dazu! Und man sollte ihn nutzen, ehe womöglich ein Rückschlag kommt.«

Agnes folgte voller Interesse. Man sah, wie alles, was er sagte, in ihr Gestalt annahm und zu leben begann. Ganz anders fühlte sie sich mit ihrem ganzen Wesen in diese Dinge hinein als es bei Helena der Fall gewesen war. Da hatte sie sich völlig aufgegeben und hatte alle Willenskraft aufgeboten, um eine andere zu werden; hier blieb sie sie selbst und brauchte sich keine Gewalt anzutun.

Und Brand, der aus Ueberzeugung und zu einem guten Zwecke sprach, endete:

»Agnes Holl wird nicht eine von den Vielen sein. Sie wird, wenn man sie nur einigermaßen geschickt managert, eine Klasse für sich sein, wie es in ihrer Art die Duse und die Destinn waren.«

Agnes war mit ihren Gedanken schon weiter.

»Machen Sie das gefälligst Carl klar!« platzte sie heraus; besann sich aber sofort und sagte: »Unsinn, das geht ja nicht! Dazu ist ja Carl nicht der Mann!«

Brand ließ kein Auge von ihr.

»Dann muß es eben ein anderer sein!« sagte er ruhig und bestimmt.

Agnes wandte sich zu ihm um und sah ihn an.

»Was?«

»Oder wollen Sie Ihrer Liebe zu Carl eine Karriere opfern, die nach meiner heiligen Ueberzeugung kaum alle zehn Jahre mal eine Frau macht?«

Agnes dachte nach.

»Wenn ich nun heute nicht zu Ihnen gekommen wäre?« fragte sie.

»Dann hätte Sie, wenn nicht der eigene Instinkt, wahrscheinlich früher oder später ein anderen diesen Weg gewiesen.«

»Und warum hat es unter den vielen Kritikern keiner getan?«

»Weil keiner Sie kennt, wie ich – und dann: ihre Aufgabe war es, Ihre Leistung als Helena zu beurteilen, nicht aber festzustellen, wozu Sie sonst etwa noch befähigt wären.«

»Nützen aber würde es mir auch da, wenn man wüßte, daß Carl und ich . . .«

»Zweifellos; das heißt für Reklamezwecke. In der Sache selbst kaum.«

»Das ist ja der reinste Ueberfall!« sagte Agnes und geriet, je länger sie darüber nachdachte, in um so größere Verwirrung.

»Was man dazu braucht! Und wie man da auftreten muß! – Der Schmuck! – Die Kleider! Das alles habe ich doch nun gesehen! So viel kann der Carl ja gar nicht zusammenschreiben.«

»Unmöglich kann er das!« bestätigte Brand. »Dazu gehört ein junger, eleganter Mann mit Namen und Beziehungen, dem es nichts ausmacht, Hunderttausende im Jahr zu opfern.«

»Sehr richtig!« sagte Agnes. »So ’n Mann aber muß erst geboren werden.«

»Der ist schon geboren!« erklärte Brand.

»Was heißt das?«

»Nun, Sie kennen doch den Baron Peter?«

»Estellas Freund?«

»Eben ihn.«

»Als ob der . . .« Sie besann sich und unterdrückte, was sie sagen wollte; aber Brand fuhr fort:

»Ich glaube schon.«

Agnes’ Mund zuckte nervös; sie sagte nichts, aber sie verglich sich im stillen mit Estella.

»Gefällt er Ihnen?« fragte Brand.

Agnes tat gleichgültig; sie zog die Schultern hoch. »Ich kenn ihn kaum. Und dann – wozu?«

»Er wäre der Gegebene! Wie es nur eine Agnes Holl gibt, so gibt es nur einen Baron Peter!« Er trat nahe an sie heran: »Nun, was, was bekomme ich von Ihnen, wenn ich das mache?«

Agnes beherrschte sich nicht länger; sie fiel Brand um den Hals und rief:

»Mach’s!«

Dann griff sie nach ihrem großen Muff und lief vergnügt aus dem Zimmer.

Der alte Brand ging in sein Arbeitszimmer zurück.

»Es hat lange gedauert,« sagte er, da er den Gedanken auf Peters Gesicht las.

»Fast eine halbe Stunde,« bestätigte Werner.

»Sie haben drei Glas Whisky-Soda auf dem Gewissen,« sagte Peter und wies vor sich auf den Tisch, auf dem eine Flasche Whisky, Soda und ein Paar Gläser standen.

»Ich habe mehr auf dem Gewissen als das,« erwiderte Brand und setzte sich Peter gegenüber an den Schreibtisch.

»Sagen Sie, Baron, also mit der Pforten ist es aus?«

»Ja! Ich bin heilsfroh. Das laute Gehabe und ihre Unnatur gingen mir längst auf die Nerven.«

»Ich begreif’s,« sagte Brand. »Aber wie steht’s mit der Nachfolge?«

»Schwach! – Ich habe doch keine Gelder.«

»Wie finden Sie Agnes Holl?«

»Das ist das famoseste, aber schwierigste Weib, das mir je begegnet ist.« Und nach einer Weile sagte er: »Oder kennen Sie sich bei der aus?«

»O ja! Eine Frau, die große Talente und eine große Zukunft hat; dabei weiß, was sie will, logisch denkt und handelt, vor allem individuell stark, also frei von jeder Unnatur ist, wodurch die meisten Frauen auf die Dauer unerträglich werden. Sie hat nur den Fehler, daß sie in falschen Händen ist.«

»Sie meinen bei Holten.«

»Ja! Sie braucht einen Menschen, der im Denken und Fühlen ebenso nüchtern ist wie sie selbst. Nun stellen Sie sich vor: Holten, der in den Wolken lebt, neben ihr – das ist ein Nonsens!«

Peter nickte.

»Ich habe es auch nie verstanden!« sagte er.

»Ihn schon. Er sieht das ja alles mit seinen Augen. Auf ihn wirkt die Jugend, die Urkraft, das Elementare. Das alles ist für ihn wie ein Stück unverfälschte, prächtige Natur.«

»Von anderen Wirkungen abgesehen,« meinte Peter lachend.

»Gewiß! Auch das spielt eine Rolle! Aber ich sage Ihnen, die beiden zerstören sich gegenseitig.«

»Das ist auch mein Eindruck,« bestätigte Werner.

»Schade um beide!« sagte der Alte.

»Können Sie denn da nicht ein Machtwort sprechen?« fragte Peter.

Brand sah Peter scharf an.

»Sagen Sie, Baron, glauben Sie nicht, daß diese Agnes eine Frau für Sie wäre?«

»Wat?« rief Peter, »für mich?«

»Ja! Ich bin der Ansicht!«

»Das is doch janich zu bezahlen.«

»Teuer ist sie. – Aber ich stelle Ihnen das Geld zur Verfügung.«

»Der Reichsgerichtsprozeß kann Jahre dauern,« mahnte Peter.

»Ich bin nicht ängstlich.«

Peter überlegte.

»Ich würde Ihnen den Vorschlag nicht machen,« sagte der Alte, »wenn ich nicht wüßte, daß Sie heute oder morgen doch wieder bei irgend so ’ner Talmigröße festsitzen.«

»Da können Sie drauf schwören – und daß ich da natürlich lieber das Zehnfache für eine Frau wie Agnes anlege, is klar. Und auf Holten brauch ich ja schließlich keine Rücksicht zu nehmen.«

»Sie können ihm gar keinen größeren Dienst erweisen.«

»Was? Will er sie los sein?«

»O nein! Er wird kreuzunglücklich sein. Aber für ihn und seine Dichtung ist es die Rettung.«

»Also tu’s!« ermunterte ihn Werner. »Spiele den Mäzen und Lebensretter in einer Person.«

»Gut!« sagte Peter lachend, »da allen damit geholfen ist!«

Er stand auf, ging zum Schreibtisch und sagte zu dem alten Brand: »Sie sind gerissen!«

»Wieso?« fragte der.

Peter grinste.

»Na, Holten ist doch Ihr bestes Pferd im Stall.«

»Er verspricht jedenfalls, es zu werden.«

»Also – und weil Sie fürchten, er könnte bei Agnes unter die Räder kommen, so sorgen Sie vor.«

»Ich nütze ihm damit so gut wie mir.«

»Jewiß!«

»Und rette außerdem seine Ehe.«

»Also gut!« sagte Peter. »Spielen wir beide die Wohltäter der Menschheit.« Er nahm den Hörer vom Telephon.

 

»Was tun Sie?« fragte der Alte.

»Ich opfere mich.«

»Ja – und?«

»Ich telephoniere!« Er blätterte im Telephonbuch. »Das ist doch das Erste.«

»Etwa an . . .?«

»Selbstredend! Oder dachten Sie etwa an Holten?«

»Dein Tempo ist gut!« sagte Werner.

»Ich glaube kaum, daß sie schon zu Hause ist,« sagte der Alte.

»Kennen Sie ihre Zeiteinteilung so genau?«

»Einigermaßen.«

»Hallo?« Er nannte die Nummer.

Werner war an seinen Vater herangetreten.

»Meinst du nicht, man müßte erst Carl verständigen?«

»Ausgeschlossen! Wenn er es erfährt, muß es fix und fertig und unlösbar sein!«

»Ein etwas radikales Heilverfahren.«

»Hier Baron Peter, ist das gnädige Fräulein zu sprechen? – Bitte! – Paßt auf!« sagte er zu Brands und schob sich einen Schreibblock heran, »ich schreib auf, was sie sagt.«

Der alte Brand und Peter beugten sich über den Tisch. Peter schrieb:

›Hallo!‹

»Grüß Gott, schöne Agnes!«

›Sind Sie’s, Peter?‹

»Ja Kind! – Also?«

›Ich habe keine Minute – Schneiderin – Proben – Stunde, wieder Probe; denk dir, seit zwei Tagen habe ich keine Zeit gehabt, an Carl zu schreiben.‹

»Das macht nichts.«

›So! – Wo er mir täglich ganze Bücher schreibt.‹

»Liest du die Bücher denn?«

›Frag nicht so dumm! Also was ist? Was willst du?‹

»Ich wollt’ dir nur mitteilen, daß ich mit Estella auseinander bin.«

›Gratuliere!‹

»Freut es dich?«

›Bin ich so schadenfroh?‹

»Ich meine, deinetwegen. Bedenke, die freie Zeit, die ich nun habe.«

›Ich habe keine.‹

»Auch nicht für mich?«

›Nein!‹

»Warum so kratzbürstig?«

›Ich hab dir schon mal jesagt: bei mir gibt’s nichts Halbes.‹

»Soo?«

›Entweder – oder.‹

»Was ist dir lieber?«

›Wie meinst du das?‹

»Entweder? oder? – Entscheide, bitte!«

›Du bist verrückt!‹

»Möglich; aber daran wirst du als kluge Frau dich doch nicht stoßen. Also überleg’s dir! Du hast die Wahl: entweder – oder, ganz oder gar nicht?«

›Soll das ein Antrag sein?‹

»Ja!«

›Du bist sehr frech.‹

»Wieso?«

›Ich finde das Überhaupt merkwürdig.‹

»Ich weiß es.«

›Hat etwa der alte Brand mit dir gesprochen?‹

Peter verzog das Gesicht.

»Ja! Mit dir etwa auch?«

›Ja!!‹

»Wann?«

›Eben – und wann mit dir?‹

»Auch eben.«

›Sonderbar!‹

»Das finde ich auch!«

Beide lachten laut auf.

›Na und?‹

»Was heißt: und?« fragte Peter. »Mir leuchtet das ein.«

›Mir auch!‹

»Na also!« rief Peter vergnügt.

›Du, das ist großartig! Wann kommst du also?‹

»Ich denke, du bist besetzt? Hast Probe, Stunde, Schneiderin?«

›Das Geschäft geht vor,‹ – sie sagte es lachend.

»Top. in zehn Minuten!«

›Ich freue mich!‹

»Ich auch!« – Er hing den Hörer an und sagte: »Das Mädel gefällt mir.«

»Und ihr mir alle beide,« sagte der Alte, reichte ihm die Hand übers Pult, drückte sie und sagte:

»Ich gratuliere!«

»Danke!« erwiderte Peter.

Auch Werner gab ihm die Hand und sagte:

»Sehr fremd scheint ihr euch übrigens nicht gegenübergestanden zu haben!«

Peter tat, als verstand er nicht, verabschiedete sich und ging.

»Der arme Carl!« sagte Werner, als er draußen war.

»Ich habe ihm einen großen Dienst erwiesen.«

»Zweifellos! – Aber wer bringt es ihm bei?«

»Fahr’ du zu ihm.«

Werner willigte ein.