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Frau Dirne

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Zweiundzwanzigstes Kapitel

Marianne, die in Begleitung Doktor Winters vor dem Untersuchungsrichter erschien, um auf Ännes Drängen hin ihre Aussage zu machen, erklärte:

»Ich kann es nur immer wiederholen: ich habe weder ein Interesse an der Toten, noch will ich jemanden verdächtigen; ich glaube auch nicht, daß die Handschrift gefälscht ist; es ist Frau Mathildes Hand. Ich sehe es deutlich und kann es nachfühlen, daß sie es geschrieben hat. Frau Mathilde hat viel geschrieben, besonders in letzter Zeit. Vielleicht ist es aus dem Zusammenhang gerissen; vielleicht ist es nur der winzige Teil eines Ganzen!«

»Wie meinen Sie das?« fragte der Richter, der ihr nur widerwillig folgte.

»Wie ich es sage!«

»Was verstehen Sie unter einem Ganzen?«

»Einen Brief  –  einen Roman  –  eine Novelle –«

»Sie verwechseln Frau Brückner mit Herrn von Erdt. Sie war Sängerin und hat weder einen Roman geschrieben noch eine Novelle.«

»Aber er.«

»Sie sagten doch selbst, es ist ihre Handschrift.«

»Die Handschrift ist etwas Äußerliches.«

»Inwiefern?«

»Es kann sein Geist sein.«

»Wir sind keine Spiritisten.«

»Was ist das?« fragte Marianne.

»Darüber lassen Sie sich anderswo belehren – Sie sehen nun jedenfalls ein, daß Sie sich und uns zwecklos bemüht haben.«

Marianne achtete nicht auf ihn; sie schloß die Augen und sagte:

»Irgendwo fehlt das Stück.«

Der Richter zog die Stirn in Falten, sah nach und fragte:

»Wie kommen Sie auf den Gedanken?«

»Das weiß ich nicht.«

»Sie träumen.«

Marianne schüttelte den Kopf und sagte:

»Nein!«

»Sie bringen mich da auf einen Gedanken – versprechen tue ich mir nichts davon; aber ich werde ihm nachgehen.«

Marianne stand auf und ging. Doktor Winter wartete auf dem Flur auf sie.

»Nun? Hast du etwas ausgerichtet?« fragte er sie.

»Einen Augenblick lang schien es mir, als wenn wir dasselbe dachten; aber ich glaube doch nicht, daß wir uns verstanden haben.«

»Man sollte sich nicht um Dinge kümmern, die einen nichts angehen. Man hat schließlich davon nur Unannehmlichkeiten und Scherereien.«

»Es liegt ja doch nicht an uns, was wir tun und denken; oder hast du die Kraft, dich gegen deine Gedanken zu wehren?«

»Das mußt du lernen«, erwiderte Winter. Marianne schüttelte den Kopf und sagte:

»Ich glaube nicht, daß ich das kann.«

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Die Baronin Waltner präsidierte die Vorstandsitzung der ›Neuf d'or‹. Nur Graf Scheeler fehlte. Frau Ina hielt eine kurze Gedächtnisrede auf Mathilde Brückner. Dr. von Erdt stützte den Kopf in beide Hände und tat bewegt. Nelly Brückner zog das Spitzentuch hervor und weinte. – Das Programm für eine groß angelegte Trauerfeier wurde entworfen, an dem alle Mitglieder und auch die Mädchen teilnehmen sollten. Das künstlerische Niveau sollte die Gewähr geben – und darauf kam es Frau Ina an –, daß die Presse gezwungen war, von der Feier Notiz zu nehmen.

Auch die Eheschließung des reichen und geachteten Doktors Winter mit Marianne sollte für die Zwecke des Vereins benutzt werden. Es war der erste große, sichtbare Erfolg. Ein Fest, das Willkommen und Abschied zugleich ausdrückte, wurde geplant und Frau Ina beauftragt, das Einverständnis Doktor Winters hierfür zu erbitten.

Der Professor äußerte gerade Bedenken und meinte, daß der Abschied so geräuschlos wie nur möglich erfolgen müsse; es sei in einem Falle wie diesem unklug, taktlos und bedenklich, an dem zu rühren, was hinter einem liege; vielmehr müsse man in der Erinnerung der Scheidenden alles hier Erlebte auszulöschen suchen.

Frau Ina widersprach.

Wie man die Genesung von einer teuflischen Krankheit feiert, so könne man auch den Abschied aus der ›Neuf d'or‹ als den Tag der Genesung feiern. Ja, mit noch größerer Berechtigung; denn es sei mehr als das, es sei die Wiedergeburt eines von der Mitwelt aufgegebenen Menschen.

Zu einer weiteren Diskussion hierüber kam es nicht. Unangemeldet und ohne anzuklopfen erschien ein Herr mit einem Aktenbündel unter dem Arm und sagte:

»Ich muß Sie unterbrechen.«

»Wer sind Sie?« fragte Frau Ina.

Er breitete auf dem Tisch ein Manuskript aus, wandte sich an von Erdt und sagte:

»Ich habe hier Ihren Roman: ›Das tote Herz‹.«

Von Erdt sprang auf.

»Bleiben Sie sitzen!« befahl der Herr und fuhr fort:

»Sie haben die ersten hundert Seiten selbst geschrieben; von Seite 104 an haben Sie den Roman Ihrer Frau in die Hand diktiert. Geben Sie das zu?«

Von Erdt schwieg.

»Auf Seite 125 fehlt ein Stück! – Sie wissen das?«

Von Erdt war kreidebleich und schwieg.

Der Herr fuhr fort:

»Es ist dasselbe Stück, das in der Hand der toten Frau Mathilde Brückner gefunden wurde.«

Irgendwer sagte halblaut:

»Mord.«

Und Frau Olga rief laut:

»Dann sind wir alle erledigt.«

Auf einen Wink hin folgte von Erdt dem Herrn zur Tür. Nelly saß unbeweglich, wachsbleich und sah nicht auf.

Als die beiden draußen waren, sagte der Professor:

»Ich gehe jede Wette mit Ihnen ein, daß wir innerhalb einer Woche auch nicht ein Mitglied mehr haben.«

»Und das erste, was folgt, wird sein,« meinte Frau Olga, »daß man die Geschäftsbücher beschlagnahmt.«

»Das fehlt uns!« rief Frau Ina.

»Und den Betrieb hier schließt!« ergänzte der Professor.

»Mit einem Wort,« gestand die Baronin Waltner, »wir alle sind ruiniert, und der ganze Aufwand war zwecklos.«

»Retten wir, was zu retten ist«, sagte Frau Mira, ohne sich etwas Besonderes dabei zu denken. Frau Ina stimmte ihr bei und sagte:

»Sie haben recht! Für die Welt erledigt sind wir auf alle Fälle. Was vielleicht zu retten geht, ist das Geschäft.«

»Pfui!« sagte der Professor.

»Sie haben gut reden,« erwiderte die Baronin. »Sie bleiben, wer Sie sind. Aber wir!«

»Wir haben es begonnen, Mama, und wußten von vornherein, es war ein Wagnis! Es ist mißglückt. Nicht durch unsere Schuld. Aber wir müssen die Folgen tragen. Und wir wollen es tun. Aber nicht halb! – ganz !!«

»Was willst du tun?« fragte die Baronin.

»Was zu tun allein noch übrigbleibt.«

»Nämlich?«

»Den Verein auf der Stelle auflösen, mit der Begründung, daß er durch die Würdelosigkeit eines seiner Mitglieder seine Existenzberechtigung verloren hat. Wer sein Mitgliedsgeld zurückhaben will, den fordern wir auf, es zu sagen.«

»Wovon sollen wir es zurückbezahlen!« fragte die Baronin, und Frau Ina fiel ihr ins Wort und sagte:

»Niemand wird es verlangen; denn wir werden über die zurückgezahlten Beträge öffentlich Rechnung legen. Jeder wird den Wunsch haben, ungenannt zu bleiben. Das bleibt er aber nur, wenn er verzichtet.«

»Ich bewundre Sie immer mehr«, sagte der Professor.

»Mit dieser Bereitwilligkeit«, erklärte Frau Ina, »fällt dann jeder Grund für ein behördliches Einschreiten fort. – Das Unternehmen wird wieder, was es vorher war: ein Bordell! – weiter nichts!«

»Ja, und du?« fragte die Baronin; »was tust du?«

»Ich bleibe!«

»Wo?«

»Hier!«

»Als was?«

»Als Nachfolgerin der Frau Löschner, die ich – wenn wir endlich aufhören, uns selbst zu belügen – ja von Anfang an war.«

»Ina!« rief die Baronin entsetzt.

»Für draußen sind wir ja doch erledigt.«

»Und der Graf?«

»Der verbringt irgendwo mit Änne seine Flitterwochen.«

»Der Undankbare!«

»Er wird es schwerer haben, als wir«, sagte Frau Ina.

»Schwerer als ich kann es niemand haben«, jammerte Nelly und sah verzweifelt die Baronin an.

»Ich kann Ihnen nicht helfen«, sagte die.

Frau Ina dachte an die Lücken, die Ännes und Mariannes Fortgang riß, und sagte:

»Bleiben Sie!«

Nelly war verdutzt, dann überlegte sie einen Augenblick, senkte den Kopf und sagte:

»Es ist wohl das einzige, was mir übrigbleibt.«

»Und wie steht es mit Ihrer Scheidung?« wandte sich Frau Ina an Mira.

»Ich habe mich für die ›Neuf d'or‹ aufgeopfert. Jetzt wird mir aus jedem Fall ein Strick gedreht. Das Gericht erklärt mich für den alleinschuldigen Teil und befreit meinen Mann von jeder Alimentationspflicht. Mir bleibt nichts anderes übrig, als mich aufzuhängen.«

»Wie wäre es, wenn Sie sich hier zuvor noch etwas auslebten?« fragte Frau Ina.

Mira überlegte nicht lange.

»Sie haben recht!« sagte sie. »Sich umzubringen hat man immer noch Zeit.«

Frau Ina streckte ihr die Hand hin. Mira schlug ein und sagte:

»Abgemacht!«

Der Professor wandte sich an Frau Olga und ihren Mann.

»Dann bleiben ja nur wir drei noch übrig«, sagte er.

»Machen Sie sich um uns keine Sorgen.« erwiderte Frau Olga. »Wir haben vorgebeugt.«

»Inwiefern?« fragte Frau Ina.

»Wir machen uns selbständig. Und zwar in Ihrer nächsten Nähe.«

»Ich fürchte Ihre Konkurrenz nicht«, erwiderte Frau Ina. Der Baronin war es, als ähnelte die Stimme ihrer Tochter plötzlich der Stimme der alten Löschner am Tage, da sie zum ersten Male die ›Neuf d'or‹ betraten.

In diesem Moment ging die Tür auf; Stanislaus Katz stürzte ins Zimmer.

»Ist es wahr?« rief er erregt. Und ehe noch jemand eine Antwort gab, fragte er:

»Was soll nun werden?«

»Was du dir von Anfang an gewünscht hast«, erwiderte Frau Ina.

Er sperrte den Mund weit auf und sah sie an.

»Du hast dein Spiel gewonnen,« sagte sie. »Ich bin bereit!«

Jetzt erst riß er sich den Hut vom Kopf, stürzte auf sie zu und ergriff ihre Hand.

Sie stand an den Tisch gelehnt, schloß die Augen und sagte:

»Und die ›Neuf d'or‹ bringe ich dir mit in die Ehe.«

Epilog

Einmal noch, nach Wochen, trieb die Neugier den Professor in die Gasse. Die ›Neuf d'or‹ war hell erleuchtet. Der Professor blieb stehen. Die Erinnerung hielt ihn fest. Im selben Augenblick öffnete sich auch schon die Tür, und auf der Schwelle stand der hellhörige Anton Drexler, dem der Kaiser-Wilhelm-Bart wieder zu wachsen begann.

 

Der Professor wandte sich blitzartig um und ging auf die andere Seite.

»Jehen Se nich da rin in die Spelunke!« rief ihm Drexler zu, der ihn nicht erkannte.

Aber der Professor stand schon vor dem Hause auf der anderen Seite. Über dem Portal prangte als Wappen ein Riesenpapagei. Dunkel stieg eben die Erinnerung in dem Professor auf, als das Portal von innen geöffnet wurde. In der Tür stand in blauem Frack und gelber Hose Frau Olgas Mann, verbeugte sich und sagte:

»Bitte treten Sie näher!«

Da schob sich der beleibte Professor den Stock unter den Arm und begann zu laufen. Aus allen Haustüren schollen ihm Kose- und Schimpfworte entgegen. Und als er eine Stunde später bei seinem Schoppen Wein saß, sagte er zu seinen Freunden:

»Ich könnte euch eine Geschichte erzählen, – toll! toll!!, aber ihr würdet sie mir nicht glauben. – Und darum schweig' ich.«