Za darmo

Francisco Pizarro

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

XXVII

Die Belagerung von Lima ward bald wieder aufgegeben, weil sie aussichtslos war. Man kann eine Stadt am Meere ohne Flotte nicht aushungern. Obendrein begünstigte die weite Ebene die Reiterei. Kurzum, nach mehreren tüchtigen Schlappen zogen sich die Peruaner in die Sierra zurück.

Francisco Pizarro versuchte nun die Verbindung mit seinem Bruder Hernando herzustellen. Viermal im Laufe der Monate April bis Juli 1536 sandte er starke Abteilungen unter seinen besten Offizieren aus. Die Indianer ließen sie in das Bergland, um sie dann zu überfallen. Die ersten beiden Expeditionen kamen bis auf den letzten Mann um. Aber auch die späteren mußten unter großen Verlusten umkehren. Während des Aufstandes sind im Ganzen 700 Spanier umgekommen; allein bei den Versuchen, Kuzko zu entsetzen, 470 Mann.

Der Statthalter war ratlos. Er sandte eine Karavelle nach Truxillo mit der Aufforderung, diese Ansiedlung aufzugeben und mit aller Habe nach Lima zu kommen. In Truxillo faßte man die Lage nicht so ernst auf; wahrscheinlich hatte auch hier die Belagerung nicht lange gewährt. Man kam nicht. In Lima war man sogar der Meinung, es sei das Beste, mit Mann und Maus nach Panamá zurückzukehren; Perú sei doch unrettbar verloren. Angesichts dieser so wenig zuversichtlichen und mutigen Haltung seiner Kolonisten und Soldaten (die tüchtigsten Teile seines Heeres waren in Kuzko und bei Almagro) wandte er sich brieflich an die Statthalter von Panamá, Nikaragua, Guatemala und Mexiko und bat dringend um Beistand. Sein Schreiben an Pedro de Alvarado vom 29. Juli 1536 ist erhalten.

Im August änderte sich unverhoffter Weise die ganze Lage. König Manko brach die Blockade ab, entließ den größeren Teil seines Heeres in die Heimat und beschränkte sich darauf, mit etwa 6000 Mann Kerntruppen eine feste Stellung südöstlich Kuzko einzunehmen. Den Stützpunkt der Stellung bildete eines der Kastelle an der Heeresstraße Kuzko-Arequiha. Es lag auf der Hochebene; nach Kuzko zu war die Burg uneinnehmbar, während das Gelände im Rücken, nach dem Yukay-Tal zu, weniger steil war und allmählich abfiel. Von da beobachtete man durch Patrouillen und Streifkorps die Hauptstadt und die ändern drei Zugangsstraßen.

Die Ursache dieser Maßnahmen lag in den Verpflegungsverhältnissen des Heeres und des Landes. Ehedem hatte man in den Kornhäusern des Reiches stattliche Vorräte. Durch den Bruderkrieg und durch das maßlose Wüsten der Spanier waren die Lebensmittel, auch die Herden, knapp geworden. Die Bestellung der Felder war unumgänglich.

Die Spanier in Kuzko atmeten auf. Hernando Pizarro entschloß sich sofort zu einem Gewaltstreich. Es galt, den Inka zu überraschen und wieder gefangen zu nehmen. Mit einem Trupp von etwa 80 Reitern und 120 Schützen brach Hernando eines Morgens in aller Frühe auf und rückte auf großem Umwege vom Yukay her gegen die Burg. Beim Morgengrauen brach man aus einer Schlucht hervor.

Pizarros Erwartung, die Besatzung läge noch im tiefsten Schlafe, erfüllte sich nicht. Ein Hagel von Geschossen aller Art empfing die Spanier. An eine Erstürmung des Kastells war nicht mehr zu denken. Noch einmal im Laufe des Tages versuchte man es. Sodann trat man den Rückzug ins Tal an. Gonzalo Pizarro mit den Reitern deckte ihn gegen die heftigen Verfolger. Nicht ohne Verluste gewannen die Spanier das jenseitige Ufer des Flusses. Erst nach Anbruch der Nacht erreichten sie das Tor der Stadt Kuzko.

XXVIII

Während all dieser bedeutsamen Ereignisse war das Expeditionskorps des Marschalls Almagro gen Chili marschiert, zunächst auf der Heeresstraße, die von Kuzko nach Süden führte. Dann war man linker Hand in einen Nebenweg abgeschwenkt. Dadurch geriet man in unwirtliche Gegend. Man kam durch Schluchten, Pässe, über schmale Steige, kurze Hochebenen, in tiefe Täler mit reißendem Wasser, Moränen, dichte Wälder, unter Sturm, Kälte, Gletscherluft, Höhensonne.

Man litt Hunger; man fror; man verzweifelte. Mit Mühe ging es vorwärts. In grausamster Weise zwang man die mitgenommenen Indianer sowie jeden Eingeborenen, dessen man habhaft ward, das Gepäck zu schleppen. Man band die Unglücklichen zu Dutzenden zusammen, damit sie nicht fortliefen. Zu Hunderten starben sie erschöpft und verhungert. Die Dorfer, Weiler und Hütten, an denen die Spanier vorüberkamen, brannten sie nieder. Wer nicht als Lastvieh mitgenommen wurde, ward niedergestochen. Als einmal drei Landsknechte vermißt wurden, mußten dreißig Häuptlinge den Feuertod erleiden.

Der genaue Weg der Expedition ist uns nicht bekannt. Nach wochenlangem Irrmarsche gelangte man in das Küstenland. Vermutlich drang man schließlich zwei, drei Tagesmärsche weit in die Wüste Atakama. Dann streikte die Soldateska, und Almagro kehrte mit dem Haupttrupp um. Nachweisbar ist er weiterhin nordwärts im Küstengebiet nach Arequipa marschiert; der Ort liegt 60 Leguas (350 km) südlich von Kuzko. Hier verweilte der Marschall längere Zeit, und hier erfuhr er vom Aufstande der Peruaner.

Eine kleine Abteilung ist, immer die Küste entlang, unter der Führung des tapferen und zähen Obristen Rodrigo de Orgonez bis zum Rio Maule, der Südgrenze des Inkareiches (unter dem 38. Breitengrade), vorgedrungen. Kulturstädte und Goldschätze fand Orgonez ebenso wenig wie Almagro. Damit stand sein Urteil über Chili fest: das war nicht das heißbegehrte Dorado!

Man hielt einen Kriegsrat ab. Almagros Offiziere wie auch die Ältesten der Mannschaft drangen auf sofortigen Rückmarsch nach Kuzko. Das sei die Hauptstadt der Chilianer! Allein seinem Sohne Diego sei er eine energische Tat schuldig. Der junge Almagro war damals sechszehn Jahre alt. Er war das Kind einer Indianerin aus Panamá. Almagro liebte ihn zärtlich.

Zunächst schickte der Marschall eine Gesandtschaft an den Inka Manko nach dessen Hauptquartier. Sie ward wohl aufgenommen, und der Fürst erklärte sich zu einer persönlichen Zusammenkunft mit Almagro in seinem Lustschlosse im Yukay-Tale bereit.

Dieser Bescheid traf den Marschall auf dem halben Wege Arequipa-Kuzko. Er marschierte weiter, bis Urkos, und begab sich von da mit einigen Offizieren und einem Trupp Reiter nach dem verabredeten Verhandlungsort.

Die Zusammenkunft mit dem Inka war inzwischen durch die Ereignisse unmöglich geworden. Hernando Pizarro hatte erfahren, daß Almagro im Begriff stand, Kuzko in seine Hand zu bekommen. Sofort begann er sich zu rüsten. Diese kriegerischen Bewegungen in der Hauptstadt machten den Inka stutzig. Höchstwahrscheinlich hatte Almagro die hochverräterische Absicht gehabt, sich mit ihm wider Hernando Pizarro zu verbinden, um diesen aus dem Wege zu räumen. Der Inka mißtraute ihm jedoch, und, ermuntert von seinen Offizieren, entschloß er sich zu einem Handstreich, ehe sich die beiden spanischen Heere vereinten. Mit etwa 5000 Mann (die Zahl steht nicht genau fest!) überfiel er die 500 Mann Almagros in Urkos. Ohne Erfolg. Er mußte sich in sein Kastell zurückziehen.

Nunmehr sandte Almagro einen seiner Offiziere zu Hernando Pizarro mit der Aufforderung, ihm als Kaiserlichen Statthalter Von Neu-Toledo (Chili) die zu seinem Machtbereiche gehörige Stadt Kuzko freizugeben. Der Abgesandte wies eine notarielle Abschrift der Kaiserlichen Verfügung vor, aus der ersichtlich war, daß Pizarros Reich 270 Leguas südlich des Rio de San Juan sein Ende habe. Kuzko läge außerhalb dieser Grenze.

In Wirklichkeit stand die Südgrenze von Neu-Kastilien (Perú) durchaus nicht einwandfrei fest. Eine genaue Messung war unmöglich. Nach der ungefähren Schätzung lag Kuzko im Grenzgebiet, noch innerhalb der scheidenden Linie. Die Schuld, eine so wichtige Grenze nicht klipp und klar festlegbar zu machen, trug der keinem Europäer unbekannte »grüne Tisch«. Almagro hätte aber gut getan, vorläufig nachzugeben, denn im Falle des Zweifels hat der ältere Besitzer nach uraltem Brauch immer den Vorrang.

Der alte Hitzkopf dachte nicht daran, sich klug und weise zu benehmen. Er glaubte im Rechte zu sein. Er wollte herrschen; wollte vor allem handeln, ehe ihm der verhaßte Francisco Pizarro in Person gegenüberstand. Das war sein Untergang!

Almagro bekam von den Behörden der Stadt zur Antwort, die Frage der Grenze werde einigen messungskundigen Lotsen in Lima vorgelegt. Deren Entscheidung solle gelten. Bis dahin müsse sich jede Partei geduldigen.

Daraufhin schlossen Hernando Pizarro und Almagro einen Waffenstillstand ab. Beide verpflichteten sich, ihre Truppen an Ort und Stelle zu belassen und sich jedweder feindseligen Handlung zu enthalten.

Inzwischen waren Regen und Kälte eingetreten. Almagros Truppen wurden mißvergnügt. Man munkelte, Hernando Pizarro verstärke die Befestigung von Kuzko. Auch traf die Nachricht ein, ein starkes Korps aus Lima unter dem Befehle des Hauptmanns Alonso de Alvarado (eines Vetters des berühmten Pedro aus dessen aufgelösten Perútruppen) sei im Anmarsch. Das sei Verrat!

Alvarado war tatsächlich auf dem Wege von Lima nach Kuzko, mit dem Auftrage des Statthalters, Hernandos Truppen gegen Inka Manko zu verstärken. Von Almagros Rückkehr war Francisco Pizarro beim Abgange dieses Offiziers noch nicht unterrichtet.

Der Marschall gab dem Drängen seines Heeres willig nach, war es doch sein innigster eigener Wunsch. In der finsteren stürmischen Nacht des 8. Aprils 1537 zog er in Kuzko ein, ohne auf Widerstand zu stoßen.

Er schlug sein Hauptquartier in der Hauptkirche auf, ließ alle Tore der Stadt durch starke Reiterpatrouillen besetzen und beauftragte den Obristen Rodrigo de Orgonez, die beiden Pizarros zu verhaften.

Orgonez drang mit fünfzig Mann zu Fuß in das Steinhaus am Großen Platze, das Hernando und Gonzalo Pizarro bewohnten. In der geräumigen Innenhalle des Palastes lag eine Wache von zwanzig Mann. An der Treppe enstand ein Handgemenge. Auf beiden Seiten fielen ein paar Landsknechte. Da man nicht vorwärtskam, ließ Orgonez das Holzdach mit Feuer bewerfen. Alsbald stand es in hellen Flammen. Die Balken begannen zu brennen. Da ergaben sich die Pizarros. Kaum hatten sie mit ihren Leuten das Haus verlassen, da stürzte das ganze Dach ein.

 

Die Pizarros sowie ein Dutzend ihrer Offiziere kamen ins Gefängnis. Im übrigen geschahen keine Gewalttaten. Zum Stadtkommandanten ernannte Almagro den Ritter Gabriel de Roja, einen Liebling Pizarros. Die bürgerlichen Behörden erkannten den Marschall wohl oder übel als Oberbefehlshaber von Kuzko an.

An Alonso de Alvarado ging unverzüglich ein Ordonnanzoffizier ab, mit einem Schreiben und der Aufforderung, dem Marschall als rechtmäßigem Generalissimus Gehorsam zu leisten. Alvarado lag mit seinen 500 Mann (Reitern und Fußvolk) seit etwa 10 bis 12 Wochen in Xauxa, also 400 km nordwestlich von Kuzko, 200 km östlich von Lima, im Gebirge. Warum er nicht weitermarschiert war, ist nicht bekannt. Da er als ein zuverlässiger und tüchtiger Offizier Pizarros zu gelten hat, muß er seinen bestimmten Grund gehabt haben. Vielleicht lautete sein Auftrag dahin, zunächst Xauxa zu entsetzen und zu schützen.

Als Almagros Abgesandter ihm die Aufforderung zur Rebellion überreichte, ließ er ihn auf der Stelle in Arrest legen und meldete den Vorfall dem Statthalter mit der Versicherung, daß er seinem Fahneneide treu bleibe. Almagro, ergrimmt über diesen Widerstand, unternahm sofort einen Zug wider Alvarado. Beim Ausmarsch ermahnte Orgonez den Marschall, den beiden gefangenen Brüdern Pizarro die Köpfe abschlagen zu lassen. »El muerto no mordia! (Ein Toter beißt nicht!)« meinte er nach dem alten spanischen Sprichworte.

Almagro wäre dem Rat herzlich gern gefolgt, wenn es sich auch um Francisco Pizarro gehandelt hätte. So aber sagte er sich: »Der Übrigbleibende wird mir umso gefährlicher!«

Er vermochte sich nicht zu entschließen und begnügte sich damit, die beiden Gefangenen in das beste Gewahrsam bringen zu lassen und strengste Bewachung anzuordnen.

Almagros und Alvarados Truppen stießen am Rio de Abancay zusammen. Durch die verräterische Haltung eines seiner Offiziere, des Ritters Pedro de Lerma, kam Alvarado in eine so mißliche Gefechtslage, daß er sich mit dem ihm treuen Teile seiner Leute ergeben mußte. Diese sogenannte Schlacht von Abancay spielte sich am Donnerstag den 12. Juli 1537 ab.

Inzwischen hatte Francisco Pizarfo in Lima mancherlei Zufuhr erhalten. Der bereits mehrfach erwähnte Lizentiat Gaspar de Espinosa war mit 250 Mann aus Panama herbeigekommen. Ferdinand Cortes, der Statthalter von Mexiko, sandte eine Karavelle mit allerlei Vorrat, Munition, Kleidern. Das Gleiche schickte der Statthalter von Tierra firme.

Jetzt sah sich Pizarro im Stande, mit 450 Mann (darunter 200 Reiter) einen Zug nach Kuzko anzutreten. Er führte ihn persönlich. Da erfuhr er die Rückkehr Almagros, die Gefangennahme seiner Brüder Hernando und Gonzalo, sowie das Mißgeschick Alvarados. Sofort kehrte er nach Lima zurück, unter der Annahme, daß Almagro auf Lima marschieren werde.

Er machte die Stadt verteidigungsfähig und sandte den Lizentiaten Espinosa, auf den er sich unbedingt verlassen konnte, mit mehreren Offizieren nach Kuzko. Die beiden Genossen waren sich darin einig, daß ein Krieg von Spaniern gegen Spanier in jedem Falle unvorteilhaft für den Statthalter sei und ihm am Kaiserlichen Hofe auf das Übelste ausgelegt werden müsse. Besser war es, den Almagro durch List und Hinterlist zu beseitigen. Er sei zweifellos ein Rebell; somit wären alle Mittel heilig.

Die erste Aussprache zwischen dem derben, anmaßend gewordenen Haudegen und dem klugen verschlagenen Rechtsgelehrten verlief ergebnislos. Der Marschall behauptete, nicht nur Kuzko, auch Lima gehöre in seinen Machtbereich. Von irgendwelchem Verzicht seinerseits könne keine Rede sein.

Der Lizentiat stellte ihm bei der weiteren Verhandlung in beredter Weise vor: bis zur endgültigen Grenzfestsetzung durch eine Kaiserliche Kommission müsse allein die Weltklugheit beiden Gegnern die größte Nachgiebigkeit gebieten. Almagros Forderungen seien ebenso maßlos wie zweifelhaft. Der Marschall erwiderte, wenn er vielleicht auf Lima verzichte: Kuzko gäbe er nie und nimmer heraus!

Da brach Espinosa die Unterredung ab, indem er gelassen meinte: »El vencido vendico, y el vencidor perdido! (Der Besiegte ist besiegt, aber der Sieger verloren!)« Wahrscheinlich hätte Espinosa einen dritten Versuch gemacht, aber ein merkwürdiger Zufall fügte es, daß er eines plötzlichen Todes starb.

Immerhin mäßigte sich Almagro. Ohne es in Worten kundzugeben, verzichtete er auf Kuzko, und beschloß zugleich, sich innerhalb seiner unbestrittenen Grenze eine neue Hauptstadt nahe dem Meere zu gründen. Es kam lediglich Arequipa in Frage, in mittlerer Höhe (2325 m) unter dem 16. Breitengrade, in gesündester Lage, am Fuße des Misti (5686 m), eines noch tätigen Vulkans, heute die zweitgrößte Stadt von Peru. Es liegt 100 km vom Meere entfernt. Wäre Almagro Diplomat gewesen, und dies mußte er als Statthalter sein, so hätte er seinen Gegner überzeugen sollen, daß er neue Wege betrat.

Ehe er seinen zweiten Zug nach Chili begann, sandte er den Obristen Orgonez gegen Inka Manko. Dieser zog sich sofort aus dem Yukay-Tale in die Sierra zurück. Der Spanier verfolgte ihn und sein kleines Heer. Da entließ er es und suchte, begleitet von seiner Lieblingsfrau und drei, vier getreuen Dienern, in einem abgelegenen Gebirgsgutshofe eine Zuflucht.

Immer wieder rieten Almagros Parteigänger, die beiden Pizarros zu beseitigen. Dem im Grunde gutmütigen Marschall graute es vor den Folgen. Überdies hatte Hernando Pizarro einen Fürsprecher und Freund in Diego de Alvarado gefunden, dem Bruder des berühmten Pedro, mit dem er, wie erwähnt, 1534 nach Peru gekommen war. Diego hatte dann am ersten Zug nach Chili teilgenommen. Die Chronisten rühmen ihn als echten Edelmann.

Oft besuchte er Hernando im Gefängnisse, spielte und zechte mit ihm, und eines Abends verlor er an ihn 80000 Kastilianer. Als er dem Gewinner andern Tags eine regelrechte Schuldverschreibung und einen Teil des Goldes überbrachte, zerriß dieser die Urkunde und lehnte das Gold ab, indem er lachend versicherte, er schätze zur Zeit nur das Gold der Freiheit. Diego de Alvarado rechnete ihm diesen großmütigen und insgeheim überaus klugen Verzicht hoch an. Als der Marschall von Kuzko aufbrach, ging natürlich auch Diego mit, und er brachte es zuwege, daß Hernando Pizarro die Expedition mitmachte.

Almagro gewann auf dem kürzesten Wege die Küste, durch das liebliche Tal von Chincha. Die Gegend gefiel ihm dermaßen, daß er daselbst unweit des Gestades, 200 km südlicher denn Lima, eine Niederlassung gründete, die seinen Namen tragen sollte. Die Siedelung lag ähnlich wie Kuzko im Grenzgebiet, so daß zu erwarten war, daß Pizarro dies als neue Herausforderung ansehen werde. Während der ersten Arbeiten in Almagro traf die Meldung aus Kuzko ein, daß Gonzalo Pizarro und Alonso de Alvarado mit den übrigen gefangenen Offizieren aus ihrem Gefängnisse entflohen waren. Bald darauf erfuhr man, daß die Flüchtlinge glücklich in Lima beim Marques Pizarro eingetroffen waren.

Das war ein gefährlicher Schlag. Almagro wußte: Kein Pizarro vergißt ihm angetane Schmach! Gonzalos Rache war ihrn gewiß. Um so mehr erstaunt war er, als ihm Francisco Pizarro von neuem einen Vergleich anbot. Der Marschall, der seiner Natur nach nicht lange nachtrug, ahnte den untilgbaren tiefen Haß des Marques nicht.

Nach einem kurzen Briefwechsel beschloß man, die Entscheidung des Streites dem Frater Francisco de Bovadilla zu überlassen. Das war ein Mönch, der sich des Rufes der Rechtlichkeit und Unparteilichkeit auf beiden Seiten erfreute. Nach dieser Abmachung trafen sich Pizarro und Almagro persönlich am 13. November 1537 in Mala, einem Orte an der Küste zwischen Lima und Chincha.

Als der Marschall den Saal betrat, in dem der Marques bereits im Kreise seiner ersten Offiziere stand, zog er seine Mütze und begrüßte den alten Waffengefährten in seiner gewohnten biederen Soldatenart. Francisco Pizarro erwiderte dieses ehrliche Zeichen der Wiederannäherung flüchtig und hochmütig. Im Tone des Generalissimus stellte er alsbald die Frage, warum Almagro entgegen der feierlichen Abmachung des Waffenstillstandes sich der Königsstadt bemächtigt und die Brüder und Unterführer des Kaiserlichen Stellvertreters und Statthalters gefangengesetzt habe. Almagro legte seinen Standpunkt dar, die Gründe seiner Erbitterung, seine Ansprüche, seine ihm vom Kaiser verbrieften Rechte. Rede und Gegenrede gingen in heftigen Wortwechsel über. Es ward gewitterschwül im Saale. Jeden Augenblick konnten die Degen blinken. Einer der anwesenden Offiziere glaubte den Marschall warnen zu müssen, indem er eine damals allbekannte Melodie vor sich hinpfiff:

 
Tiempo es el caballero,
Tiempo es de andar de aqui!
 

Da stürmte Almagro aus dem Hause, setzte sich auf sein Pferd und galoppierte nach Chincha zurück. Es ist überliefert, daß er nur durch diese rasche Tat der Gefangenschaft entgangen sei. Es habe ein Trupp Landsknechte den Befehl gehabt, ihn auf ein bestimmtes Zeichen zu verhaften. Man darf wohl annehmen, daß Pizarro wirklich diese Absicht gehabt hat. Er hätte damit Verrat mit Verrat vergolten.

Ungeachtet dieses Intermezzos entschied Francisco de Bovadilla, es habe unverzüglich eine Karavelle nach dem Rio de San Juan abzugehen mit einer Kommission von Lotsen, um den Breitengrad der Nordgrenze von Pizarros Reich genau auszumessen. Unter Hinzufügung der 270 Leguas (=1514 km) sei dann die Südgrenze zu ermitteln. Bis zur Verkündung des endgültigen Ergebnisses habe Almagro Kuzko herauszugeben. Ferner sei Hernando Pizarro sofort freizulassen, unter der Verpflichtung, daß er die Kolonie binnen sechs Wochen verlasse und sich nach Spanien einschiffe. Jedwede Feindseligkeit sei einzustellen. Francisco Pizarro wie Almagro sollten sich an unbestrittenen Orten aufhalten.

Pizarro erklärte sich mit dieser vorläufigen Entscheidung einverstanden; Almagros Leute (die Chilianer) äußerten Spott und Hohn. Pizarro nähme sich das Paradies von Kuzko, Almagro sei in die Hölle von Chili verwiesen. Noch wußte man nichts von den Bodenschätzen dieses herrlichen Landes! Man beschuldigte den Schiedsrichter, er sei ein Söldling des habsüchtigen Marques und forderte Hernandos Kopf. Mit Mühe beschwichtigte Diego de Alvarado die erregten Geister.

Aus Besorgnis um seinen Bruder bot Francisco Pizarro nochmals eine Unterhandlung an. Almagro ging darauf ein. Er sagte sich in seinem gesunden Menschenverstande, daß ihm aus dauernder Feindschaft mit einem so mächtigen Feinde nichts Gutes erwachsen könne.

Der neue Vergleich bestimmte, die endgültige Entscheidung in die Hand des Kaisers zu legen. Die Stadt Kuzko sei vorläufig Almagro zu belassen. Hernando Pizarro sei freizugeben; er habe die Kolonie binnen sechs Wochen zu verlassen.

Diese Abmachung war gerecht und billig, und es ist bedauerlich, daß Francisco Pizarro als Herr eines großen Gebietes, das koloniale Arbeit in Hülle und Fülle bot, sich nicht zu einem großmütigen Verzicht aufgeschwungen, sondern seinem persönlichen Rachebedürfnis weiterhin nachgehangen hat. Die große Idee der Spanischen Weltherrschaft leuchtete nicht in ihm. Hätte er im Kampfe mit seinem Temperament, bei jedwedem Zweifel über seine und Anderer Rechte allezeit diese Idee zur Schiedsrichterin gemacht, so hätte er all das Unheil der kommenden Jahre im Keim erdrückt.

Almagro erwies dem gefangenen Hernando die Ehre, ihn persönlich in seinem Kerker aufzusuchen, ihm seinen Degen wiedereinzuhändigen und ihm herzlich Glück zur Freiheit zu wünschen. Er hoffe (sagte er), daß alle ehemaligen Zwiste vergessen und begraben seien, und daß die alte Kameradschaft sie fortan wieder festverbünde.

Hernando erwiderte, nichts läge auch ihm mehr am Herzen. Sodann leistete er den Eid auf den ihm vorgelegten Vergleich, und Almagro führte ihn aus dem Gefängnisse in sein Quartier. Nach dem Abschiedsmahl, an dem die Offiziere des Stabes teilnahmen, ritt der Freigelassene nach Mala, wo Francisco Pizarro weilte. Der junge Diego de Almagro (damals achtzehn Jahre alt) gab ihm das Geleit. Der Marques begrüßte beide auf das freundlichste und erwies Almagros Sohn die ehrenvollste Aufmerksamkeit. Im Herzen brütete er dunkle Rache.

Kaum hatte Almagros Sohn samt seinen Begleitern Pizarros Lager verlassen, da versammelte der Marques seine Hauptleute und erklärte in einer alle Gemüter packenden Ansprache, der Tag der Vergeltung sei angebrochen. Indem er Almagros Absichten und Taten mit drastischen Worten schilderte, kennzeichnete er ihn als Rebellen wider Kaiser und Reich. Man müsse ihm das verräterische Handwerk legen. Eher habe Perú keinen Frieden und keine Ordnung. Alles sei bereit. Er selber sei zu alt und kriegsmüde. (Das war Diplomatie!) Daher lege er die Führung des Feldzugs in die Hände seines Bruders.

 

Hernando Pizarro wandte ein, er sei zu seinem Leidwesen durch den Vertrag verpflichtet, die Kolonie zu verlassen.

»Verträge mit Rebellen gelten nichts!« rief der Marques.

Im Einklang damit teilte der Statthalter dem Marschall kurz und bündig mit, er fordere ihn auf, seinen Anspruch auf Kuzko aufzugeben und innerhalb seines Gebietes zu verbleiben. Andernfalls habe Almagro alle Folgen auf sich zu nehmen.

Almagro lag gerade an einer alten galanten Krankheit, die ihn von Zeit zu Zeit schwer heimsuchte, darnieder. Körperlich und seelisch gebrochen, konnte er nicht daran denken, persönlich wider Pizarro in den Kampf zu ziehen. Er vermochte weder zu gehen noch zu reiten. So übertrug er dem erprobten treuen Roderigo von Orgonez das Kommando.

Während des Marsches auf Kuzko, den Almagro in einer Sänfte mitmachte, verschlimmerte sich sein Leiden dermaßen, daß er in Bilkas (nahe bei Huamanga) drei Wochen verbleiben mußte. Sein Heer zog ohne ihn weiter und nahm Kuzko gegen Ende März 1538 ein.

Zehn Tage später meldete man den Anmarsch des Hernando Pizarro mit dem Heere des Statthalters. Der Marques hatte, nach Überschreitung des Passes von Guaitara, einige Wochen in Ica gerastet, um seine Truppen auf das beste auszurüsten und vorzubereiten. Hernando bekam Instruktionen für alle nur möglichen Fälle. Sodann war Francisco Pizarro nach Lima zurückgekehrt.

Hernando marschierte über Nasca im Küstengebiet auf Umwegen, um Gebirgskämpfen aus dem Wege zu gehen. Bei seinem Nahen hielt Almagro einen Kriegsrat ab. Er selber neigte zu Verhandlungen. Ein Teil der Offiziere wollte es auf Belagerung und Verteidigung ankommen lassen. Die Stadt war gut in Stand. Orgonez widersprach.

»Es ist zu spät! Ihr habt Hernando Pizarro aus den Händen gelassen. Jetzt müßt ihr ihm im offenen Felde entgegentreten!«

Die Begründung dieser Meinung überzeugte schließlich die Anderen. Almagro entschloß sich zur Entscheidungsschlacht. Insgeheim bangte ihm davor. Die Krankheit lähmte seine soldatische Zuversicht.

Orgonez bezog eine Stellung bei Las Salinas, 5 km östlich von Kuzko. Sein Heer war rund 500 Mann stark, davon die Hälfte Reiter, Haken- und Bogenschützen hatte er wenig; hingegen 6 Feldgeschütze (Falkonette), die er in zwei Batterien auf den beiden Flügeln in Stellung gehen ließ. Sein Fußvolk war mit der langen Lanze ausgerüstet.

Es ist kaum möglich, sich ein getreues Bild der Schlacht von Las Salinas am Sonnabend den 6. April 1538 zu machen. Dazu müßte man das Gelände durch eigene Anschauung kennen. Die zeitgenössischen Berichte sind ungenau; die späteren laienhaft.

Es wird berichtet, die von Orgonez gewählte Stellung sei ungünstig gewesen, weil ihr Vorfeld (mit dem Fluß und einem Sumpfe) die volle Ansnutzung der Kavallerie gehindert habe.

Pizarros Heer entwickelte sich vom Lager aus, das am Abend vorher jenseits des kleinen Flusses errichtet worden war. Ebenso wie Orgonez stellte Hernando seine Pikeniere (etwa 400 Lanzenträger) in der Mitte auf, seine Reiter (deren er etwa 180 hatte) auf beiden Flügeln. Seine Hauptstärke lag in seinen Musketieren (etwa 120 Schützen). Artillerie hatte er keine. Es standen also 500 gegen 700 Mann, davon 250 gegen 180 Reiter. Pizarros Truppen waren sowohl an Zahl wie an körperlichem Zustand überlegen. Die Stimmung war auf der Seite der »Chilianer« stark erbittert, aber auf beiden Seiten war man sich bewußt, daß für beide Parteien alles auf dem Spiele stand.

Hernando führte das eine Reiter-Karree, Alvonso de Alvarado das andre; Gonzalo Pizarro das Fußvolk. Pedro de Valdivia (der spätere Held vom Arauco) die Büchsenschützen.

Der Kampf begann am Morgen nach einer Ansprache Pizarros, in der er insbesondre an die Überrumpelung von Kuzko und an die noch ungesühnte Schlappe von Abancay erinnerte. Seinen letzten Worten folgte der übliche dreimalige begeisterte Zuruf der Truppe. Sodann ward die Messe gelesen, ohne die kein Soldat ins Gefecht ging, mochte er sonst noch so gottlos sein.

Drei Stunden später war das Massenduell zu Ende. Gonzalo hatte es durch einen flotten Übergang seiner 90 Reiter eröffnet. Im Artilleriefeuer, das zu damaliger Zeit sehr schwerfällig von statten ging, gewann er das andre Ufer und ritt frontal an. Ihm folgte der tiefe Haufe der Pikeniere. Valdivia brachte seine Schützen geschickt auf einer seitlichen Anhöhe in Stellung und schoß auf den ihm nächsten Reitertrupp. Orgonez zog ihn zurück und vereinigte beide Reiterhaufen zu einem. Es entspann sich die übliche Ritterschlacht unter den Rufen: »El Rey y Almagro!« – »El Rey y Pizarro!«

Nach den alten Berichten, die gern übertreiben, soll es 150 Tote gegeben haben. Gleichwohl kann man annehmen, daß im Gefecht insgesamt vielleicht 50 gefallen und ebenso viele auf der Flucht niedergestochen worden sind. Der Schlacht sahen zahllose Indianer von den benachbarten Hügeln zu, auch viele der spanischen Ansiedler aus Kuzko, sogar Frauen.

Almagros Sänfte hielt nahe der Stellung seiner Truppen. Als er erkannte, daß ihm das Waffenglück untreu ward, setzte er sich auf ein Maultier und ritt unter großen Schmerzen nach der Burg von Kuzko.

Rodrigo de Orgonez jagte auf einen Ritter zu, den er für Hernando Pizarro hielt und stieß ihn mit seiner Lanze nieder. Einen zweiten brachte er auf die nämliche Weise zur Strecke. Einen dritten erlegte er mit dem Schwerte. Eben schrie er »Vittoria!« – da traf ihn eine Kettenkugel und drang ihm durch das Gitter des Visiers. Einen Augenblick verlor er das Bewußtsein. Das Pferd sank unter ihm tot zusammen. Als er sich von Sattel und Steigbügeln losmachte, überfiel ihn ein halbes Dutzend Landsknechte.

»Ist kein Ritter zur Stelle, dem ich meinen Degen gebe?« fragte er, da er sah, daß er der Übermacht verfallen war.

Einer der Angreifer, namens Fuentes, erklärte sich dafür; er erhielt das Schwert des Gefangenen, stieß ihm aber den Dolch tief in die Herzgegend. Die Andern schlugen ihm den Kopf ab und steckten ihn auf eine Lanze. Diese unedle Tat bezeugt, daß Zucht und ritterlicher Sinn im Heere Pizarros nicht, zum mindesten nicht mehr allenthalben walteten! Auch während der Verfolgung und der Plünderung in den Quartieren der Offiziere Almagros in Kuzko wurden reichlich viele Schandtaten begangen. Zum Beispiel ward der von siebzehn Wunden bedeckte Ritter Pedro de Lerma auf seinem Krankenlager von einem Landsknecht ermordet, den er ehedem einmal mit Fug und Recht dienstlich bestraft hatte.

Die Soldaten des Marschalls traten zumeist ohne weiteres in Pizarros Dienst; auch etliche Offiziere. Die meisten jedoch weigerten sich und blieben lieber in der Burg eingesperrt. Almagro war im Heere beliebt. Hernando fühlte sich vor den mehr als 1000 Landsknechten, die in Kuzko versammelt waren, nicht so recht behaglich. Sie kamen mit allerlei Forderungen, Wünschen, Plänen, und er wandte alle seine Beredsamkeit auf, um sie loszuwerden. Eine Anzahl von Offizieren und Leuten verließ die Stadt, so auch Diego de Almagro, der nach Lima gesandt wurde. Andre wandten sich nach Xauxa, Truxillo, San Miguel. Mancher auch machte sich auf, um in Spanien seine Tage behaglich zu beschließen.