Komtesse Mizzi oder Der Familientag

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Komtesse Mizzi oder Der Familientag
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Arthur Schnitzler

Komtesse Mizzi oder Der Familientag

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Komtesse Mizzi oder Der Familientag

Personen.

[Stücktext]

Impressum neobooks

Komtesse Mizzi oder Der Familientag

Personen.

Graf Arpad Pazmandy

Mizzi, seine Tochter

Egon Fürst Ravenstein

Lolo Langhuber

Philipp

Professor Windhofer

Wasner

Der Gärtner

Der Diener

[Stücktext]

Garten der gräflichen Villa. Hohes Gitter hinten. Tor ungefähr Mitte, etwas weiter nach rechts. Links vorn die Front der einstöckigen Villa, die einmal ein Jagdschlößchen war, vor 180 Jahren gebaut, vor 30 Jahren renoviert. Längs des erhöhten Parterres zieht eine nicht tiefe Terrasse, von der drei breite Stufen in den Garten führen. Von der Terrasse aus eine offene Glastür in den Salon. Der erste Stock hat einfache Fenster; über dem ersten Stock ein kleiner, blumengeschmückter Balkon, der zu einer Art von Mansarde gehört. Vor der Villa Rasenplatz mit Blumenbeeten. Rechts vorn, unter einem Baum, Gartenbank, Tischchen, Sessel.

Graf älterer Herr mit grauem Schnurrbart, noch sehr gut aussehend, in Haltung und Gebaren der gewesene Offizier, in Reitanzug, Reitgerte in der Hand, von rechts. Diener mit ihm.

DIENER. Um wie viel Uhr befehlen heute gräfliche Gnaden das Essen?

GRAF er spricht den ungarisch-deutschen Offziersjargon. Zündet sich eben eine große Zigarre an. Um zwei.

DIENER. Und um wie viel Uhr soll eingespannt sein, gräfliche Gnaden?

KOMTESSE erscheint auf dem Balkon, Palette und Pinsel in der Hand. Sie ruft hinunter. Guten Morgen, Papa.

GRAF. Grüß' dich Gott, Mizzi.

KOMTESSE. Hast mich wieder einmal allein frühstücken lassen, Papa. Wo bist du denn gewesen?

GRAF. Ziemlich weit. Bin über Mauer und Rodaun hinausgeritten. Es ist wunderschön heut. Was machst denn du? Schon bei der Arbeit? Wird man bald wieder was anschauen dürfen?

KOMTESSE. O ja, Papa; aber es sind wieder nichts als Blumen.

GRAF. Kommt heute nicht der Professor zu dir?

KOMTESSE. Ja, aber erst gegen eins.

GRAF. Na, laß dich nicht stören.

KOMTESSE wirft ihm eine Kußhand zu und verschwindet in der Mansarde.

GRAF zum Diener. Was wollen S' denn? Ah so, wegen dem Einspannen? Ich fahr' heut nicht mehr aus. Der Josef kann sich heut einen freien Tag machen. Oder warten S' einen Moment. Ruft hinauf. Du Mizzi ...

KOMTESSE erscheint auf dem Balkon.

GRAF. Entschuldige, daß ich dich noch einmal stör'. Brauchst du heut vielleicht den Wagen?

KOMTESSE. Nein, Papa, danke. Ich wüßt' nicht .... Dank' schön. Verschwindet wieder.

GRAF. Also bleibt's dabei, der Josef kann nachmittag machen, was er will. Sie ... und daß der Franz den Krampen ordentlich abreibt, wir sind heut ein bissel feurig gewesen ... alle zwei.

DIENER ab.

GRAF hat sich auf die Bank gesetzt, nimmt eine Zeitung, die auf dem Tisch liegt, und liest.

GÄRTNER kommt. Guten Morgen, gräfliche Gnaden.

GRAF. Guten Morgen, Peter. Was gibt's denn?

GÄRTNER. Wenn gräfliche Gnaden erlauben, die Teerosen hab' ich grad abgeschnitten.

GRAF. Ja warum denn so viel?

GÄRTNER. Der Strauch ist ganz voll. Es wär' kaum ratsam, gräfliche Gnaden, wenn wir sie länger am Stock ließen. Wenn gräfliche Gnaden vielleicht eine Verwendung hätten ...

GRAF. Hab' keine Verwendung. Na, was schaun S' denn? Ich fahr' heut nicht in die Stadt, ich brauch' kein Bukett. Stecken S' die Blumen einzeln in die Vasen und Gläser, die drin herumstehen. So wie's jetzt modern ist. Nimmt die Blumen in die Hand und riecht daran. Scheint nachzusinnen. Halt' da nicht ein Wagen?

GÄRTNER. Das sind die Rappen von Seiner Durchlaucht. Ich kenn' sie am Schritt.

GRAF. Also ich dank' Ihnen schön. Gibt ihm die Rosen zurück.

DER FÜRST tritt durch das Haupttor ein.

GRAF geht ihm entgegen.

GÄRTNER. Küss' die Hand, Durchlaucht.

FÜRST. Guten Morgen, Peter.

GÄRTNER ab rechts.

FÜRST in lichtem Sommeranzug, schlank, 55 Jahre, aber etwas jünger aussehend. Hat den leichten Diplomatenakzent eines Herrn, der ebensoviel Französisch spricht als Deutsch.

GRAF. Grüß' dich Gott, alter Freund. Wie geht's, wie steht's?

FÜRST. Danke. Prachtvolles Wetter heute.

GRAF offeriert ihm eine Riesenzigarre.

FÜRST. Danke, nicht vor Tisch. Eine von meinen Zigaretten, wenn du erlaubst. Nimmt eine Zigarette aus seiner Zigarrentasche und zündet sie an.

GRAF. Daß du dich wieder einmal um einen umschaust. Weißt du überhaupt, wie lang du nicht da warst? Drei Wochen.

FÜRST Blick zur Mansarde. Ist's wirklich schon so lang?

GRAF. Na was machst dich denn so rar?

FÜRST. Sei nicht bös'. Es ist ja wahr. Und heut komm' ich eigentlich nur dir adieu sagen.

GRAF. Wie, adieu?

FÜRST. Morgen fahr' ich nämlich fort.

GRAF. Du fährst fort? Wohin denn?

FÜRST. An die See. Und ihr ... habt ihr noch nichts vor?

GRAF. Ich hab' noch gar nicht drüber nachgedacht ... das Jahr.

FÜRST. Nun ja, ihr habt es hier heraußen so wunderschön ... der Riesenpark! Aber irgend wohin wirst du ja doch im Sommer reisen.

GRAF. Ich weiß noch nicht. Ist ja alles egal.

FÜRST. Was hast du denn?

GRAF. Lieber alter Freund, bergab geht's.

FÜRST. Wieso? Was sind das für komische Ausdrücke, Arpad? Was heißt das »bergab«?

GRAF. Alt wird man, Egon.

FÜRST. Ja. Aber man gewöhnt's.

GRAF. Was hast du zu reden, du bist um fünf Jahre jünger.

FÜRST. Um sechs. Aber fünfundfünfzig, das ist auch nicht mehr der Frühling des Lebens. Na – man findet sich drein.

GRAF. Du bist halt immer ein Psycholog gewesen, alter Freund.

FÜRST. Im übrigen, ich weiß wirklich nicht, was du willst. Schaust famos aus. Er setzt sich. Wieder Blick zur Mansarde auf, wie manchmal. Pause.

GRAF mit einem Entschluß. Weißt also das Neueste? Sie heirat'.

FÜRST. Wer heiratet?

GRAF. Was fragst du denn ... kannst dir's ja denken.

FÜRST. Ach so, ich habe nämlich geglaubt, die Mizzi. Na ja, es wär' doch ... Also die Lolo heiratet?

GRAF. Ja, die Lolo.

FÜRST. Aber das ist doch eigentlich nicht das »Neueste«.

GRAF. Wieso?

FÜRST. Das verspricht sie dir doch, oder droht sie dir, oder wie man sagen soll, seit mindestens drei Jahren.

GRAF. Seit drei? Du kannst ruhig sagen seit zehn. Oder seit achtzehn. Ja, wirklich. Überhaupt seit die Geschichte angefangen hat mit uns zwei. Es war ja immer eine fixe Idee von ihr. Wenn ein honetter Mensch kommt, der um meine Hand anhalt', so geh ich stante pede von der Bühne weg. Das war ihr zweites Wort. Du hast's doch selber auch ein paarmal von ihr gehört. Und jetzt ist er halt gekommen, der Erwartete ... und sie heirat'.

FÜRST. Na, wenn er nur ein honetter Mensch ist.

GRAF. Also Witze! Das ist deine Teilnahme in einem so ernsten Augenblick!

FÜRST. Na. Legt die Hand auf seinen Arm.

GRAF. Ja, ich versicher' dich, es ist ein ernster Augenblick. Keine Kleinigkeit, wenn man so beinah zwanzig Jahr mit einem Wesen quasi gelebt hat, die besten Jahre mit ihr verbracht, wirklich Freud und Leid geteilt mit ihr ... man hat schon überhaupt nicht mehr gedacht, es könnt' jemals aufhören ... und da kommt sie eines schönen Tags und sagt: »B'hüt di' Gott, mein Lieber, nächstens ist Hochzeit ...« Das ist schon eine verfluchte G'schicht'. Steht auf, geht hin und her. Und dabei kann ich ihr's nicht einmal übelnehmen. Weil ich's nämlich so gut versteh'. Was willst machen!

FÜRST. Du warst immer ein viel zu guter Kerl, Arpad.

GRAF. Was ist da gut? Warum soll ich's nicht verstehen? Achtunddreißig hat's bei ihr geschlagen. Und ihrem Beruf hat sie Valet gesagt. Also daß es ihr keinen Spaß macht, als pensionierte Ballettänzerin und als aktive Mätresse vom Grafen Pazmandy weiter zu existieren, der mit der Zeit natürlich auch ein alter Esel wird, das muß ihr doch jeder nachfühlen. Ich war ja darauf vorbereitet. Hab' ihr's gar nicht übel genommen, meiner Seel'.

FÜRST. Da seid ihr also in ganz guter Freundschaft geschieden?

GRAF. Natürlich. Sogar ein ganz fideler Abschied ist es gewesen. Meiner Seel'. Ich hab's ja im Anfang gar nicht gewußt, wie schwer's mir sein wird. Erst so allmählich bin ich zum Bewußtsein gekommen. Es ist schon eine ganz merkwürdige G'schicht' ...

FÜRST. Was ist denn dran so merkwürdig?

GRAF. Also daß ich dir erzähl': Wie ich von ihr da herausg'fahrn bin, zum letztenmal, in der vorigen Wochen bei der Nacht, da ist mir plötzlich, wie soll ich nur sagen ... ganz leicht ist mir zu Mut gewesen. Jetzt bist du ein freier Mann, hab' ich mir gedacht. Brauchst nicht jeden Abend, den Gott dir geschenkt hat, in die Mayerhofgassen zu fahren und mit der Lolo bei Tisch sitzen und plauschen oder auch nur zuhören. Es war ja manchmal wirklich fad zum Auswachsen. Und mitten in der Nacht wieder nach Haus fahren und gar noch am End' Rechenschaft ablegen, wenn's du einmal mit Bekannten im Kasino soupierst, oder mit deiner Tochter in die Oper gehst, oder in die Burg. Also was soll ich dir viel erzählen, geradezu montiert war ich beim Nachhausefahren. Hab' schon allerlei Pläne im Kopf gehabt ... o nicht, was du dir denkst ... nein, aber reisen, was ich schon längst hab' tun wollen, nach Afrika oder Indien, als ein freier Mann ... das heißt, ich hätt' mein Mäderl mitgenommen. Na ja, du lachst, weil ich noch immer Mäderl sag'.

 

FÜRST. Fällt mir gar nicht ein. Die Mizzi sieht wirklich noch aus wie ein junges Mädel. Wie ein ganz junges. Besonders mit dem Florentiner Strohhut neulich.

GRAF. Wie ein junges Mädel! Und dabei ist sie akkurat in einem Alter mit der Lolo. Na, du weißt ja! Alt werden wir, Egon. Alle. Ja, ja ... Und einsam. Aber wirklich, im Anfang hab' ich's nicht gemerkt. Es ist erst allmählich so über mich gekommen. Die ersten Tage nach dem Abschiedsfest war's noch nicht so schlimm. Erst vorgestern und gestern, wie die Stund' gekommen ist, wo ich sonst gewöhnlich in die Mayerhofgassen gefahren bin ... und jetzt, wie mir der Peter Rosen gebracht hat, für die Lolo selbstverständlich, da ist es mir so gewissermaßen klar geworden, daß ich zum zweitenmal in meinem Leben Witwer geworden bin. Ja, mein Lieber. Und jetzt ist es für immer. Jetzt kommt die Einsamkeit. Jetzt ist sie da.

FÜRST. Aber das ist ja lächerlich. Einsamkeit!

GRAF. Sei nicht bös', aber du verstehst das nicht. Du hast so ganz anders gelebt wie ich. Du hast dich doch in nichts mehr eingelassen, seit deine arme Frau gestorben ist vor zehn Jahren. In nichts Ernstes, mein' ich. Und hast nebstbei noch einen Beruf, gewissermaßen.

FÜRST. Wieso denn?

GRAF. Na, Herrenhausmitglied.

FÜRST. Na ja.

GRAF. Und zweimal wärst du ja beinah Minister geworden.

FÜRST. Beinah ...

GRAF. Wer weiß. Vielleicht erwischt's dich einmal wirklich. Und ich bin jetzt ganz fertig. Hab' mich vor drei Jahren sogar pensionieren lassen, ich Esel.

FÜRST lächelnd. Dafür bist du jetzt ein ganz freier Mann. Vollkommen frei. Die Welt steht dir offen.

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