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Aus Kroatien: Skizzen und Erzählungen

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Ein Stündchen später kam dieser Offizier mit dem Juratuš und fünfzig Soldaten, die Äxte und Beile trugen, zurück, und alle nahmen Aufstellung unter der tausendjährigen heiligen Linde.

Der Platz ringsum blieb menschenleer. Die Dörfler wurden vom Militär gewaltsam in den Häusern und Hütten festgehalten.

Ein Wink des Oberrichters. Ein militärischer Kommandoruf ertönte. Gleich darauf geschah etwas Unerhörtes nach südslavischen Begriffen: die uralte Linde wurde mit Axtschlägen mißhandelt.

Knatternde Beilhiebe gegen den Stamm der heiligen Linde. Dumpf, dröhnend, knatternd, prasselnd. Ein fast kindisches Tun am riesenhaften Baum; die schärfsten Eisen konnten die Rinde ritzen; nicht aber den Splint angreifen. Kaum kleine Splitter sprangen ab vom Stamm.

Zurufe des Oberrichters, dem die Vernichtungsarbeit zu langsam vor sich ging, reizten auf, erzwangen den kräftigeren Angriff.

Die Schneide einer Axt wurde schräg angesetzt; mit wuchtigen Hieben trieben die Soldaten die Rücken anderer Beile tiefer in den Splint; ein Dutzend Hände drängte den Axtstiel seitlich, so daß der Axtkopf klaffend Bresche riß, ein Stück Splint mit Rinde absprang. Unzählige Male wurde dieses mühsame Tun wiederholt, doch blieb der Erfolg gering bei dem ungeheuren Umfang dieses riesenhaften Baumes; so gering, daß beim Scheine mehrerer Lagerfeuer die Nacht hindurch an dem Vernichtungswerk gearbeitet wurde.

Bis spät in die Nacht hinein vertrieben sich die Richter, die Juratuši und die Offiziere die Zeit mit Kartenspiel und fleißigem Zechen, den – Sturz der heiligen Linde erwartend, dessen Zeugen die gewaltigen Herren sein wollten.

Den greisen Pfarrer konnte man händeringend am Fenster sehen….

Im Dorfe wußte man von der Zerstörungsarbeit nichts. Niemand durfte das Haus verlassen. Das Militär hielt scharfe Wacht….

Gegen Morgengrauen weckten dumpfes Getöse und ein markdurchdringender Schrei die Gerichtsherren am Zechtisch aus dem Schlummer: die riesige Linde war krachend niedergestürzt, ihr Stamm hatte im Sturz einen Soldaten erwischt und zermalmt. Gefällt und vernichtet das Heiligtum, das Wahrzeichen altslavischen Glaubens und Rechtes, die Linde als Versammlungsstätte und Symbol….

Wie ein rachegieriges Ungeheuer lag der Baumstamm auf der Leiche des zermalmten Soldaten. Alle Versuche, dieses Opfer frei zu bekommen, schlugen fehl.

Die Südslaven unter den bestürzten Soldaten jammerten, murrten, daß der von der Linde erschlagene Kamerad des Grabes in geweihter Erde auf lange Zeit entbehren müsse.

Den Offizieren wurde unbehaglich.

Der ob der Lindenvernichtung triumphierende Oberrichter wischte sich den Schlaf aus den weintrüben Augen und empfahl die Abtrennung der Beine vom Leichnam des zermalmten Soldaten. Die Beine sollte man im Friedhof begraben, dann können Leib und Kopf leichter – warten.

Mit schallendem Gelächter begrüßten die Juratuši diesen „Witz“ ihres obersten Vorgesetzten.

Ein Frühstück noch, das der Widum liefern mußte; dann fuhr die Gerichtskommission eilig von Krašić weg. Bis zur Mittagsstunde war auch die militärische Besatzung abmarschiert, so still, daß die Dörfler nur mählich ihre Befreiung merkten.

Als die der Linde benachbarten Hausbewohner das Zerstörungswerk gewahrten, verbreiteten sie heulend die Kunde im Dorf, so daß zum Abend die Bevölkerung weinend den heiligen Baum umstand, klagend in tiefster Trauer, wie um einen geliebten hervorragend edlen Menschen…. Kein Dörfler nahm auch nur ein Zweiglein von der Linde zum Gedenken heim. Der Baum blieb unberührt.

Still und wehmütig kehrten die Leute in ihre Häuser zurück.

So groß und niederschmetternd war der Eindruck der Vernichtung des Dorfheiligtums, daß Empörung und Rachegier nicht aufkommen konnten.

Mächtiger war der Schmerz….

Unter Leitung des stellvertretenden Starešina fand am Morgen eine Trauerversammlung unweit der gefällten Linde statt, und ruhig verhielten sich die Männer, solange der Vorsteher in Wehmut von der Vernichtung des Wahrzeichens sprach und die Leute von Krašić aufforderte, keinen Finger zur Fortschaffung des Baumes zu rühren. Es solle der Lindenbaum ein Zeuge des Unglückes von Krašić bleiben….

Die Köpfe der Männer gingen hoch, als der Starešina der Hoffnung Ausdruck gab, daß aus den Wurzeln der alten Linde ein neuer Baum, mit ihm die Gerechtigkeit ersprießen möge, das neue Recht zugunsten der gepeinigten Bauern.

Eine siebenköpfige Abordnung wurde gewählt, die zu Fuß nach Agram zog, den Banus um Gerechtigkeit und Bestrafung der Mörder von siebenundzwanzig Krašićern und der heiligen Linde zu bitten.

Unverrichteter Dinge kehrte die Abordnung zurück. Der Ban hatte die Leute nicht empfangen ihnen sagen lassen, daß eine strenge Untersuchung stattfinden werde.

Drei Monate warteten die Krašićer auf die „Gerechtigkeits“-Kommission – vergeblich. Es kam kein „Herr“ von Karlstadt, niemand von Agram. Bauern von weither in Massen, die entblößten Hauptes vor der gemordeten Linde standen und beteten.

Jahre hindurch blieb der vermodernde Riesenstamm unberührt als Zeuge jenes bitteren Ereignisses liegen. Die Krašićer rührten keinen Finger. Die Behörden erst recht nicht.

Tatsächlich sproß aus der Leiche der alten heiligen Linde ein neues Bäumchen hervor, das eine neue Zeit und mit ihr eine Regelung der Abgabenpflichten und der Rechte der Bauern brachte. Und als der Moder der alten Linde zerfallen, vom Meteorwasser verschwemmt, von den Winden verweht war, das Jungbäumchen erstarkte, erlosch der grimme Haß des kroatischen Bauers gegen jeden „Herrn“, das heißt gegen jeden Menschen, der nicht ständig Bauernkleidung trug.

Das ist die Geschichte der tausendjährigen Linde.