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Die Majoratsherren

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Gleich sprang Esther zu ihrer Mutter nach dem andern Laden, und diese brachte mit fröhlichem Antlitz den verlangten Stoff, als ob der Gewittervorhang mit einem Hauche fortgezogen worden wäre. Der Leutnant wollte viel abdingen; aber der Majoratsherr warf das Geld hin, was verlangt worden. Da gab ihm Esther einige Taler heraus, denn soviel betrüge ihr Vorschlag; darüber fing die Mutter wieder an zu wettern, aber diesmal ganz hebräisch. Als Esther wieder geduldig die Augen niederschlug, antwortete der Leutnant ihr auf Hebräisch, so daß die Alte, ganz erstaunt über seine seltene Fertigkeit, das Feld räumte und sich in ihr Schneckenhaus verkroch. Esther schien sich darüber noch mehr zu kränken als über den Schimpf, den sie erdulden müssen, und der Majoratsherr zog aus Schonung den Vetter, der schon Triumph ausrufen wollte, mit sich fort, indem er zugleich das seidene Zeug unter dem Arme selbst forttrug.

Als sie zu Hause, fragte er den Leutnant, woher er das Hebräische wisse? – „Das brauchte ich zu meinem Verkehr mit den Juden,“ antwortete er, „und was es mir kostet an Büchern und Lehrmeistern, hat es mir reichlich wieder eingebracht, denn ich konnte nun alle ihre Heimlichkeiten verstehen. Sehen Sie, Vetter, in dem Schranke sind lauter jüdische Sagenbücher und Beschreibung ihrer Sitten und Gebräuche. Wissen Sie, was die Alte zuletzt sagte? Sie freue sich darauf, wenn Esther stürbe, da würde es eine schöne Auktion geben! Wirklich ist sie auch aus dem Nachlasse ihres Vaters mit allen eleganten Möbeln versorgt, und die Leute erzählen, weil nun die feinen Herren nicht mehr, wie bei ihres Vaters Lebzeiten, zu ihr kommen, daß sie sich abends prächtig anputze und Tee mache, als ob sie Gesellschaft sehe, und dabei in allen Sprachen rede.“ – Aber der Majoratsherr hörte wenig mehr darauf, denn er war mit ganzer Seele über die Sagenbücher hergefallen.

Der Leutnant wünschte ihm gute Nacht, und kaum hatte er ihn verlassen, so sah der Majoratsherr beim Lesen der alten Bücher in seinem Zimmer alle Patriarchen und Propheten, alle Rabbinen und ihre wunderlichen Geschichten aus den Sagenbüchern hervorgehen, daß die Stube zu eng schien für die ungeheure Zahl. Aber der Todesengel schlug sie endlich alle mit seinen Flügeln hinweg, und er konnte sich nicht satt lesen an seiner Geschichte: „Lilis war die Mitgeschaffne Adams im Paradiese; aber er war zu scheu und sie zu keusch, und so gestanden sie einander nie ihr Gefühl, und da erschuf ihm der Herr im Drange seines Lebens ein Weib aus seiner Rippe, wie er es sich im Schlafe träumte. Aus Gram über diese Mitgenossin ihrer Liebe floh Lilis den Adam und übernahm nach dem Sündenfalle des ersten Menschen das Geschäft eines Todesengels, bedrohte die Kinder Edens schon in der Geburt mit Tod und umlauert sie bis zum letzten Augenblicke, wo sie den bittern Tropfen von ihrem Schwert ihnen in den Mund fallen lassen kann. Tod bringt der Tropfen, und Tod bringt das Wasser, in welchem der Todesengel sein Schwert abwäscht.“

Unruhig lief der Majoratsherr bei diesen Worten im Zimmer umher, dann sprach er heftig: „Jeder Mensch fängt die Welt an, und jeder endet sie. Auch ich liebte scheu und fromm eine keusche Lilis, sie war meine Mutter; in ihrer ungeteilten Liebe ruhte das Glück meiner Jugend. Esther ist meine Eva, sie entzieht mich ihr und gibt mich dem Tode hin!“ – Er hielt es nicht aus bei dem Anblick des Todesengels, den er immer hinter sich lauernd zu schauen glaubte; er eilte auf die Straße im Mantel verhüllt, um sich an dem Nachhall des Tages zu zerstreuen. Endlich setzte er sich ermüdet hinter das Fußgestell einer Bildsäule, die in der Nische eines hohen Hauses stand, und sah den eiligen Läufern zu, die mit Fackelglanz einem rollenden Wagen vorleuchteten; die Lilis zog hinter ihm her. Jubelnde Gesellschaften zogen lärmend aus der Trinkstube nach Hause und klapperten noch mit den Nägeln gegen die Saiten, die sie so lange hatten schwingen lassen; aber auch ihnen zog der Todesengel nach und – blies sie an aus einem Nachtwächterhorn. Und es wurden der Todesengel so viele vor seinen Augen, daß sie zueinander traten und paarweis wie Liebende nebeneinander gingen in traulichen Gesprächen. Und er horchte ihnen zu, damit er wüßte, wie er zu Esther reden müsse, um ihr seine Liebe kund zu tun. Aber die Liebenden wurden von den Geschäftigen verdrängt, und er mochte nicht eher zuhören, bis ihm die Stimme der Vasthi auffiel, die mit einem alten Rabbiner vorüberging und ihm sagte:

„Was soll ich die Esther schonen; ist sie doch nicht das Kind meines Mannes, sondern ein angenommenes Christenkind, der er den größten Teil seines Geldes zugewendet hat.“ – „Sei Sie still,“ sagte der Rabbiner, „weiß Sie denn, wieviel der Mann mit dem Kinde bekommen hat?“ „Alles. Er hatte nichts und konnte damit anlegen großen Handel. Was kann das Mädchen dafür, daß ihm sein Geld ist gestohlen worden?“ – Hier kamen sie ihm aus dem Bereich seines scharfen Gehörs, er eilte ihnen nach, aber sie hatten sich schon in irgend ein Haus begeben. Auch hier war er, wie gewöhnlich, zu spät zu einem Entschluß gekommen, doch war ihm der Fingerzeig seltsam bedeutend und führte ihn sinnend hin in sein Haus.

Als er sich kaum ein paar Minuten ausgeruht hatte, hörte er einen Schuß, er sah zum Fenster hinaus, aber niemand schien es gehört zu haben. Beruhigt rückte er auf seine Warte am Fenster und wagte es, einen Fensterflügel zu öffnen, so daß er noch genauer, als die Nacht vorher, das Zimmer der, schönen Esther übersehen konnte. – Da hatte sich vieles verändert, die Kappen der Stühle waren abgenommen, und sie glänzten in weißem Atlas um einen prachtvollen Teetisch, auf welchem eine silberne Teemaschine dampfte. Esther schüttete wohlriechendes Wasser auf eine glühende Schippe, dann sprach sie in die Luft: „Nanni, es ist höchste Zeit, daß ich meine Locken mache, meine Gäste müssen bald kommen.“ Esther antwortete darauf mit veränderter Stimme: „Gnädiges Fräulein, es ist alles bereit.“ – Im Augenblicke des Worts stand eine zierliche Kammerjungfer vor Esther und half ihr die Locken ausziehen und ordnen. Dann reichte sie Esther den Spiegel, und diese klagte: „Gott, wie bin ich bleich! Hat es denn nicht Zeit mit dem Erbleichen, bis ich tot bin? Du sagst, ich soll mich schminken. Nein, dann gefalle ich dem Majoratsherrn nicht, denn er ist auch blaß wie ich, gut wie ich, unglücklich wie ich; wenn er nur heut käme, die Gesellschaft macht mir ohne ihn keine Freude.“ Nun war alles im Zimmer geordnet, und Esther, sehr elegant angezogen, legte einige schön gebundene englische Bücher aufs Sofa und begrüßte auch englisch das erste Nichts, dem sie in ihrer Gesellschaftskomödie die Tür öffnete. Kaum antwortete sie englisch in seinem Namen, so stand da ein langer, finsterer Engländer vor ihr, mit der Art Freiheit und Anstand, die sie damals vor allen Nationen in Europa auszeichnete. Mit solchen Luftbildern von Franzosen, Polen, Italienern, endlich auch mit einem kantischen Philosophen, einem deutschen Fürsten, der Roßhändler geworden, einem jungen aufgeklärten Theologen und einigen Edelleuten auf Reisen belebte sich der Teetisch. Sie war in einer unerschöpflichen Bewegung durch alle Sprachen. Es entspann sich ein Streit über die Angelegenheiten Frankreichs. Der Kantianer demonstrierte, aber der Franzose wütete. Sie suchte sehr gewandt die Streitenden auseinander zu halten und schüttete endlich, als ob sie angestoßen wäre, eine Tasse heißen Tee dem Kantianer auf die Unterkleider, um eine Diversion zu machen. Das gelang auch; es wurde entschuldigt, abgewischt, und sie versicherte, den Tritt des Majoratsherrn zu hören, eine neue Bekanntschaft, die sie erst jetzt gemacht, ein ausgezeichneter junger Mann, der Frankreich erst kürzlich verlassen habe und jene streitigen Fragen am besten beantworten könne. – Bei diesen Worten durchgriff eine kalte Hand den Majoratsherrn. Er fürchtete, sich selbst eintreten zu sehen; es war ihm, als ob er wie ein Handschuh im Herabziehen von sich selbst umgekehrt würde. Zu seiner Beruhigung sah er gar nichts auf dem Stuhle, den Esther ihm hinrückte, aber den andern Mitgliedern der eleganten Gesellschaft mußte sein Ansehen etwas Unheimliches haben, und während Esther zu ihm flüsterte, empfahlen sich diese, aber einer nach dem andern. Als alle sich entfernt hatten, sprach Esther lauter zu dem leeren Stuhle: „Sie haben mir in aller Kürze gesagt, ich sei nicht, was ich zu sein – scheine, und ich entgegne darauf, daß auch Sie nicht sind, was Sie scheinen.“ Darauf antwortete Esther, indem sie zum Staunen des aufhorchenden Majoratsherrn seine Stimme täuschend nachahmte: „Ich will mich erklären: Sie sind nicht die Tochter dessen, den die Welt Ihren Vater nennt, Sie sind ein geraubtes Christenkind, Ihren wahren Eltern, Ihrem wahren Glauben geraubt, und mein Entschluß, Sie dahin zurückzuführen, hat mich bestimmt, Ihnen meine Aufwartung zu machen. Erklären Sie sich mir jetzt auch deutlicher.“ – Esther: „Es sei. Ich bin Sie und Sie sind ich; sollte aber die Sache wieder in Ordnung gebracht werden, so zweifle ich, daß ich dabei gewinnen kann, Sie aber verlören unglaublich viel, und nur der schreckliche, rotnasige Vetter würde zu einer schwindelnden Höhe erhoben.“

Sie schwieg und flehte sich selbst mit der Stimme des Majoratsherrn an, weiter zu reden, denn eine Ähnlichkeit mit der geliebten Mutter enthüllte ihm nun halb das Geheimnis. – Dann fuhr sie fort: „Ist Ihnen denn der Eigensinn eines alten Majoratsherrn, der von seinem Vetter, dem Leutnant, mehrmals gekränkt worden, einem eignen Sohne die geliebten Reichtümer überlassen möchte, so geheimnisvoll? Nehmen Sie an, daß die Erfüllung dieser Hoffnung ihm nahe bevorstand, daß seine Frau in Wochen kommen sollte, daß ihn aber die Furcht quälte, die Geburt eines Mädchens könne alles vereiteln. Wenn diese oft geäußerte Furcht eine listige Hofdame benutzt, um ihm einen Knaben aufzuschwatzen, den sie eine Woche früher insgeheim geboren: bedarf es da mehr als einer oft bestochenen Hebamme, wenn nun die Furcht erfüllt wird, und ich statt eines Knaben geboren werde? Ich werde einem dienstbaren Juden überliefert, der, außer dem Vorteil, auch seiner Religion dadurch etwas zuzuwenden hofft. Haben Sie Nathan den Weisen gelesen?“ – Majoratsherr: „Nein!“ – Esther: „Nun gut, Sie werden der Mutter an die Brust gegeben, wie die Nachtigall auch Kuckuckseier ausbrütet, doch es versteht sich, ohne etwas Böses damit sagen zu wollen. Und daß ich dies alles weiß, danke ich der Sterbestunde meines Pflegevaters; er versicherte mir noch dabei, daß jenes Kapital, was er mir zurücklasse, mehr betrage, als was ich nach der Stiftung des Majorats fordern könne; er habe aber wohl das Dreifache vom alten Majoratsherrn empfangen, um das Geheimnis zu bewahren, es sei die Grundlage seines großen Handelsverkehrs geworden. Sie verstummen, Sie zweifeln, was zu tun sei? Sie verfluchen die Eitelkeit des männlichen Geschlechts, seinen Namen allein in Ansehen erhalten zu wollen? Aber was ist zu tun? Lassen Sie denn den alten, lächerlichen Vetter Ihres Reichtums mit froh werden, wie Sie schon jetzt getan; meine Bahn ist bald durchlaufen, und ich ertrage keinen großen Wechsel der Witterung. Aber Sie lieben mich, sagen Sie. Ach ich habe Ihre Augen beim ersten Anblick verstanden, aber unsre Liebe ist nicht von dieser Welt; diese Welt hat mich mit aller ihrer Torheit zerstört. Freund, nicht alle Männer meinten es mit mir so ehrlich wie Sie, und sie umstrickten mich mit jeder Eitelkeit des kindischen Verstandes. Scheiden wir für heute, denn es kostet mir viel Zeit, Ihnen zu sagen, daß ich Ihnen kein ganzes Herz mehr schenken kann; es brach, es ging in Stücken, und nur dort heilt sich der Riß.“ – Bei diesen Worten verfinsterte eine Tränenflut die Augen des Majoratsherrn. Als er aufblickte, lag Esther, nachdem sie das Nachtlicht ausgelöscht, in ihrem Hemdchen im Fenster und atmete heftig die kalte Nachtluft ein; dann ging sie zu Bette, und er setzte sich zu seinem Tagebuche, um alles Wunderbare, so treu er vermochte, aufzuzeichnen.

 

Gegen Mittag kam der Vetter, wie gewöhnlich, vor sein Bette und fragte ihn, ob er nicht endlich Lust habe, die Hofdame zu besuchen. Der Majoratsherr überraschte ihn mit einem vernehmlichen Ja, hätte aber gern hinzugefügt, daß er lieber allein den Besuch gemacht hätte. Er kleidete sich schnell an und machte sich mit dem Vetter auf den Weg, der sich darüber freute, daß sie jetzt gewiß noch allein sei. Wie sie sich dem Hause näherten, pochte dem Majoratsherrn das Herz. „Was ist das für ein schrecklich großer Menschenkasten dort,“ fragte er, „mit den Spiegelscheiben? In dieser Nische habe ich einmal nachts hinter der Statue in der Nische gesessen!“ – „Kennen Sie noch nicht Ihr eigenes Majoratshaus?“ fragte der Vetter, „da ließe es sich besser wohnen als in meinem kleinen Neste!“ – „Bewahre der Himmel,“ antwortete der Majoratsherr, „ich wollte, daß ich es nie gesehen hätte; die großen Steine scheinen mit Hunger und Kummer zusammengemauert.“ – „Freilich, der es baute, hat sich kaum satt zu essen gewagt, und Ihr Vater war nicht auf sonderliche Ausgaben eingerichtet, hat mir einmal, als ich knapp von einem Tage zum andern lebte, einen Prozeß gemacht, weil ich eine Schneiderrechnung, die er für mich ausgelegt, am festgesetzten Tage ihm nicht wieder gezahlt hatte.“ – „Gott, das ist hart,“ sagte der Majoratsherr, „das kann den Erben keinen Segen bringen!“

Unter solchen Gesprächen waren sie in das Vorzimmer der Hofdame getreten, die darum bitten ließ, daß die Herren eine halbe Stunde warten möchten, sie hätte noch einige Worte zu schreiben. Der Vetter sah an seiner Uhr, daß er nicht so lange warten könne, wegen seines regelmäßigen Spazierganges, und ließ den Majoratsherrn allein. Diesem ward sehr unheimlich in dem Zimmer. Der schreiende Laubfrosch auf der kleinen Leiter schien von einem fatalen Geiste beseelt; auch die Blumen in den Töpfen hatten kein recht unschuldiges Ansehen; aus dem Potpourri glaubte er ein Dutzend abgelebte Diplomaten heraufhorchen zu sehen. Aber mehr als alles quälte ihn der schwarze Pudel, obgleich sich dieser vor ihm zu fürchten schien; er hielt ihn für eine Inkarnation des Teufels. Als nun endlich die Hofdame wie ein chinesisches Feuerwerk mit dem steifen Wechsel ihrer Farben aus dem andern Zimmer hervortrat, da vergingen ihm fast die Sinne, denn ihm stand’s vor der Seele, daß die Abscheuliche seine Mutter sei. „Mutter,“ sagte er, und sah sie scharf an, „deinem Sohn ist sehr wehe!“ Er dachte, sie würde erschrecken, ihn für einen Toren erklären; aber sie setzte sich ruhig zu ihm und sagte: „Sohn, deiner Mutter ist sehr wohl.“ Sie wollte ihm ein emailliertes, großes Riechfläschchen reichen, aber er scheute sich davor und sagte: „Da sehe ich eine Seele eingesperrt!“ Sie legte es leise beiseite und sagte: „Wenn darin eine Seele, so ist es die Seele deines Vaters, des Schönen; ich reichte es ihm, als er vom Leutnant, dem Vetter, durchstochen ward, im unerwarteten Zweikampf vor meiner Türe.“ – „Ich lebe mit dem Mörder meines Vaters unter einem Dache, und du bist seine geliebte Freundin?“ – „Du weißt zuviel, mein Sohn,“ fuhr sie fort, „als daß du nicht alles wissen solltest, wieviel du mir zu danken, was ich für dich getan habe. Dein Vater hieß der schöne … in der ganzen Stadt; dieser Ruf machte, daß ich gegen ihn alle Vorsicht vergaß. Unser Liebeshandel blieb zwar heimlich; aber bei den Folgen, die ich trug, mußte ich auf Verbannung vom Hofe gefaßt sein, wenn ich diese Folgen nicht verheimlichen könnte, nachdem dein Vater erstochen war, ehe er sein Versprechen, mich zu heiraten, erfüllen können. Das gelang mir.“ – „Ich weiß es.“ – „Und zugleich rächte ich deinen Vater an seinem Mörder, indem ich dir das Vermögen zuwandte, was jenem mit allem Rechte zugefallen wäre. Ich tat noch mehr. Durch meinen Einfluß am Hofe hemmte ich jeden seiner Versuche, sich in Ehren fortzuarbeiten, und erhielt ihn dabei in den Netzen meiner Reize. Weder seinem Verstande noch seinem Mute wurde gerechte Anerkennung; so veraltete er in sinnlosem Treiben und quälenden Nahrungsspekulationen, ein lächerliches Spottgesicht aller Welt, während die ältern Leute noch mit Entzücken von der Schönheit deines Vaters reden, ihn noch als Sprichwort brauchen, um Schönheit zu bezeichnen. Wenn ich dich in deinem Reichtum edel, sorgenfrei aufgewachsen sehe, allem Höheren zugewendet, und den Vetter denke, wie er da täglich unter schielenden Seitenblicken der Alten und mit Hohnlachen der Gassenbuben in lächerlichen Hahnentritten vor meinem Fenster vorübertrippelt, oder Sonntags meinen Hund kämmen muß, dann fühle ich, daß ich deinen Vater gerächt, ihm ein rechtes Totenopfer gebracht habe. Oder soll ich noch mehr tun, um den Vetter zu kränken, soll ich ihn heiraten, ihn in seinem Stundenlauf durch die Stadt stören, seine Wappensammlung zusammenwerfen?“ – Der Majoratsherr hatte auf das alles nicht gehört, sonst möchte sein Widerspruch sie früher unterbrochen haben. Er sprach halbträumend in sich hinein: „Also ward ich der Edlen nur als ein Dieb an die Mutterbrust gelegt. Und wo ist das unglückliche Kind, das meinetwegen verstoßen wurde? Ich weiß es, Esther ist es, die unglückliche, geistreiche, von der Gemeinheit der Ihren, von dem Fluch ihres Glaubens niedergebeugte Esther!“ – „Darüber kann ich dir keine Antwort geben,“ sagte die Hofdame, „der alte Majoratsherr allein führte die Sache aus; ich war beruhigt, als ich dich aus der Schande unehelicher Geburt zu dem glänzendsten Schicksale erhoben sah. Du dankst mir nicht dafür?“ – Er saß in sich versunken und hörte nicht, sondern sprach halblaut: „Ich sollte reich sein auf Unkosten einer Armen? Habe ich nicht manches gelernt, was mir einen Unterhalt verschaffen kann? Ich spiele mehrere Instrumente so fertig wie irgendeiner; ich male, ich kann in mancher Sprache Unterricht geben. Fort mit der Sündenlast des Reichtums, sie hat mich nie beglückt!“ – Die Hofdame hörte ihm aufmerksam zu und sprach mit ihrem Pudel, der seine Vorderpfoten auf ihre Knie stützte und ihr ans Ohr den Kopf ausstreckte, dann nahm sie die Hand des Majoratsherrn und sagte: „Du bist deiner Mutter wenigstens Gehorsam schuldig, und was ich fordere, ist nicht unbillig; nur vierundzwanzig Stunden bewahre das Geheimnis deiner Geburt und schiebe jeden Entschluß auf, den es in dir erregen könnte; darauf gib mir Hand und Wort!“ – Der Majoratsherr war froh, daß er in vierundzwanzig Stunden zu keinem Entschluß zu kommen brauchte, schlug ein, küßte die Hand, empfahl sich ihr und eilte nach Hause, um zu einer ruhigen Fassung zu gelangen.