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c) Die Entscheidungen über präjudizielle Fragen

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Im Rahmen präjudizieller Fragen kann der Gerichtshof eine Norm nicht für nichtig erklären, sondern nur deren Verfassungswidrigkeit feststellen. Anders ausgedrückt – und in Ermangelung einer Nichtigkeitserklärung durch den Verfassungsrichter – bleibt die Norm in der belgischen Rechtsordnung bestehen und entfaltet ihre Wirkung. Die Rechtslehre hat diesen Zustand wiederholt kritisiert und nachdrücklich auf den Widerspruch hingewiesen, dass der Gerichtshof die Verfassungswidrigkeit einer Norm feststellen kann, ohne jedoch mit der Möglichkeit ausgestattet zu sein, die Rechtsordnung von dieser Norm zu befreien.[269]

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Gewisse Konsequenzen hat die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm jedoch, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen inter partes.[270] Denn die Antwort des Gerichtshofes im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens ist für den vorlegenden Richter sowie für alle anderen Gerichte, die nachfolgend über dieselbe Rechtssache befinden müssen, bindend.[271] Wird ein Verstoß festgestellt, darf der vorlegende Richter die fragliche Bestimmung also nicht anwenden. Zudem entfaltet eine Entscheidung im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens auch insofern Rechtswirkung, als Art. 26 § 2 Abs. 2 Nr. 2 und § 4 Abs. 2 Nr. 4 SGVerfGH die ordentlichen Gerichte von der Vorlageverpflichtung befreien, wenn der Gerichtshof bereits über eine Frage oder eine Klage mit identischem Gegenstand befunden hat.[272]

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Im Übrigen hat der Kassationshof entschieden, dass „der Richter in allen Rechtssachen, deren Gegenstand mit einer bereits entschiedenen präjudizielle Frage identisch ist, die vom Verfassungsgerichtshof für verfassungswidrig erklärte gesetzliche Bestimmung nicht anwenden darf“.[273]

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Gegenüber Privatpersonen und Verwaltungsbehörden kommt die relative Wirkung der Urteile jedoch grundsätzlich voll zum Tragen. Bezüglich der Verwaltungsbehörden gilt jedoch eine Einschränkung. Denn diese dürfen einen Rechtsakt, der offensichtlich rechtswidrig ist, etwa weil seine Rechtsgrundlage für verfassungswidrig erklärt wurde[274], nicht anwenden. Zudem schafft Art. 4 Abs. 2 SGVerfGH die Möglichkeit, innerhalb einer weiteren sechsmonatigen Frist[275] eine Nichtigkeitsklage gegen eine auf eine Vorabentscheidungsfrage hin für verfassungswidrig erklärte Norm einzureichen. Die Norm kann auf diese Weise also vollständig vernichtet werden. Antragsbefugt sind der Ministerrat und die Regierungen der Gemeinschaften und Regionen.

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Schließlich differenziert der Gerichtshof auch im Vorlageverfahren, ebenso wie im Rahmen von Nichtigkeitsentscheiden, seine Feststellungen der Verfassungswidrigkeit, indem er sich gewisser Sprachwendungen bedient.[276] Der vorlegende Richter muss diesen Differenzierungen Rechnung tragen und darauf achten, dass die dem Urteil zugemessene Wirkung nicht darüber hinausgeht.[277]

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Außerdem hat der Gerichtshof eine ganz besondere Art der Tenorierung bei Vorabentscheidungsverfahren entwickelt. Die Urteile werden mit einem doppelten Tenor versehen (auch bipolare Urteile genannt[278]). Mit dieser spezifisch belgischen Technik ist man vor allem darum bemüht, nicht die Zuständigkeit der vorlegenden Gerichte hinsichtlich der Auslegung der angefochtenen Norm anzutasten. So entwickelt der Gerichtshof eine alternative Tenorierung, die es ihm erlaubt, die fragliche Norm nach einer Auslegung für verfassungskonform und gleichzeitig nach einer anderen Auslegung für verfassungswidrig zu erklären, wobei es sich bei letzterer Auslegung meist um die des vorlegenden Richters handelt.[279]

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Zum Abschluss dieses Abschnitts ist noch auf die rechtlichen Wirkungen einzugehen, die solche Feststellungen der Verfassungswidrigkeit einer Norm auf den Gesetzgeber haben können. In Betracht kommt insofern die Verpflichtung zu einer Gesetzesänderung, um der im Rahmen des Vorlageverfahrens festgestellten verfassungswidrigen Rechtslage ein Ende zu bereiten. Auch wenn es keine gesetzliche Bestimmung gibt, die den Gesetzgeber zur Änderung einer für verfassungswidrig erklärten Norm verpflichtet,[280] und eine solche Verpflichtung bis zum heutigen Tage durch kein Urteil des Gerichtshofes ausdrücklich bestätigt wurde, nimmt die Rechtslehre ihr Bestehen dennoch an.[281] Auf diese Auslegung lässt sich überdies aus den vom Gerichtshof verwendeten Formulierungen schließen. So bekräftigt er beispielsweise im Urteil Nr. 121/2000 vom 29. November 2000, der Gesetzgeber müsse einer Verfassungswidrigkeit innerhalb einer angemessenen Frist ein Ende setzen. Es lässt sich kaum bezweifeln, dass eine solche Aussage verbindlich ist.[282]

§ 96 Der belgische Verfassungsgerichtshof › III. Die Beziehung zu den anderen Gerichten

III. Die Beziehung zu den anderen Gerichten

182

Der Verfassungsgerichtshof entstand 1983 in einem Umfeld, in dem bereits mehrere wichtige Gerichte etabliert waren. Entsprechend ist der belgische Verfassungsgerichtshof im Laufe der Zeit sowohl im Rahmen der internen Rechtsordnung mit dem Kassationshof und dem Staatsrat (1.) als auch auf internationaler Ebene mit dem Gerichtshof der Europäischen Union und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (2.) in einen Dialog getreten.

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Um die Stellung des Gerichtshofes im Hinblick auf die anderen Gerichte zu verdeutlichen, ziehen einige das Bild eines Vierecks heran, „dessen vier Winkel einerseits von den beiden höchsten nationalen Gerichten [dem Kassationshof und dem Staatsrat] und andererseits von den beiden europäischen Gerichten [dem Gerichtshof der Europäischen Union und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte] besetzt sind, und in dessen Mitte […] sich der Schiedshof befindet“[283].

§ 96 Der belgische Verfassungsgerichtshof › III. Die Beziehung zu den anderen Gerichten › 1. Der Verfassungsgerichtshof, der Kassationshof und der Staatsrat

1. Der Verfassungsgerichtshof, der Kassationshof und der Staatsrat

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Wie eingangs erwähnt, erfolgte die Schaffung des Verfassungsgerichtshofes, damals Schiedshof, in einem Klima des Misstrauens. Dieses Misstrauen war sowohl auf Seiten der Politik als auch des Gerichtswesens vorhanden. Um die Befürchtungen der rechtsprechenden Gewalt zu zerstreuen, entschied man sich für eine Vorgehensweise, die verhinderte, dass durch die Schaffung dieses neuen Gerichtshofes die Kompetenzen der ordentlichen Gerichten sowie der Verwaltungsgerichtsbarkeit beeinträchtigt wurden. Das neue Gericht sollte die bestehenden Gerichtsbarkeiten also lediglich ergänzen. Ausgehend von diesem Prinzip geht es nunmehr darum, die konkrete Umsetzung zu analysieren. Zwar bietet die Thematik der Beziehungen zwischen den drei höchsten Gerichtsbarkeiten des Königreiches durchaus Raum für eine eingehendere Untersuchung, hier sollen jedoch lediglich einige Problempunkte herausgestellt werden. Diese betreffen jeweils die Kompetenzkonflikte (a) und die Auslegungskonflikte (b), die zwischen den ordentlichen Gerichten, dem Staatsrat und dem Verfassungsgerichtshof auftreten können.

a) Kompetenzkonflikte

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Wenngleich der Verfassungsgerichtshof im Hinblick auf die Verfassungskontrolle eine Monopolstellung einnimmt, ist er jedoch natürlich nicht das einzige Gericht, das die Verfassung auslegt. Im Gegenteil: Die ordentlichen Gerichte und auch die Verwaltungsgerichte kommen gar nicht umhin, bei der Ausübung ihrer richterlichen Tätigkeiten die Verfassung zu interpretieren.[284] Ein solcher Zustand ist einer einheitlichen Auslegung der Grundrechte nicht förderlich. Es kann vorkommen, dass der Kassationshof mit einer bestimmten Auslegungsmethode zu einer anderen Auslegung einer Bestimmung der Verfassung gelangt als der Verfassungsgerichtshof. So hat Patricia Popelier mit Bezug auf die Grundrechte darauf hingewiesen, dass der Verfassungsgerichtshof sich eher auf eine systematische Auslegungsmethode stützt, während der Kassationshof Verfassungsbestimmungen eher wörtlich auslegt.[285] Allerdings ist zugleich festzustellen, dass die gemeinsame Ausrichtung des Verfassungsgerichtshofes, des Kassationshofes und des Staatsrates auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu einer gewissen Vereinheitlichung der Rechtsprechung, zumindest in Bezug auf die Grundrechte, beiträgt.[286]

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Hinsichtlich der eigentlichen Kompetenzkonflikte scheint die Aufgabenaufteilung zwischen den verschiedenen rechtsprechenden Ordnungen klar.[287] So „verfügt der Gerichtshof über ein Monopol, um die Übereinstimmung der Gesetzesnormen[[288]] mit der Verfassung zu prüfen;[[289]] (…) legt ein Rechtsprechungsorgan die Verfassung aus, muss es der Auslegung des Gerichtshofes Vorrang einräumen; (…) die auf Nichtigkeitsklagen erlassenen Nichtigkeitsentscheide des Gerichtshofes haben absolute Rechtskraft (…) und seine Ablehnungsentscheide sind für die Gerichte im Hinblick auf die entschiedenen Rechtsfragen verbindlich; (…) die auf eine präjudizielle Frage ergangenen Urteile haben eine relative, aber verstärkte Rechtskraft“.[290] Wenn in den Anfangsjahren noch Zweifel bestanden, ob der ordentliche Richter oder der Verfassungsgerichtshof für die Kontrolle der Konformität der Gesetzesnormen anhand von sowohl verfassungsrechtlich als auch völkerrechtlich garantierten Grundrechten zuständig ist, so wurde dieser Unsicherheit durch die Einführung von § 4 in Art. 26 SGVerfGH im Jahr 2009 ein Ende gesetzt.[291] Seither ist der ordentliche Richter, einschließlich des Kassationshofes, verpflichtet, dem Verfassungsgerichtshof eine präjudizielle Frage zu stellen, wenn eine Partei die Gültigkeit einer Gesetzesnorm anficht mit der Begründung, sie verstoße gegen ein verfassungs- und völkerrechtlich garantiertes Individualrecht.[292] Diese Verpflichtung tritt nur dann nicht ein, wenn der ordentliche Richter feststellt, dass offensichtlich nicht gegen die Verfassung verstoßen wurde[293] oder sonstige Bedingungen von Art. 26 § 4 Abs. 2 SGVerfGH vorliegen. In diesem Fall reicht die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit durch den ordentlichen Richter.[294]

 

b) Auslegungskonflikte

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Anders als die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Gerichtsbarkeiten, die detailliert festgelegt wurde, ist die Auflösung von Auslegungskonflikten nicht in gleichem Maße gesetzlich normiert.[295]

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In Vorabentscheidungskonstellationen wird die umstrittene Rechtsnorm zunächst durch den vorlegenden Richter ausgelegt.[296] Jedoch beschränkt sich die Kompetenz des Verfassungsgerichtshofes nicht allein auf die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der Norm in der Auslegung des vorlegenden Richters. Der Gerichtshof beansprucht auch die Kompetenz zu einer neuen, eigenen Auslegung mit dem Ziel, die Übereinstimmung der Norm mit der Verfassung zu erreichen,[297] wodurch dann der beanstandete Gesetzestext „erhalten“ werden kann.

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Eine solche Antwort des Verfassungsgerichtshofes auf eine Vorabentscheidungsfrage kann freilich zu Akzeptanzproblemen bei den vorlegenden Richtern führen. Diese Thematik bedürfte einer eingehenderen Darlegung, die den Rahmen dieses Beitrags sprengen würde. Denn erforderlich ist insofern eine Unterscheidung dahingehend, wie sich der vorlegende Richter in den einzelnen Fallkonstellationen verhalten muss: bei der Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Norm durch den Gerichtshof, der Feststellung ihrer Verfassungsmäßigkeit, einer differenzierenden Tenorierung und einem Urteil mit doppeltem Tenor oder bei Vorliegen einer Gesetzeslücke. Für eine Vertiefung dieser Punkte sei der Leser auf andere Beiträge verwiesen.[298]

§ 96 Der belgische Verfassungsgerichtshof › III. Die Beziehung zu den anderen Gerichten › 2. Der Verfassungsgerichtshof, der Gerichtshof der Europäischen Union und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

2. Der Verfassungsgerichtshof, der Gerichtshof der Europäischen Union und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte

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Der Verfassungsgerichtshof beschränkt seinen Dialog mit anderen Richtern nicht auf das Inland; auch mit Blick auf die internationale Ebene wird er aktiv. Diese Kontakte entstehen hauptsächlich im Rahmen des Schutzes der Grundrechte, denn die Hüter dieser Rechte befinden sich auch in Straßburg und in Luxemburg. Angesichts der Tatsache, dass alle diese Gerichte sich größtenteils mit derselben Materie befassen, würde sich ein nationalstaatliches Abschotten als absurd und kontraproduktiv erweisen.

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Das hat der belgische Verfassungsgerichtshof sehr wohl begriffen und so hat er verhältnismäßig rasch eine europafreundliche und integrative Rechtsprechung entwickelt. In dem Bewusstsein eines größeren Ganzen hat er „offen oder stillschweigend“[299] nicht nur akzeptiert, sich auf die durch die anderen Gerichtshöfe geschützten Rechtsquellen zu beziehen, sondern ebenfalls ihre jeweilige Rechtsprechung zu berücksichtigen.

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So ist es im Übrigen auch schon geschehen, dass der Verfassungsgerichtshof sich mit einer Vorlagefrage[300] an den Gerichtshof der Europäischen Union gewandt hat.

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Dieser internationale Dialog ist außerordentlich wünschenswert. Hierdurch wird nicht nur das Bewusstsein geteilter europäischer Werte gestärkt, sondern es werden insbesondere die innerstaatlichen Richter davor geschützt, einer nationalen Nabelschau zu verfallen. Eine solche verbietet sich, wenn man sich dem Ideal der Vertiefung der europäischen Einigung verbunden fühlt, die sich naturgemäß nur grenzübergreifend vollziehen kann.

§ 96 Der belgische Verfassungsgerichtshof › Bibliographie

Bibliographie

A. Gegenwärtige Literatur:


André Alen/Koen Muylle, Handboek van het Belgisch Staatsrecht, 22011.


André Alen/Koen Muylle, Compendium van het Belgisch Staatsrecht, 3 Bände (Bd. IA und Bd. IB, 22003; Bd. II, 22004).


Robert Andersen, La Cour d’arbitrage, Actualités et perspectives, 1988.


Christian Behrendt/Frédéric Bouhon, Introduction à la Théorie générale de l’État, 32014.


Christian Behrendt, Le juge constitutionnel, un législateur-cadre positif, 2005.


Francis Delpérée, Le droit constitutionnel de la Belgique, 2000.


Francis Delpérée/Anne Rasson-Roland, Droit public - La Cour d’arbitrage, 1996.


Yves Lejeune, Droit constitutionnel belge, 2010.


Michel Pâques, Droit public élémentaire en quinze leçons, 2005.


Patricia Popelier, Procederen voor het Grondwettelijk Hof, 2008.


Marie-Françoise Rigaux/Bernadette Renauld, La Cour constitutionnelle, 2009.


Marc Uyttendaele, Trente leçons de Droit constitutionnel, 2011.


Ders., Précis de droit constitutionnel belge, Regards sur un système institutionnel paradoxal, 32005.


Marnix Van Damme, Overzicht van het Belgisch Grondwettelijk recht, 2008.


Johan Vande Lanotte/Geert Goedertier, Handboek Belgisch Publiekrecht, 2010.


Jan Velaers, Van Arbitragehof tot Grondwettelijk Hof, 1990.


Marc Verdussen/Nicolas Bonbled (Hg.), Les droits constitutionnels en Belgique, 2 Bände, 2011.


Marc Verdussen, Justice constitutionnelle, 2012.

B. Die ‚Klassiker‘ des belgischen Staatsrechts (in chronologischer Reihenfolge):


Anmerkung: Diese Werke sind aufgrund der verschiedenen Verfassungsänderungen und Staatsreformen überholt


Pierre Joseph Destriveaux, Traité de droit public, 3 Bände, Bd. I (1849), Bd. II (1851) und Bd. III (1855).


Isidore van Overloop, Exposé des motifs de la Constitution belge, 1864.


Jean-Jacques Thonissen, La Constitution belge annotée, 31879.


Oscar Orban, Le droit constitutionnel de la Belgique, 3 Bände, Bd. I (Introduction et théories fondamentales, 1906), Bd. II (Les pouvoirs de l'État, 1908) und Bd. III (Libertés constitutionnelles et principes de législation, 1911).


Pierre Wigny, Droit constitutionnel, Principes et droit positif, 1952, 2 Bände.


André Mast, in Zusammenarbeit mit Jean Dujardin, Overzicht van het Belgisch Grondwettelijk Recht, 81985.


Jaques Velu, in Zusammenarbeit mit Philippe Quertainmont und Michel Leroy,


Droit public, Bd. I, Le statut des gouvernants, 1986.

C. Sitzungsprotokolle des Verfassunggebenden Nationalkongresses von 1830–1831:


Émile Huyttens, Discussions du Congrès national de Belgique, 5 Bände, Bd. I (10 novembre – 31 décembre 1830, 1844), Bd. II (3 janvier – 6 mars 1831, 1844), Bd. III (29 mars – 21 juillet 1831), Bd. IV (Pièces justificatives, nos 1–255, 1844) und Bd. V (Pièces justificatives, nos 256–339, 1845).

Anmerkungen

[1]

 

Das Prinzip einer Verfassungsgerichtsbarkeit ist in der Verfassung von 1980 festgeschrieben (früherer Art. 107ter); deren Organisation, Zuständigkeit und Arbeitsweise wurden drei Jahre später durch das ordentliche Gesetz vom 28.6.1983 über die Organisation, Zuständigkeit und Arbeitsweise des Schiedshofes festgelegt (nunmehr abgeändert).

[2]

Diesbezüglich siehe André Alen/Koen Muylle, Handboek van het Belgisch Staatsrecht, 22011, S. 603ff., insb. S. 605.

[3]

Alen/Muylle (Fn. 2), S. 603ff., insb. S. 605.

[4]

Da es sich beim Kassationshof nicht um eine dritte Tatsacheninstanz handelt, muss er im Falle der Aufhebung einer Entscheidung die Rechtssache an einen anderen Tatsachenrichter weiterverweisen, der dann die Rechtsvorschriften unmittelbar auf den Sachverhalt anwendet.

[5]

Philippe Gérard/Michèle Grégoire, Introduction à la méthode de la Cour de cassation, Revue de droit de l’Université Libre de Bruxelles 20 (1999), S. 101, 103–107.

[6]

Marc Uyttendaele, Trente leçons de Droit constitutionnel, 2011, S. 131.

[7]

Vgl. Jan Theunis, De exceptie van onwettigheid: onderzoek naar de rol en de grenzen van artikel 159 van de Grondwet in de Belgische rechtsstaat, 2011; François-Xavier Barcena, Le champ d’application normatif du contrôle de légalité, in: Nihoul (Hg.), L’article 159 de la Constitution – Le contrôle de légalité incident, 2010, S. 103ff.

[8]

Der Wortlaut von Art. 159 der Verfassung ist irreführend: Dem Anschein nach betrifft er nur generell-abstrakte Verwaltungsverordnungen, was jedoch nicht der Fall ist. Denn der Kassationshof hat wiederholt betont, dass Art. 159 auf jeden Verwaltungsakt Anwendung findet, selbst wenn er nur konkret-individueller Natur ist (so beispielsweise Kass., 21.4.1988, Pasicrisie belge [hiernach: Pas.] 1988, I, S. 983–995).

[9]

Dies umfasst die föderalen Gesetze sowie die Dekrete der Gemeinschaften und Regionen und die Ordonnanzen der Brüsseler Regional- und Gemeinschaftsinstitutionen. Barcena (Fn. 7), S. 130.

[10]

Siehe beispielsweise Kass., 8.4.2003, Pas. 2003, I, S. 761–764.

[11]

Barcena (Fn. 7), S. 131.

[12]

Alen/Muylle (Fn. 2), S. 35–36.

[13]

Anmerkung der Redaktion: Ein Entscheid ist in Belgien ein Urteil eines übergeordneten Gerichtes, d.h. des Appellationshofes oder des Kassationshofes. Der Verfassungsgerichtshof bezeichnet seine Entscheidungen als „Urteile“, obwohl der Gesetzestext ebenfalls von Entscheiden spricht.

[14]

Kass., 23.7.1849, Pas. 1849, I, S. 443–448. Von 1849 bis 1974 blieb die Haltung des Kassationshofes zu diesem Punkt unverändert (siehe insb. Kass., 13.5.1935, Pas. 1935, I, S. 247; Kass., 10.1.1939, Pas. 1939, I, S. 4).

[15]

Siehe allgemein dazu Jaques Salmon/Jaques Jaumotte/Eric Thibaut, Le Conseil d’État de Belgique, 2 Bde., 2012.

[16]

Art. 160 lautet: „Es gibt für ganz Belgien einen Staatsrat.“

[17]

Siehe die koordinierten Gesetze über den Staatsrat, koordiniert am 12.1.1973 (Art. 1 bis 18).

[18]

Siehe allgemein dazu Jan Velaers, De wetgevingsadvisering door de Raad van State in België, 2000.

[19]

Hierbei handelt es sich um einen Mechanismus der verwaltungsrechtlichen Kassation (Art. 14 § 2 der koordinierten Gesetze über den Staatsrat).

[20]

Es handelt sich generell um eine Frist von sechzig Tagen ab Veröffentlichung, Notifizierung oder der Kenntniserlangung durch den Kläger (Art. 4 des Erlasses des Regenten vom 23.8.1948 zur Festlegung des Verfahrens vor der Verwaltungsstreitsachenabteilung des Staatsrates).

[21]

Obwohl der Staatsrat ein rechtsprechendes Organ (juridiction) ist, gehört er nicht zur rechtsprechenden Gewalt (pouvoir judiciaire). Er untersteht dem Innenministerium und nicht dem Justizministerium.

[22]

Koordinierte Gesetze sind eine konsolidierte Fassung der Gesetze.

[23]

Hier sei kurz angemerkt, dass der Staatsrat auch auf den in Art. 159 der Verfassung vorgesehenen Mechanismus zurückgreifen kann. Die Bedingungen zur Anwendung dieses Artikels durch das höchste Verwaltungsgericht unterscheiden sich allerdings von denen, die beim Kassationshof gelten, insbesondere in Bezug auf die Frist. Siehe diesbezüglich Werner Weymeersch, Artikel 159 van de Grondwet in de rechtspraak van de Raad van State, in: Cooreman (Hg.), De wettigheidstoets van artikel 159 van de Grondwet, 2010, S. 325–359.

[24]

Kass, 20.4.1950, Pas. 1950, I, S. 560.

[25]

Diesbezüglich siehe beispielsweise Alen/Muylle (Fn. 2), S. 60–61.

[26]

Kass., 3.5.1974, Pas. 1974, I, S. 560.

[27]

Henri Simonart, La Cour d’arbitrage, 1988, S. 56–59. Demgegenüber André Mast, Le contrôle juridictionnel de la constitutionnalité des lois, Anm. zu Kass., 3.5.1974, Revue critique de jurisprudence belge 29 (1975), S. 217–219; Karel Rimanque, Overwegingen naar aanleiding van het cassatie-arrest van 3 mei1974 inzake Lecompte tegen de Belgische Orde der Geneesheren, Tijdschrift voor Bestuurswetenschappen en Publiekrecht 29 (1974), S. 266–269. Diesen Autoren zufolge hat sich die vom Kassationshof vorgenommene Verfassungskontrolle auf den in Ausführung eines ermächtigenden Gesetzes von 1967 verabschiedeten Königlichen Erlass über Sondervollmachten beschränkt, ohne dass sich diese Prüfung auf das ermächtigende Gesetz erstreckt hätte.

[28]

Parl. Hand., Senat, 1974–1975, 26.6.1975, Nr. 113, S. 2708, 2712.

[29]

Francis Delpérée/François Tulkens, La création de la Cour d’arbitrage, in: Andersen (Hg.), La Cour d’arbitrage, Actualités et perspectives, 1988, S. 15, 24.

[30]

Delpérée/Tulkens (Fn. 29), S. 15, 23–30.

[31]

Die Bezeichnung wurde im Rahmen der Revision der Verfassung vom 7.5.2007 abgeändert.

[32]

Siehe auch Paul De Visscher/Francis Delpérée, Pour une juridiction constitutionnelle en Belgique, in: Actualité du contrôle juridictionnel des lois, 1973, S. 256ff.

[33]

Anmerkung der Redaktion: Die belgische Verfassung spricht von der Bundesebene in Belgien als „Föderalbehörde“, welche alle drei Gewalten umfasst, ähnlich wie der US-amerikanische Begriff des „federal government“.

[34]

Belgien ist ein Föderalstaat mit einer ungewöhnlichen Struktur. Durch diese als doppelköpfig bezeichnete Struktur werden zwei Körperschaften (Regionen und Gemeinschaften) auf gleicher Ebene wie die Organe des Bundes eingesetzt. Es gibt drei Regionen (die Wallonische Region, die Flämische Region und die Region Brüssel-Hauptstadt). Es gibt ebenfalls drei Gemeinschaften (die Französische Gemeinschaft, die Flämische Gemeinschaft und die Deutschsprachige Gemeinschaft).

[35]

Jean-Claude Scholsem, La Cour d’arbitrage, Revue de droit de l’Université Libre de Bruxelles 20 (1999), S. 205, 211.

[36]

Belgisches Staatsblatt, 8.7.1983, S. 8911.

[37]

Belgisches Staatsblatt, 7.1.1989, S. 354.

[38]

Siehe unten, Rn. 22f.

[39]

Siehe unten, Rn. 34.

[40]

Scholsem (Fn. 35), S. 205, 207 spricht von „monnaie d’échange“.

[41]

Simonart (Fn. 27), S. 275.

[42]

Robert Andersen/Paul Nihoul, La Cour d’arbitrage et la section d’administration du Conseil d’État, in: Delpérée (Hg.), Regards croisés sur la Cour d’arbitrage, 1995, S. 157.

[43]

Siehe unten, Rn. 51ff., 102ff.

[44]

Durch diesen Artikel werden die Grundsätze der Gleichheit und Nichtdiskriminierung sowie der Rechte und Freiheiten im Bereich des Unterrichtswesens gewährleistet.

[45]

Mit Art. 170 wird das Gleichheitsprinzip in Steuersachen, mit Art. 172 das Prinzip der Rechtmäßigkeit der Steuern verankert, und mit Art. 191 der verfassungsmäßige Schutz auf die Ausländer ausgedehnt, die sich auf dem Staatsgebiet Belgiens befinden, dies vorbehaltlich der durch Gesetz festgelegten Ausnahmen.

[46]

Alle Urteile des Verfassungsgerichtshofes können auf dessen Internetseite unter der Adresse: www.const-court.be in den drei Landessprachen (Niederländisch, Französisch und Deutsch) eingesehen werden.

[47]

Marc Verdussen, Les douze juges – La légitimité de la Cour constitutionnelle, 2004, S. 28.

[48]

Anmerkung der Redaktion: Referenten (référendaires) unterstützen die Richter als wissenschaftliche Mitarbeiter und sind somit nicht mit den Referendaren in Deutschland gleichzusetzen.

[49]

Art. 32 SGVerfGH. Im Grundsatz wählt der König den erstgenannten Kandidaten auf der Liste. Eine Ausnahme dazu bildete lediglich die Entscheidung des Königs für den zweitgenannten Kandidaten anlässlich der erstmaligen Wahl der Richter des Gerichtshofes.

[50]

Art. 51 SGVerfGH.

[51]

Art. 31 SGVerfGH.

[52]

Sie müssen nicht notwendigerweise Inhaber eines Diploms der Rechtswissenschaften sein.

[53]

Art. 4 des ordentlichen Gesetzes vom 6.1.1989 über die Gehälter und Pensionen der Richter, Referenten und Greffiers des Verfassungsgerichtshofes.

[54]

Art. 60bis SGVerfGH.

[55]

Art. 33 SGVerfGH.

[56]

Vom 1. September bis zum 31. August (Art. 54 SGVerfGH).

[57]

Art. 55 Abs. 3 SGVerfGH.

[58]

Schiedshof, Nr. 32/1987, 29.1.1987.

[59]

Uyttendaele (Fn. 6), S. 501–505.

[60]

Zum jetzigen Zeitpunkt sind es 18 (Stand 1.11.2014).

[61]

Art. 35 SGVerfGH.

[62]

Sogenannte „Prüfung im Wettbewerbsverfahren“. Der Prüfungsausschuss setzt sich zur Hälfte aus Richtern des Gerichtshofes und zur Hälfte aus Personen, die der Einrichtung nicht angehören (unter anderem Universitätsprofessoren) zusammen.