Rückkehr der Gerechtigkeit

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Das Spiel

Es war kurz nach sechs Uhr, als der Schiedsrichter kam und die Mannschaften auf den Platz bat. Um den Platz herum hatte sich eine stattliche Kulisse von bestimmt 100 Zuschauern gebildet, unter denen sich auch Sonia, Hirabai, Indira und Daya befanden. Lucia schaute ebenfalls zu, obwohl sie vom Fußball nicht allzu viel hielt. Sie hoffte, daß durch jenes Spiel das Verhältnis der Jugendlichen untereinander besser werden würde. Rahuls Mannschaft war sehr offensivfreudig aufgestellt. Im Tor stand Nathu, in der Abwehr spielten Tejbin, Sardar und Brijesh, im Mittelfeld befanden sich Bharat, Shankar und Parwez, während sich im Sturm Brahma, Rahul, Raja und Gautam aufhielten. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel an und sofort ging es zur Sache. Bereits nach fünf Sekunden ging Shankar zu Boden. Sein Gegenspieler hatte ihn brutal niedergestreckt. „Noch so ein Foul und es gibt Gelb“, ermahnte der Schiedsrichter. In den ersten Minuten war das Spiel sehr zerfahren. Beide Mannschaften hatten sich enorm viel vorgenommen, da es ja um die Teilnahme an der Stadtmeisterschaft ging. Es gab viele kleine Nicklichkeiten und deshalb natürlich eine hohe Zahl von Freistößen. In der achten Spielminute dann machte Nathu einen weiten Abschlag, der genau auf Raja kam. Jener schnappte sich den Ball, zog auf dem rechten Flügel auf und davon und flankte in den Strafraum. Rahul stand frei und setzte zum Kopfball an, als er von hinten plötzlich umgesenst wurde. Lautstark forderten die Zuschauer Elfmeter, doch der Schiedsrichter machte keine Anstalten. Rahul wollte sich beschweren, aber da bereits der Konter lief, beeilte er sich zurückzulaufen. Aber es war schon zu spät. Schnell hatten die Gegner die aufgerückte Abwehr ausgespielt und als ihr Mittelstürmer aus fünf Metern frei zum Schuß kam, hatte auch Nathu keine Chance mehr. Niedergeschlagen standen sie da. Erst der nicht gegebene Elfmeter und dann das. „Los Leute! Weiter geht’s! Noch ist nichts verloren!“ rief Nathu. Doch bis zur Halbzeit passierte nicht mehr viel. Man merkte deutlich, daß Rahuls Mannschaft wenig Spielpraxis besaß und auch noch nicht oft zusammen gespielt hatte. Die Zuschauer waren ein wenig enttäuscht von der schwachen Darbietung beider Mannschaften, wenngleich die eine immerhin ein Tor erzielt hatte. Shankar ergriff das Wort. „So kann es nicht weitergehen. Wir kommen überhaupt nicht ins Spiel. Jedesmal sind die Abwehrspieler einen Schritt vor uns am Ball und außerdem sind die Pässe viel zu ungenau. Wir sollten es mit Kurzpaßspiel versuchen“, schlug er vor. „Meinetwegen. Schlimmer als in der ersten Halbzeit kann es gar nicht werden“, murmelte Rahul, der völlig enttäuscht war. Als die Partie wieder angepfiffen wurde, trauten die Zuschauer ihren Augen nicht. Auf einmal lief der Ball in Rahuls Mannschaft wie am Schnürchen. Minutenlang spielten sie sich den Ball zu, ohne daß einer der Gegner an ihn kam. „He Leute! Wollt Ihr in Schönheit sterben! Wir liegen eins zu null hinten!“ brüllte Nathu plötzlich, der gemerkt hatte, daß schlicht und einfach der Abschluß fehlte. Wie ein Weckruf waren jene Worte über den Platz gegangen. Im Mittelfeld erkämpfte sich Bharat den Ball und spielte ihn zu Shankar. Der zögerte ein wenig. Vor ihm standen zwei Gegenspieler. Auf einmal sah er, wie sich Rahul in der Mitte von seinem Gegner löste. Blitzschnell lupfte er den Ball über seine Kontrahenten genau in den Lauf seines Mitspielers. Der legte sich den Ball noch kurz vor und verwandelte danach eiskalt aus kurzer Distanz. Riesenjubel kam auf! Einem wunderschönen Spielzug war nun der verdiente Ausgleich gefolgt, da in der zweiten Halbzeit bisher nur Rahuls Mannschaft gespielt hatte. Die Gegner versuchten jetzt gegenzuhalten, aber sie waren machtlos. Shankar, Rahul und alle Anderen befanden sich mit einem Mal in einem richtigen Spielrausch. Ihnen gelang alles. Mit traumwandlerischer Sicherheit spielten sie sich den Ball zu, so daß man glauben konnte, sie würden schon jahrelang zusammen spielen. Wenige Minuten nach dem Ausgleich setzte sich Raja ein weiteres Mal auf dem rechten Flügel durch. Er flankte den Ball hoch in Strafraum. Jedoch stand Shankar, der ungefähr 14 Meter vor dem Tor war, mit dem Rücken zu jenem, so daß er den Ball nur so annehmen konnte. Das tat er auch und Augenblicke später zappelte der Ball im Netz. Tooooor! Und was für eins! „Schade, daß wir keine Videokamera hier haben“, bedauerte der Schiedsrichter bewundernd. Nun stand es also zwei zu eins für Rahuls Mannschaft, doch das war noch lange nicht alles. Anstatt sich hinten rein zu stellen und den Vorsprung über die Zeit zu retten, so wie es normalerweise viele Mannschaften machten, griffen sie weiter forsch und mutig an. So kam es, daß Gautam und Bharat nach zwei herrlich vorgetragenen Angriffen das Ergebnis auf vier zu eins in die Höhe schraubten. Es waren nur noch zwei Minuten zu spielen. Da nichts mehr anbrennen konnte, verließ selbst Nathu sein Tor und mischte sich in das Angriffsspiel seiner Mannschaft ein. Tatsächlich gelang ihm das Kunststück, in der letzten Minute mit einem unhaltbaren Flachschuß den Endstand von fünf zu eins zu besorgen. Tosender Applaus belohnte die Sieger, während die Verlierer mit hängenden Köpfen vom Platz schlichen. Sie hatten nach dem zwei zu eins versucht, den Gegner mit vielen Fouls aus dem Tritt zu bringen, aber Shankar und seine Kameraden waren einfach zu flink und zu schnell gewesen. Jubelnd lagen sie sich in den Armen. So stand also eindeutig fest, daß sie ihr Heim bei den Stadtmeisterschaften vertreten würden. Auch der Schiedsrichter war tief beeindruckt. „Donnerwetter! Was Ihr da in der zweiten Halbzeit geboten habt, war absolute Weltklasse! Mein Name ist Madan Serana. Ich würde Euch gerne trainieren“, ließ er verlauten. „Heißt das, sie wollen mit uns an den Stadtmeisterschaften teilnehmen?“ erkundigte sich Parwez. „Wenn Ihr einverstanden seit, dann ja.“ „Cool. Jetzt haben wir sogar einen Trainer“, freute sich Raja. Doch wenig später kickten die elf Siegreichen schon wieder auf dem Platz. „Die sind total fußballverrückt. Aus denen kann wirklich etwas werden“, meinte Madan zu Lucia. „Wenn sie das sagen, dann wird es schon stimmen. Ich verstehe nicht viel von diesem Sport, aber man hat gesehen, wie es ihnen Spaß gemacht hat“, stellte sie lächelnd fest. Zwei Stunden später hatten Shankar und die Anderen genug, so daß Madan ihnen ein paar wichtige Sachen mitteilen konnte. „Hört mir mal bitte kurz zu! An der Stadtmeisterschaft nehmen mindestens 60 Mannschaften teil. Wir hoffen, daß wir noch vier dazu bekommen, weil wir dann 16 Vierergruppen machen könnten. Die beiden Ersten jeder Gruppe würden sich für die K.-o.-Runde qualifizieren. Das Finale der Stadtmeisterschaften wird dann in gut einem Monat im großen Fußballstadion vor dem WM-Qualifikationsspiel Indien gegen Pakistan stattfinden.“ Da horchten sie alle auf. „Heißt das, daß wir, wenn wir es bis ins Finale schaffen, vor dem Länderspiel im Stadion spielen dürfen?“ fragte Tejbin ungläubig. „Du sagst es“, antwortete Madan. „Los Leute! Weiter geht’s! Wir müssen noch besser werden!“ rief Bharat und stand auf. Sekunden später spielten sie schon wieder auf dem Platz. Man sah es ihnen an, daß sie große Freude an dem Spiel hatten und nun waren sie richtig motiviert. Vielleicht durften sie einmal in einem richtig großen Fußballstadion spielen, wenn sie gut genug waren. „Es steckt ein ungeheures technisches Potential in jedem von ihnen. Sie sind wie Rohdiamanten. Wenn man sie richtig schleift, dann werden sie glitzernde Stars“, prophezeite Madan, der total fasziniert von den Jugendlichen war, die er wenige Stunden zuvor unter die Fittiche genommen hatte. Sie probierten immer neue Tricks und es fiel ihnen immer wieder etwas ein. Beim Abendessen dann, das schon viel eher ein Nachtessen war, saßen sie total erschöpft am Tisch. Zögerlich kam einer von der gegnerischen Mannschaft auf sie zu. „Glückwunsch! Ihr wart die Besseren“, murmelte er und reichte ihnen allen die Hand. Als seine Kameraden das sahen, folgten einige seinem Beispiel, andere dagegen verschwanden wortlos. Das Eis war gebrochen. Zwar noch nicht ganz, aber doch ein wenig. Ein guter Anfang für eine große Sache. Aber für Shankar gab es noch wichtigere Dinge als Fußball. Nämlich Indira. Nach dem Essen gingen sie nach draußen. Der Mond strahlte und sie begannen, sich zu unterhalten. „Ihr habt toll gespielt“, lobte Indira. „Danke. Das ist jetzt aber nicht wichtig.“ „Warum denn nicht?“ „Wir Beide sind jetzt zusammen und das gefällt mir viel besser, als wenn ich 100 Fußbälle vor mir liegen hätte.“ „Das hast Du schön gesagt.“ „Es ist die Wahrheit.“ „Weißt Du, wir kennen uns jetzt doch schon ganz gut. Und mittlerweile weiß ich genau, daß Du der bist, den ich suche.“ „Mir geht es genauso.“ „Das ist schön.“ „Indira, ich liebe Dich.“ „Ich liebe Dich auch, Shankar!“ Sie schauten sich minutenlang in die Augen und dann umarmten sie sich. Langsam gingen sie ein paar Schritte. „Wie lange werden wir noch hier leben?“ wollte Indira wissen. „Wir sind doch gerade erst hierher gekommen.“ „Schon. Aber man wird uns nicht lange durchfüttern. Wir werden irgendwann für uns selbst sorgen müssen.“ „Das schaffen wir schon.“ „Und wie? Es gibt fast keine Arbeit und ohne Arbeit kein Geld. Ohne Geld keine Nahrung und ohne Nahrung sterben wir.“ „Denk doch einfach positiv. Wir sind hier im Mondschein zusammen und erleben gerade die schönsten Augenblicke unseres Lebens.“ „Du hast ja Recht. Ich bin dumm. Was sorge ich mich um die Zukunft? Nur die Gegenwart zählt. Und die ist wunderbar.“ „Genau. Jetzt hast Du es kapiert. Wenn jetzt die Zeit stehen bleiben würde, ich hätte nichts dagegen.“ „Ich schon“, flüsterte Indira und küßte ihn. „Jetzt kann die Zeit stehen bleiben“, bemerkte sie und danach küßten sie sich wieder. Lange, ganz lange. Lucia hatte sich Sorgen gemacht und darum nach ihnen gesucht. Doch als sie die Beiden engumschlungen nebeneinander schlendern sah, lächelte sie und ging ins Haus zurück. Darin sprachen die siegreichen Fußballer über ihre Träume. Man hatte noch vier Betten in den großen Raum gestellt, so daß Rahul, Gautam, Brijesh und Brahma auch dort schlafen konnten. Doch von Schlafen konnte gar keine Rede sein. „Vielleicht werden wir ja entdeckt. Da sind bestimmt ein paar bekannte Leute im Stadion und wenn wir die überzeugen, dann haben wir vielleicht im Fußball eine Zukunft“, wünschte sich Tejbin. „Immer langsam. Alles was wir bereits erreicht haben ist, daß wir bei den Stadtmeisterschaften mitspielen dürfen. Mehr nicht. Wir sollten auf dem Teppich bleiben“, entschied Bharat. „Auf welchem Teppich? Ich sehe hier keinen. Ach, Du meinst wohl den fliegenden Teppich“, kalauerte Nathu und sorgte so mal wieder für gute Stimmung. „Und was ist mit uns?“ wollte Daya wissen. „Ihr dürft uns vor und nach dem Spiel massieren“, antwortete Sardar. „Pfui! Wir wollen aber Eure Käsefüße nicht anlangen“, konterte Hirabai und alle lachten. „Das in den Gruppenspielen müßten wir eigentlich schaffen“, glaubte Brijesh. „Bist Du Dir da sicher? Wir wissen überhaupt nicht, wie die anderen Mannschaften spielen. Außerdem sollten wir uns nicht in den Himmel loben. Das in der ersten Halbzeit war gar nichts“, stellte Raja klar. „Stimmt. Wir dürfen träumen, aber nicht mehr. Wichtig ist, daß wir immer spielen, wenn wir Lust haben. Solange der Spaß bei der Sache dabei ist, sind wir echt stark“, behauptete Nathu. „Das kannst Du aber vergessen, daß Du in Zukunft den fliegenden Torwart spielen darfst. Du bleibst schön in Deinem Kasten“, ordnete Rahul an. „Nur wenn es knapp ist. Wenn wir klar führen, dann nicht“, entgegnete Nathu. „Einverstanden.“ „Wo sind eigentlich Indira und Shankar?“ erkundigte sich Brahma. „Ach, die sind draußen. Müssen wahrscheinlich über Shankars Tor reden“, antwortete Parwez. „Das glaube ich kaum. Na Ihr Turteltäubchen. Seid Ihr doch noch nicht ausgezogen“, witzelte Nathu, als die Beiden freudestrahlend zurückkamen. „Alles zu seiner Zeit“, konterte Shankar grinsend. „Jetzt sag mir aber bitte mal, wie Du dieses Tor gemacht hast!“ bat ihn Raja. „Na ja, Du hast mal wieder krumm wie eine Banane geflankt und da ist mir nichts Anderes übrig geblieben, als den Ball so anzunehmen“, erzählte Shankar. „Wir bleiben aber schon eine Mannschaft“, hoffte Gautam. „Wie meinst Du das?“ wunderte sich Sardar. „Na ja, es könnte ja sein, daß ein paar vom Gegner bei uns mitspielen wollen. Die waren nach dem Spiel so freundlich“, erinnerte sich der Gefragte. „Das können die aber schwer vergessen. Ich weiß schon noch, wie die uns behandelt haben. Und ich habe ein Gedächtnis wie ein indischer Elefant“, rühmte sich Bharat. „Wenn Du auch noch so schwer wirst, dann spielst Du nicht mehr“, spottete Nathu, weshalb noch einmal Gelächter aufkam. Man hatte nun endlich ein Ziel vor Augen.

 

Am darauffolgenden Tag sah man die siegreiche Mannschaft wieder stundenlang auf dem Platz spielen. Die Verlierer des Spiels hatten anscheinend ihre Lust am Fußball verloren. Jedenfalls ließen sie sich nicht blicken, so daß ihre Bezwinger ungestört trainieren konnten. Die vier Mädchen halfen Lucia in der Küche. „Na, hast Du jetzt Deinen Traumprinzen gefunden?“ fragte Lucia mit einem wissenden Lächeln. „Ja. Es ist einfach himmlisch“, antwortete Indira strahlend. „Gib aber gut Acht, daß er Dir nicht ausreißt. Nicht, daß der Fußball ihm irgendwann mehr bedeutet“, warnte Lucia. „Nein, das glaube ich nicht.“ „Machst Du das alles hier eigentlich ganz alleine?“ erkundigte sich Sonia bei Lucia. „Was meinst Du damit?“ „Ist hier sonst niemand, der Dir hilft?“ „Wieso? Ihr seid doch da.“ „Schon. Aber ich meine jemand in Deinem Alter, der Dir bei der Aufsicht hilft.“ „Nein, das ist nicht nötig. Die Älteren passen auf die Jüngeren auf und nehmen mir so viel Arbeit ab. Außerdem sind die Meisten eh schon alt genug, daß sie wissen was sie tun.“ „Aha.“ „Und was ist mit Euch Dreien? Habt Ihr noch nicht den richtigen Jungen gefunden?“ forschte Lucia. Da begann Daya zu weinen. „Was hast Du denn?“ wunderte sich Lucia. Da erzählte Daya ihr ihre Geschichte und Lucia nickte verständnisvoll. „Ja Daya, so schlimm kann das Leben manchmal sein. Aber Liebe kann man nicht erzwingen. Auch Du wirst noch den Mann finden, der Dich so liebt, wie Du ihn.“ „Ich will aber nur Nathu.“ „Glaub mir, das ändert sich irgendwann.“ „Hoffentlich.“ „Und was ist mit Euch Beiden?“ Lucia schaute Sonia und Hirabai fragend an. „Neu Delhi ist groß“, antwortete Sonia ausweichend, während Hirabai verlegen schwieg. „Genug gefaselt. Reden wir über wichtigere Sachen: Kommt Ihr im Zimmer mit den vielen Jungs klar, oder wollt Ihr ein eigenes Zimmer?“ Mit jener Frage hatten sie nicht gerechnet. „Die tun uns schon nichts“, bekräftigte Indira, was Daya mit einem leisen „leider“ quittierte. „Gut, sonst hätte ich Euch nämlich in das Zimmer mit den anderen Mädchen stecken müssen“, berichtete Lucia. „Was für andere Mädchen?“ wunderte sich Sonia. „Die sind erst heute wiedergekommen. Die waren ein paar Wochen weg, um mal was Anderes zu erleben. Wir sind hier insgesamt 45. 26 Jungs und 19 Mädchen. Ihr werdet sie heute abend kennenlernen“, versprach Lucia. Am Abend saßen dann alle um den großen Tisch herum, aßen, tranken und redeten. Lucia stellte den 15 Mädchen die Neuankömmlinge vor und es zeigte sich sehr schnell, daß die keine Vorbehalte gegen sie hatten. Ganz im Gegenteil. Interessiert betrachteten die Mädchen, die meist zwischen 16 und 18 Jahren alt waren, die Jungen und so war es auch umgekehrt. Sehr schnell kamen sie miteinander ins Gespräch und so herrschte nicht mehr die gespenstische Stille, wie es sie zuvor immer gegeben hatte. Auch Indira, Daya, Hirabai und Sonia hatten keine Probleme mit den Kolleginnen, so daß ein alles in allem harmonischer Tag dem Ende zuging. Nach dem Essen machten sich Rahul und die Anderen wieder auf zum Fußballplatz, um weiter zu spielen. Auf einmal tauchte Madan auf, der das Geschehen interessiert beobachtete. „Wieso kommst Du erst jetzt?“ fragte ihn Raja. „Na ja, ich muß auch arbeiten, um Geld zu verdienen.“ „Ich dachte, Du bist Trainer.“ „Ja, Euer Trainer. Doch davon kann ich nicht leben.“ „Noch nicht“, fügte Raja hinzu und begab sich danach wieder auf den Platz. „Wenigstens Ihr habt noch Träume“, dachte sich Madan ein wenig ernüchtert. Er erinnerte sich nämlich, daß er früher sehr gerne Fußballtrainer geworden wäre, aber nie die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Jetzt hatte er die Chance, aber er wußte auch ganz genau, daß die sehr gering war. Warum machte er das eigentlich? Wahrscheinlich wußte er es selber nicht genau, aber er glaubte, daß ihn die Begeisterung der Jungen für den Sport angesteckt hatte. Nun war er also sehr stark mit dem Fußballvirus infiziert und darum dauerte es nicht lange, bis er selbst auf den Rasen kam und lachend mitspielte. Auch ihm merkte man den Spaß an.

Es wurde ziemlich spät, aber das störte niemanden. Bevor er sich verabschiedete teilte Madan noch Folgendes mit: „Hört mal her! Morgen geht es los. Ihr spielt gegen Eure drei Gruppengegner je zweimal, damit jede Mannschaft genauso oft Heimrecht hat. Ich bin froh, daß wir doch noch 64 Mannschaften zusammengebracht haben, so daß wir wie geplant spielen können. Das Spiel beginnt um sieben Uhr abends. Wir werden entweder mit dem Bus hinfahren oder zu Fuß gehen. Spielt morgen nicht zu viel, nicht daß Ihr abends keine Lust oder keine Kraft mehr habt“, bat er. „Machen sie sich keine Sorgen! Wir sind fit. Wo spielen wir denn?“ wollte Gautam wissen. „Auf dem Sportplatz einer Schule. Die Mannschaft dieser Schule ist Euer erster Gegner und ich bitte Euch, den nicht zu unterschätzen. Ihr seid nicht die Einzigen im Land, die Fußball spielen können. Übrigens dürft Ihr mich ruhig duzen.“ „Du, Trainer, mit welcher Aufstellung spielen wir denn morgen?“ wollte Brijesh wissen. „Ich würde sagen, mit genau der selben wie bei Eurem ersten Spiel. Allerdings wäre es nicht schlecht, wenn Ihr noch zwei Auswechselspieler hättet. Denn sonst müßt Ihr zu zehnt weiter spielen, falls sich mal wer von Euch verletzt“, gab Madan zu bedenken. „Das geht schon so. Wir lassen uns nicht so leicht verletzen“, versprach Tejbin. „Na gut, dann bis morgen“, verabschiedete sich Madan. Nun waren sie doch ein wenig aufgeregt. Am nächsten Tag sollte also tatsächlich die für sie so enorm wichtige Stadtmeisterschaft beginnen. Zunächst würde man sechs Spiele haben und von denen mußte man einige gewinnen, um nicht auszuscheiden. „Versucht zu schlafen, Leute! Es bringt doch eh nichts, wenn wir die ganze Nacht so herumliegen, außer daß wir morgen verdammt müde sind“, stellte Bharat fest. „Du hast Recht. Gute Nacht“, murmelte Raja. Shankar dachte derweil ein wenig nach: „Morgen geht es also los. Das ist unsere Chance. Wahrscheinlich unsere einzige Chance. Hoffentlich gewinnen wir, damit wir sie wahren. Und wenn nicht, was dann? Ach, was denke ich überhaupt? Scheiß auf das Spiel. Ich bin verliebt und außerdem soll das Fußballspielen Spaß machen und nicht belasten“, sinnierte er und schlief dann doch ein.

Am Tag darauf trainierten sie wieder auf dem Platz. Doch als Lucia kam und bat, ihnen zu helfen, da waren sie doch froh, mal was Anderes zu tun. Gemeinsam räumten sie einen alten Keller aus, in dem sich allerhand Sachen fanden, die man zum Teil noch gebrauchen konnte. So wurden sie vor dem Spiel abgelenkt. Von den Anderen war nichts zu sehen. Jene gingen den Siegern lieber aus dem Weg, weil sie so wenig wie möglich mit ihnen zu tun haben wollten. Das lag nicht am Auftreten Shankars und seiner Freunde, sondern an der Ablehnung, die man ihnen von Anfang an entgegengebracht hatte. Komischerweise war Madan schon kurz nach vier Uhr da. Man sah ihm dann, daß er Sorgen hatte. „Was ist los?“ fragte Sardar. „Die haben jetzt auf einmal das Reglement geändert. Jetzt kommt nur noch der Gruppenerste weiter, damit man gleich mit dem Achtelfinale weitermachen kann.“ „Wo ist das Problem?“ wunderte sich Gautam. „Das Problem ist, daß Ihr jetzt allerhöchstens ein Spiel verlieren dürft und sonst alle gewinnen müßt, weil Ihr sonst draußen seid. Aber setzt Euch bitte nicht unter Druck. Wenn Ihr die gleiche Spielfreude an den Tag legt wie in Eurem ersten Spiel, dann kann überhaupt nichts passieren“, beruhigte sie Madan. „Wenigstens sind wir so gut auf die K.o.-Runde vorbereitet“, glaubte Shankar, der natürlich so oft wie möglich mit Indira zusammen war. Wenig später machten sie sich auf den Weg. „Wir könnten ein wenig laufen, dann brauchen wir uns dort nicht mehr so lange aufwärmen“, schlug Brahma vor. Das taten sie dann auch und nach gut einer Stunde erreichten sie die Schule und ihren Sportplatz. Dort wunderte man sich, daß der Gegner schon so früh auftauchte. „Das Spiel beginnt doch erst um sieben“, meinte ein Lehrer zu Madan. „Na und? So können wir Euren Platz ein bißchen kennenlernen, damit wir wissen, wie wir spielen müssen“, entgegnete Madan. Der Lehrer glaubte schlecht gehört zu haben. „So etwas machen doch sonst nur Profis“, dachte er sich.

Während sie sich einspielten, stellte Nathu fest, daß der Platz nicht so holprig wie der eigene war. „Leute, heute will ich mal ein spielerisches Meisterwerk sehen. Aber nicht vor Schönheit ins Gras beißen. Vergeßt nicht, daß der Sinn des Spiels der ist, den Ball ins Tor zu schießen!“ rief er seinen Mitspielern zu. Jene spielten sich den Ball zu und probierten wie immer allerhand technische Tricks. Madan hoffte, daß das Spiel fair bleiben würde, weil es sehr gefährlich werden konnte, wenn einer seiner Spieler verletzt ausscheiden sollte. Um sieben Uhr ging es dann los. Es waren vielleicht gut 70 Zuschauer anwesend, die ihr Kommen aber nicht bereuen sollten. Auch die vier Mädchen waren mit dabei. Sie hatten beschlossen, „ihre“ Jungs zu jedem Spiel zu begleiten. Schnell zeigte sich, daß Shankar und seine Leute offensiver aufgestellt waren. Plötzlich kam ein Mann auf Madan zu. „Entschuldigung, wie heißt Ihre Mannschaft?“ erkundigte er sich. „Äh, na ja, da muß ich mir wohl einen Namen einfallen lassen. Das sind die Ballzauberer.“ „Komischer Name, hat aber was für sich“, gab der Mann zu, nachdem er sich den Namen notiert hatte und ging wieder. Fast hätte Madan die erste spektakuläre Szene des Spiels verpaßt. Nach einem Konter waren die „Ballzauberer“ wieder einmal zu spät zurückgelaufen und so lief einer der Stürmer der Heimmannschaft alleine auf Nathu zu. Der streckte seine Zunge raus, steckte beide Daumen in die Ohren und begann dann, mit den Händen zu winken. Es war ein zu lustiges Bild, das man da sehen konnte und so kam es, daß der Stürmer völlig abgelenkt am Tor vorbeischoß. Doch dem Schiedsrichter schien das alles nicht gefallen zu haben. Er gab Nathu die Gelbe Karte und verhängte einen Freistoß am Strafraum, da sich das alles noch knapp vor dem abgespielt hatte. Als einer der Schüler den Ball mit so einer erstaunlichen Genauigkeit in Richtung Tordreieck zirkelte, begannen die Zuschauer bereits zu jubeln. Doch da bewies Nathu, daß er nicht nur ein guter Komiker, sondern auch ein hervorragender Torwart war. Es gelang ihm tatsächlich, den Ball noch mit den Fingerspitzen über die Latte zu lenken. Spontaner Beifall der Zuschauer belohnte ihn für jene große Tat, weshalb er sich artig verbeugte. Auch bei den Stadtmeisterschaften dauerte jedes Spiel zweimal 30 Minuten. Nun begannen aber die „Ballzauberer“ langsam, ihrem Namen alle Ehre zu machen. Zunächst ließ Parwez mit einem tollen Trick seinen Gegenspieler aussteigen und spielte dann den Ball zu Gautam. Der spielte zwar auf der linken Seite, legte sich den Ball aber trotzdem auf den rechten Fuß, weil er damit besser flanken konnte. Jedoch traf er den Ball anders als gewollt, so daß der nicht in die Mitte des Strafraums, sondern direkt in Richtung Tor flog. Auf einmal krachte es laut. Voll an die Latte. Anstatt sich zu ärgern setzten sie sofort nach. Raja erkämpfte sich am Strafraumeck den Ball, hatte aber zwei Gegenspieler vor sich. Jeder andere Fußballspieler hätte den Ball fünf Meter zurück auf den wartenden Bharat gespielt, nicht aber Raja. Der nahm das Wort Offensivfußball wörtlich und versuchte sein Glück. Er tunnelte einen seiner beiden Gegner und wollte dann an dem vorbeilaufen. Der aber zog seinen Ellbogen aus und Raja landete auf dem harten Boden. Ein ganz klarer Elfmeter. Doch da zeigte es sich, daß der Schiedsrichter ein Bekannter an der Schule war, so daß seine Pfeife stumm blieb. Er überlegte sogar, ob er Raja die Gelbe Karte geben sollte, aber damit hätte er wohl die neutralen Zuschauer gegen sich aufgebracht, da selbst die Fans der Heimmannschaft ganz genau gesehen hatten, daß es ein klarer Elfmeter gewesen war. Die „Ballzauberer“ verzichteten darauf zu protestieren, weil sie wußten, daß es eh nichts bringen würde. Doch als zwei Minuten später Brahma auf dem Weg zum Tor war und brutal umgerissen wurde, da gab es kein Halten mehr. Wild redeten sie auf den Schiedsrichter ein, doch der blieb seiner Linie treu. Statt einer Roten Karte für den Sünder und Elfmeter für den Gefoulten, gab er lediglich Freistoß und keine Karte. „Was soll denn das? Unserem Torwart geben sie Gelb und der da kriegt nichts“, empörte sich Shankar. „Das von Eurem Torwart war eine Unsportlichkeit. Und das jetzt war eine Notbremse“, entgegnete der Schiedsrichter. „Ja eben. Und für eine Notbremse gibt es Rot“, stellte Shankar klar. „Nein, bei mir nicht. Aber für Meckern gibt es Gelb“, erklärte der nicht ganz neutrale Schiri und zückte den Karton. Shankar war stinksauer. So etwas mußten sie sich bieten lassen. Rahul und Bharat standen am Ball um den Freistoß auszuführen. 16 Meter Mittelstürmerposition. Bharat legte auf, doch gerade als Rahul schießen wollte, war schon Shankar herbeigeeilt und beförderte den Ball mit so einer Wucht ins Tor, daß beinahe das Netz gerissen wäre. Da blieb auch dem Schiri nichts Anderes übrig, als das Tor anzuerkennen, obwohl ihm das nicht so gut gefiel. Nach dem Führungstor der „Ballzauberer“ kam eine Gegenoffensive der Heimmannschaft, die sich noch lange nicht geschlagen gab. Nun bewiesen Rahul und seine Mannen, daß sie auch in der Lage waren zu kontern. Brijesh hatte am eigenen Strafraum einen Zweikampf gewonnen und spielte den Ball sofort weiter auf Bharat. Der schaute kurz und sah, daß Brahma völlig frei stand. Ein langer Ball. Gleichzeitig starteten Brahma und der Torwart des Gegners in Richtung Ball, wobei dazu gesagt werden muß, daß Brahma nicht in Abseitsposition stand, da sich ein Abwehrspieler der Schulmannschaft noch näher zum Tor befand, aber so weit vom Geschehen weg, daß er nicht mehr eingreifen konnte. Brahma war schneller als der Torwart und darum kam er vor ihm an den Ball. Verunsichert blieb der Torwart, der nicht wußte was er tun sollte, stehen. Brahma blickte kurz auf dessen Beine und sah, daß jene leicht geöffnet waren. Da holte er mit dem Knie aus und bugsierte den Ball damit dem Torwart zwischen die Beine durch in Richtung Tor. Vollkommen entsetzt mußten die Spieler der Heimmannschaft und die Zuschauer mit ansehen, wie der Ball ganz langsam ins Tor kullerte. Doch da wechselte auf einmal die Stimmung. Brahma erhielt für seinen Mut großen Applaus von der Menge. Es war Halbzeit und es stand zwei zu null für die „Ballzauberer“. „Also, im Großen und Ganzen bin ich zufrieden mit Euch. Aber paßt gut auf! Der Schiedsrichter wird alles versuchen, um einen von Euch vom Platz zu stellen. Nathu, leiste Dir nichts mehr und Du, Shankar, sag kein Wort mehr zum Schiri. Der wartet nämlich nur darauf. Paßt jetzt gut auf! Die werden noch einmal zur vollen Offensive blasen. Entweder versucht Ihr es mit Kontern, oder Ihr laßt sie erst gar nicht ins Spiel kommen. Auf alle Fälle dürft Ihr Euch nicht zu weit in Eure eigene Hälfte drängen lassen, weil sonst früher oder später das Tor für die fällt. Werdet vor allem nicht überheblich! Das Spiel ist erst aus, wenn es der Schiedsrichter abpfeift“, mahnte Madan. Er konnte nicht ahnen, was für eine ereignisreiche Halbzeit noch vor ihm stehen würde. Der Druck der Heimmannschaft erhöhte sich tatsächlich, aber die „Ballzauberer“ hielten dagegen. Auffällig war, daß der Schiedsrichter jedes kleinste Foul von ihnen abpfiff, während er das weitaus rustikalere Einsteigen der Heimmannschaft nicht ahndete. Jedoch passierte anfangs nicht allzu viel, weil es den „Ballzauberern“ immer wieder gelang, sich zu befreien, so daß Chancen Mangelware blieben. Auf einmal kam der Ball zu Shankar. Er lief über die Mittellinie und sah Gautam auf der linken Seite ziemlich ungedeckt stehen. Schnell spielte er ihm den Ball zu und lief in das Zentrum des Strafraums. Wie einstudiert landete der Ball auf seinem Kopf und ging von dort ins Tor. Drei zu null. Oder doch nicht? Der Schiedsrichter überlegte kurz, ob es irgendeine Möglichkeit gab, den Treffer nicht zu geben und er wurde fündig. „Das war Abseits. Freistoß für die Anderen“, entschied er. Shankar mußte sich sehr zurückhalten, um nicht drauf los zu poltern. Mal wieder wußten alle Zuschauer, daß es bestimmt nicht Abseits gewesen war, aber das änderte nichts. Wenig später war einer der Spieler der Heimmannschaft im Strafraum der „Ballzauberer“ eingedrungen und rutschte aus. Ein Pfiff ertönte. Ungläubig schauten 22 Spieler auf den Schiedsrichter. Der gab Elfmeter. Jetzt war Shankars Geduld am Ende. „Du elender Betrüger! Du Blinder! Na, wieviel haben sie Dir denn gezahlt? Ihr seid doch von der Mafia. Spiel doch gleich bei denen mit!“ entfuhr es ihm. Es war ganz klar, was nun folgte. Der Schiedsrichter zeigte Shankar die Rote Karte, doch der war außer sich. Bharat, Raja und Rahul mußten ihn zurückhalten, damit er nicht auf den „Unparteiischen“ einschlug. Nach einer kurzen Pause verließ er schimpfend den Platz. So eine Schweinerei hatte er nicht für möglich gehalten. „Der bescheißt uns doch“, meinte er zu Madan. „Ich weiß“, stimmte ihm sein Trainer zu. Der Elfmeter wurde sicher verwandelt und so gab es für die Heimmannschaft wieder Hoffnung. Doch die währte nur kurz. Nach einer feinen Einzelleistung umkurvte Rahul den Torhüter und schob zum drei zu eins ein. Das Spiel war gelaufen. Dachten sich zumindest alle. Einer war ganz anderer Meinung. Der Schiedsrichter nämlich, der den Treffer wegen angeblichen Handspiels nicht gab. Zwar war der Ball überhaupt nicht in der Luft gewesen, doch das spielte für ihn keine Rolle. Nun wurden aber sogar bei den Fans der Heimmannschaft Unmutsäußerungen laut. Es war einfach zu offensichtlich, wie hier betrogen wurde. Doch das war noch nicht alles. Nun begannen die Spieler der Heimmannschaft, die gemerkt hatten, daß der Gegner keine Auswechselspieler dabei hatte, damit, immer voll auf die Knochen zu treten. Das führte dazu, daß Parwez verletzt aufgeben mußte. Es waren noch knapp zehn Minuten zu spielen. Elf gegen neun. Den „Ballzauberern“ blieb nichts Anderes übrig, als sich vor den eigenen Strafraum zurückzuziehen und den Vorsprung zu verteidigen. Aber das konnten sie nicht. Auch mit zwei Mann weniger versuchten sie munter mitzuspielen, so daß die Zuschauer ihren Augen nicht trauten. Man merkte nämlich gar nicht, daß die eine Mannschaft zwei Spieler mehr auf dem Platz hatte. So kam es, daß die Zeit schnell verging und alle auf den Abpfiff warteten. Aber der Schiedsrichter wollte „seiner“ Mannschaft wenigstens einen Punkt bescheren. Dabei trat er die Fußballregeln mit den Füßen. Nicht nur, daß er fast acht Minuten nachspielen ließ, nein, er sorgte auch noch mit einer lachhaften Begründung dafür, daß die Heimmannschaft immer wieder den Ball bekam. Das machte er immer so: Jedesmal wenn die „Ballzauberer“ den Ball hatten und zu kombinieren anfingen, schaute er auf die Uhr und pfiff nach kurzer Zeit Freistoß für die Heimmannschaft wegen Zeitspiels. Unglaublich aber wahr. Doch die machte einfach nichts daraus, was dem Schiedsrichter sichtlich naheging. „Hey! Wir spielen hier zweimal 30 und nicht einmal 30 und einmal 40 Minuten“, rief Madan, der nicht glauben konnte, daß der Schiedsrichter immer noch nicht abgepfiffen hatte. Noch einmal schlug ein Spieler der Heimmannschaft den Ball nach vorne. Doch dort stand sein Mannschaftskollege fast drei Meter im Abseits. Der Mann, der als Linienrichter agierte, zeigte das deutlich an, doch der Schiedsrichter winkte nur ab. Der Stürmer legte den Ball an Nathu vorbei, hatte sich dabei aber gewaltig verschätzt. Der rollte in Richtung Toraus, weshalb sich der Junge einfach fallen ließ. Wieder hatten alle gesehen, daß es eine Schwalbe war und wieder gab der Schiedsrichter Elfmeter. Auch der wurde verwandelt und als er endlich sein Ziel erreicht hatte, pfiff der Referee zufrieden ab. Er dachte, er hätte bei den Zuschauern auf diese Art und Weise Sympathien dazugewonnen, doch da hatte er sich gründlich geirrt. Jene waren nämlich auch nicht vollkommen vereinsblind und verstanden etwas vom Fußball. Nun kam es zu einem außergewöhnlichen Bild. Die Spieler der Heimmannschaft mußten den Schiedsrichter vor ihren eigenen Fans schützen und das taten sie auch. „Das ist wohl Euer Trainer!“ rief Rahul ihnen zu. „Woher weißt Du das?“ wunderte sich einer der Angesprochenen. Die „Ballzauberer“ konnten es nicht fassen. „Ich habe zwar gewußt, daß im Sport nicht alles mit rechten Dingen zugeht, aber so einen Beschiß hätte ich nicht für möglich gehalten!“ schimpfte Nathu, der nicht einmal mehr Lust hatte, blöde Witze zu reißen. Die Zuschauer skandierten in Richtung Schiedsrichter „Betrüger“ und kamen dann fast alle zu Madans Team, um es aufzubauen. „Kopf hoch, Jungs! Ihr habt ganz klar gewonnen. Da muß man sich ja schämen mit welchen Mitteln man Euch beschissen hat“, erregte sich ein alter Mann. „Wir werden natürlich Protest einlegen und hoffen, daß wir einige von ihnen als Zeugen nehmen können“, gab Madan von sich. Dazu waren alle bereit, doch es würde nicht dazu kommen. So hatten die „Ballzauberer“ also ihr erstes Spiel unentschieden bestritten, obwohl sie nicht nur die moralischen, sondern auch die wirklichen Sieger gewesen waren. Madan wollte seine Jungs aufbauen, doch er war selbst zu geknickt. „Dann müssen wir halt alle anderen Spiele gewinnen“, murmelte er bedrückt. „Wenn wir lauter solche Schiedsrichter haben, dann gewinnen wir kein Spiel mehr“, entgegnete Shankar, der immer noch außer sich war. Auch Indira konnte ihn nicht beruhigen. Schweigend machten sie sich alle wenig später auf den Heimweg, wo sie sich schnell schlafen legten, um alles zu vergessen. Durch jenen Betrug waren ihre Chancen wesentlich gesunken. Zwei Tore hatte man ihnen aberkannt, zwei Elfmeter nicht gegeben und dem Gegner zwei Elfmeter geschenkt. Da konnten sie nur froh sein, daß sie nie wieder jenen Schiedsrichter haben würden. Am nächsten Tag erzählte ihnen Madan, daß im Spiel ihrer beiden anderen Gruppengegner die „Straßenmusikanten“ gegen die „Superstars“ mit fünf zu null gewonnen hatten, so daß jene nun den ersten Rang belegten, der sie zur Teilnahme an der K.-o.-Runde berechtigte. „Kopf hoch, Jungs! Das war das erste Spiel. Ihr habt noch fünf vor Euch“, bemerkte Madan. Doch auch ihm war anzumerken, daß das ihn das Spiel noch immer beschäftigte. „Hast Du Protest eingereicht?“ wollte Shankar wissen. „Ja, aber der hat kaum Aussicht auf Erfolg. Die haben gemeint, wenn wir wirklich so gut wären, dann würden wir uns trotzdem noch qualifizieren.“ „Denen werden wir es zeigen. Wann ist unser nächstes Spiel?“ „Morgen abend. Wir spielen zuhause gegen die „Superstars“.“ „Die „Ballzauberer“ konnten es kaum erwarten. Wie im Fluge verging der Tag und auch der darauffolgende ging schnell dem Ende entgegen. Es war kurz vor sechs Uhr, als die „Superstars“ auftauchten. Shankar und seine Leute konnten nicht glauben was sie da sahen. Da kamen lauter Wohlstandsjünglinge auf sie zu, in teuren Trikots und jeder mit einer so großen Klappe, daß sich die „Ballzauberer“ zurückhalten mußten, um nicht handgreiflich zu werden. „Was! Gegen diese Asozialen sollen wir spielen? Da müssen wir die Siegprämie aber verdoppeln“, befand einer der Gegner. „Ha, das sollen die „Ballzauberer“ sein. Die sehen mir doch eher wie Ballzauderer aus“, spottete sein Kamerad. „Unter „Superstars“ habe ich mir auch was Anderes vorgestellt, als ein paar Rotznasen, die noch von ihrer Mami gewickelt werden“, konterte Nathu. So war also schon im Vorfeld die Stimmung gereizt und das setzte sich auch im Spiel fort. Sehr schnell stellte sich heraus, daß die „Superstars“ nichts weiter als große Sprücheklopfer waren, die nicht einmal in der Lage waren, den Ball vernünftig zu stoppen. Darum versuchten sie, ihre deutlich erkennbare technische Unterlegenheit mit brutaler Härte auszugleichen. Daß das nicht gelang war ein Verdienst des Schiedsrichters, der für jedes zu harte Foul eine Gelbe Karte gab, so daß nach wenigen Minuten bereits vier „Superstars“ eine gesehen hatten. Mit den Fouls gelang es ihnen zwar, den Spielfluß der „Ballzauberer“ zu unterbrechen, aber das reichte nicht. Innerhalb von zwei Minuten brachten Brahma und Rahul die Heimmannschaft mit zwei zu null in Führung. Fast 200 Zuschauer waren gekommen, weil sich inzwischen herumgesprochen hatte, daß es da eine vielversprechende Fußballmannschaft von Jugendlichen gab, die technisch auf sehr hohem Niveau spielten. Natürlich wurde kein Eintrittsgeld verlangt, was ja auch grober Unfug gewesen wäre. So kamen die Zuschauer voll auf ihre Kosten und sahen wenig später einen herrlichen 20 Meter Distanzschuß von Bharat, der genau im Tordreieck landete. Es stand drei zu null zur Pause und Madan hatte seinen Leuten nicht viel zu sagen. „Macht einfach so weiter! Die sind jetzt schon fast konditionell am Ende. Spielt für die Zuschauer und für Euer Torverhältnis!“ bleute er ihnen ein. Gesagt getan. Nun wurden die „Superstars“ regelrecht vorgeführt, so daß spätestens zu jenem Zeitpunkt alle wußten, wer die wahren Superstars waren. Die führten nach weiteren Toren von Rahul, Gautam und Shankar inzwischen mit sechs zu null und es waren noch fast fünf Minuten zu spielen. Da hielt es natürlich auch Nathu nicht mehr in seinem Kasten und er mischte sich munter in das Angriffsspiel seiner Elf mit ein. Einen Torwart als Mittelstürmer sah man nicht so oft und deshalb ging ein Raunen durch die Menge, als Nathu den Ball an den Innenpfosten köpfte, der aber wieder heraussprang, ohne die Linie zu überschreiten. Doch Sekunden später berührte ein Flachschuß von Gautam Nathus Fuß und von dort landete der Ball zum sieben zu null im Tor. Nicht einmal ins leere Tor trafen die „Superstars“, die ihren Namen völlig zu Unrecht trugen und so endete jener Vergleich ganz eindeutig zugunsten der „Ballzauberer“. Jene wurden stürmisch von ihren Fans gefeiert und machten sich nun wieder Hoffnung auf ein Weiterkommen. „Das war endlich mal ein Spiel, so wie ich mir das vorstelle“, freute sich Nathu. „Ich glaube, Du willst eher vorne spielen“, ließ Madan verlauten. „Nein, aber heute war es im Tor doch ziemlich langweilig. Ich habe gerade mal zwei Bälle halten müssen.“ „Zum Glück nicht mehr. Sonst hätten wir wahrscheinlich verloren“, spottete Shankar, weshalb er von Nathu einen Stoß in die Rippen bekam. „Unser großer Regisseur hat sich heute aber ziemlich zurückgehalten“, stellte Bharat ein wenig erstaunt fest. „Ich dachte, Ihr sollt auch mal zeigen, daß Ihr den Ball stoppen könnt“, entgegnete Shankar. „Was unsere Gegner halt nicht zustande gebracht haben“, attestierte Tejbin. Die Stimmung war nun wieder gut, weil man es inzwischen also auf vier Punkte gebracht hatte. Am späteren Abend kam dann ein Mann vorbei und teilte Madan etwas mit. „Hört bitte kurz zu! Die „Straßenmusikanten“ haben gegen die Betrüger mit vier zu eins gewonnen. Das heißt, daß die jetzt sechs Punkte haben und wir vier, also Zweiter sind. Wenn wir drin bleiben wollen, dann müssen wir sie schlagen“, machte Madan deutlich. „Kein Problem. Das schaffen wir schon“, beruhigte ihn Brijesh. „Seid nicht so voreilig. Vergeßt bitte nicht, daß die gegen unseren heutigen Gegner fünf zu null und gegen die Mannschaft, gegen die wir unentschieden gespielt haben, vier zu eins gewonnen haben.“ „Aber normalerweise hätten wir gegen diese Betrüger mit vier zu null gewonnen. Wir werden diesen „Straßenmusikanten“ schon den Marsch blasen“, versprach Nathu, weshalb Gelächter aufkam. Madan fürchtete, daß seine Jungs überheblich werden würden und das nicht ganz zu Unrecht. Als er am nächsten Tag bei ihnen vorbeischaute, sah er sie in der Sonne liegen. „Nanu. Heute kein Fußball?“ wunderte er sich. „Wozu denn? Wir sind doch eh schon so gut“, behauptete Sardar. „Bis jetzt habt Ihr noch nichts erreicht. Werdet jetzt bitte nicht leichtsinnig! Morgen Abend ist das große Spiel gegen die „Straßenmusikanten“ und da werdet Ihr ganz schön gefordert werden.“ „Ja ja, schon gut“, murmelte Gautam. Madan schüttelte den Kopf und ging. Er konnte nicht verstehen, daß seine Jungs nach einem Spiel so selbstherrlich geworden waren. „Hoffentlich geht das gut“, dachte er sich, als sie am nächsten Abend vor dem Spiel gegen die „Straßenmusikanten“ ein bißchen kickten. Man spielte auf einem geteerten Platz und es zeigte sich sehr schnell, daß das ein Vorteil für die Heimmannschaft war. Um sich nicht zu verletzen, gingen die „Ballzauberer“ kein Risiko ein, so daß die „Straßenmusikanten“ ein starkes optisches Übergewicht hatten und zur Pause verdient mit zwei zu null führten. Madan war außer sich vor Wut. „So, seid Ihr jetzt zufrieden? Damit macht Ihr die zum Ersten. Wollt Ihr Eure Träume aufgeben? Wenn Ihr dieses Spiel verliert, dann könnt Ihr niemals mehr Stadtmeister werden. Ihr müßt Euch auch mal quälen. So gut sind die nicht, aber Ihr geht ja überhaupt nicht dazwischen.“ Madan spürte, daß ihm seine Spieler gar nicht weiter zuhörten. Darum blieb ihm nichts Anderes übrig, als sie bei der Ehre zu packen. „Ich hätte nie gedacht, daß Ihr solche Flaschen seid. Ihr könnt ja überhaupt nichts und laßt Euch hier abschlachten, nur weil Ihr den Patz nicht gewohnt seid. Wer ein guter Fußballer sein will, der kann auf jedem Platz spielen. Aber das seid Ihr ja nicht. Aus Euch wird nie etwas, weil Ihr meint, es läuft alles von alleine. Da, geht nur aufs Spielfeld und macht so weiter. Rennt in Euer Verderben. Ihr glaubt doch nicht, daß die gegen die beiden anderen Mannschaften verlieren. Da könnt Ihr Euch dann auf den Kopf stellen. Wer so grausam spielt wie Ihr, der hat es nicht verdient weiter zu kommen.“ Das waren harte Worte, aber nur die konnten etwas helfen. Denn wer gesehen hatte, wie gleichgültig und lustlos die „Ballzauberer“ in der ersten Halbzeit gespielt hatten, der hätte jeden Betrag gewettet, daß die in jenem Spiel keine Chance mehr haben würden. Doch nun wußten sie was Sache war und auf einmal ging es. Das Kombinationsspiel funktionierte genauso wie auf dem eigenen Platz, der Gegner wurde schwindlig gespielt und so war es auch nicht weiter überraschend, daß Rahul nach einem Paß von Bharat den verdienten Anschlußtreffer erzielte. Die „Ballzauberer“ erhöhten ihren Druck und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie den Ausgleich schießen würden. Doch plötzlich vertändelte Shankar den Ball im Mittelfeld und die Post ging in die andere Richtung ab. Der Rechtsaußen der „Straßenmusikanten“ schloß den schönen Konter mit einem trockenen Flachschuß ab, den Nathu wirklich nicht halten hatte können. Niedergeschlagen trabten die „Ballzauberer“ zurück. Sie glaubten nicht mehr an ihre Chance. Währenddessen begannen die Fans der „Straßenmusikanten“ schon den Einzug ins Achtelfinale zu feiern. Zweifellos mußte man sagen, daß auch die „Straßenmusikanten“ technisch sehr begabt waren. Aber als die „Ballzauberer“ die Freudengesänge der gegnerischen Fans vernahmen, da wurden sie von Neuem motiviert. Von nun an stand das Tor der „Straßenmusikanten“ unter Dauerbeschuß. Aus allen Lagen zielten die „Ballzauberer“ auf den Kasten, aber der Ball wollte einfach nicht hinein. Das lag auch am hervorragenden Torhüter der „Straßenmusikanten“, der wirklich phantastische Paraden zeigte. Die Zeit verstrich und es waren noch höchstens drei Minuten zu spielen. Da setzte Shankar alles auf eine Karte und zeigte endlich einmal allen, was er doch für ein begnadeter Techniker war. Auf engstem Raum spielte er zwei Gegner aus und lupfte den Ball dann über den herausstürmenden Torhüter hinweg zum zwei zu drei ins Tor. Noch einmal drängten sie auf den Ausgleich. Aber wie schon zuvor verloren sie den Ball, als sie in der Vorwärtsbewegung waren und wieder lief einer der „Straßenmusikanten“ alleine auf Nathu zu. Der wußte, daß es nun ganz allein von ihm abhing, ob sie noch eine Chance haben würden, die nächste Runde zu erreichen. Er achtete genau auf die Füße des Angreifers und sah, daß der den Ball schlenzen wollte. Nathu blieb stehen, was den Stürmer doch ein wenig irritierte. Als er zwei Meter vor Nathu war, schlenzte er den Ball mit dem Innenrist in Richtung Tor. Irgendwie brache Nathu noch die Fingerspitzen an den Ball, doch Augenblicke später stellte er entsetzt fest, daß der Ball trotzdem auf dem Weg in Richtung Tor war. Nathu langte sich an den Kopf, während der Stürmer bereits die Hände zum Jubel gehoben hatte. Doch plötzlich änderte der Ball ein wenig seine Richtung und hüpfte an den Pfosten. Schnell schnappte sich Nathu das Leder und drosch es nach vorne. Dort warteten Raja und Bharat auf das Teil, jedoch kam ihnen ein Gegner zuvor. Erst Brijesh konnte den losstürmenden Spieler stoppen, was ihm sogar mit fairen Mitteln gelang. Der Schiedsrichter schaute auf die Uhr. Es gab keinen Grund nachspielen zu lassen und darum sollte das der letzte Angriff sein. Blindlings flankte Brijesh den Ball in die Mitte, wo sich eine große Spielertraube aufhielt. Niemand wußte für einen Moment wo der Ball war, doch auf einmal entdeckte ihn Rahul. Jedoch kam der Torwart aus dem Kasten, um die Situation zu bereinigen. Rahul stand mit dem Rücken zum Tor und konnte den Ball nur mit der Hacke spielen. Er tat das auch und zur Überraschung aller landete der Ball im Netz. Toooooooor!

 
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