Der Papitalist

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Der Papitalist
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Der Papitalist

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Inhaltsverzeichnis

Titel

Alle Macht dem Papital!

Schönes neues Geld!

Papitalismus für Anfänger

Die Führung der Ente

Perspektivchen wechsel Dich!

Impressum neobooks

Alle Macht dem Papital!

Ich war nicht allein auf der Welt, ganz im Gegenteil. Fast acht Milliarden andere Individuen spukten ebenfalls auf jenem kaputten Planeten herum, den sie Erde nannten, doch mit denen hatte ich nicht sonderlich viel zu tun. Nicht aus dem Weg gehen konnte ich allerdings meiner Frau und unserem gemeinsamen Sohn, der sich immer wieder gerne auf ausgiebige Spaziergänge mit mir begab, um dort von mir zu lernen oder sich meines Unwissens zu erfreuen. "Papa, ich habe mal wieder ein paar Fragen an Dich", begann der kleine Nervtöter und ich hielt ihm sogleich meine geöffnete Hand hin. "Das macht zehn Euro", ließ ich dazu noch von mir hören. Ohne zu murren bezahlte er, was zweierlei bedeuten konnte: Entweder waren meine Antworten so gut, daß sie ihr Geld wert waren, oder er hatte sich an jene Art der Abzocke einfach gewöhnt. Sie würden nun einwenden, daß das eine ziemlich sinnlose Aktion von mir gewesen wäre, schließlich handelte es sich bei den Mäusen bestimmt um das Taschengeld des Kleinen, das er von mir bekommen gehabt hatte, doch da irrten Sie sich gewaltig. Ich war schon immer ein Freund der Kinderarbeit gewesen und deshalb hatte ich auch dafür gesorgt, daß mein Nachfahre bereits mit vier Jahren zu arbeiten begonnen hatte. Er verdiente also schon sein eigenes Geld und damit durfte er machen was er wollte, also zum Beispiel auch mich dafür bezahlen, daß ich ihm Fragen beantwortete. Vermutlich fanden Sie das ungewöhnlich oder vielleicht sogar abartig, doch alles im Leben hatte bekanntlich seinen Preis und ich war ein überzeugter Papitalist, von daher hatte das alles schon seine rechte Ordnung. "Papa, warum sind Fußballspiele oft so langweilig?" begehrte mein Sprößling von mir zu wissen. Donnerwetter, das ging ja schon mal gut los, mit so einer schwierigen Frage hatte ich eigentlich nicht gleich gerechnet gehabt. "Na ja, die beliebteste Sportart bildet in gewisser Weise den Zeitgeist ab und zeigt, wie die Völker so drauf sind, die jene Sportart mit Leidenschaft praktizieren. Fußball zum Beispiel ist vor allem in Europa, Afrika und Südamerika sehr beliebt, in den USA bevorzugt man dagegen American Football und wer sieht, wie die Amerikaner auf der Weltbühne auftreten, der erkennt sofort, daß sie sich an ihrem Lieblingssport orientieren. Wir hier in Deutschland mögen es dagegen etwas ruhiger, gemütlicher, womöglich auch langweiliger. Interessant wird der Fußball in erster Linie durch die Emotionen. Das heißt, Du bist Fan von einer Mannschaft und willst deshalb, daß die gewinnt. Außerdem kannst Du bestimmte andere Vereine nicht leiden und wünschst Dir, daß die verlieren. So bekommt Fußball seinen Reiz, aber grundsätzlich stimme ich Dir natürlich zu. Draußen zu stehen und dabei zuzuschauen, wie 22 Leute hinter einem Ball herrennen, oder zumindest 20, das ist wahrlich kein Höhepunkt der menschlichen Kultur", faßte ich zusammen. "Aber ich verstehe trotzdem nicht, warum das alle so toll finden. Ich meine, da laufen die eineinhalb Stunden lang diesem runden Leder hinterher und am Ende steht es dann 0:0, 0:1 oder 1:1. Das ist doch irgendwie total sinnlos." "Ja, zugegeben, objektiv betrachtet natürlich schon, es wäre eine gute Sportart für Dicke, damit sie abnehmen, aber die sieht man eher selten auf dem grünen Rasen. Früher schauten sich die Leute in Rom Gladiatorenkämpfe an, das war eine viel brutalere Zeit damals, aber heutzutage fiebert man halt bei so einem merkwürdigen Spiel mit." "Brutal geht es doch heute auch zu. Überall Kriege, Hungersnöte, Mord und Totschlag, Raub, Umweltzerstörung, Betrug und Vieles mehr." Ich schaute meinen Erstgeborenen nachdenklich an. "Ja, mag sein, daß es heute ebenfalls mal wieder ziemlich abgeht, aber ich glaube, das war auch noch nie anders. Irgendwelche Terroristen gab es wohl schon zu allen Zeiten und die sprengten meistens irgendwas oder irgendwen in die Luft, um ihre komischen Ziele zu erreichen." "Das ist doch alles total dämlich. Und was hat es mit diesem Ostern eigentlich auf sich, das da jetzt überall gefeiert wird?" Nun kam ich ziemlich ins Schwitzen, denn bei mir handelte es sich um jemanden, der mit der Religion zwar nicht gerade auf Kriegsfuß stand, allerdings auch nicht sonderlich viel mit ihr anzufangen wußte. "Paß auf, das ist so: Viele Menschen suchen nach einem Sinn in ihrem Leben und wenn sie den nicht finden, dann erfinden sie angebliche höhere Mächte, welche mit ihnen irgendwelche großartigen Pläne verfolgen. Es gab da anscheinend vor ein paar tausend Jahren mal einen Typen, der ziemlich klug dahergeredet und angeblich auch viele Wunder gewirkt hat. Kranke geheilt, Tote wieder lebendig gemacht und lauter solche Sachen. Der Mann wurde zum Tode verurteilt und gekreuzigt, seine Anhänger aber behaupten, er wäre von den Toten wiederauferstanden und der Sohn Gottes", erläuterte ich ziemlich unbeholfen. "Und was glaubst Du?" forschte mein Kind. "Das tut doch nichts zur Sache." "Ich will es aber wissen." "Also gut. Ich persönlich bin der Meinung, daß der Begriff "Sohn Gottes" nur bedeuten soll, daß da einer im Sinne Gottes gehandelt hat. Ich glaube nicht an das ganze Zeug, von wegen Gott hätte da seinerzeit eine Jungfrau geschwängert, beziehungsweise soll das ja der Heilige Geist gewesen sein, der wiederum ein Teil von Gottes gespaltener Persönlichkeit ist und so weiter und so fort. Es gab da höchstwahrscheinlich einen ziemlich interessanten Menschen, der jede Menge krasse Ansichten vertreten hat. Deswegen mußte er sterben und diese Wiederauferstehungsgeschichte heißt für mich höchstens, daß es ein Leben nach dem Tod geben könnte, aber nicht mehr und erst recht nicht weniger. Weißt Du, Religionen sind eine ziemlich gefährliche Sache, denn sie haben so einen blöden Absolutheitsanspruch und glauben, sie hätten die ganze Wahrheit allein für sich gepachtet. Und das ist natürlich völliger Schwachsinn", bekräftigte ich nachdrücklich. Nick nickte nachdenklich. Ich atmete tief durch. Noch mal Glück gehabt.

Es dauerte nicht lange, bis das neugierige Kind eine weitere Frage stellte. "Wieso sind da jetzt überall diese Osterärsche?" Ich grinste vergnügt in mich hinein. Das war es, was ich an Kindern am meisten mochte: Sie sprachen das aus, was man sich selber dachte, jedoch nicht mehr zu sagen traute. Wenn es sie nicht schon geben würde, dann hätte man sie allein deswegen erfinden müssen. "Du meinst wahrscheinlich diese Ostermärsche. Ja, die sind auch so ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Früher war alles noch komplizierter und kriegerischer, weshalb da manchmal Hunderttausende unterwegs waren, um für den Frieden zu demonstrieren. Aber wenn Du mich fragst, dann ist das heute nur noch ein müder Abklatsch von damals. Überall auf der Erde schlagen sich die Leute voll die Köpfe ein und obwohl wir das alles ständig mitbekommen, interessiert es im Grunde fast niemanden mehr", resümierte ich. "Papi, in was hat sich Mami eigentlich bei Dir verliebt? In Deine Klugheit wohl eher nicht", vermutete der Frechdachs und ich ärgerte mich tierisch darüber, daß die Prügelstrafe für unverschämte Fratzen leider abgeschafft worden war. "In mein Geld, mein Sohn, nur in mein Geld. Die Bewerber standen Schlange, denn Deine Mutter war sehr beliebt und durchaus ansehnlich. Ich hatte im Grunde keine Chance bei ihr zu landen, denn meine Konkurrenten sahen besser aus, waren gescheiter oder hatten wesentlich bessere Manieren als ich. Doch dann griff ich tief in die Trickkiste und ließ ihr einen Kontoauszug von mir zukommen. Daraufhin entschied sich Deine Mami für mich, denn Frauen tun zwar immer so von wegen große Gefühle und wahre Liebe, aber im Grunde sind sie nur an Geld interessiert", dozierte ich und Nick schaute ein wenig enttäuscht in die Ferne. "Geld ist alles, was auf diesem Planeten zählt, mein Junge. Es hilft Dir in allen Lebenslagen weiter und ohne Geld bist Du hier völlig angeschissen und auf Dich allein gestellt. Deswegen ist es auch nicht verwunderlich, daß sich in den Kirchen ebenfalls alles nur ums Geld dreht." Mein Kleiner schaute mich verwundert an, bevor er nachhakte: "Wie meinst Du das?" "Na ja, die ganzen Religionen und ihre Vertreter tun immer so, als ginge es ihnen um andere Dinge, Seelenfrieden, wahres Glück und lauter solchen Firlefanz. Aber schau sie Dir nur mal an, diese hohen Herren in ihren protzigen Autos und mit ihren Millionen auf der Bank. Die leben auch nicht das, was sie predigen und jemanden wie diesen Jesus Christus hätten sie ganz bestimmt nicht zu sich in den Palast gelassen." "Aber der Papst ist doch da ganz anders." "Ausnahmen bestätigen die Regel. In der Tat, der Papst spielt bei der ganzen Sache einfach nicht mit und zeigt damit eindrucksvoll, daß es auch anders möglich wäre. Aber alle seine Bischöfe und Kardinäle, genauso wie sehr viele Priester und Pfarrer, kümmern sich in erster Linie um ihr materielles Wohl, denn ein leerer Bauch predigt nicht gern. Es sind diese Beamten Gottes, die auf ihren fetten Ärschen sitzen und dann ihre Gemeindemitglieder dazu aufrufen, für die Armen in Afrika zu spenden, obwohl ihre tolle Kirche selbst über Milliarden verfügt, die sie nicht den Armen in Afrika zur Verfügung stellt. Die Kirchen sind steinreich und nur an ihrem Wohlergehen auf Erden interessiert. Sie zocken ihre Gläubigen ab und versprechen das Himmelreich, aber in Wirklichkeit wollen ihre Vertreter nur hier ein gutes Leben führen, alles Andere ist denen scheißegal. Wenn Du Doppelmoralisten suchst, dann mußt Du in die Kirchen gehen." "Und was ist die Moral von der Geschichte?" erkundigte sich mein Zuhörer. "Geld regiert die Welt. Ohne Geld ist alles nichts. Versuche, so viel Geld wie möglich zu haben, dann wirst Du ein tolles Leben auf diesem Planeten führen können", versprach ich meinem Nachkommen und er betrachtete mich skeptisch. "Du bist echt so ein richtiger Papitalist", bemerkte er ein wenig desillusioniert und ich nickte völlig zufrieden feierlich. Sekunden später wurden wir plötzlich von fremden Männern überwältigt .

 

Sie schleppten uns in ein Auto und danach fuhren sie mit uns zu einem großen Gebäude, das ich noch nie zuvor in meinem Leben gesehen hatte. Dort angekommen zwangen sie uns auszusteigen und wenig später befand ich mich mit einem der dreisten Kerle in einem Raum ohne Fenster. "Also so ein Raum ohne Fenster ist irgendwie genauso sinnlos wie ein Arsch ohne Loch", fiel mir dazu nur ein und er konnte sich ein freches Grinsen nicht verkneifen. "Wissen Sie warum Sie hier sind?" fragte er mich, nachdem er sich eine Tasse Kaffee von einem Automaten geholt gehabt hatte. "Keine Ahnung. Vielleicht waren Sie einsam und hatten Lust auf Gesellschaft", spekulierte ich ins Blaue hinein. "Knapp daneben ist auch vor Brei. Wir haben Sie und Ihr Gespräch belauscht, außerdem haben wir Sie schon seit Längerem auf dem Kieker. Es geht so nicht, was Sie da veranstalten, spottet jeglicher Beschreibung und Vernunft", behauptete er. "Wovon reden Sie?" "Von Ihren Theorien, aber Ihre Praxis ist auch nicht viel besser." "Was geht Sie das an?" "Sehr viel. Ich arbeite für den Staatsschmutz, äh, -schutz und wir haben es nicht so gern, wenn Leute wie Sie ihre Kinder mit Lügen füttern." Ich schaute ihn nachdenklich an. "Sie wissen schon, diese Sprüche wie Geld wäre das Einzige was zählt", fügte er hinzu. "Aber so ist es halt nun mal", erwiderte ich. Er stand auf und argumentierte: "Möglicherweise liegen Sie da nicht ganz falsch, aber unser System funktioniert wesentlich subtiler und das würdigen Sie kein bißchen. Wir leben hier im Konsumismus und das bedeutet, daß wir die Leute abhängig machen. Die Werbung suggeriert ihnen, daß sie bestimmte Sachen unbedingt brauchen, weil ihr Leben ansonsten weniger lebenswert wäre, oder sie selbst zu den Außenseitern gehören würden und das will ja bekanntlich niemand. Die Menschen sollen süchtig nach den Produkten werden, sie anbeten und alles dafür tun, um sie zu erwerben. Wir möchten die Gesellschaft beherrschen und so eine gnadenlose Unterwerfung erreichen wir im Konsumismus nur, wenn unsere Zeitgenossen überzeugt davon sind, eine Wahl zu haben und frei entscheiden zu können, was vermeintlich gut für sie ist. Sie aber unterminieren mit Ihren Sprüchen unser ganzes Konstrukt, denn Sie lüften den Schleier, weshalb Ihr bedauernswerter Sohn der nackten Wahrheit ins Gesicht sehen muß und die ist bekanntlich nicht sonderlich schön." "Wissen Sie was? So einen Blödsinn habe ich schon lange nicht mehr gehört. Sie sollten sich unbedingt mal mit meiner Frau unterhalten, mit der würden Sie sich bestimmt hervorragend verstehen. Ich sage einfach nur was Sache ist. Es geht immer und überall nur ums Geld, etwas Anderes interessiert die Leute nicht. Das kann man gut oder schlecht finden, aber das ändert nichts daran, daß es eben nun mal so ist. Ich bereite meinen Jungen auf seine Zukunft vor, er soll gleich wissen wie der Hase läuft und sich von Euch Pappnasen und Euren Werbefritzen nicht eine geile Welt vorgaukeln lassen, die überhaupt nicht existiert", ließ ich verlauten. Er starrte mich etwas ratlos an, bevor er sich setzte, einen Schluck Kaffee in sich hineinschüttete und zu labern begann: "Sie zerstören die Illusion und das gefällt uns ganz und gar nicht. Der Kunde, oder meinetwegen auch der Konsumist, will umworben werden, König sein. Das ist wie bei der Liebe: Die angebetete Frau möchte ebenfalls, daß man sich um sie bemüht, ihr Honig ums Maul schmiert, ihr leere Versprechungen macht, sich Lügen für sie ausdenkt, nur um zu glauben, daß sie selbst etwas Besonderes wäre. Das macht den Reiz der ganzen Beziehungsanbahnung doch erst aus, denn wenn die Frau nichts hätte, was sie dem Mann später mal enttäuscht vorwerfen könnte, dann wäre das Ganze nur halb so schön und weit weniger interessant." Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten, aber dummerweise hatte man mir Handschellen angelegt, so daß ich dem Schwachsinn, der aus seinem Munde kam, leider nicht entgehen konnte. "Was macht Ihr eigentlich gerade mit meinem Sohn?" erkundigte ich mich, um mal auf ein anderes Thema zu sprechen zu kommen. "Dem zeigen wir gerade einen ganz tollen Werbefilm", lautete die Antwort des merkwürdigen Typen. "Die Liebe ist doch auch so ein Beschiß. Die kommt und geht, wann und wie sie will, auf einmal ist sie weg und die Frau dummerweise immer noch da. Der Schein bestimmt das Bewußtsein und zwar der Geldschein", machte ich deutlich und daraufhin ließ er mich entnervt gehen, netterweise öffnete er sogar meine Handschellen. Sie fuhren uns wieder an den Ort zurück, wo sie uns gekidnappt hatten, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, daß das nicht unser letztes Aufeinandertreffen sein würde, weshalb ich zum Abschied noch Folgendes von mir gab: "Im Endeffekt seid Ihr Staatsschützer doch selber schuld. Ihr hättet die Erziehung Eurer kleinen Staatsbürger einfach nicht ihren doofen, unfähigen Eltern überlassen dürfen." "Ganz meine Meinung", stimmte mir der Andere der beiden Kerle zu. "Für jeden Scheiß gibt es in diesem Land eine Ausbildung, nur die Kindererziehung überläßt man blutigen Anfängern und inkompetenten Amateuren", legte ich nach. Wieder nickte der Eine der Beiden zustimmend, wohingegen der Andere widersprach: "Uns blieb leider nichts Anderes übrig, denn dafür fehlen uns die Kapazitäten und die geeigneten Leute", wandte er ein. "Papperlapapp, alles nur billige Ausreden! Wenn ihr wirklich wollen würdet, dann könntet Ihr schon", erwähnte ich. Nach jenen Worten ließen sie uns aussteigen und fuhren schnell davon. Glück gehabt.

Mit Frauen war es ja bekanntlich immer so eine Sache. Man(n) konnte nicht mit ihnen, aber auch nicht ohne sie leben. In meinem Bekanntenkreis gab es viele Kerle, die ständig über ihre Alte schimpften und damit meinten sie nicht ihre Mutter. Manch einer von ihnen schwadronierte, im Bordell würde es ehrlicher zugehen als in der Ehe und billiger wäre es dort ohnehin. Irgendwann habe ich mir das mal näher erläutern lassen und da argumentierte einer von ihnen, nachdem er zuvor ausgiebig mit seinem Schicksal gehadert hatte, daß man der eigenen Gattin ja ständig etwas schenken müsse, sie zum Essen ausführen und lauter solche Sachen, um dann einmal im Monat auf sie steigen zu dürfen. So gesehen würde es im Puff wesentlich billiger und ehrlicher zugehen, denn da wüßten alle was Sache ist und würden nicht um den heißen oder weißen Brei herumreden. Ich hatte solche Probleme selbstverständlich nicht, denn in meiner Ehe wurde jede Dienstleistung abgerechnet und bezahlt. Hatte meine Frau zum Beispiel mal für mich gekocht, dann präsentierte sie nach dem Essen sofort die Rechnung, die ich dann zu begleichen hatte. An der Höhe des Trinkgelds konnte sie erkennen, ob und wie sehr mir ihr Fraß geschmeckt hatte. Auch das Abspülen, das Bügeln, das Waschen und das Putzen hatte jeweils die Person zu bezahlen, die es nicht erledigt gehabt hatte. Fuhr ich meine Frau irgendwohin, dann bekam ich genauso wie ein Taxifahrer meinen Lohn für meine Fahrleistung. Wenn sie mal auf unseren Sohn aufpaßte und sich vielleicht sogar mit ihm beschäftigte, wurde das selbstverständlich ebenfalls entlohnt. Auch für Sex mußte die- oder derjenige bezahlen, die oder der ihn verlangt gehabt hatte. Einmal machte ich den Fehler, meine Ehefrau schon vor dem Beischlaf abzukassieren, weil mich Geld halt mal am allermeisten erregte und ich glaubte, so länger durchhalten zu können. Allerdings brachte ich dann keinen hoch und mußte ihr peinlicherweise die 50 Euro wieder zurückgeben. Was für eine Demütigung! Da konnte ich noch von Glück reden, daß sie nicht auf die Idee kam, Schadenersatz oder Schmerzensgeld von mir zu verlangen. Sonderleistungen wie oral oder anal mußten natürlich extra bezahlt werden, was das anging waren wir höchst professionell. Wenn ich hin und wieder nachts besoffen nach Hause kam, ließ ich mich im Vollrausch von meiner Gattin entkleiden und entlohnte sie selbstredend auch dafür. Das machte sie immer relativ gern, weil ich volltrunken ein viel größeres Trinkgeld gab als nüchtern, was wohl in erster Linie daran lag, daß ich vorher selbst so unheimlich viel getrunken gehabt hatte. Kurz und gut, unsere Ehe war ein monetäres Wechselspiel sondergleichen. Zwar versuchten wir Beide, am Ende eines Tages ein Plus gemacht zu haben, aber das konnte ja schon rein rechnerisch gar nicht funktionieren, außer wir kassierten unseren Sprößling so gnadenlos ab, daß wir Beide Gewinn machten, wohingegen er in den Miesen stand. Zugegeben, er hatte es da am schwersten, denn er brauchte immer jemanden, der ihn zu seinen Sportstunden und anderen Hobbyveranstaltungen fuhr und auch das Essen ließ er sich fast täglich zubereiten. Wenigstens erledigte er des Öfteren den Abwasch, so daß auch er ab und zu mal Einnahmen auf seiner Habenseite zu verbuchen hatte. Ein Gutes hatte der ganze Geldwechsel innerhalb unserer Kleinfamilie schon: Wir brauchten kein Personal finanzieren und da die Kohle auf diese Art und Weise in der Familie blieb und wir trotz aller Konkurrenz zusammengehörten, profitierten wir letzten Endes alle von jener ziemlich merkwürdigen Praxis, uns ständig gegenseitig abzukassieren.

Früher als Kind in der Schule hatte ich lauter Freunde und Bekannte gehabt. Wir waren eine geschorene Gemeinschaft, denn lange Haare waren in unserer Clique verpönt, doch mit der Zeit verloren wir uns aus den Augen und dann kam es irgendwann zur großen Trennung, die allen Leuten bevorsteht, sobald sie aus eins zwei oder drei machen. Solange wir nur für uns gelebt hatten, war alles kein Problem gewesen, doch eines Tages trennte sich die Spreu vom Weizen oder umgekehrt, auf alle Fälle blieb nichts unversehrt. Fortan konnte man zwei verschiedene Welten betrachten: Auf der einen Seite standen so Gestalten wie ich, die Frau und Kind bei sich hatten und auf der anderen Seite, also nicht unbedingt zwingend am anderen Ufer, befanden sich die Singles, die nicht im Traum oder höchstens in ihren schrecklichsten Alpträumen daran dachten, sich selbst zu reproduzieren; also nicht sich zu klonen, sondern Kinder in die Welt zu setzen. Dazwischen befanden sich die Typen mit Freundin oder Ehefrau, die bislang kinderlos geblieben waren, oder sich das zu bleiben auch ganz fest vorgenommen hatten. Wir mit Familie lebten unser Leben und die Singles ihr ganz anderes. Parallelwelten waren da also zwischen uns entstanden und auch wenn wir früher die besten Kumpels gewesen waren, so trennte uns die neue Lebenssituation doch dermaßen, daß wir meistens nie mehr so richtig zueinander fanden. Klar, unsere gemeinsame Vergangenheit mit ihren prägenden Erlebnissen konnte uns niemand mehr nehmen, aber die Erinnerungen daran verblaßten immer mehr und so viele gemeinsame Themen wie früher hatten wir schon längst nicht mehr. Wir hatten uns auseinandergelebt; ich und meinesgleichen trafen sich viel öfter mit anderen Familien, wohingegen die Singles lieber unter sich und ihresgleichen blieben. Alles total nachvollziehbar und nur allzu verständlich, aber irgendwie natürlich auch eine der großen Tragödien der Menschheitsgeschichte. Zeiten änderten sich eben und Menschen erst recht.

Mein Sohn schien in seinem Job gut zu sein und genug Kohle zu verdienen, um mir regelmäßig hochintelligente Fragen zu stellen, die ich, wenn überhaupt, nur mit Mühe und Not einigermaßen zufriedenstellend beantworten konnte. "Warum sind Straßenbauprojekte so teuer?" "Weil da unheimlich viele Firmen und Leute die Hand aufhalten und auch ein großes Stück vom leckeren Kuchen abbekommen wollen. Außerdem werden bei solchen Sachen ja Steuergelder verbraten, was bedeutet, daß es sich um den Kies der Allgemeinheit handelt und da schaut man dann als Bürokrat nicht so genau hin, als wenn es die eigenen Moneten wären", konstatierte ich leicht verbittert. "Wieso heißt das System eigentlich Demokratie, obwohl das Volk im Grunde überhaupt nichts zu sagen hat?" lautete seine nächste Frage und mir schossen die Tränen in die Augen. Was für ein kluges Kind! Also von mir konnte er so viel Intelligenz jedenfalls nicht haben, von seiner Mutter allerdings erst recht nicht. "Eine phantastische Frage, die ich leider nur unbefriedigend beantworten kann. Ich vermute, man hat sich diesen Etikettenschwindel ausgedacht, damit das Volk die Klappe hält und nicht aufbegehrt. Du hast es richtig erkannt, mein schlaues Kerlchen: Eine Minderheit regiert eine schweigende Mehrheit und die läßt sich täglich so viele Unverschämtheiten bieten, daß man sich darüber nur wundern kann. Ich verstehe es auch nicht. Fakt ist, daß wir hier von Berufspolitikern regiert werden, die von uns sehr wenig bis überhaupt nichts halten und weil sie uns so verachten, hauen sie unsere Kohle sinnlos zum Fenster raus, subventionieren die schlimmsten Verbrecher und machen lauter Sachen, die das Volk weder gutheißen kann noch will. Waffenhändler werden unterstützt, Abgasbetrüger gedeckt, Steuerhinterziehungen vertuscht man so gut es geht, nur die normalen Leute werden fleißig geschröpft und abkassiert, denn irgendwer muß den ganzen teuren Spaß ja schließlich finanzieren." "Und warum läßt sich das dämliche Volk so eine Schweinerei gefallen?" "Weil es korrupt ist. Diese Politiker sind ja nicht blöd, die stecken sich das Geld nicht nur in die eigenen Taschen, sondern sorgen auch dafür, daß viele Millionen Zeitgenossen von ihnen finanziell abhängig sind. Dazu gehören zum Beispiel die Rentner, die Polizisten, die Soldaten, die Arbeitslosen und die Lehrer, aber auch noch viele Andere und deswegen gibt es keinen Aufstand, weil immer noch zu viele Kameraden zu viel zu verlieren haben." "Große Scheiße", murmelte mein Junge verdrossen und ich konnte ihm leider nur zustimmen. Wahrlich eine ganz große Scheiße, das alles!

 
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