Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden

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2. Der provozierte Unfall



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Bei einem provozierten Unfall legt es der „Geschädigte“ darauf an, vom redlichen „Schädiger“ einen Schaden zugefügt zu bekommen. Ihm steht kein Ersatzanspruch zu, da er die Rechtsgutverletzung herbeigeführt hat. Steht fest, dass nicht alle Schäden, die das Unfallfahrzeug aufweist, auf den Unfall zurückzuführen sind, ist dem Geschädigten auch für die kompatiblen Schäden

kein

 Ersatz zu leisten, da es nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch diese durch das frühere Ereignis verursacht worden sein können.



Typische Indizien: Mehrere Vorunfälle in letzter Zeit; kostengünstige Behebung der Vorschäden bzw. Abrechnung derselben aufgrund SV-Gutachten; Unfall innerhalb gleichberechtigter Kreuzung; ungewöhnlich langsame Beschleunigung. Ebenso, wenn ein Pkw auf freier Strecke ohne ersichtlichen Grund bis zum Stillstand abgebremst wird, sodass ein sich längere Zeit dahinter befindliches Kfz trotz sofortigen Abbremsens auffährt. Auch die unwahre Schilderung des Unfallablaufs durch den angeblich Geschädigten kann den Schluss rechtfertigen, dass er den Unfall bewusst herbeigeführt hat.



Auf die Ausführungen zum manipulierten Unfall darf Bezug genommen werden.



1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers

 ›

III. Der gestellte sowie der provozierte Unfall

 › 3. Verschweigen von Vorschäden






3. Verschweigen von Vorschäden



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Angesprochen sind die Fälle, die auf einem echten oder behaupteten Verkehrsunfall basieren. Weist das Fahrzeug des Schädigers Vorschäden auf, stellt sich mitunter die Frage nach der Kompatibilität der Schäden und ob und in welchem Umfang diese erstattungspflichtig sind. Von Bedeutung sind hier insbes. die Fragen nach der haftungsbegründenden (§ 286 ZPO) und haftungsausfüllenden (§ 287 ZPO) Kausalität sowie des Betrugs.



Die überwiegende Rechtsprechung kommt zu dem Ergebnis, dass die Ansprüche

insgesamt

 abzuweisen sind, wenn bewiesen ist, dass nicht alle Schäden auf das (behauptete) Unfallereignis zurückzuführen sind, und der Geschädigte zu den nicht kompatiblen Schäden bzw. Vorschäden schweigt. Die Gerichte stellen hierzu fest, dass in solchen Fällen auch die möglicherweise kompatiblen Schäden nicht zu ersetzen sind, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass auch diese auf Vorereignisse zurückzuführen sind.





Anmerkungen









Arendt

NJW-Spezial 2005, 447;

Born

 NZV 1996, 257;

Birkner

 zfs 1994, 113;

Verheyen

 zfs 1994, 313; Empfehlung VII d. 28. Deutschen Verkehrsgerichtstags, VersR 1990, 362.









BGH

 VersR 1989, 637 = RuS 1989, 181;

OLG Hamm

NJW-RR 2017, 601; NJW-RR 2017, 85;

OLG Karlsruhe

 RuS 1995, 170;

OLG Nürnberg

 VersR 1989, 34 und 734 (zu Obliegenheitsverletzung und Versicherungsbetrug);

LG Aachen

Urteil vom 17.2.2017 – 8 O 438/14 – juris.









BGH

 VersR 1978, 862; 1979, 514; 1981, 1158;

OLG Köln

NZV 2017, 33 m.w.N.;

OLG Köln

MDR 2015, 826;

OLG Braunschweig

Beschluss vom 24.9.2014 – 7 U 99/13;

OLG Frankfurt

Beschluss vom 21.3.2014 – 13 U 100/12 jeweils – juris; ARGE VR-M 1997, 52 (anders, wenn Unfall nicht ausgeschlossen werden kann);

OLG Karlsruhe

 VersR 1995, 953;

OLG Köln

 zfs 1994, 284 = RuS 1994, 212;

OLG Koblenz

 SP 1993, 68;

OLG Stuttgart

 NZV 1993, 73 (Vereitelung einer Unfallrekonstruktion);

LG Münster

Urteil vom 13.11.2014 – 8 O 416/12 – juris;

LG Kleve

 SP 2009, 317.









OLG München

Urteil vom 19.5.2017 – 10 U 1209/15 m.w.N – juris;

OLG Celle

NZV 2016, 275;

OLG Köln

VersR 2014, 996;

OLG Düsseldorf

SP 2014, 327;

OLG Düsseldorf

SP 2013, 351;

OLG Köln

VersR 1999, 865;

OLG Hamm

VersR 1998, 734 (20 Auffahrunfälle in 26 Monaten);

OLG Düsseldorf

RuS 1996, 132;

OLG Hamm

zfs 1995, 50 = RuS 1995, 212; VersR 1993, 1094;

KG

 VersR 1992, 107; NZV 1991, 73;

LG Aachen

Urteil vom 17.2.2017 – 8 O 438/14 – juris;

LG Wuppertal

DV 2015, 106;

LG Hagen

,

LG Düsseldorf

,

LG Essen

, jeweils in SP 2013, 67.









OLG Frankfurt

Urteil vom 6.2.2015 – 13 U 49/13 – juris;

OLG Naumburg

DAR 2017, 83.









OLG München

SP 2017, 451;

OLG Saarbrücken

 SP 2010, 306.









OLG Saarbrücken

 a.a.O.









OLG Schleswig

 zfs 1995, 180 = RuS 1995, 84.









BGH

 zfs 1994, 286 = RuS 1994, 212;

a.A.


OLG Frankfurt

 zfs 1994, 361.









BGH

 VersR 2010, 1590;

OLG Karlsruhe

VersR 2011, 1201.









BGH

 VersR 1995, 281;

OLG Hamm

 RuS 1998, 98 (auch hinsichtlich des vorgetäuschten Personenschadens).









OLG Hamburg

 NJW-RR 1988, 1436 = VersR 1988, 482;

OLG München

 NZV 1989, 28;

OLG Oldenburg

 VersR 1992, 1150.









So

OLG Frankfurt

 zfs 2005, 69.









OLG Hamm

 DAR 1994, 278 = zfs 1994, 283 m.w.N.;

OLG Köln

 SP 1999, 3.









OLG Hamm

 VersR 1998, 383 = RuS 1998, 192; VersR 1999, 335.









OLG Frankfurt

 zfs 2005, 69.









Vgl. hierzu grundlegend

Biela

 Ersatzleistung bei Vorliegen eines verschwiegenen Vorschadens, SP 2004, 86 ff.









OLG Köln

SP 2012, 152; SP 2011, 187 m.w.N.;

OLG Düsseldorf

 SP 2011, 114;

KG

 NZV 2007, 520; VersR 2006, 1559;

 OLG Düsseldorf

 DAR 2006, 324;

Brandenburgisches OLG

 SP 2005, 413;

OLG Hamburg

 SP 2003, 100; SP 2002, 385; RuS 2001, 455;

LG Frankfurt

DAR 2016, 30;

LG Essen LG Köln

NJW-Spezial 2014, 746; weitere Nachweise s.

Biela

 Ersatzleistung bei Vorliegen eines verschwiegenen Vorschadens, SP 2004, 86 ff.






1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers

 › IV. Kausalität und Beweislast





IV. Kausalität und Beweislast



1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers

 ›

IV. Kausalität und Beweislast

 › 1. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall (Schadensereignis) und dem eingetretenen Schaden





1. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall (Schadensereignis) und dem eingetretenen Schaden






a) Haftungsbegründende Kausalität



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Im Rahmen der Verschuldenshaftung (§§ 823 ff. BGB) muss zwischen dem Verhalten des Schädigers und der Rechtsgutsverletzung, z.B. der Körperverletzung, ein ursächlicher Zusammenhang bestehen (haftungsbegründende Kausalität). Der eingetretene Schaden muss auf diese Rechtsgutsverletzung zurückzuführen sein (

haftungsausfüllende Kausalität

).



Im Rahmen der

Gefährdungshaftung

 (§§ 7 ff. StVG) muss sich der Unfall als das Ergebnis einer von dem

Betrieb eines Kfz typischerweise ausgehenden Gefahr

 darstellen. Der eingetretene Sach-/Personenschaden muss hierauf zurückzuführen sein.



106





Die vom Schädiger

gesetzte Bedingung muss generell geeignet sein

, den in Frage stehenden Schaden herbeizuführen (

adäquater Kausalzusammenhang

), wobei besonders eigenartige, ganz unwahrscheinliche und nach dem regelmäßigen Lauf der Dinge nicht in Betracht zu ziehende Umstände auszuscheiden haben. Ein außerhalb der erfahrungsmäßigen Wahrscheinlichkeit liegender Erfolg oder ein zufälliger, äußerlicher Zusammenhang kann keine Haftungsfolgen auslösen.



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Die bloße zeitliche Nähe der Entstehung einer Erkrankung zum Unfall reicht für einen Beweis der Unfallursächlichkeit nicht aus, wenn auch andere Ursachen als Auslöser möglich erscheinen. Das Gleiche gilt, wenn Unfall und Gesundheitsverletzung nur in einem äußeren, gleichsam zufälligen Zusammenhang stehen. Dies ist der Fall, wenn sich der „Geschädigte“ nach einem fremdverschuldeten Unfall ohne nachweisbare Primärverletzung in ärztliche Behandlung begibt und ein Gesundheitsschaden erst durch die fehlerhafte Therapie eintritt. Die haftungsbegründende Kausalität unterliegt den strengen Anforderungen des § 286 ZPO. Die Wahrscheinlichkeitserwägungen des § 287 ZPO können nicht auf die haftungsbegründende Kausalität übertragen werden.

 



Der Zurechnungszusammenhang wird

nicht dadurch unterbrochen

, dass außer dem Betrieb des Kfz auch das Verhalten eines Tieres mitgewirkt hat. Auch das vorsätzliche Handeln eines Dritten schließt den Zurechnungszusammenhang nicht aus.



Das vorsätzliche Inbrandsetzen eines ordnungsgemäß auf einem Parkplatz abgestellten Kraftfahrzeugs und das anschließende Übergreifen des Brandes auf ein anderes Kfz begründen noch keine Haftung des Halters des in Brand gesetzten Fahrzeugs. Hinzukommen muss, dass der Brand bzw. dessen Übergreifen in einem ursächlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Alleine der Umstand, dass Kraftfahrzeuge wegen mitgeführter Betriebsstoffe oder der verwendeten Materialien leicht brennen, genügt nicht, um eine Haftung aus § 7 Abs. 1 StVG zu begründen. Beispiele für haftungsbegründende Umstände sind: In-Brand-geraten durch Betätigung von Fahrzeugeinrichtungen, Selbstentzündung nach vorangegangener Fahrt, Anlasser springt durch Kurzschluss an und das dadurch in Gang gesetzte Fahrzeug überträgt den Brand auf ein anderes Fahrzeug bzw. andere Gegenstände.



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Ein

Zurechnungszusammenhang

 muss zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und dem eingetretenen Schaden bestehen. Dies ist der Fall, wenn gegen den

Schutzzweck einer Verkehrsvorschrift

 verstoßen wird. Ein solcher Verstoß liegt regelmäßig nicht vor, wenn der bei einem Verkehrsunfall Verletzte später an einem Schlaganfall stirbt. Der

BGH

 hat einen Zurechnungszusammenhang verneint, wenn der Geschädigte sich wegen des Unfalls oder Verhaltens des Schädigers aufregt und einen Schlaganfall erleidet. Ein solcher Vorgang wird nicht vom Schutzzweck der Vorschriften der StVO erfasst.



Der Zusammenhang zwischen Verstoß gegen

Geschwindigkeitsvorschriften

 und einem eingetretenen Unfall ist zu bejahen, wenn bei Einhaltung der zulässigen Geschwindigkeit zum Zeitpunkt des Eintritts der „kritischen Verkehrssituation“ der Unfall vermeidbar gewesen wäre. An einem Zusammenhang zwischen Verkehrsverstoß „überhöhte Geschwindigkeit“ und dem nachfolgenden Unfall fehlt es, wenn der Unfall auch bei Einhaltung einer angemessenen Geschwindigkeit und Anwendung der erforderlichen Sorgfalt eingetreten wäre.



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Wer eine gefährliche Lage schafft

, haftet für alle nicht außer aller Erfahrung liegenden Folgen. So z.B. bei einem

Mehrfachzusammenstoß

 im Straßenverkehr. Der Erstschädiger haftet für Schäden, die dadurch entstehen, dass weitere Verkehrsteilnehmer in die Unfallstelle hineinfahren. War jedoch die Unfallstelle ausreichend abgesichert, ist der Zurechnungszusammenhang unterbrochen.



Ein Ursachenzusammenhang ist zu bejahen, wenn

nach einem Verkehrsunfall

 am Unfallort aus einem beschädigten Geldtransportfahrzeug Geldkoffer entwendet wurden. Eine Zurechnung kommt dann nicht in Betracht, wenn die Entwendung erst erfolgte, nachdem das beschädigte Kfz durch die Polizei in sichere Verwahrung genommen worden war.



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Wird ein Verkehrsteilnehmer zu einer

Fehlreaktion

 veranlasst, so ist das auf diese Weise

mittelbar verursachte Schadensereignis

 auf den Betrieb des Kfz zurückzuführen. Dies u.U. auch bei einer objektiv nicht erforderlichen Abwehr- oder Ausweichreaktion des Geschädigten. Es kommt nicht darauf an, ob die Reaktion des Geschädigten subjektiv – aus seiner Sicht des konkreten Verkehrsgeschehens vor dem Unfall – erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit zur Kollisionsvermeidung darstellte. Die bloße Anwesenheit des Kfz reicht jedoch nicht aus.



Ein Zurechnungszusammenhang besteht auch zwischen dem vergeblichen (mit seiner Tötung endenden) Versuch eines Helfers, wenn dieser

Rettungsversuch

 von vornherein aussichtslos war.



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Ein zurechenbarer

Folgeunfall

 liegt vor, wenn ein Geschädigter nach einem Unfall aussteigt und aufgrund seiner „Bestürzung“ die Fahrbahn – zwecks Beweissicherung – unaufmerksam überquert und dabei angefahren wird. Der

Zurechnungszusammenhang

 zwischen einem Erstunfall und dem Zweitunfall scheidet nicht schon dann aus, wenn zwischen Erstkollision und dem Zweitunfall eine zeitliche Zäsur liegt oder der durch den Erstunfall Geschädigte seinerseits schuldhaft und rechtswidrig handelt. Gerät bei einem Unfall auf der BAB ein Hindernis auf die Gegenfahrbahn, so haftet der Verursacher des ersten Unfalls für einen Teil des wegen des Hindernisses eingetretenen Auffahrunfalls. Wird jedoch ein Kfz durch von einem Rettungshubschrauber aufgewirbelte Gegenstände beschädigt, ist ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erstunfall und der Beschädigung des auf der nicht gesperrten Gegenfahrbahn fahrenden Kraftfahrzeugs zu verneinen. Verlässt ein Unfallbeteiligter wegen eines Auffahrunfalls sein Fahrzeug, um sich über die Unfallfolgen zu informieren und stürzt er dabei infolge Eisglätte, verwirklicht sich hierdurch die durch den Auffahrunfall entstandene Gefahrenlage; es ist also ein Zurechnungszusammenhang anzunehmen.



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In den sog.

Herausforderungsfällen

 stellt sich die Frage, ob der vor der Polizei Flüchtende für Sach- und Personenschäden des Verfolgers haftet. Der

BGH

 hat eine Haftung des Halters eines Kfz aus § 7 StVG wie auch aus § 823 Abs. 1 BGB für Schäden an Polizeifahrzeugen angenommen, wenn dieser sich der Festnahme durch Flucht unter Verwendung seines Kraftfahrzeugs entzieht und wenn der bei der Verfolgung entstandene Schaden auf der gesteigerten Gefahrenlage beruht und die Risiken der Verfolgung nicht außer Verhältnis zu deren Zweck stehen. Voraussetzung für eine Verschuldenshaftung aus § 823 Abs. 1 BGB ist, dass der Fliehende seinen Verfolger in vorwerfbarer Weise zu der selbstgefährdenden Reaktion herausgefordert hat und er sich bewusst gewesen ist oder zumindest fahrlässig nicht erkannt und bei der Einrichtung seines Verhaltens pflichtwidrig nicht berücksichtigt hat, dass sein Verfolger bzw. durch diesen ein unbeteiligter Dritter infolge der durch die Verfolgung gesteigerten Gefahr einen Schaden erleiden könnte. Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn der Fahrer eines Polizeifahrzeugs zum Zwecke der Gefahrenabwehr vorsätzlich eine Kollision mit dem fliehenden Fahrzeug herbeiführt, um es zum Anhalten zu zwingen. Der an den Polizeifahrzeugen entstandene Schaden kann im Wege des Direktanspruchs nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG auch gegen den KH-Versicherer des Fluchtfahrzeugs geltend gemacht werden. Dem KH-VR bleibt jedoch im Einzelfall zu prüfen, ob der deckungsrechtliche Risikoausschluss des Vorsatzes eingreift.



113








Der Schädiger haftet auch für

mittelbar verursachte Schäden

, so z.B. aufgrund

fehlerhafter ärztlicher Versorgung

, Lungenentzündung oder Ansteckung im Krankenhaus. Liegt

kein grober Behandlungsfehler

 vor, so haftet der Erstschädiger entsprechend seiner Haftungsquote auch für den durch Fehlbehandlung eingetretenen weiteren Schaden. Im Innenverhältnis zwischen Arzt und Erstschädiger haftet der Arzt für diesen weiteren Schaden. Der Verursachensbeitrag des fehlerhaft behandelnden Arztes kann den Verursachensbeitrag eines grob fahrlässig überholenden Unfallverursachers überwiegen, wenn ein Behandlungsfehler, der zu einer Hirnschädigung führte, die Wahrscheinlichkeit des konkret eingetretenen Schadens entscheidend vergrößert hat. Lediglich solche Folgen fehlerhafter ärztlicher Behandlung, welche in

völlig unsachgemäßer

 und ungewöhnlicher Weise vorgenommen werden, sind dem Schädiger nicht zuzurechnen. An einem ursächlichen Zusammenhang fehlt es i.d.R., wenn ein Unfallopfer an einem Eingriff stirbt, der gelegentlich einer unfallbedingten Operation zur Beseitigung eines nicht unfallbedingten Leidens vorgenommen wird.



Ein

Alkoholmissbrauch

 einer Witwe ist nicht ohne weiteres durch den Unfalltod des Ehemannes bedingt.



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Für die Beurteilung der Ersatzpflicht kann auch von Bedeutung sein, ob ein Fall der

„überholenden Kausalität“

 vorliegt, d.h. wenn ein Ereignis den Schaden herbeigeführt hat, dieser Schaden aber durch einen anderen Umstand –

das hypothetische Schadensereignis

 – verursacht worden wäre. Es laufen also zwei oder mehrere Ursachenketten, die jede für sich den gleichen Erfolg herbeizuführen geeignet sind, nebeneinander her, wobei eine Ursache den Erfolg herbeiführt und damit verhindert, dass die andere Ursache sich voll oder überhaupt auswirken kann.



In einem vom

BGH

entschiedenen Fall musste sich daher der Geschädigte auf seinen Anspruch wegen Verdienstausfall entgegenhalten lassen, dass er die Einkünfte auch ohne das Schadensereignis später mit Gewissheit verloren hätte. Ein

hypothetischer Ursachenzusammenhang

 ist also dann beachtlich, wenn feststeht, dass die hypothetische Ursache eingetreten wäre und den gleichen Schaden verursacht hätte.



Hierher gehört auch der Fall, dass ein Getöteter von einem Leiden befallen war, das in einem bestimmten Zeitraum auch ohne das schädigende Ereignis zu seinem Tode geführt hätte. Das Gleiche gilt, wenn

der Schädiger sich darauf beruft,

dass die ausgelösten Beschwerden auch ohne das Unfallereignis (zeitnah) aufgetreten wären (sog. Reserveursache). Dem hierfür beweisbelasteten Schädiger steht allerdings die Beweiserleichterung des § 287 ZPO zur Seite.






b) Haftungsausfüllende Kausalität



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Sie betrifft den

Ursachenzusammenhang

 zwischen dem Schadensereignis und dem hierdurch eingetretenen Schaden.

Schaden ist jede Einbuße

, die der Geschädigte aufgrund des Schadensereignisses erleidet. Der Schaden besteht in der Differenz zwischen zwei „Vermögenslagen“: Der durch das Schadensereignis eingetretenen und derjenigen, die unter Ausschaltung des Schadensereignisses bestünde. Ein Schaden ist gegeben, wenn der nach dem Schadensereignis bestehende „Vermögenswert“ des Geschädigten geringer ist als der Wert, den das „Vermögen“ ohne das Schadensereignis haben würde.



Für den Schädiger brauchen die aus der Verletzungshandlung resultierenden

Folgeschäden

 nicht voraussehbar sein, das Verschulden braucht sich nicht auf diese zu erstrecken.



Sachschaden

 s.

Kap. 4 Rn. 5 ff.

,

Personenschaden

 s.

Kap. 4 Rn. 125 ff.

,

Beweislast

 s.

Rn. 128

.



116





Der Ursachenzusammenhang wird nicht dadurch eingeschränkt oder beseitigt, dass erst durch Zusammenwirken mit einer anderen Ursache der konkrete Schaden eingetreten ist. So ist die

Ursächlichkeit einer Verletzung

 eines kranken oder geschwächten Geschädigten nicht deshalb ausgeschlossen, weil sie bei einem Gesunden gar keine oder nur geringe Auswirkungen gehabt hätte. Ebenso, wenn die Gesundheitsschädigung auf einer entsprechenden Veranlagung des Geschädigten beruht (z.B. Bluter, besonders dünne Schädeldecke). Insoweit gilt der Grundsatz, dass der Schädiger den Geschädigten so anzunehmen hat, wie er ihn angetroffen hat.



Der Ursachenzusammenhang ist auch bei bloßer Mitverursachung zu bejahen. Eine richtunggebende Veränderung ist im Rahmen des zivilen Haftungsrechts nicht erforderlich.



Die Anwendung des § 287 Abs. 1 ZPO ist nicht auf Folgeschäden einer Verletzung beschränkt. Sie umfasst vielmehr auch die neben einer festgestellten Körperverletzung entstehenden weiteren Körperschäden aus derselben Schadensursache.



117





Eine

besondere Schadensanfälligkeit

 eines Verletzten kann bei der Bemessung des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden.






c) Organische/Psychische Folgeschäden



118

 





Die Haftung für eine Körperverletzung/Gesundheitsbeeinträchtigung erstreckt sich auf alle daraus entstehenden Folgeschäden, gleichviel, ob es sich um organisch oder psychisch bedingte Folgewirkungen handelt. Erlitt der Geschädigte ein „mittelschweres HWS-Schleudertrauma“ mit vorübergehender Arbeitsunfähigkeit und nachfolgenden anhaltenden Beschwerden, so ist der Nachweis der Unfallbedingtheit dieser Beschwerden nicht geführt, wenn der Geschädigte schon vor dem Unfall wegen degenerativer Veränderungen der HWS in ärztlicher Behandlung war. Der Schadensersatzanspruch für

psychische Auswirkungen

 setzt nicht voraus, dass sie eine organische Ursache haben; es genügt vielmehr die hinreichende Gewissheit, dass die psychisch bedingten Ausfälle ohne den Unfall nicht eingetreten wären. Der Schädiger hat demnach für seelisch bedingte Folgeschäden haftungsrechtlich einzutreten, auch wenn sie auf einer psychischen Anfälligkeit oder einer neurotischen Fehlverarbeitung beruhen. Eine Zurechnung kommt dann nicht in Betracht, wenn das Schadensereignis ganz geringfügig ist (

Bagatelle

) und nicht gerade speziell auf die Schadensanlage des Verletzten trifft, und deshalb die psychische Reaktion im konkreten Fall in einem groben Missverhältnis zum Anlass steht und deshalb schlechterdings nicht mehr verständlich ist. Dies ist z.B. der Fall, wenn bei einem nicht schwerwiegenden Unfallgeschehen nur relativ geringfügige Verletzungen eintraten.



119





Bei einer Schädelprellung mit HWS-Schleudertrauma wurde der Ersatzanspruch des Geschädigten bejaht, da dieser vor dem Unfall an einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung litt, die in Verbindung mit dem Unfall aktiviert wurde. Ebenso bei einem Auffahrunfall mit etwa 30 km/h und einem HWS-Trauma und möglicherweise einer Commotio cerebri. Ebenso bei Hals-, Schädel- und Brustwirbelprellungen, Brustquetschungen, HWS-Schleudertrauma. Durch psychische Prädisposition des Verletzten mitbedingte seelische Fehlreaktionen ändern grundsätzlich nichts an der Einstandspflicht des Schädigers. Haben die durch einen Unfall hervorgerufenen Verletzungen als „Auslöser“ im Sinne einer Mitursache gewirkt, hat der Schädiger für die Folgen der nach dem Unfall eingetretenen Beschwerden aufzukommen. Dies gilt selbst dann, wenn die Wirkung der Unfallverletzungen nur deshalb eingetreten ist, weil der Geschädigte aufgrund seiner besonderen Konstitution und (psychischen) Vorschädigung für die nach dem Unfall eingetretenen Beschwerden besonders anfällig war und das Beschwerdebild in einer psychischen Fehlverarbeitung der Unfallfolgen seine Ursache hat. Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes dürfte sich dies anspruchsmindernd auswirken. Besteht bei zwei voneinander unabhängigen Unfällen (jeweils mit HWS-Verletzungen) der Beitrag des Erstunfalls zum endgültigen Schadensbild lediglich darin, dass eine anlagebedingte Neigung des Geschädigten zur psychischen Fehlverarbeitung geringfügig verstärkt wird, reicht dies nicht aus, um die Haftung des Erstschädigers für Folgen des zweiten Unfalls zu begründen. Entscheidend ist, ob die Verletzungsfolgen des Erstunfalls im Zeitpunkt des Zweitunfalls bereits ausgeheilt waren und deshalb der zweite Unfall allein zu nunmehr vorhandenen Schäden geführt hat oder ob sie noch nicht ausgeheilt waren. Der Schädiger haftet zwar, wenn eine besondere Schadenanfälligkeit durch den Unfall erst geschaffen wurde – nicht aber, wenn nur die allgemeine Anfälligkeit für neurotische Fehlentwicklungen verstärkt wird, für die der Schädiger grundsätzlich nicht einzustehen hat.



120





Bei Bemessung des

Erwerbsschadens

 ist eine Prognose des gewöhnlichen Laufs der Dinge, wie sie sich ohne das Schadensereignis entwickelt hätten, anzustellen (§ 252 BGB). Es geht insoweit nicht nur um die Beurteilung eventueller überholender Kausalität, sondern um die Schadenermittlung als solche auf der Basis des Sachverhalts, wie er sich voraussichtlich in Zukunft dargestellt hätte. Hierbei kommt nicht nur der Frage erhebliche Bedeutung zu, ob und gegebenenfalls mit welcher Wahrscheinlichkeit auch ohne das konkrete Schadensereignis wegen der psychischen Ausgangssituation des Verletzten eine entsprechende neurotische Entwicklung mit vergleichbaren beeinträchtigenden Auswirkungen früher oder später zum Tragen gekommen wäre; es ist vielmehr auch das Risiko mit einzubeziehen, das durch eventuelle

unbewusste Begehrungsvorstellungen

, wie sie bei Neurosen oft in der psychischen Struktur des Geschädigten angelegt sind, für die künftige berufliche Situation