Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden

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19. Inlineskater

278

Strittig war, ob Inlineskater als Fußgänger nach §§ 25 ff. StVO zu behandeln sind und vorhandene Gehwege benutzen müssen[471]oder die Definition des Fahrzeugs erfüllen und damit gemäß § 2 Abs. 1 StVO die rechte Fahrbahn zu benutzen haben.[472]

Der BGH hat entschieden, dass Inlineskater nicht als Fahrzeuge, sondern als „ähnliche Fortbewegungsmittel“ i.S.v. § 24 Abs. 1 StVO anzusehen sind.[473] Damit unterfallen sie grundsätzlich den für Fußgänger geltenden Vorschriften, also §§ 25, 26 StVO. Dies hat der Gesetzgeber mit Wirkung zum 1.4.2013 durch eine Änderung des § 24 StVO klargestellt.

1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 20. Verhalten gegenüber Kindern

20. Verhalten gegenüber Kindern

a) Sorgfaltspflichten des Fahrers

279

Auch gegenüber Kindern gilt der Vertrauensgrundsatz.[474] Jedoch ist der Fahrer bei Kleinkindern und Kindern im grundschulpflichtigen Alter zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, wenn sich diese auf oder in der Nähe der Fahrbahn befinden.[475] Zeigt das Verhalten des Kindes oder die Situation, in der es sich befindet, eine Auffälligkeit, die zur Gefährdung führen könnte, so muss der Fahrer besondere Vorkehrungen zur Abwendung der Gefahr treffen; z.B. Hupen, Ausweichen, Bremsbereitschaft, Verringerung der Geschwindigkeit, wenn erforderlich, muss er anhalten. Unterlässt er dies, handelt er schuldhaft.[476] Besondere Sorgfalt ist geboten, wenn sich mehrere Kinder neben der Straße befinden.[477]

280

Auch dann, wenn ein Kleinkind von einem größeren Kind begleitet wird, muss der Fahrer u.U. ein Fehlverhalten in Erwägung ziehen.[478]

Ein unabwendbares Ereignis – Schadenfälle bis 31.7.2002 – dürfte vorliegen, wenn ein sich in Begleitung eines Erwachsenen befindliches Kind plötzlich auf die Straße läuft[479]. Höhere Gewalt i.S.v. § 7 Abs. 1 StVG – für Schadenfälle ab 1.8.2002 – ist dagegen in einem solchen Fall nicht anzunehmen. Wenn ein fünfjähriges Kind, das sich zunächst in Begleitung seiner Mutter auf dem Bürgersteig aufhält, sich von ihr entfernt und auf die Fahrbahn zubewegt, muss der Fahrer dieses Kind während des Herankommens und Passierens im Auge behalten.[480]

281

Bereits nach altem Recht, also vor Inkrafttreten des 2. SchadÄndG, waren an den Entlastungsbeweis strenge Anforderungen zu stellen.[481] Diesen kann der Fahrer auch dann nicht führen, wenn ein sich auf dem Gehweg befindliches Kind grundlos plötzlich auf die Fahrbahn läuft.[482] Wenn ein ca. 12 Jahre alter Junge in die Mitte des Bürgersteigs läuft, muss der Fahrer, wenn nicht weitere Umstände hinzutreten, die auf kindliche Unbesonnenheit und Unaufmerksamkeit hinweisen, nicht damit rechnen, dass der Junge unvermittelt die Richtung ändert und auf die Fahrbahn läuft,[483] auch nicht damit, dass plötzlich ein Kind hinter einem parkenden Fahrzeug hervorkommen kann.[484] Auch bei die Straße überquerenden Schulkindern muss der Fahrer mit Unbesonnenheit rechnen und sich hierauf einstellen. Abgabe von Warnzeichen reicht oft nicht aus.[485] Eine grobe Fahrlässigkeit eines Achtjährigen beseitigt nicht die Betriebsgefahr.[486]

Ein unabwendbares Ereignis gemäß § 7 Abs. 2 StVG a.F. liegt vor, wenn der Fahrer nachweislich kein sich auf oder neben der Straße befindliches Kind sehen konnte, dieses plötzlich vor oder gegen sein Fahrzeug läuft und ihm auch kein sonstiges, den Unfall begünstigendes Fehlverhalten vorzuwerfen ist.[487]

282

Nach Inkrafttreten des 2. SchadÄndG ist eine Entlastung bei Kinderunfällen praktisch unmöglich, da in solchen Fällen für den Halter bzw. Fahrer regelmäßig keine höhere Gewalt vorliegt (s.o. Rn. 34 ff.). Zudem haften Kinder bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres für fahrlässiges Verhalten im fließenden Verkehr nicht und sie trifft auch kein Mitverschulden, § 828 Abs. 2 BGB (Rn. 92, 93). Ausnahmsweise kann bei einem über 10 Jahre alten Kind die Haftung des Halters aus Betriebsgefahr ganz zurücktreten, wenn das Kind ein objektiv und altersspezifisch subjektiv besonders schweres Verschulden trifft.[488] Im Folgenden zitierte Rechtsprechung ist für Kinderunfälle nach dem 1.8.2002 nur unter diesen Gesichtspunkten heranzuziehen.

283

Ein Fahrer, der sein Fahrzeug anhält und Kinder bis zu etwa 12 Jahren durch ein Handzeichen auffordert, die Fahrbahn zu überqueren, verzichtet nicht nur auf sein Vorfahrtsrecht, sondern übernimmt auch die Garantie, dass die Kinder die übrigen Fahrspuren gefahrlos überqueren können.[489]

Ein Fahrer hat gegenüber dem alleinschuldigen Unfallopfer jedenfalls dann eine Garantenstellung, wenn er sich vorher verkehrswidrig verhalten hat und dieses Verhalten in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall stand.[490]

284

Das Gefahrenzeichen 136 (Kinder) zu § 40 Abs. 6 StVO (Anlage zu § 40 Abs. 6 und 7 StVO) weist den Fahrer grundsätzlich ohne zeitliche Einschränkung darauf hin, dass er mit plötzlichem Betreten der Fahrbahn durch Kinder zu rechnen hat. Er muss sich wie bei einer konkreten Gefahrenlage durch Bremsbereitschaft und erforderlichenfalls durch Reduzierung der Geschwindigkeit hierauf einstellen.[491] Rückwärtsfahren ist auf das unbedingt Notwendige zu beschränken, auch wenn die Anwesenheit von Kindern nicht zu erkennen ist.[492]

Die gleiche Sorgfaltspflicht obliegt dem Fahrer in Nähe eines Kindergartens.[493]

285

Sind spielende Kinder erkennbar und ist die Sicht durch beiderseits parkende Fahrzeuge behindert, so darf nicht schneller als 30 km/h gefahren werden.[494] Besondere Aufmerksamkeit ist immer dann geboten, wenn Kinder, die für den Fahrer erkennbar durch Spiel, Herumtoben oder Neckereien in ihrer Aufmerksamkeit abgelenkt sind, die Fahrbahn überschreiten.[495] Dies gilt insbesondere dann, wenn Kinder in der Nähe der Fahrbahn Rollschuh fahren. So trifft eine 11-Jährige, die auf Rollschuhen eine wenig befahrene Dorfstraße überquert und dort von einem mit 70 km/h fahrenden Kfz erfasst wird, ein Mitverschulden von nur 20 %.[496] Bei Roller oder Rad fahrenden Kindern muss der Fahrer sofort reagieren.[497] Den Fahrer trifft eine Beobachtungspflicht, wenn ein spielendes Kind sich in erkennbarer Nähe des Kfz befindet.[498]

286

Kinderfahrräder sind nicht als Fahrzeuge im Sinne der StVO anzusehen (§ 24 Abs. 1 StVO) und deshalb nicht vorfahrtsberechtigt.[499]

Kinder bis zum vollendeten achten Lebensjahr sind von der Fahrbahn und vom Radweg ausgeschlossen und müssen den rechten oder linken Gehweg benutzen, und zwar in beiden Richtungen.[500] Kinder zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr dürfen nach § 2 Abs. 5 StVO auf Gehwegen Rad fahren, können aber wahlweise auch die Fahrbahn oder Radwege benutzen. Kinder über 10 Jahren dürfen Gehwege nicht befahren, es sei denn sie benutzen ein Kinderfahrrad i.S.v. § 24 Abs. 1 StVO.[501] Befahren Kinder mit Fahrrädern einen engen Gehweg, muss der Fahrer mit Abkommen auf die Fahrbahn rechnen. Bleibt die Ursache für dieses Abkommen unaufgeklärt, haftet der Fahrer zu 100 %.[502] Benutzen Kinder die Fahrbahn, muss der Fahrer Fehlverhalten in Erwägung ziehen, so z.B. Nichtanzeige einer Fahrtrichtungsänderung, Spurwechsel und dergleichen. Der Fahrer muss gegenüber Kindern das Äußerste an Sorgfalt aufbieten.[503] Fährt ein 13-jähriger Schüler außerhalb geschlossener Ortschaft aus einer Grundstücksausfahrt in die Kreisstraße ein, so ist der Unfall für den Fahrer nach altem Schadenersatzrecht unabwendbar, wenn er das Kind erst spät sehen konnte.[504] Beim Vorbeifahren an einem entgegenkommenden Kind ist ein Abstand von mindestens 2 m einzuhalten, sonst volle Haftung.[505] Hatte der Fahrer vor Überholen einer 12-Jährigen gehupt und 2 m Seitenabstand, so haftet er nur nach StVG.[506] Der Nachweis eines Verschuldens eines Fahrers für den Zusammenstoß mit einem Kind, das ein Fahrrad schiebend die Straße überqueren will, ist nicht geführt, wenn nicht feststeht, aus welcher Entfernung er das Kind zum ersten Mal sehen konnte.[507] Andererseits ist auch von einem elfeinhalbjährigen Kind zu erwarten, dass es nicht ohne Beachtung des fließenden Verkehrs auf seinem Fahrrad einen Zebrastreifen überquert.[508]

287

Unfälle an Schulbushaltestellen s. Rn. 245 f.

b) Sorgfaltspflichten der Eltern und „Dritter“

288

Wird ein Kind verletzt, so haben die Eltern nach § 1664 BGB nur für die Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen, i.d.R. haften sie also nur bei grober Fahrlässigkeit (§ 277 BGB). Die Haftung der Eltern tritt demnach nur ein, wenn deren Verhalten als gänzlich „unverantwortbar“ anzusehen ist.[509]

Dieses Haftungsprivileg der Eltern gilt jedoch ausnahmsweise insbesondere dann nicht, wenn ein Elternteil als Fahrer das z.B. im eigenen Fahrzeug beförderte Kind schädigt, d.h. hier haftet der Elternteil auch bei leichtem Verschulden gegenüber dem Kind.[510] Nach Inkrafttreten des 2. Schadenrechtsänderungsgesetzes noch nicht aktuell höchstrichterlich entschieden und umstritten ist die Frage, ob das Haftungsprivileg der §§ 1664, 277 BGB auch eine Gefährdungshaftung der Eltern als Halter des schädigenden Familienfahrzeugs ausschließt.[511] Nach hier vertretener Auffassung schließt die Haftungsprivilegierung auch nach Inkrafttreten des 2. Schadenrechtsänderungsgesetzes die Halterhaftung der Eltern gegenüber dem Kind aus. Denn die Verletzung des Kindes – z.B. als Insasse im elterlichen Fahrzeug anlässlich eines gemeinsamen Familienausflugs – resultiert in diesen Fällen regelmäßig daraus, dass sich Gefahren des Fahrzeugs im Straßenverkehr realisiert haben und nach Wertung des § 7 StVG der Halter des Fahrzeugs für diese Gefahren einstehen soll und zwar gleichgültig, ob ein Dritter oder ein Familienangehöriger geschädigt wird. Handelt es sich dagegen um einen Fall, in dem sich das Fehlverhalten der Eltern auf eine allgemeine Aufsichtsverletzung beschränkt, bleibt es bei dem Haftungsmaßstab der §§ 1664, 277 BGB.

 

289

Dieser Verschuldensmaßstab ist auch dann anzuwenden, wenn es um die Frage der Gesamtschuldnerschaft zwischen Eltern und unfallbeteiligten Dritten geht.[512] Ist der Unfall sowohl auf „Verschulden“ des beteiligten Fahrers als auch auf grobfahrlässige Verletzung der elterlichen Aufsichtspflicht zurückzuführen, kann das Kind wegen des gesamten Schadens den beteiligten Fahrer in Anspruch nehmen.[513] Der Schadensersatzanspruch des Kindes geht auch bei grober Fahrlässigkeit der Eltern nur in Höhe des Haftungsanteils des Fahrers nach § 116 SGB X auf seinen SVT über.

290

Der Umfang der elterlichen Aufsichtspflicht bestimmt sich nach Alter, Eigenart und Charakter des Kindes sowie nach dem Grad der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens des Kindes und dem Grad des für die Eltern Zumutbaren. Bei einem zweieinhalbjährigen Kind ist stets damit zu rechnen, dass es unvermittelt und ohne Grund auf die Straße läuft.[514] Die Eltern sind jedoch nicht verpflichtet, ein zweijähriges Kind ständig an der Hand zu halten.[515] Die Eltern verletzen ihre Aufsichtspflicht ebenfalls nicht, wenn sie ein acht Jahre altes Kind, das sich über einen gewissen Zeitraum im Straßenverkehr bewährt hat, mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teilnehmen lassen.[516] Ebenso nicht, wenn sie die Aufsicht über ein vierjähriges Kind der zehnjährigen Tochter übertragen.[517] Bei einem deutlich verhaltensgestörten Kind sind engere Maßstäbe anzulegen.[518]

291

Ist für die Verletzung des Kindes sowohl der Fahrer als auch ein vertraglich zur Aufsicht Verpflichteter verantwortlich, so haften sie dem Kind als Gesamtschuldner.[519] Eine solche Haftung kann angenommen werden, wenn es sich um eine weitreichende Obhut von längerer Dauer handelt (Pflegeeltern, Kindermädchen, Kindergärtnerinnen, Aufsichts- und Erziehungspersonal in Heimen oder bei längerem Aufenthalt bei Verwandten).[520]

292

Zerkratzt ein nicht deliktsfähiges Kind (unter 7 Jahre) mit Steinen, Nägeln etc. Autos, kommt eine Haftung der aufsichtspflichtigen Eltern gemäß § 832 BGB in Betracht. Bei normal entwickelten Kindern im Alter von 7 ½ Jahren ist im Allgemeinen das Spielen im Freien auch ohne Aufsicht gestattet, wenn die Eltern sich über das Tun und Treiben in groben Zügen einen Überblick verschaffen.[521] Ein Kind im Alter von 5 ½ Jahren muss auf einem Spielplatz in regelmäßigen Abständen von höchstens 30 Minuten kontrolliert werden.[522] Nach LG Lüneburg verletzen Eltern ihre Aufsichtspflicht, wenn sie ihr vierjähriges Kind, das auf einer öffentlichen Straße spielt, nur aus der Wohnung heraus und teilweise mit Unterbrechung von fünf Minuten beobachten und dadurch nicht verhindern, dass das Kind den Lack eines geparkten Kfz mit einem Stein zerkratzt.[523] Die Eigenhaftung des Kindes von Vollendung des siebenten bis zum 10. Lebensjahr ist in derartigen Fällen auch nicht nach dem 2. SchadÄndG ausgeschlossen, weil der Unfallbegriff (Plötzlichkeit) nicht erfüllt ist. Es kommt dann darauf an, ob das Kind die erforderliche Einsichtsfähigkeit in sein Tun hatte.

293

Hat jemand die Aufsicht aus Gefälligkeit übernommen, so haftet er dem verletzten Kind nach § 823 BGB.[524] Ein geschädigter Dritter muss den vollen Beweis für ein Verschulden des Aufsichtspflichtigen führen.[525]

Ein nicht deliktsfähiges Kind braucht sich weder sein eigenes Verhalten noch das seiner Begleitperson im Verhältnis zum unfallbeteiligten Fahrer anrechnen lassen.

1. Kapitel Die Haftung des Kraftfahrzeughalters und -führers › V. Verhalten im Straßenverkehr › 21. Unterlassene Verwendung von Sicherungseinrichtungen und Mitverschulden des Verletzten (§§ 9 StVG, 254 BGB)

21. Unterlassene Verwendung von Sicherungseinrichtungen und Mitverschulden des Verletzten (§§ 9 StVG, 254 BGB)

a) Grundsätze

294

Gelingt es dem Kfz-Halter nicht, ein unabwendbares Ereignis i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG a.F. bzw. für Schadenfälle ab 1.8.2002 höhere Gewalt nach § 7 Abs. 2 StVG nachzuweisen, so ist eine Haftung damit grundsätzlich gegeben. Ausnahmsweise kann, wenn kein unabwendbares Ereignis bzw. höhere Gewalt vorliegt, die Betriebsgefahr bei grob fahrlässigem Verhalten des anderen Beteiligten als Unfallursache ganz zurücktreten.[526] Die Haftung wird eingeschränkt, wenn der Verletzte den Unfall mitverschuldet hat. Bei der Abwägung nach § 254 BGB ist in erster Linie von dem Maß der Verursachung des Unfallbeitrags auszugehen, mit dem die Beteiligten zur Entstehung des Schadens beigetragen haben. Das Verschulden ist nur ein Faktor der Abwägung.[527] Jugendliche, die das zehnte Lebensjahr vollendet haben, können alleine haften, wenn ihr Verschulden im Einzelfall objektiv und subjektiv so erheblich ist, dass die Betriebsgefahr des Kfz als völlig untergeordnet zurücktritt.[528]

b) Schutzhelm, Sicherheitsgurt

295

Nach § 21a StVO sind Fahrer von Krafträdern und ihre Beifahrer sowie Mopedfahrer[529] verpflichtet, während der Fahrt amtlich genehmigte Schutzhelme zu tragen.[530] Fahrer und Insassen eines Kfz müssen während der Fahrt vorgeschriebene Sicherheitsgurte anlegen. Das gilt auch, wenn das Fahrzeug kurzfristig verkehrsbedingt anhalten muss.[531] Keine Gurtanlegepflicht besteht bei Vorliegen einer Ausnahmegenehmigung nach § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5b StVO bzw. wenn bei Antragstellung eine solche Ausnahmegenehmigung hätte erteilt werden müssen. Voraussetzung für Erteilung der Ausnahmegenehmigung ist, dass infolge des Gurtanlegens für den Betroffenen konkret ernsthafte Gesundheitsschäden zu befürchten sind, denen auf anderem Wege nicht vorgebeugt werden kann.[532] Die Pflicht, einen Sturzhelm zu tragen oder einen Sicherheitsgurt anzulegen, verstößt nicht gegen das Grundgesetz.[533]

296

Erleidet ein Kradfahrer Kopfverletzungen, weil er keinen Schutzhelm getragen hatte, trifft ihn ein Mitverschulden[534] Dafür spricht der Anscheinsbeweis.[535] Verrutscht dem Kradfahrer der Sturzhelm, trifft ihn bei Nachweis der Kausalität für die Verletzungen ein Mitverschulden.[536] Obwohl keine gesetzliche Verpflichtung zum Tragen von Schutzkleidung besteht, kann ein Mitverschulden eines Motorradfahrers schmerzensgeldmindernd zu berücksichtigen sein, wenn er keine geeignete Schutzkleidung trägt und dies ursächlich für die Verletzung war.[537]

297

Nichtanschnallen führt „grundsätzlich“ zu Mitverschulden.[538] Dies auch dann, wenn sich der Beifahrer während der Fahrt auf der Liegefläche eines Wohnmobils zum Schlafen legt.[539] Ausnahmsweise kann jedoch bei Abwägung der Verursachungsbeiträge das Verhalten des Geschädigten außer Acht bleiben.[540] Der Gurtanlegepflicht ist nur dann Genüge getan, wenn er so angelegt wird, dass dessen Schutzzweck erfüllt wird.[541] „Rückwärtsfahren“ und „Fahren auf Parkplätzen“ sind Beispiele für Befreiung von der Gurtpflicht bei Fahren mit Schrittgeschwindigkeit. Dies gilt jedoch nicht beim Suchen nach einer Parklücke.[542] Erleidet ein Kfz einen Unfall und kommt es deswegen zum Stehen, endet die Anschnallpflicht, damit die Insassen das Fahrzeug verlassen und sich in Sicherheit bringen können. Auch muss der Fahrer nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 StVO die Unfallstelle sichern. Kommt es zu diesem Zeitpunkt zu einem Zweitunfall kann ein Mitverschulden wegen nichtangelegten Sicherheitsgurts Insassen des erstverunfallten Fahrzeugs nicht angelastet werden.[543]

298

Es dürfen nur die Ersatzansprüche gemindert werden, für die das Nichtangurten ursächlich war.[544]

Der für den Unfall Verantwortliche muss beweisen, dass der Verletzte nicht angeschnallt war und dieses Versäumnis die Verletzungen ganz oder zum Teil verursacht hat. Der Nachweis wird bei typischen Gruppen von Unfallverläufen durch den Anschein erleichtert. Der Anscheinsbeweis entfällt, wenn der Geschädigte eine ernsthafte Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs dargetan und die Tatsachen, die einen solchen atypischen Ablauf möglich erscheinen lassen, voll bewiesen hat.[545]

299

Der Anscheinsbeweis lässt sich führen,[546] wenn i.d.R. folgende Voraussetzungen vorliegen (vgl. 16. Verkehrsgerichtstag 1978, S. 7):


1. Unfallmechanismen, bei denen der Gurt eine Rückhaltewirkung entfalten kann, in erster Linie Frontalzusammenstöße, mit voller oder teilweiser Überdeckung. Sekundärkollisionen nach Auffahrunfällen sowie Unfälle, bei denen der Fahrer und andere Insassen hinausgeschleudert wurden, und
2. keine wesentliche Deformierung des vom Verletzten benutzten Teils der Fahrzeugzelle gegeben ist, und
3. Verletzungen des Kopfes und der oberen und unteren Extremitäten vorliegen.

Trotz Verstoßes gegen die Anschnallpflicht aus § 21a Abs. 1 StVO kann im Rahmen der Abwägung der Unfallbeiträge nach § 254 Abs. 1 BGB das Mitverschulden des Geschädigten entfallen. So z.B., wenn ein angetrunkener Fahrer (BAK von 1,83 ‰) auf die Gegenfahrbahn gerät und dort mit dem entgegenkommenden Pkw zusammenstößt und der Geschädigte sich in halb liegender Position auf der Rückbank des angefahrenen Pkws befand.[547]

c) Kindersicherungspflicht

300

Nach § 21 StVO dürfen Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr, die kleiner als 150 cm sind, im Kfz nur mitgenommen werden, wenn amtlich genehmigte, für Kinder geeignete Rückhalteeinrichtungen benutzt werden.[548]

Bei einem für die Verletzungen ursächlichen Verstoß gegen diese Sicherungspflicht haftet der Halter dem Kinde nach § 7 Abs. 1 StVG, der Fahrer nach § 823 Abs. 2 BGB.