Das Tagebuch der Anne Frank

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3 Sommerhemden à 0,50 = 1,50

3 Sommerhosen à 0,50 = 1,50

3 Winterhemden à 0,75 = 2,25

3 Winterhosen à 0,75 = 2 ,25

2 Unterkleider à 0,50 = 1,00

2 Büstenhalter (kleinste Größe) à 0,50 = 1,00

5 Pyjamas à 1,00 = 5,00

1 Sommermorgenrock à 2,50 = 2,50

1 Wintermorgenrock à 3,00 = 3,00

2 Bettjäckchen à 0,75 = 1,50

1 kleines Kissen à 1,00 = 1,00

1 Paar Sommerpantoffeln à 1,00 = 1,00

1 Paar Winterpantoffeln à 1,50 = 1,50

1 Paar Sommerschuhe (Schule) à 1,50 = 1,50

1 Paar Sommerschuhe (gut) à 2,00 = 2,00

1 Paar Winterschuhe (Schule) à 2,50 = 2,50

1 Paar Winterschuhe (gut) à 3,00 = 3,00

2 Schürzen à 0,50 = 1,00

25 Taschentücher à 0,05 = 1,25

4 Paar Seidenstrümpfe à 0,75 = 3,00

4 Paar Kniestrümpfe à 0,50 = 2,00

4 Paar Socken à 0,25 = 1,00

2 Paar dicke Socken à 1,00 = 2,00

3 Knäuel weiße Wolle (Hosen, Mütze) = 1,50

3 Knäuel blaue Wolle (Pullover, Rock) = 1,50

3 Knäuel farbige Wolle (Mütze, Schal) = 1,50

Schals, Gürtel, Krägen, Knöpfe = 1,25

Dann noch 2 Schulkleider (Sommer), 2 Schulkleider (Winter), 2 gute Kleider (Sommer), 2 gute Kleider (Winter), 1 Sommerrock, 1 guter Winterrock, 1 Schulwinterrock, 1 Regenmantel, 1 Sommermantel, 1 Wintermantel, 2 Hüte, 2 Mützen.

Das macht zusammen 108 Gulden.

2 Taschen, 1 Eiskostüm, 1 Paar Schlittschuhe mit Schuhen, 1 Schachtel (mit Puder, Fettcreme, Pudercreme, Abschminkcreme, Sonnenöl, Watte, Verbandsschachtel, Rouge, Lippenstift, Augenbrauenstift, Badesalz, Körperpuder, Eau de Cologne, Seife, Quaste).

Dann noch 4 Pullover à 1,50, 4 Blusen à 1,00, diverse Dinge à 10,00 und Bücher, Geschenke à 4,50.

Freitag, 9. Oktober 1942

Liebe Kitty!

Heute habe ich nur traurige und deprimierende Nachrichten. Unsere jüdischen Bekannten werden gleich gruppenweise festgenommen. Die Gestapo geht alles andere als zart mit diesen Menschen um. In Viehwagen werden sie nach Westerbork gebracht, dem großen Judenlager in Drente [niederländische Provinz im Nordosten des Landes, red.]. Miep hat von einem erzählt, der aus Westerbork geflohen ist. Es muss dort schrecklich sein. Die Menschen bekommen fast nichts zu essen, geschweige denn zu trinken.

Sie haben nur eine Stunde pro Tag Wasser und ein einziges Klo und Waschbecken für ein paar tausend Menschen. Schlafen tun sie alle durcheinander, Männer und Frauen, und die letzteren und die Kinder bekommen oft die Haare geschoren. Fliehen ist fast unmöglich. Die Menschen sind gebrandmarkt durch ihre kahl geschorenen Köpfe, und viele auch durch ihr jüdisches Aussehen.

Wenn es in Holland schon so schrecklich ist, wie muss es dann erst in Polen sein? Wir vermuten, dass die meisten Menschen ermordet werden. Der englische Sender spricht von Vergasungen, vielleicht ist das noch die schnellste Art zu sterben.

Ich bin völlig durcheinander. Miep erzählt all diese Gräuelgeschichten so erschütternd und ist selbst ganz aufgeregt dabei. Erst neulich saß zum Beispiel eine alte, gehbehinderte jüdische Frau vor der Tür und war angewiesen dort auf die Gestapo zu warten, die weggegangen war, um ein Auto zu holen, das sie abtransportieren sollte. Die arme Alte hatte solche Angst vor dem Gefechtslärm, wenn die englischen Flugzeuge kamen, und vor den grellen, herumirrenden Scheinwerfern. Trotzdem hat Miep nicht gewagt, sie ins Haus zu holen, das würde niemand machen. Denn die Herren Deutschen sind nicht zimperlich mit ihren Strafen.

Auch Bep ist still. Ihr Freund muss nach Deutschland. Sie hat jedes Mal Angst, dass die Flugzeuge, wenn sie über unsere Häuser fliegen, ihre Bombenlast von oft einer Million Kilo auf Bertus’ Kopf fallen lassen. Witze wie: »Eine ganze Million wird er kaum bekommen« und »Eine einzige Bombe ist schon genug« finde ich nicht gerade angebracht. Bertus ist nicht der Einzige, der gehen muss, jeden Tag fahren Züge voller junger Leute weg. Manchen gelingt es, heimlich auszusteigen, wenn sie auf einem kleinen Bahnhof halten, und dann unterzutauchen. Einem kleinen Prozentsatz gelingt das vielleicht.

Ich bin noch nicht fertig mit meinem Trauerlied. Weist du, was Geiseln sind? Das führen sie nun als neueste Strafmethode für Sabotage ein. Schrecklicheres kann man sich nicht vorstellen. Wird irgendwo sabotiert und der Täter nicht gefunden, werden statt ihrer angesehene, unschuldige Bürger verhaftet. Und müssen auf ihre Ermordung warten, bis die Gestapo seelenruhig wieder einmal eine paar Geiseln an die Wand stellt. Oft stehen dann die Todesanzeigen in der Zeitung. Ein »schicksalhaftes Unglück« wird dieses Verbrechen dann genannt.

Ein schönes Volk, die Deutschen, und da gehöre ich eigentlich auch noch dazu! Aber nein, Hitler hat uns längst staatenlos gemacht. Und außerdem gibt es keine größere Feindschaft auf dieser Welt als zwischen Deutschen und Juden.

Deine Anne

Mittwoch, 14. Oktober 1942

Beste Kitty!

Ich habe schrecklich viel zu tun. Gestern habe ich ein Kapitel von »La belle Nivernaise« übersetzt und aufgeschrieben. Dann eine blöde Rechenaufgabe gemacht und noch drei Seiten für französische Sprachlehre übersetzt. Heute französische Sprachlehre und Geschichte.

Ich denke nicht daran, jeden Tag solche Mistrechenaufgaben zu machen. Papa findet sie auch schrecklich, er kann sie ja fast noch schlechter als ich, aber in Wirklichkeit können wir sie alle beide nicht, und müssen immer Margot holen. Ich bin auch eifrig beim Stenographieren, das finde ich toll, ich bin am weitesten von uns dreien.

Ich habe »De stormers« gelesen. Es war ganz nett, aber lange nicht so gut wie »Joop ter Heul«. Übrigens, in beiden Büchern kommen dieselben Wörter vor, klar, bei derselben Autorin. Cissy van Marxveldt schreibt wirklich toll. Bestimmt werde ich ihre Bücher meinen Kindern auch zu lesen geben.

Außerdem habe ich eine Menge Theaterstücke von Körner [Theodor Körner, Schriftsteller und Dramatiker, 1791–1813, red.] gelesen. Ich finde, dass der Mann schön schreibt. Zum Beispiel »Hedwig«, »Der Vetter aus Bremen«, »Die Gouvernante«, »Der grüne Domino« usw.

Mutter, Margot und ich sind wieder die besten Freundinnen, und das ist eigentlich viel angenehmer. Gestern Abend lagen Margot und ich zusammen in meinem Bett. Es war sehr eng, aber gerade deshalb spaßig. Sie fragte, ob sie mal mein Tagebuch lesen dürfte. »Manche Stücke schon«, sagte ich und fragte nach ihrem. Das dürfte ich dann auch lesen.

So kamen wir auf die Zukunft, und ich fragte sie, was für einen Beruf sie einmal haben wollte. Aber das wollte sie nicht sagen, sie macht ein großes Geheimnis daraus. Ich habe mal so etwas aufgeschnappt wie Unterricht. Ich weiß natürlich nicht, ob das stimmt, aber ich vermute, dass es sowas in der Richtung sein könnte. Eigentlich sollte ich nicht so neugierig sein. Heute Morgen streckte ich mich auf Peters Bett aus, nachdem ich ihn erst verjagt hatte. Er war wütend auf mich, aber das kann mir herzlich egal sein.

Er könnte ruhig mal etwas netter zu mir sein, denn erst gestern Abend habe ich ihm einen Apfel geschenkt. Ich habe Margot mal gefragt, ob sie mich sehr hässlich findet. Sie sagte, ich sähe witzig aus und hätte hübsche Augen. Ziemlich vage, findest du nicht auch?

Bis zum nächsten Mal! Anne Frank

P. S.: Heute Morgen haben wir uns alle wieder gewogen. Margot wiegt nun 120 Pfund, Mutter 124 , Vater 141 , Anne 87, Peter 134, Frau van Daan 106, Herr van Daan 150. Ich habe in den drei Monaten, die ich hier bin, 17 Pfund zugenommen, enorm, gell?

Dienstag, 20. Oktober 1942

Liebe Kitty!

Meine Hand zittert noch, obwohl der Schreck, den wir hatten, schon zwei Stunden her ist. Du musst wissen, dass wir insgesamt fünf Minimax-Feuerlöscher im Haus haben. Weil sie unten so schlau sind, haben sie uns nicht gewarnt, dass der Zimmermann, oder wie der Bursche sonst heißt, die Geräte nachfüllt. Wir waren deshalb überhaupt nicht leise, bis ich plötzlich draußen auf dem Treppenabsatz (gegenüber unserer Schranktür) Hammerschläge hörte. Ich dachte sofort an den Zimmermann und warnte Bep, die gerade beim Essen war, damit sie jetzt nicht nach unten ging. Vater und ich postierten uns hinter der Tür, um zu hören, wann der Mann weggehen würde. Nachdem er eine Viertelstunde gearbeitet hatte, legte er seinen Hammer und andere Werkzeuge auf unseren Schrank (so glaubten wir!) und klopfte an die Tür. Wir wurden ganz bleich! Sollte er doch etwas gehört haben und nun dieses geheimnisvolle Ungetüm untersuchen wollen? Es schien so, denn das Klopfen, Ziehen, Schieben und Reißen nahm kein Ende.

Ich wurde fast ohnmächtig vor Angst darüber, dass es dem wildfremden Mann gelingen könnte, unseren schönen Unterschlupf zu enttarnen. Ich dachte gerade, ich hätte die längste Zeit gelebt, da hörten wir die Stimme von Herrn Kleiman: »Macht doch mal auf, ich bin es.«

Sofort machten wir auf. Was war passiert? Der Haken, der den Schrank an der Tür festhielt, hatte geklemmt, deshalb hatte uns niemand vor dem Zimmermann warnen können. Dieser war inzwischen nach unten gegangen, und Kleiman wollte Bep abholen, bekam aber den Drehschrank wieder nicht auf. Ich kann dir kaum sagen, wie erleichtert ich war. Der Mann, von dem ich meinte, er würde gleich vor uns stehen, hatte in meiner Einbildung immer größere Formen angenommen. Zuletzt sah er aus wie ein Riese und war so ein Faschist, wie es keinen schlimmeren gibt. Gell, zum Glück ist es diesmal gut gegangen!

Am Montag hatten wir hier viel Spaß. Denn Miep und Jan übernachteten bei uns. Margot und ich haben in dieser Nacht bei Vater und Mutter geschlafen, sodass das Ehepaar Gies unser Zimmer nutzen konnte. Das Festmenü schmeckte herrlich. Eine kleine Unterbrechung gab es, als Vaters Lampe einen Kurzschluss verursachte und wir plötzlich im Dunkeln saßen. Was tun? Neue Sicherungen waren zwar vorhanden, mussten aber ganz am hintersten Ende des dunklen Lagerraums eingesetzt werden, und abends war das keine angenehme Aufgabe. Trotzdem wagten sich die Herren daran, und nach zehn Minuten konnten wir unsere Kerzenbeleuchtung wieder zur Seite tun.

 

Morgens war ich schon früh auf den Beinen. Jan war schon angezogen. Er musste um halb neun weg, also war er schon um acht Uhr oben und frühstückte. Miep zog sich gerade an und stand im Hemd da, als ich ins Zimmer kam. Sie hat genau solche wollenen Unterhosen wie ich zum Fahrradfahren anziehe. Margot und ich zogen uns nun an und waren viel früher oben als üblich. Nach einem gemütlichen Frühstück ging Miep nach unten. Es regnete in Strömen, und sie war froh, dass sie heute nicht mit dem Fahrrad hierher ins Büro fahren musste. Ich machte mit Papi die Betten, dann lernte ich fünf unregelmäßige Verben. Fleißig, nicht wahr? Margot und Peter saßen in unserem Zimmer und lasen, und Mouschi saß bei Margot auf dem Sofa. Ich setzte mich nach meinen französischen Unregelmäßigkeiten auch dazu und las »Und ewig singen die Wälder«. Es ist ein sehr schönes, aber verstörendes Buch, ich habe es fast ausgelesen.

Bep kommt nächste Woche auch mal auf Nachtbesuch!

Deine Anne

Donnerstag, 29. Oktober 1942

Liebste Kitty!

Ich bin ziemlich beunruhigt, denn Vater ist krank. Er hat hohes Fieber und roten Ausschlag, es sieht nach Masern aus. Denk nur, wir können nicht mal einen Doktor holen! Mutter lässt ihn kräftig schwitzen, vielleicht geht das Fieber davon runter.

Heute Morgen erzählte Miep, dass die Wohnung der van Daans nun von den Deutschen ausgeräumt worden ist. Wir haben es Frau van Daan noch nicht gesagt, sie hat in der letzten Zeit sowieso schon so »dünne Nerven«, und wir haben keine Lust, uns das Gejammer über ihr schönes Service und die feinen Sesselchen anzuhören, die sie hatte zurücklassen müssen. Wir haben doch auch fast alles, was schön war, aufgeben müssen, was hilft nun das Geklage?

Vater will nun, dass ich Bücher von bekannten deutschen Schriftstellern lese. Das Deutsch-Lesen geht schon relativ zügig. Nur murmele ich meistens vor mich hin, statt ruhig im Geiste zu lesen. Aber das wird sich wohl geben. Vater hat Goethes und Schillers Dramen aus dem großen Bücherschrank gezogen, er will mir nun jeden Abend etwas vorlesen. Mit »Don Carlos« haben wir schon begonnen.

Um Vaters gutem Lese-Vorbild zu folgen, hat Mutter mir ihr Gebetbuch in die Hand gedrückt. Anstandshalber habe ich ein paar Gebete in Deutsch gelesen. Ich finde es schon schön, aber es sagt mir nicht viel. Warum drängt sie mich, so religiös-frömmelnd zu tun?

Morgen wird der Heizofen zum ersten Mal angemacht. Wir werden wohl ziemlich im Rauch sitzen, der Schornstein ist schon lange Zeit nicht gefegt worden. Hoffen wir, dass das Ding zieht!

Deine Anne

Montag, 2. November 1942

Beste Kitty!

Freitagabend war Bep bei uns. Es war ziemlich gemütlich, aber sie hat nicht gut geschlafen, weil sie Wein getrunken hatte. Sonst gibt es nichts Besonderes. Gestern hatte ich schlimme Kopfschmerzen und bin früh ins Bett gegangen. Margot ist wieder mal garstig.

Heute Morgen habe ich angefangen, einen Karteikasten des Büros zu sortieren. Der war umgefallen und ganz durcheinander geraten. Das machte mich schon bald wahnsinnig und ich fragte Margot und Peter, ob sie mir helfen könnten, aber die beiden waren zu faul. Da habe ich die Sachen zur Seite gelegt. Ich bin doch nicht verrückt und mache das alleine!

Anne Frank

P. S. Ich habe noch vergessen, dir die wichtige Neuigkeit zu erzählen, dass ich vermutlich bald meine Periode bekomme. Das merke ich an dem klebrigen Zeugs in meinem Höschen, und Mutter hat es mir vorausgesagt. Ich kann es kaum erwarten. Es scheint mir so wichtig! Ärgerlich ist nur, dass ich nun keine Damenbinden tragen kann, die bekommt man nicht mehr. Und die Stäbchen von Mama können nur Frauen tragen, die schon mal ein Kind gehabt haben.

Nachtrag, geschrieben am 22. Januar 1944

Ich würde so etwas nun nicht mehr schreiben können. Wenn ich jetzt, eineinhalb Jahre später, wieder in mein Tagebuch schaue, staune ich, dass ich jemals ein so unverdorbener Backfisch gewesen bin. Unwillkürlich weiß ich, dass ich, wenn ich es auch noch so wollte, nie mehr so sein kann. Die Launen und die Aussagen über Margot, Mutter und Vater verstehe ich noch genauso gut, als ob ich sie erst gestern geschrieben hätte. Aber dass ich so ungeniert über andere Dinge geschrieben habe, kann ich mir nicht mehr vorstellen.

Ich schäme mich wirklich, wenn ich die Seiten lese, die von so Themen handeln, die ich gerne schöner formuliert hätte. Ich habe es so unfein hingeschrieben. Aber nun genug davon.

Sehr gut nachvollziehen kann ich das Heimweh und die Sehnsucht nach Moortje. Oft bewusst, aber noch viel häufiger unbewusst, hatte ich die ganze Zeit, die ich hier war und bin, ein Bedürfnis nach Vertrauen, Liebe und Zärtlichkeit. Dieses Verlangen ist manchmal stärker und manchmal schwächer, aber es ist immer da.

Donnerstag, 5. November 1942

Beste Kitty!

Die Engländer haben nun endlich in Afrika ein paar Erfolge erzielt, also sind die Herren hier sehr fröhlich, und wir haben heute Morgen Kaffee und Tee getrunken. Sonst nichts Besonderes.

Ich habe in dieser Woche viel gelesen und wenig gearbeitet. So muss man das machen, so wird man sicher weiterkommen! Mutter und ich kommen letztens wieder besser miteinander aus, aber vertraulich wird es nie. Und Vater bedrückt etwas, über das er nicht sprechen will. Aber er ist ein Schatz, wie immer.

Seit ein paar Tagen ist der Ofen an, und das ganze Zimmer ist voller Rauch. Ich halte doch mehr von Zentralheizung, und ich bin wohl nicht die Einzige.

Margot kann ich nur als Miststück bezeichnen, das mich Tag und Nacht schrecklich reizt.

Anne Frank

Montag, 9. November 1942

Liebe Kitty!

Gestern hatte Peter Geburtstag, er ist sechzehn geworden. Um acht bin ich schon nach oben gegangen und habe mit ihm die Geschenke angeschaut. Er hat unter anderem das »Börsenspiel« bekommen, einen Rasierapparat und ein Feuerzeug. Nicht dass er so viel rauchen würde, überhaupt nicht, nur für die Eleganz.

Die größte Überraschung brachte um ein Uhr Herr van Daan, mit der Nachricht, die Engländer wären in Tunis, Casablanca, Algier und Oran gelandet.

»Das ist der Anfang vom Ende«, sagten alle.

Aber Churchill, der englische Premierminister, der wahrscheinlich diesen Ausspruch bis nach England gehört hatte, sagte: »Diese Landung ist ein wichtiger Schritt, doch darf man nicht glauben, dass dies der Anfang vom Ende sei. Ich sage eher, dass es das Ende vom Anfang bedeutet.« Merkst du den Unterschied?

Es gibt aber doch Grund für Optimismus. Stalingrad, die russische Stadt, wird nun auch schon seit drei Monaten umkämpft und ist immer noch nicht den Deutschen in die Hände gefallen.

Ich werde dir jetzt doch auch mal was von unserer Lebensmittelversorgung erzählen. (Du musst wissen, dass die oben richtige Leckermäuler sind!)

Unser Brot liefert ein sehr netter Bäcker, ein Bekannter von Kleiman. Wir bekommen natürlich nicht so üppig, wie wir zu Hause hatten, aber es reicht aus. Lebensmittelkarten kann man sich illegal besorgen. Der Preis steigt ständig, erst 27 Gulden, jetzt schon 33. Und das nur für ein bedrucktes Blatt Papier!

Um außer unseren hundert Konservendosen noch etwas Haltbares im Haus zu haben, haben wir 270 Pfund Hülsenfrüchte besorgen lassen. Nicht nur für uns alleine, auch das Büro wurde einberechnet. Die Säcke mit den Hülsenfrüchten wurden an Haken in unserem kleinen Flur hinter der Verstecktür gehängt. Weil sie so schwer sind, platzten ein paar Nähte an den Säcken auf. Wir beschlossen dann doch, diesen Wintervorrat besser auf den Dachboden zu bringen, und vertrauten Peter das Hochschleppen an. Fünf von sechs Säcken waren schon heil oben, und Peter war gerade dabei, Nummer sechs hoch zu schleppen, als die untere Naht riss und ein Regen – nein, ein Hagel! – von braunen Bohnen durch die Luft flog und die Treppe hinunter schoss. Ungefähr 50 Pfund waren in dem Sack, und das gab dann auch einen Höllenlärm! Unten meinten sie schon, das alte Haus samt Inhalt würde ihnen auf den Kopf krachen. Peter erschrak, dann musste er aber schrecklich lachen, als er mich sah, unten an der Treppe stehend, wie eine Insel in der Brandung der Bohnen, so war ich eingekreist von den braunen Dingern, die mir bis zu den Knöcheln reichten.

Eilig machten wir uns ans Aufsammeln. Bohnen sind aber so glatt und klein, dass sie in alle möglichen und unmöglichen Ecken und Löcher rollen. Jedes Mal, wenn jetzt einer die Treppe hinaufgeht, bückt er sich und gibt danach eine Hand voll Bohnen an Frau van Daan ab.

Fast hätte ich vergessen zu berichten, dass Vaters Krankheit wieder ganz verschwunden ist.

Deine Anne

P. S. Gerade hören wir aus dem Radio die Nachricht, dass Algier gefallen ist. Marokko, Casablanca und Oran sind schon in englischen Händen.

Jetzt wird noch auf Tunis gewartet.

Dienstag, 10. November 1942

Liebe Kitty!

Großartige Neuigkeiten, wir werden einen achten Untertaucher aufnehmen! Ja, und wir waren wirklich immer der Meinung, dass es hier noch genug Platz und Essen für eine weitere Person gibt. Wir hatten nur Bedenken, Kugler und Kleiman noch mehr zu belasten. Als nun die Horrormeldungen über die Juden immer schlimmer wurden, hat Vater mal bei diesen beiden Schlüsselpersonen vorgefühlt, und sie fanden die Idee ausgezeichnet. »Die Gefahr ist für sieben ebenso groß wie für acht«, sagten sie richtigerweise. Als dieser Punkt geklärt war, ließen wir im Geiste unseren Bekanntenkreis vorbeiziehen, um einen alleinstehenden Menschen ausfindig zu machen, der gut zu unserer Versteckfamilie passen würde. Es war nicht schwer, so jemanden zu finden. Nachdem Vater alle Verwandten der van Daans abgelehnt hatte, wählten wir einen Zahnarzt namens Albert Dussel. Er lebt mit einer viel jüngeren und netten Christin zusammen, mit der er vermutlich nicht verheiratet ist, aber das ist nebensächlich. Er gilt als ruhig und höflich, und der flüchtigen Bekanntschaft nach schien er sowohl uns als auch den van Daans sympathisch. Miep kennt ihn auch, sodass sie alles regeln kann. Wenn er kommt, muss er in meinem Zimmer schlafen. Margot bekommt dann das Ausziehbett [Margot zog nach Dussels Ankunft ins Zimmer der Eltern] als Liegestatt. Wir werden ihn fragen, ob er etwas mitbringen kann, um hohle Backenzähne zu füllen.

Deine Anne

Donnerstag, 12. November 1942

Liebe Kitty!

Miep hat berichtet, dass sie bei Dr. Dussel war. Dussel fragte Miep sofort, als sie reinkam, ob sie nicht ein Versteck für ihn wüsste. Er war sehr froh, als sie ihm sagte, sie hätte etwas für ihn und er solle so schnell wie möglich hingehen, am besten schon am Samstag. Er hatte Bedenken, sagte, er müsse seine Kartei erst noch in Ordnung bringen, zwei Patienten behandeln und die Abrechnung machen. Mit diesem Bericht kam Miep heute an. Wir fanden es nicht gut, dass er noch so lange warten wollte. Seine Vorbereitungen erfordern Erklärungen an etliche Leute, die wir lieber raushalten würden. Miep sollte fragen, ob er nicht doch am Samstag kommen würde. Er lehnte ab und wird nun am Montag kommen.

Ich finde es verrückt, dass er nicht sofort auf den Vorschlag einging. Wenn er auf der Straße verhaftet wird, kann er weder der Kartei noch den Patienten nützen. Warum also der Aufschub? Ich persönlich finde es dumm von Vater, dass er nachgegeben hat.

Sonst nichts Neues. Deine Anne

Dienstag, 17. November 1942

Liebe Kitty!

Dussel ist eingetroffen. Es hat alles gut geklappt. Miep hatte zu ihm gesagt, er müsse um elf Uhr an einem bestimmten Treffpunkt vor dem Postamt sein, dort würde ihn ein Herr abholen. Dussel stand pünktlich an der verabredeten Stelle, Herr Kleiman ging auf ihn zu und sagte, dass der genannte Herr noch nicht kommen könne und er stattdessen inzwischen zu Miep ins Büro kommen solle. Kleiman stieg in die Straßenbahn und fuhr zurück zum Büro, und Dussel ging denselben Weg zu Fuß.

 

Um zwanzig nach elf klopfte Dussel an die Bürotür. Miep bat ihn, seinen Mantel auszuziehen, sodass der Stern nicht zu sehen war, und brachte ihn ins Privatbüro. Dort beschäftigte sich Kleiman mit ihm, bis die Putzfrau gegangen war. Unter dem Vorwand, dass das Privatbüro nicht länger frei sei, ging Miep mit Dussel nach oben, öffnete den Drehschrank und stieg vor den Augen des verblüfften Mannes hinein.

Wir sieben saßen oben um den Tisch und erwarteten mit Kaffee und Cognac unseren Untergrund-Kollegen. Miep führte ihn zuerst ins Wohnzimmer. Er erkannte sofort unsere Möbel, dachte aber ganz und gar nicht daran, dass wir uns ein Stockwerk über ihm befinden könnten. Als Miep ihm das sagte, fiel er vor Staunen fast in Ohnmacht. Aber zum Glück ließ Miep ihm dazu keine Zeit und brachte ihn nach oben. Dussel ließ sich auf einen Stuhl fallen und starrte uns alle eine Zeit lang sprachlos an, als wollte er die ganze Wahrheit aus unseren Gesichtern ablesen. Dann stotterte er: »Aber ... nein ... aber sind Sie denn nicht in Belgien? Ist dieser Offizier nicht gekommen? Das Auto? Die Flucht ... ist sie fehlgeschlagen?«

Wir erklärten ihm die Sache: Dass wir das Märchen von dem Militär und dem Auto extra gestreut hatten, um die Leute und die Deutschen, die vielleicht nach uns suchen würden, auf die falsche Spur zu locken. Dussel war sprachlos über so viel Erfindungsgeist und konnte sich nur immer wieder erstaunt im Kreis drehen, als er unser superpraktisches und schönes Hinterhäuschen näher inspizierte. Wir aßen zusammen, dann schlief er ein wenig, trank danach Tee mit uns, ordnete sein bisschen Zeug, das Miep zuvor bereits gebracht hatte, und fühlte sich schon ziemlich zu Hause. Vor allem, als er die folgende getippte Hinterhausordnung (Fabrikat van Daan) zu sehen bekam:

PROSPEKT UND LEITFADEN VOM HINTERHAUS

Spezielle Einrichtung für die vorübergehende Unterkunft von Juden und ihresgleichen. Ganzjährig geöffnet.

Schöne, ruhige, waldfreie Umgebung im Herzen von Amsterdam. Keine privaten Nachbarn. Zu erreichen mit den Straßenbahnlinien 13 und 17, ferner auch mit Auto oder Fahrrad. In bestimmten Fällen, in denen die Deutschen die Benutzung dieser Transportmittel nicht erlauben, auch zu Fuß. Sowohl möblierte als auch unmöblierte Wohnungen und Zimmer ständig verfügbar, mit oder ohne Verpflegung.

Miete: gratis.

Diätküche, fettfrei.

Fließendes Wasser im Badezimmer (Wanne leider nicht vorhanden) und an diversen Innen- und Außenwänden.

Großartige Feuerstellen.

Geräumige Lagerplätze für Güter aller Art. Zwei große, moderne Tresore.

Eigene Radiozentrale mit direkter Verbindung nach London, New York, Tel-Aviv und zu vielen anderen Stationen. Dieser Apparat steht allen Bewohnern ab sechs Uhr abends zur Verfügung, wobei es keine verbotenen Sender gibt, mit einer Einschränkung, dass nur aus gutem Grund deutsche Sender gehört werden dürfen, z. B. wegen klassischer Musik u. Ä. Deutsche Nachrichten zu hören und zu verbreiten, ist strengstens verboten (egal, woher sie gesendet werden).

Ruhezeiten: 10 Uhr abends bis 7.30 Uhr morgens, sonntags 10.15 Uhr. Unter besonderen Umständen werden auch tagsüber Ruhestunden abgehalten, je nach Anweisung der Direktion. Ruhezeiten sind im Interesse der allgemeinen Sicherheit unbedingt einzuhalten!!!

Freizeit: Fällt bis auf weiteres aus (sofern sie außer Haus stattfinden soll).

Gebrauch der Sprache: Es wird zu allen Zeiten gefordert, leise zu sprechen. Erlaubt sind alle Kultursprachen, also kein Deutsch.

Lektüre und Entspannung: Es dürfen keine deutschen Bücher gelesen werden, ausgenommen wissenschaftliche und klassische. Alle anderen Bücher sind erlaubt.

Gymnastik: Täglich.

Gesang: Ausschließlich leise und nach 6 Uhr abends.

Film: Nach Vereinbarung.

Unterricht: In Stenographie jede Woche eine schriftliche Lektion. In Englisch, Französisch, Mathematik und Geschichte zu allen Zeiten. Bezahlung durch Gegenunterricht, z. B. Niederländisch.

Spezielle Abteilung für kleine Haustiere mit guter Versorgung. (Ausgenommen Ungeziefer, für das eine Sondergenehmigung erforderlich ist ... )

Mahlzeiten: Frühstück: täglich morgens um 9 Uhr, sonn- und feiertags ca. 11.30 Uhr.

Mittagessen: Gelegentlich ausgedehnt, 1.15 Uhr bis 1.45 Uhr.

Abendessen: Kalt und/oder warm, keine feste Zeit, abhängig vom Nachrichtendienst.

Verpflichtungen gegenüber der Versorgungskolonne: Bereitschaft, jederzeit bei Büroarbeiten auszuhelfen.

Baden: Sonntags ab 9 Uhr steht der Zuber allen Hausgenossen zur Verfügung. Gebadet wird in der Toilette, in der Küche, im Privatbüro oder im vorderen Büro, je nach Wunsch.

Starke Getränke: nur gegen ärztliches Attest.

Ende.

Deine Anne

Donnerstag, 19. Nov. 1942

Liebe Kitty! Wie wir alle vermuteten, ist Dussel ein sehr netter Mann. Er war natürlich einverstanden, mit mir das Zimmer zu teilen. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht so erfreut darüber, dass ein Fremder meine Sachen benutzt, aber für die gute Sache muss man etwas tun, und ich bringe dieses kleine Opfer dann auch gern. »Wenn wir jemanden retten können, ist alles andere zweitrangig«, sagte Vater, und damit hat er absolut Recht.

Dussel hat mich am ersten Tag, als er hier war, gleich über alles ausgefragt, zum Beispiel wann die Putzfrau kommt, wann die Zeiten zum Baden sind, wann man auf die Toilette gehen kann. Du wirst lachen, aber das alles ist in einem Versteck gar nicht so unproblematisch. Wir dürfen tagsüber nicht so umtriebig sein, dass man uns unten hören kann, und wenn eine Extraperson unten ist, z. B. die Putzfrau, müssen wir doppelt aufpassen. Ich erklärte Dussel alles ganz genau, aber mich erstaunte dabei schon, dass er so schwer von Begriff ist. Alles fragt er zweimal und kapiert es trotzdem nicht. Vielleicht gibt sich das, und er ist nur wegen der Überraschung so durcheinander. Ansonsten geht es prima.

Dussel erzählte uns viel von der Außenwelt, die wir nun schon so lange vermissen. Es ist traurig, was er alles zu erzählen hatte. Zahllose Freunde und Bekannte wurden weggebracht, zu einem schrecklichen Ziel. Abend für Abend patrouillieren die grünen oder grauen Militärfahrzeuge, und an jeder Tür wird geklingelt und nachgefragt, ob da auch Juden wohnen. Wenn ja, muss die ganze Familie sofort mit, wenn nicht, gehen sie weiter. Keiner kann seinem Schicksal entkommen, wenn er sich nicht versteckt. Oft gehen sie auch mit Adresslisten herum und klingeln nur dort, wo sie wissen, dass sie eine reiche Beute finden. Kopfgeld wird auch bezahlt, pro Kopf soundsoviel. Es ist wirklich wie bei den Sklavenjagden, die es früher gab. Und das ist kein Witz, dafür ist es viel zu dramatisch. Ich sehe abends oft die Reihen guter, unbescholtener Menschen vor meinem Auge, mit weinenden Kindern! Immer nur laufen müssen, kommandiert von ein paar Kerlen, geschlagen und gepeinigt, bis sie fast zusammenbrechen. Keiner wird verschont. Alte, Kinder, Babys, schwangere Frauen, Kranke ... alle, alle gehen mit auf der Reise in den Tod.

Wie gut haben wir es hier, wie gut und ruhig. Wir müssten uns aus dem ganzen Elend nichts zu machen, hätten wir nicht so viel Angst um all jene, die uns teuer sind und denen wir nicht helfen können. Ich fühle mich schlecht, weil ich in einem warmen Bett liege, aber meine liebsten Freundinnen irgendwo da draußen werden niedergedrückt oder zusammenbrechen.

Mich überfällt selbst die Angst, wenn ich an alle denke, mit denen ich mich draußen immer so eng verbunden fühlte und die nun den Händen der brutalsten Henker ausgeliefert sind, die es je gegeben hat.

Und das alles, weil sie Juden sind.

Deine Anne

Freitag, 20. November 1942

Liebe Kitty!

Wir wissen nicht, wie wir uns verhalten sollen. Bis jetzt hatten uns nie viele Berichte über die Juden erreicht, und wir haben es vorgezogen, so heiter wie möglich zu bleiben. Wenn Miep ab und zu mal etwas über das schreckliche Schicksal eines Bekannten berichtete, fingen Mutter oder Frau van Daan sofort an zu weinen, sodass Miep lieber gar nichts mehr erzählte.