Das Mysterium der Wölfe

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Jake stupst Chris sanft mit der Schnauze an: „Halte durch, mein Freund.“ Christopher atmet schwer. Er hat große Schmerzen. Nicht nur die Wunde, auch der harte Aufprall hat seine Spuren hinterlassen.

Trotz allem erzwingt er ein Lächeln: „Wieso denn so besorgt? Wäre doch gelacht, wenn ich sowas nicht aushalten würde. Du kennst mich doch.“ Es fällt ihm schwer, noch etwas zu sagen. Chris ist kampfunfähig. Jetzt müssen wir uns darauf konzentrieren, ihn zu beschützen.

Verzweifelt suche ich Blickkontakt zu Jake, der offensichtlich auch nicht weiß, was wir nun tun sollen. Logan ist ebenfalls ratlos. Doch dann fällt mein Blick auf Rachel. Weder Ratlosigkeit noch Verzweiflung sind in ihren Augen erkennbar. Dort sehe ich nur eine einzige Emotion: Wut.

Sie geht entschlossen auf Rubin zu: „Du mieser, kleiner...“

„Nein, Rachel! Nicht!“ Ich will ihr gerade nachlaufen, als vor mir ein weiterer Kristall aus dem Boden schießt. Erschrocken bleibe ich stehen. Ich bin gefangen.

Rubin mustert Rachel von oben bis unten: „Dein Mut ist bewundernswert, Mädchen. Oder einfach nur dumm. Glaubst du ernsthaft, du hast eine Chance gegen mich? Ohne deine kleinen Freunde bist du völlig wehrlos!“

Hilflos blicke ich zurück: „Ich kann hier nicht weg! Ihr müsst Rachel...“ Ich höre auf zu sprechen, als ich erkenne, dass auch Jake und Logan von Kristallen umgeben sind. Nun hängt wohl alles von Rachel ab. Es gibt kein Zurück mehr.

Angespannt beobachte ich, wie Rachel weiter auf Rubin zugeht, der ein siegessicheres Grinsen im Gesicht trägt: „Ich bin beeindruckt. Obwohl ich deine Freunde außer Gefecht gesetzt habe, willst du trotzdem kämpfen? Du scheinst es tatsächlich ernst zu meinen.“

Mit finsterem Blick umkreist Rachel ihn: „Glaub mir, ich meine es mehr als ernst. Du hast meinen Freunden wehgetan und dafür wirst du büßen!“ Es geht los. Rachel greift Rubin an, der mühelos ausweicht. Sie landet neben ihm auf den Pfoten und springt sofort zur Seite. Nun baut Rachel den Abstand zwischen ihr und ihrem Gegner aus. Gut so, sie will also vorerst auf Distanz bleiben. Rachel spielt auf Zeit. Vermutlich hofft sie, dass sie nach einem längeren Kampf Rubins Schwachstelle findet, falls er überhaupt eine hat.

Wieder läuft sie auf ihn zu, springt ihm diesmal aber nicht entgegen. Sie bleibt nahe an ihm dran und will ihn offensichtlich provozieren. Dies gelingt ihr auch. Mit gefletschten Zähnen geht er ihr an die Kehle, aber Rachel weicht ihm geschickt aus. Es folgt eine Reihe von Angriffen, mit denen sie jedoch umzugehen weiß. Durch eine gekonnte Rolle zur Seite baut sie wieder Abstand auf. Sie umkreist Rubin erneut.

Plötzlich höre ich hinter mir Jake schreien: „Das bringt doch nichts!“

Ich drehe mich um: „Verstehst du denn nicht? Sie versucht, Zeit zu gewinnen! Wenn sie das durchhält, findet sie vielleicht seine Schwachstelle!“

Plötzlich mischt sich Logan ein: „Aber wie lange wird sie das noch durchhalten? Sieh sie dir doch mal genau an! Sie wird immer langsamer, Rubin hingegen ist kein bisschen erschöpft! Noch so eine Reihe von Angriffen und Rachel kann nicht mehr ausweichen!“

Plötzlich beginnt der Kristallwolf zu lachen: „Deine Freunde sind schlau, das muss man ihnen lassen! Hast du sie gehört, Mädchen? Ich brauche dich nur noch einmal anzugreifen und dann bist du Geschichte!“ Rachel zuckt bei diesen Worten zusammen. „Aber ich bin kein Untier. Es wäre mehr als nur unfair, dich jetzt einfach so zu töten. Ich kenne eine andere Möglichkeit, um dich zu besiegen, eine viel spannendere!“

Besorgt blicke ich zu Rachel, die ihm tapfer die Stirn bietet: „Wovon sprichst du? Sag mir, was du vorhast!“ Plötzlich springt Rubin auf sie zu und landet direkt vor ihr. Rachel bleibt wie angewurzelt stehen.

Er starrt ihr tief in die Augen: „Wollen wir mal sehen, wie groß deine Zweifel sind.“ Seine Augen leuchten auf. Rachel ist in Trance versetzt. Nicht schon wieder. Er versucht, sie zu hypnotisieren!

Verzweifelt schreie ich sie an: „Rachel! Du darfst ihm nicht in die Augen sehen! Schnell, verschwinde!“ Doch sie hört mich nicht.

„Was passiert da? Seht euch ihre Pfoten an!“ Auf Logans Kommando hin blicke ich nach unten.

„Weg da! Rachel du musst verschwinden! Hörst du uns denn nicht?“ Sie reagiert kein Bisschen. Nun läuft uns die Zeit davon. Vom Boden aus breitet sich eine Kristallschicht über Rachels Körper aus, die bereits ihre Pfoten bedeckt hat.

Die Jungs brüllen noch lauter, um Rachel aus diesem tranceartigen Zustand zu befreien, vergeblich. Rubin hat sie völlig im Griff. Sie kann seinem feurigen Blick nicht entkommen. Moment mal! Feuriger Blick?

Schnell wende ich mich an Jake und Logan: „Ich weiß, wie wir Rubin besiegen können! Zuerst muss Rachel aber wieder zur Vernunft kommen!“

Jake schüttelt den Kopf: „Unmöglich! Du siehst doch selbst, dass sie nicht reagiert!“

Besorgt beobachte ich Rachel, deren Beine bereits völlig mit einer roten Kristallschicht überzogen sind: „Aber wir müssen es schaffen! Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben, um...“ Ich werde plötzlich von einem vertrauten Klang unterbrochen. Gebannt drehe ich mich um, als dieser reine Ton über mich hinweg hallt.

Es ist Chris. Mit der letzten Kraft, die er aufbringen kann, streckt er seinen Kopf hoch in die Luft und heult, wie es nur ein echter Wolf zu tun vermag. Dieses Geräusch löst Gänsehaut bei mir aus. Für uns Wölfe ist jedes Heulen einzigartig und wunderschön. Es kann so vieles zum Ausdruck bringen: Trauer, Schmerz, Freude. In diesem Fall ist es tiefe Verbundenheit.

Jake und Logan lächeln sich an und nicken entschlossen. Dann tun sie es Christopher gleich. Auch ich lasse mich mitreißen. Gemeinsam erzeugen wir nun eine einzigartige Melodie, wie sie nur unser Rudel zustande bringt. Die einzelnen Töne harmonieren und verschmelzen miteinander. Und schließlich zeigt unser Vorhaben Wirkung. Rachel reagiert auf uns. Sie schüttelt den Kopf und entkommt der Starre.

Das ist meine Chance: „Du musst ihm die Stirn bieten, Rachel!“ Verwirrt schaut sie in meine Richtung. „Erinnere dich an die Inschrift! Zwingen dich die feurigen Augen in die Knie, erreichst du das Amulett der Zweifel nie!“

Plötzlich reißt sie die Augen auf. Sie hat es verstanden. Entschlossen nickt sie mir zu und erwidert Rubins bösartigen Blick. Sie widersetzt sich ihm. Mutig und ohne Furcht sieht sie ihrem Gegner in die feuerroten Augen. Plötzlich bröckelt die Kristallschicht Stück für Stück von ihren Beinen.

In Rubins Gesicht macht sich Panik breit: „Du wagst es?“ Er versucht, sich zu wehren, aber es scheint so, als könnte er Rachels Blick nicht ausweichen. Das Blatt hat sich gewendet. Seine Augen leuchten immer heller, während die Kristalle von Rachels Körper abfallen. Er scheint seine Handlungen nicht mehr kontrollieren zu können.

„Nein, bitte nicht!“ Das Licht blendet mich. Seine Augen leuchten in einem unnatürlichen, feurigen Rot. „Wie ist das möglich? Nein!“ Plötzlich schießen aus seinen Augenhöhlen zwei rote Blitze in die Luft. Als sie erlöschen, bricht Rubin zusammen. Sein Körper bleibt reglos liegen.

„Geschafft.“ Völlig erschöpft sinkt Rachel zu Boden und verwandelt sich dabei in Menschengestalt. Die Erleichterung ist ihr förmlich ins Gesicht geschrieben.

Um mich bricht der Kristallkäfig zusammen. Ich bin endlich wieder frei. Sofort laufe ich auf Rachel zu, verwandle mich in einen Menschen und werfe mich stürmisch auf sie: „Du hast es geschafft, Rachel! Einfach großartig!“ Ich bin so froh, dass sie noch am Leben ist.

Sie schüttelt bescheiden den Kopf: „Ohne euch hätte ich das nicht überlebt.“ Nachdem ich sie wieder losgelassen habe, helfe ich ihr auf die Beine, als auch die Jungs auf uns zukommen. Chris wird von Jake und Logan gestützt.

Logan hat ein stolzes Lächeln im Gesicht: „Gut gemacht, Rachel! Das war eine unglaubliche Leistung!“ Ich blicke auf Rubins leblosen Körper. Es ist kein schöner Anblick. An der Stelle, wo sich seine Augen befinden sollten, klaffen zwei tiefe Aushöhlungen mit schwarzem, verkohltem Rand.

Jake schüttelt den Kopf: „Ein Jammer. Hätte er uns gehen lassen, wäre die Sache anders für ihn ausgegangen.“

Chris hält sich die Schulter: „Mein Mitleid hält sich in Grenzen.“ Er hat Glück gehabt. Hätte Rubin etwas besser gezielt, hätte der Kristallspeer Christophers Herz erwischt.

Jake deutet an uns vorbei: „Wie es aussieht, haben wir den Ausgang gefunden.“ Ich drehe mich um und staune, als ich den gewaltigen Spalt erblicke, der sich entlang der Kristallwand aufgetan hat.

Chris wirkt besorgt: „Auf zur nächsten Prüfung.“

Ich wende mich an Jake: „Wollen wir wirklich schon weitergehen? Das war ein harter Kampf.“

Jake schüttelt den Kopf: „Ich halte es für keine gute Idee, noch länger zu warten. Wir müssen aus dieser Höhle raus. Erst, wenn wir wieder im Freien sind, können wir endgültig aufatmen.“ Ich will etwas entgegnen, doch Jake unterbricht mich. „Meine Entscheidung steht fest.“ Er wendet sich an Chris. „Kannst du laufen, mein Freund?“ Er nickt sofort, woraufhin Jake wieder das Wort ergreift. „Lasst uns weitergehen.“

Ob das eine gute Idee ist? Christopher ist zäh, aber man sieht ihm an, dass er immer noch große Schmerzen hat. Auch Rachel ist erschöpft und ich selbst kann mich kaum auf den Beinen halten. Hoffentlich bereut Jake diese Entscheidung später nicht.

Wir sind Jakes Anweisungen gefolgt und durch die Spalte gegangen, aber diese hat uns nicht nach draußen geführt, sondern in einen weiteren Höhlengang. Das Einzige, das sich geändert hat, ist die Farbe der Kristallwände, denn diese sind nun blau. Nach längerem Fußmarsch beschließe ich, die Stille zu brechen: „Was glaubt ihr, Leute? Wie lange sind wir wohl noch unterwegs?“

 

Logan schüttelt entmutigt den Kopf: „Keine Ahnung. Ich bin nicht sicher, ob wir jemals wieder rausfinden.“

Jake, der vorneweg läuft, reagiert gereizt: „Ich will das nicht hören!“ Logan zuckt zusammen. „Hör auf, solch einen Schwachsinn zu reden! Wir werden auf keinen Fall aufgeben, kapiert?“ Jakes Reaktion macht die Stimmung kein bisschen besser. Er ist mindestens genauso unsicher, wie wir es sind, wenn nicht noch mehr.

Rachel trottet kopfschüttelnd neben mir her: „Hört auf zu streiten.“

Ich hätte nicht gedacht, dass das so hart werden würde. Die Reise zu Kyrion war zwar anstrengend, aber bei weitem nicht so nervenaufreibend. Diesmal ist aber auch etwas anders. Es liegt an der Stimmung. Seit wir die Höhle betreten haben, liegt eine unangenehme Spannung in der Luft.

Leider glaube ich nicht, dass diese von den Gefahren hier ausgeht. Wir selbst sind daran schuld. Die anderen haben bestimmt schon längst mitbekommen, dass zwischen Jake und mir etwas nicht stimmt und das zieht die ganze Gruppe runter. Es ist kaum auszuhalten.

„Seht mal, da vorne!“ Jake scheint etwas entdeckt zu haben. „Was habe ich gesagt? Da vorne ist Licht!“ Mir schwant Übles.

Auch Rachel ist misstrauisch: „Wieder kein Tageslicht. Das bedeutet nichts Gutes.“

„Oh nein.“ Wie war das gerade? Wir alle drehen uns zu Logan, der vor einer der Kristallwände steht. „Wie es aussieht, sind wir kurz vor der nächsten Prüfung, Freunde.“ Er hat eine Inschrift entdeckt. Das kann nur bedeuten, dass Saphir, also unser nächster Prüfer, nicht mehr lange auf sich warten lässt.

Chris liest laut vor: „Haben Zweifel die Gewalt, so fehlt euch der Zusammenhalt.“ Er schüttelt den Kopf. „Also ich kann damit nichts anfangen, ihr vielleicht?“ Großartig. Gerade jetzt, wo so große Spannungen innerhalb der Gruppe aufgetreten sind, müssen wir unsere Freundschaft beweisen. Es scheint fast so, als seien die Prüfungen wie für uns gemacht. Das wird bestimmt nicht leicht.

Jake wendet sich an die Gruppe: „Es gibt wohl nur einen Weg, das rauszufinden. Wir gehen weiter.“ Und schon setzt er sich wieder in Bewegung und geht auf das Licht am Ende des Ganges zu. Wir anderen folgen ihm ohne Widerworte.

Rachel flüstert mir etwas ins Ohr: „Ich habe gar kein gutes Gefühl bei der Sache. Wir sind nicht bereit dafür.“

Ich nicke besorgt: „Sehe ich genauso, aber da müssen wir jetzt durch. Wir müssen stark sein, Rachel. Wenn wir zusammenhalten, schaffen wir es bestimmt. Sei einfach vorsichtig und bleib bei der Gruppe.“ Auch wenn sie mich nun erzwungenermaßen anlächelt, sehe ich dennoch die Furcht in ihren Augen. Sie hat beim Kampf mit Rubin viel durchgemacht. Nochmal möchte ich ihr das nicht zumuten.

Endlich haben wir das Ende des Tunnels erreicht und betreten nun einen weiteren kuppelförmigen Raum voller blauer Kristalle.

„Welch eine Überraschung!“ Oh nein. „Besuch! Ich hatte schon ewig keinen Besuch mehr!“ Das ist dann wohl unsere Prüferin.

Jake übernimmt das Wort und ruft laut in die Kuppel: „Du bist bestimmt Saphir! Bist du diejenige, die uns die zweite Prüfung auferlegt?“

Plötzlich springt hinter einem großen Kristallgebilde eine saphirblaue Wölfin hervor und begibt sich elegant auf eine höhere Position. Als sie ganz oben auf der Kristallplattform ankommt, schaut sie von oben auf uns herab: „In der Tat, ich bin Saphir und ihr habt soeben mein Reich betreten.“ Sie mustert uns nach der Reihe von oben bis unten. „Beeindruckend. Ihr habt Rubin besiegt. Das hat bisher noch keiner geschafft.“ Ihr hämisches Grinsen gefällt mir gar nicht. Sie führt nichts Gutes im Schilde.

Ich beschließe, die Sache zu verkürzen: „Was ist unsere Aufgabe? Sag uns bitte, was wir tun müssen, um zum Amulett der Zweifel zu gelangen!“

Ihre blauen Augen fixieren nun mich: „Was für ein Anblick! Deine Ausstrahlung ist bemerkenswert. Du trägst einerseits Licht und andererseits Schatten in dir, nicht wahr?“ Ich wende mich beschämt ab. „Das ist äußerst interessant. Solltet ihr das Zeug dazu haben weiterzukommen, wird Smaragd bestimmt sehr interessiert an dir sein.“ Was meint sie bloß damit?

Nun mischt sich Rachel ein: „Du hast uns immer noch nicht gesagt, was wir tun müssen, um weiterzukommen!“

Saphir ignoriert sie und lässt ihren Blick über uns wandern: „Wer von euch wird es sein? Die Auswahl fällt mir heute besonders schwer.“ Was murmelt sie da bloß vor sich hin? „Ich glaube, meine Wahl fällt auf dich!“ Ihr Blick ist nun auf Logan gerichtet.

Dieser macht einen Schritt zurück: „Was meinst du? Welche Wahl?“

Saphir beginnt zu lachen: „Ja, du bist genau der Richtige! Groß, stark und wie es scheint das neueste Mitglied des Rudels, habe ich recht?“ Wie hat sie das bloß wissen können? „Du bist mein Opfer!“

Nun mischt sich Jake wieder ein: „Tut mir leid, dass ich dir da widersprechen muss, aber heute wird keiner von uns zu irgendeinem Opfer! Wenn du dir einen von uns vorknöpfen willst, bekommst du es mit uns allen zu tun!“

Wieder lacht sie los: „Du klingst so überzeugt und doch hast du so große Zweifel in dir! Glaubst du wirklich, dass ich nicht merke, wie wenig du an euch glaubst?“ Jake blickt unsicher zu Boden. „Dein Verhalten mag zwar nichts verraten, aber deine Augen zeigen, was du wirklich fühlst. Ich weiß zwar nicht, was es ist, aber irgendetwas lässt dich an dir und deinem Rudel zweifeln.“ Sie schaut flüchtig zu mir. „Und ich habe schon so eine Vermutung.“

Gerade will ich etwas sagen, als mir Chris zuvorkommt: „Was für ein Schwachsinn! Wir halten zusammen, egal was passiert! Heute fällt dir keiner zum Opfer!“

Dasselbe zynische Grinsen von zuvor kommt wieder zum Vorschein: „Ich hätte euch vielleicht sagen sollen, dass sich derjenige, der von mir als Opfer ausgewählt wurde, glücklich schätzen kann. Er wird der Einzige sein, der den morgigen Tag erlebt.“ Plötzlich kratzt sie mit ihren Klauen über den Kristallboden, was einen schrillen und schmerzhaften Ton erzeugt.

Fast zeitgleich zucken wir alle zusammen und pressen unsere Hände an die Ohren, aber das alles nützt nichts. Verdammt, tut das weh! Ich habe das Gefühl, als würden meine Ohren bluten!

Endlich hebt sie ihre Pfote wieder und der grauenhafte Ton verhallt. Jake sieht sie herausfordernd an: „Soll das etwa schon alles gewesen sein?“

Sie grinst verräterisch: „Wartet es nur ab.“ Ihr Blick fällt erneut auf Logan, der plötzlich stocksteif dasteht. Die Leere in seinen Augen macht mir Angst.

Jakes Selbstvertrauen ist wie weggeblasen: „Logan? Alles in Ordnung, mein Freund?“ Er richtet seinen Blick auf Jake, aber irgendetwas stimmt da nicht. Logan sieht anders aus.

„Glaub mir...“ Was ist mit seiner Stimme los? Er hat plötzlich einen bedrohlichen Unterton darin. „Es ist mehr als in Ordnung!“ Mit heftigem Gebrüll verwandelt er sich in einen Wolf. Seine Augen sind starr auf uns gerichtet, während wir instinktiv zurückweichen.

Rachel senkt die Stimme und wendet sich an Jake, Chris und mich: „Das gefällt mir gar nicht. Was hat er bloß?“

Plötzlich beginnt Saphir wieder zu lachen: „Das kann ich euch gerne sagen! Euer Freund steht nun unter meinem Kommando. Er hält mir die Treue und niemandem sonst!“

Verunsichert fragt Rachel nach: „Wie ist das möglich? Wieso hast du das getan?“

Saphir verdreht die Augen: „Einfältiges Mädchen! Warum wohl? Glaubst du allen Ernstes, dass ich mich dazu herablasse, persönlich gegen euch zu kämpfen?“

Chris reißt der Geduldsfaden: „Für wen hältst du dich eigentlich?“

Jake unterbricht ihn: „Wir sollten uns eher auf ihn konzentrieren.“ Er deutet auf Logan, der langsam auf uns zukommt.

Ich schüttle den Kopf: „Wir können doch nicht gegen ihn kämpfen! Das ist Logan! Auch wenn er im Moment nicht er selbst ist, er ist und bleibt unser Freund!“

Nachdenklich beißt sich Jake auf die Unterlippe: „Das ist mir schon klar, aber sieh ihn dir doch mal an! Er meint es mehr als ernst!“ Seine Augen strahlen pure Entschlossenheit und Bosheit aus. „Er wird sich nicht zurückhalten. Das sollten wir auch nicht tun.“

Aufgebracht interveniert Rachel: „Bist du wahnsinnig? Du willst ihn doch nicht etwa umbringen?“

Sofort kommt Jakes Antwort: „Natürlich nicht! Wir sollten ihn nur vorübergehend außer Gefecht setzen. Wenn wir Logan ausgeschaltet haben, können wir uns um Saphir kümmern. Ich bin mir sicher, dass er wieder normal wird, wenn wir sie erledigt haben.“ Ob ich Logan wirklich angreifen kann? Er ist schließlich ein Mitglied des Rudels.

Nun wird Chris ungeduldig: „Wir haben keine Zeit, um noch viel länger nachzudenken, Leute! In Deckung!“ Er wirft sich zur Seite, während Logan zum Angriff übergeht. Mit Mühe weiche ich seinen blitzartigen Bewegungen aus, als er sich auf mich stürzt. Nach dem misslungenen Angriff fixiert er sein nächstes Ziel.

Er geht nun geradewegs auf Rachel zu, die Chris verzweifelt an der Schulter hochziehen will. Er war schon zuvor verletzt. Nun kann er nicht mehr aufstehen.

„Komm schon, wir müssen weg von hier! Jetzt beweg dich doch endlich!“ Rachels Versuche, Chris zum Aufstehen zu bringen, zeigen keinerlei Wirkung. Er kommt nicht hoch.

Darauf nimmt Logan keine Rücksicht, im Gegenteil: „Ihr werdet sterben!“ Die Wut in seiner Stimme lässt mich zittern. Saphir hat Logan komplett umgekrempelt. Er ist nicht mehr er selbst, nicht mal mehr ein kleines Bisschen.

„Jetzt reicht's mir aber!“ Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Jake sich in Bewegung setzt. Mutig und ohne Rücksicht auf sich selbst springt er auf Logans Rücken, läuft ein paar Schritte auf diesem entlang und drückt sich dann gekonnt von dessen Kopf ab. So landet er direkt vor Logan, der nun noch wütender zu sein scheint.

Knurrend bleibt er stehen und sieht Jake hasserfüllt in die Augen: „Was soll das werden? Du musst lebensmüde sein!“

Daraufhin hat Jake ein selbstsicheres Grinsen im Gesicht: „Du hast wohl vergessen, dass du nicht der einzige Wolf hier bist!“ Nun spannt er all seine Muskeln an. Verwirrt blickt Jake an sich runter. Die Selbstsicherheit in seinem Gesicht ist verschwunden. „Was zum?“ Man kann deutlich die Anstrengung in seinem Gesicht sehen. Was tut er da bloß?

Rachel brüllt ihn an: „Jake? Ich bin mir zwar nicht sicher, was du da gerade machst, aber es ist nicht sonderlich hilfreich!“

„Das ist unmöglich!“ Jake dreht sich schockiert zu Chris und Rachel um. „Ich kann mich nicht verwandeln!“ Wie war das gerade?

Ich reagiere sofort, laufe an Logan vorbei und stoße zu den anderen: „Planänderung! Auf mit dir, mein Freund!“ Schnell greife ich mir Christophers linken Arm und nicke Rachel zu. Gemeinsam schaffen wir es, ihn mit einem Ruck hochzuziehen. Rachel stützt ihn sogleich.

„Ihr habt keine Chance gegen mich!“ Mit diesen Worten setzt Logan zu einem weiteren Angriff an, der diesmal Jake treffen soll. Ich packe Jake, der in Schockstarre vor Logan steht, und ziehe ihn zur Seite. Logans Angriff geht ins Leere.

Jetzt übernehme ich das Kommando: „Weg von hier, schnell!“ Rachel hilft Chris so gut es geht und versucht, ihn von Logan wegzubringen. Ich wende mich in der Zwischenzeit an Jake. „Jetzt beweg dich endlich!“ Plötzlich zuckt er zusammen. Endlich ist er wieder bei der Sache und wir beide laufen los. Als wir an Chris und Rachel vorbeilaufen, schnappt Jake Christophers Arm, legt ihn über seine Schulter, hält ihn gut fest und hat ihn somit sicher im Griff.

Er legt einen Zahn zu und versucht, Chris zu ermutigen: „Komm schon, mein Freund! Wir müssen dich erst mal hier wegbringen!“ So stützen Jake und Rachel Christopher und laufen mit ihm so schnell sie können tiefer in das Innere der blauen Kristallkuppel. Ich werfe hektische Blicke nach hinten, doch Logan folgt uns nicht. Er steht völlig regungslos da und starrt auf Saphir.

Das ist unsere Chance, um etwas Abstand zu gewinnen. Wir müssen Chris in Sicherheit bringen. Was war vorhin bloß mit Jake los? Instinktiv versuche ich etwas. Ich strenge mich an. Nichts, rein gar nichts. Meine Vermutung hat sich bestätigt. Ich kann mich tatsächlich nicht mehr in meine Wolfsgestalt verwandeln. Wie ist das nur möglich?

Ich werde von Rachel aus meinen Gedanken gerissen: „Wo zum Teufel sollen wir ihn denn hinbringen? Es gibt keinen sicheren Ort hier!“

„Hört auf damit! Ihr braucht euch um mich keine Sorgen zu machen! Ich komme schon klar!“ Christophers schmerzverzerrtes Gesicht lässt mich daran zweifeln.

Sofort schreit ihn Rachel an: „Sei ruhig! In deinem Zustand würde Logan mit dir den Boden aufwischen!“

 

Plötzlich deutet Jake auf ein Kristallgebilde: „Was ist damit? Wenn wir ihn da hochbringen können, kann ihn Logan nicht mehr so leicht erreichen!“ Das könnte tatsächlich funktionieren!

Ich stimme Jake also zu: „So machen wir es! Wenn wir zusammenhelfen, können wir ihn auf die Plattform hieven!“ Ohne irgendwelche Einwände nicken Chris und Rachel. Also laufen wir zu der Kristallplattform. Heftig schnaufend bleiben wir davor stehen. Uns bleibt keine Zeit mehr. Logan läuft wieder auf uns zu und bei dem Tempo ist er gleich da.

Jetzt muss ich handeln: „Jake, Rachel, ihr beiden versucht, Chris auf die Plattform zu bringen! Ich lenke in der Zwischenzeit Logan ab!“

Entsetzt schüttelt Rachel den Kopf: „Bist du verrückt? Du wirst noch...“

„Keine Widerrede!“ Ich schaue ihr entschlossen in die Augen. „Wir haben keine Zeit mehr!“ Rachels besorgter Blick spricht tausend Worte. Ich weiß, dass ihr der Gedanke nicht gefällt, aber das schaffe ich schon. Schweren Herzens stimmt sie mit einem Nicken meiner Entscheidung zu. Auch Jake scheint einverstanden zu sein. Er wirkt nicht wirklich besorgt. Ach was! Ich darf mich jetzt nicht ablenken lassen! Los jetzt!

Ohne länger darüber nachzudenken, laufe ich Logan entgegen. Er scheint bemerkt zu haben, dass ich es darauf anlege, mit ihm zu kämpfen und schluckt den Köder. Sein Blick ist nur noch auf mich gerichtet. Bereits ein paar Meter von mir entfernt drückt er sich vom Boden ab und springt in meine Richtung. Ich reagiere so schnell ich nur kann und rolle mich zur Seite. Logan setzt schon wieder zum Angriff an. Immer wieder schnappt er mit seinen messerscharfen Zähnen nach mir.

Ich weiche zurück Die Angriffe erfolgen im Sekundentakt und es fällt mir immer schwerer auszuweichen. Plötzlich holt Logan mit der rechten Vorderpfote aus, was ich leider zu spät bemerke. Seine Krallen reißen eine tiefe Wunde in meinen linken Oberarm und ich werde von der Wucht des Angriffes zur Seite geworfen.

Unsanft komme ich auf dem harten Kristallboden auf und ich unterdrücke einen Schrei. Mein ganzer Körper schmerzt. Langsam rappele ich mich auf. Ich bin völlig außer Atem. Blut tritt aus der Wunde und läuft meinen Arm hinab. Ich drücke mit der rechten Hand dagegen, um die Blutung zu stoppen. Mit wenig Erfolg.

Dann werfe ich einen kurzen Blick zu Jake und Rachel, die Chris hochhelfen. Das letzte Stück muss er nun aus eigener Kraft schaffen. Hoffentlich kann er sich trotz seiner Verletzungen hochziehen. Bis dahin müssen ihn die anderen auf jeden Fall noch halten. Das bedeutet dann wohl, dass sie mir noch nicht zur Hilfe kommen können.

Verdammt nochmal, so kann das nicht weitergehen! Ich bin völlig wehrlos gegen Logan, wenn ich mich nicht verwandeln kann! Also muss ich es wohl oder übel noch einmal versuchen. Wieder spanne ich all meine Muskeln an. Es muss einfach funktionieren! Nichts. Ich bin am Verzweifeln.

Plötzlich hallt Saphirs höhnisches Lachen durch die Kuppel: „Das ist zwecklos, Mädchen! Versuch es gar nicht erst!“

Die Verzweiflung in mir schlägt in Wut um: „Warum kann ich mich nicht verwandeln? Steckst du dahinter? Was hast du mit mir gemacht?“

„Ihr seid hier in meinem Territorium. Du kannst dich bestimmt noch an die Begegnung mit Rubin erinnern, nicht wahr? Auch er konnte sein Herrschaftsgebiet perfekt kontrollieren. Jeder noch so kleine Kristall unterlag seinem Befehl und so ist es auch hier.“ Verwirrt blicke ich in ihr grinsendes Gesicht. „Natürlich haben Rubin und ich nicht die gleichen Fähigkeiten. Jeder von uns ist auf seine Weise besonders. Wir wurden geschaffen, um jeden, der hierherkommt, daran zu hindern, das Amulett der Zweifel zu erreichen.“ Langsam begreife ich das alles. „Ich kann zwar keine Kristalle bewegen und sie direkt als Waffen verwenden, aber ich bin ein Naturtalent, wenn es darum geht, die mentale Schwäche des Gegners auszunutzen. In dieser Umgebung hier kann ich euren Verstand beliebig kontrollieren.“ Sie deutet auf Logan. „So ist es mir gelungen, eurem Freund alle Erinnerungen an euch zu nehmen. Er hört nur noch auf mich.“

Betroffen schüttle ich den Kopf: „Und so ist es dir auch möglich, uns von der Verwandlung in einen Wolf abzuhalten. Du kontrollierst unseren Verstand.“

Stolz blickt sie auf mich herab: „Du hast es erfasst. Ich habe euch völlig in der Hand, meine kleinen Freunde. Ihr seid machtlos gegen mich.“

„Wir werden nicht aufgeben!“ Ich zucke zusammen, als Jake plötzlich neben mir steht und Saphir verachtend ansieht. Auch Rachel ist bei ihm. Christopher ist sicher auf dem Kristallgebilde angelangt und liegt heftig schnaufend auf der Plattform. Zumindest ein Problem weniger.

Trotz allem scheint sich Saphir ihrer Sache sicher zu sein: „Ihr seid so naiv! Egal, was ihr macht, ihr könnt nicht gewinnen!“

Ich wende mich an Jake und Rachel: „Wenn uns nicht bald etwas einfällt, sehe ich schwarz. Wir müssen Logan wieder auf unsere Seite holen. Kommt schon, lasst euch was einfallen!“

Rachel sieht mich verunsichert an: „Ich hätte da vielleicht eine Idee, aber die Sache könnte auch nach hinten losgehen.“

„Raus mit der Sprache!“ Jake deutet auf Logan, der wieder auf das Kommando von Saphir wartet. Diese stimmt seinem fragenden Blick mit einem Nicken zu. Zu spät. Nun ist nicht mehr die Zeit, um Pläne zu schmieden. „Weg hier!“ Jetzt ist Zusammenarbeit gefragt. Unsere beste Waffe ist im Moment unsere Überzahl. Diesen nutzen wir auch sogleich. Während Logan gerade wieder einen Schritt nach vorne machen will, teilen wir uns auf. Jeder läuft in eine andere Richtung. Er ist sichtlich überfordert.

Verwirrt blickt er zu Saphir hoch, welche ihn wütend anschreit: „Nimm dir zuerst die Blondine vor!“ Blitzschnell richtet er seinen Blick auf Rachel. Er hat sein neues Ziel im Visier.

„Jetzt bist du dran!“ Mit weit aufgerissenem Maul springt er ihr entgegen. Ich reagiere jedoch mindestens genauso schnell und werfe mich gegen Rachel. Gemeinsam fallen wir zu Boden und Logan springt über uns hinweg. Das war knapp.

Augenblicklich wende ich mich an Rachel, die auf mir liegt: „Schnell, steh auf! Wir müssen wieder auf die Beine kommen!“ Sie ist noch etwas benommen. Ich schiebe Rachel von mir runter. Sie hält sich den Kopf, ist aber nicht schwer verletzt. Meine Erleichterung ist leider nur von kurzer Dauer, denn plötzlich höre ich ein tiefes und bedrohliches Schnaufen an meinem rechten Ohr. Logan steht direkt neben mir.

Sofort will ich aufspringen, aber er drückt mich mit der Pfote auf den Boden: „Du wirst doch jetzt nicht schon gehen wollen, oder? Bleib doch noch ein bisschen.“ Sein selbstgefälliges Grinsen gefällt mir gar nicht. Ich sehe ihm abwertend in die Augen. Im Moment kann ich darin leider nichts mehr von unserem alten Freund sehen. „Es wird Zeit, die Sache ein für alle Mal zu beenden.“ Plötzlich trifft ihn etwas am Kopf und er zuckt zusammen.

„Sehe ich genauso!“ Jake hält einen faustgroßen Kristall in der Hand. Mit herausforderndem Grinsen im Gesicht blickt er Logan tief in die Augen. „Nur du und ich, mein Freund. Komm schon!“ Jake wirft ihm den Kristall an den Kopf, was Logan laut aufbrüllen lässt. Nun ist es aus mit seiner Geduld und er geht auf Jake zu.

Saphir schreit ihn an: „Was machst du denn da, du Dummkopf? Siehst du denn nicht, dass die beiden Mädchen völlig wehrlos sind? Erledige sie!“ Aber Logan reagiert nicht. Er hat nur noch Jake im Visier. Dieser wartet mutig auf seinen überlegenen Gegner.

Schnell stehe ich auf und will zu Jake laufen, als mich Rachel zurückhält: „Lass es, Jessica. Das würde nichts bringen.“

Ich bin schockiert: „Was soll das denn? Wir können ihn nicht allein gegen Logan kämpfen lassen! Jake hätte keine Chance!“