Assessorexamen im Öffentlichen Recht

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e) Die Frage nach dem richtigen Klagegegner richtet sich bei der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 78 Abs. 1 VwGO. Strittig ist in diesem Zusammenhang, ob die Vorschrift unmittelbar oder entsprechend anzuwenden ist. Der Meinungsstreit hängt mit der dogmatischen Frage zusammen, ob die Fortsetzungsfeststellungsklage eine selbstständige Klageart ist, wofür ihre gesonderte Regelung in § 113 Abs. 1 S. 4 VwGO spricht, oder ob die Fortsetzungsfeststellungsklage ein Unterfall der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist. Soweit die Fortsetzungsfeststellungsklage als selbstständige Klageart angesehen wird, findet § 78 Abs. 1 VwGO analoge Anwendung. Dagegen ist die Vorschrift unmittelbar anzuwenden, wenn die Fortsetzungsfeststellungsklage als Unterfall der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verstanden wird.[86] In einer Klausurlösung muss der Meinungsstreit nicht entschieden werden, weil die Auffassungen stets entweder über die unmittelbare oder die entsprechende Anwendung des § 78 Abs. 1 VwGO zu demselben Ergebnis kommen.

Formulierungsbeispiel:

Es kann dahinstehen, ob bei der Fortsetzungsfeststellungsklage die Frage nach dem richtigen Klagegegner nach § 78 Abs. 1 VwGO in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung zu beantworten ist. Der Beklagte ist sowohl in unmittelbarer als auch in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO richtiger Klagegegner, weil er Rechtsträger der Behörde ist, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat.

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f) Für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage gilt damit folgendes Aufbauschema[87]:

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1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
2. Statthaftigkeit a) Übergang von der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage auf die Fortsetzungsfeststellungsklage b) Erledigung des Verwaltungsaktes c) Erledigung vor oder nach Klageerhebung
3. Keine Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO
4. Fortsetzungsfeststellungsinteresse a) Wiederholungsgefahr b) Rehabilitationsinteresse c) Schadensersatzinteresse
5. Zulässigkeit der (ursprünglichen) Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Zeitpunkt der Erledigung
6. Richtiger Klagegegner (§ 78 Abs. 1 VwGO in unmittelbarer oder analoger Anwendung)

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Der Prüfungspunkt „Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges“ ist nur dann in den Entscheidungsgründen eines Urteils zu erörtern, wenn der Prüfungspunkt problematisch ist oder ein Beteiligter den Prüfungspunkt angesprochen hat. Denn auch für die Fortsetzungsfeststellungsklage gilt wie bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage der Grundsatz, dass in den Entscheidungsgründen nur die für die Lösung des Falles wesentlichen Aspekte zu erörtern sind.

3. Die allgemeine Feststellungsklage

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Die allgemeine Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO zielt auf die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines konkreten Rechtsverhältnisses oder auf die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes. Sie gewinnt in der Praxis an Bedeutung, weil der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO) zunehmend geringeres Gewicht beigemessen wird.[88]

290

a) Die allgemeine Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO ist statthafte Klageart, wenn der Kläger die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt. Unter Rechtsverhältnis werden die sich aus einem konkreten Sachverhalt aufgrund einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnorm ergebenden rechtlichen Beziehungen einer Person zu einer anderen Person oder einer Sache verstanden. Abstrakte Rechtsfragen, etwa die Gültigkeit einer Norm an sich, begründen kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis i.S.d. § 43 Abs. 2 VwGO. Feststellungsfähig ist nicht nur das Rechtsverhältnis in seiner Gesamtheit, sondern auch einzelne sich aus dem Rechtsverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten. Nicht feststellungsfähig sind dagegen unselbstständige Teile oder Vorfragen eines Rechtsverhältnisses. Mit der allgemeinen Feststellungsklage können nicht nur gegenwärtige, sondern auch in der Vergangenheit liegende oder künftige Rechtsverhältnisse geklärt werden. Die Parteien müssen an dem Rechtsverhältnis nicht unmittelbar beteiligt sein; es genügt eine sich aus dem Rechtsverhältnis ergebende Rechtsbetroffenheit.[89]

291

b) Nach § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Der darin enthaltene Grundsatz der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage bezweckt zu verhindern, dass die Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Anfechtungs-, Verpflichtungs-, Fortsetzungsfeststellungs- oder allgemeinen Leistungsklage unterlaufen werden. Angesichts dieses Zwecks des Subsidiaritätsgrundsatzes lässt die Rechtsprechung zunehmend eine allgemeine Feststellungsklage auch dann als statthafte Klage zu, wenn der Kläger eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage oder auch vorbeugende Unterlassungsklage erheben könnte, aber gewährleistet ist, dass mit der allgemeinen Feststellungsklage nicht die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, also etwa die Klagefrist (§ 74 Abs. 1 VwGO) und das Vorverfahren (§ 68 VwGO), umgangen werden.[90] Eine solche Umgehung kommt bei feststellenden Verwaltungsakten in Betracht. Nach Ablauf der Widerspruchs- oder Klagefrist wird der feststellende Verwaltungsakt bestandskräftig. Diese Bestandskraft würde unterlaufen, wenn dem Kläger auch nach Ablauf der Widerspruchs- oder Klagefrist die Möglichkeit eröffnet wäre, die Rechtswidrigkeit der durch Verwaltungsakt getroffenen Feststellung im Wege der allgemeinen Feststellungsklage klären zu lassen. Bei feststellenden Verwaltungsakten greift deshalb der Grundsatz der Subsidiarität der allgemeinen Feststellungsklage in vollem Umfang.[91]

292

c) Das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Feststellungsinteresse schließt jedes als schutzwürdig anzuerkennendes Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Art ein, ist also weit gefasst. Ein besonderes Feststellungsinteresse ist insbesondere dann gegeben, wenn die Rechtslage unklar ist, weil die Behörde eine andere Auffassung als der Kläger vertritt und der Kläger sein künftiges Verhalten an der erstrebten gerichtlichen Klärung orientieren möchte, um etwa ein drohendes Ordnungswidrigkeitenverfahren zu vermeiden.[92]

293

Qualifiziertere Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Feststellungsinteresses bestehen dann, wenn der Kläger um vorbeugenden Rechtsschutz nachsucht. In diesen Fällen ist ein berechtigtes Feststellungsinteresse nur dann gegeben, wenn die anderen nach der Verwaltungsgerichtsordnung vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten einschließlich des vorläufigen Rechtsschutzes dem Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht hinreichend gerecht werden. Das setzt voraus, dass für den Kläger das Abwarten der befürchteten hoheitlichen Maßnahme mit Nachteilen verbunden wäre, die ihm auch unter Berücksichtigung der Möglichkeiten des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80 Abs. 5, 123 VwGO) nicht zuzumuten sind. Letzteres kommt in Betracht, wenn die Folgen des hoheitlichen Handelns mit einer späteren Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage oder einer allgemeinen Leistungsklage nicht mehr behoben werden können und damit ein nicht wiedergutzumachender Schaden droht.[93]

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d) Strittig ist, ob die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage auch das Vorliegen einer Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO voraussetzt. Die Rechtslehre verneint teilweise das Erfordernis einer Klagebefugnis mit der Begründung, der Gesetzgeber habe bewusst die allgemeine Feststellungsklage als „Interessentenklage“ ausgestaltet, sodass aufgrund einer fehlenden Gesetzeslücke für eine analoge Anwendung des auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen zugeschnittenen § 42 Abs. 2 VwGO kein Raum sei.[94] Die Rechtsprechung verlangt dagegen für die Zulässigkeit der Feststellungsklage auch das Vorliegen einer Klagebefugnis in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO. Hintergrund für diese Rechtsprechung ist das Bestreben, auch bei der allgemeinen Feststellungsklage eine Popularklage auszuschließen.[95] In einer Klausurlösung muss auf diesen Meinungsstreit eingegangen werden, wenn er entscheidungserheblich ist. Die Entscheidungserheblichkeit ist aber nur dann gegeben, wenn der Kläger nicht im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts klagebefugt ist, weil er etwa nicht selbst Beteiligter des festzustellenden Rechtsverhältnisses ist. Ein solcher Fall wird nur ausnahmsweise einer Klausur zugrunde liegen. Ist der Kläger entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, ist der Meinungsstreit anzusprechen, aber nicht zu entscheiden.

 

Formulierungsbeispiel:

Es kann dahinstehen, ob die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage neben dem berechtigten Feststellungsinteresse im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO auch eine Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO voraussetzt. Der insoweit bestehende Meinungsstreit wirkt sich im vorliegenden Fall nicht aus. Der Kläger hat nicht nur ein berechtigtes Interesse an der von ihm begehrten Feststellung. Er ist darüber hinaus klagebefugt entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO, weil er unmittelbarer Beteiligter des strittigen Rechtsverhältnisses ist. …

295

e) Die Frage nach dem richtigen Klagegegner ist bei der allgemeinen Feststellungsklage kein selbstständiger Prüfungspunkt bei der Zulässigkeitsprüfung. Denn die Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage setzt ein streitiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Beklagten voraus. Damit wird bereits im Rahmen der Statthaftigkeit der allgemeinen Feststellungsklage auch geklärt, ob die Klage gegen den richtigen Beklagten gerichtet ist.[96]

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f) Für die Zulässigkeit der allgemeinen Feststellungsklage ergibt sich danach folgendes Aufbauschema:

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1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
2. Statthaftigkeit a) Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes b) Subsidiarität der Feststellungsklage (§ 43 Abs. 2 VwGO)
3. Berechtigtes Feststellungsinteresse im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO
4. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)
5. Rechtsschutzinteresse

Die Prüfungspunkte „Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges“ und „Rechtsschutzbedürfnis“ sind nur dann in den Entscheidungsgründen eines Urteils zu erörtern, wenn der Prüfungspunkt problematisch ist oder ein Beteiligter den Prüfungspunkt angesprochen hat. Denn auch für die allgemeine Feststellungsklage gilt wie bei der Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Fortsetzungsfeststellungsklage der Grundsatz, dass in den Entscheidungsgründen nur die für die Lösung des Falles wesentlichen Aspekte zu erörtern sind.

4. Die allgemeine Leistungsklage

298

Die allgemeine Leistungsklage ist in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich geregelt. Sie lässt sich aber aus §§ 43 Abs. 2 S. 1, 111 S. 1, 113 Abs. 4, 169 Abs. 2 und 191 Abs. 1 VwGO ableiten und ist allgemein anerkannt.[97] In der Klausurbearbeitung genügt ein Hinweis darauf, dass die allgemeine Leistungsklage anerkannt ist. Einer umfassenden dogmatischen Herleitung dieses Ergebnisses bedarf es nicht.

299

Die allgemeine Leistungsklage ist statthaft, wenn sie auf Vornahme, Abwehr oder Unterlassen schlichten Verwaltungshandelns gerichtet ist. Erstrebt der Kläger ein bestimmtes schlichtes Verwaltungshandeln, wird die allgemeine Leistungsklage auch als Leistungsvornahmeklage bezeichnet. Soweit die Klage auf Unterlassen schlichten Verwaltungshandelns gerichtet ist, wird sie als Unterlassungsklage bezeichnet.[98] Die Leistungsvornahme- und Unterlassungsklage sind keine selbstständigen Klagearten, sondern lediglich Unterfälle der allgemeinen Leistungsklage.

300

a) Schlichtes Verwaltungshandeln liegt vor, wenn das hoheitliche Handeln nicht die Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 VwVfG erfüllt. Dazu gehören die auf einen tatsächlichen Erfolg gerichteten Realakte der Verwaltung, aber auch verwaltungsrechtliche Willenserklärungen, die keine Regelung im Sinne des § 35 S. 1 VwVfG enthalten. Die Bandbreite des schlichten Verwaltungshandelns ist vielgestaltig und lässt sich nicht im Einzelnen erfassen.[99] Klausurrelevant sind behördliche Auskünfte, Umweltinformationen oder Warnungen vor Gesundheitsschäden, ehrverletzende Äußerungen eines Beamten gegenüber einem Bürger, die Umsetzung oder Änderung des Aufgabenbereichs eines Beamten sowie die Umsetzung eines Schülers in die Parallelklasse aus organisatorischen Gründen. Bedeutsam sind darüber hinaus Klagen auf Beseitigung der (fortdauernden) Folgen eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns, also etwa der Folgen des Vollzugs eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes oder auch der Folgen rechtswidrigen schlichten Verwaltungshandelns. Statthaft ist die allgemeine Leistungsklage in diesen Fällen allerdings nur dann, wenn die Folgenbeseitigung durch schlichtes Verwaltungshandeln erfolgen soll, also nicht den Erlass eines Verwaltungsaktes bedarf. Ist die Folgenbeseitigung nur durch Erlass eines Verwaltungsaktes möglich, kommt Rechtsschutz allein durch eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO in Betracht.

301

b) Stark klausurrrelevant sind außerdem Fälle, in denen auf Zahlung eines Geldbetrages geklagt wird. In diesen Fällen ist die Abgrenzung zwischen der Verpflichtungsklage und der allgemeinen Leistungsklage schwierig. Für die Abgrenzung ist der jeweilige Anknüpfungspunkt entscheidend. Danach kommt die Verpflichtungsklage als statthafte Klageart in Betracht, wenn darauf abgestellt wird, dass der Zahlung des Geldbetrages die behördliche Entscheidung darüber vorgelagert ist, ob das begehrte Handeln vorgenommen wird. Diese Entscheidung erfüllt zweifelsfrei sämtliche Merkmale des Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG. Das Anknüpfen an die der Auszahlung vorgelagerte Entscheidung über die Zahlung läuft aber im Ergebnis darauf hinaus, dass für die allgemeine Leistungsklage kein Anwendungsbereich verbleibt. Denn es sind kaum Fälle denkbar, in denen einem schlichten Verwaltungshandeln keine Entscheidung vorgelagert ist, die den Merkmalen eines Verwaltungsaktes gemäß § 35 S. 1 VwVfG zugeordnet werden kann. Entscheidend ist deshalb die Rechtsnatur der begehrten Maßnahme selbst.[100]

302

c) Ob die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage in entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO eine Klagebefugnis voraussetzt, ist strittig.[101] Für die herrschende Meinung, die eine Klagebefugnis fordert, spricht die Notwendigkeit, auch bei der allgemeinen Leistungsklage Popularklagen von vornherein als unzulässig auszuschließen. Begehrt der Kläger die Vornahme schlichten Verwaltungshandelns, ist die Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO gegeben, wenn die Möglichkeit eines Anspruchs auf Vornahme des schlichten Verwaltungshandelns besteht. Greift der Kläger ein ihn belastendes schlichtes Verwaltungshandeln an, ist er klagebefugt, wenn die Möglichkeit besteht, dass er in subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt ist. In Anlehnung an die Adressatentheorie ergibt sich in diesen Fällen die Klagebefugnis jedenfalls daraus, dass der Kläger durch das schlichte Verwaltungshandeln in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) verletzt sein kann.

303

d) Klagt der Kläger auf Vornahme schlichten Verwaltungshandelns, erfordert die Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage, dass er erfolglos vor Klageerhebung einen Antrag bei der Behörde gestellt hat. Die vorherige Antragstellung bei der Behörde ist nicht nur ein im Rahmen des Rechtsschutzinteresses zu berücksichtigenden Aspekt, sondern eine selbstständige Zulässigkeitsvoraussetzung der allgemeinen Leistungsklage.[102]

304

e) Die allgemeine Leistungsklage erfordert nicht die Einhaltung einer Frist. Insbesondere gilt die Klagefrist gemäß § 74 VwGO nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen. Im Einzelfall kommt aber eine Verwirkung in Betracht. Dieser Ausnahmefall setzt voraus, dass der Beklagte aufgrund des Verhaltens des Klägers darauf vertrauen durfte, dass dieser das von ihm in Anspruch genommene Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen wird (Vertrauensgrundlage), dass der Beklagte tatsächlich auf die Nichtausübung des Rechts vertraut (Vertrauenstatbestand) und dass der Beklagte sich aufgrund seines Vertrauens so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts des Klägers ein unzumutbarer Nachteil entstünde (Vertrauensbetätigung).[103] Maßgeblich für die Annahme der Verwirkung ist eine Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände.[104]

305

f) Bei der allgemeinen Leistungsklage richtet sich die Frage nach dem richtigen Klagegegner wie bei der allgemeinen Feststellungsklage nicht nach § 78 Abs. 1 VwGO, weil die Vorschrift nur für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen gilt. Der richtige Beklagte bestimmt sich vielmehr bei der allgemeinen Leistungsklage danach, welcher Rechtsträger nach dem materiellen Recht verpflichtet ist, den mit der allgemeinen Leistungsklage geltend gemachten Anspruch zu erfüllen.[105] Insoweit gilt bei der allgemeinen Leistungsklage regelmäßig das Rechtsträgerprinzip.

306

g) Allgemein anerkannt ist die Zulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage gegen drohendes schlichtes Verwaltungshandeln oder gegen den drohenden Erlass eines Verwaltungsaktes. Die vorbeugende Unterlassungsklage erfordert das Vorliegen eines qualifizierten Rechtsschutzbedürfnisses. Der Kläger muss besondere Gründe haben, das drohende schlichte Verwaltungshandeln oder den drohenden Erlass eines Verwaltungsaktes nicht abwarten zu können. Ein solches Abwarten ist dem Kläger zuzumuten, wenn er angemessenen und ausreichenden Rechtsschutz im vorläufigen Rechtsschutzverfahren (§§ 80 Abs. 5, 123 VwGO) oder im Klageverfahren gegen das schlichte Verwaltungshandeln oder den Verwaltungsakt erhalten kann.[106]

307

h) Für die Prüfung der Zulässigkeit der allgemeinen Leistungsklage ergibt sich folgendes Aufbauschema:

308


1. Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges
2. Statthaftigkeit
3. Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)
4. vorherige Antragstellung
5. Klagegegner
6. Rechtsschutzinteresse (insbesondere bei vorbeugender Unterlassungsklage)

Die Prüfungspunkte „Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges“, „Klagegegner“, „vorherige Antragstellung“ und „Rechtsschutzbedürfnis“ sind nur dann in den Entscheidungsgründen eines Urteils zu erörtern, wenn der Prüfungspunkt problematisch ist oder ein Beteiligter den Prüfungspunkt angesprochen hat.