Sozialrecht

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ERSTER TEIL
ALLGEMEINES ZUM SGB II UND SGB XII
1Allgemeine Grundlagen

Bevor wir uns inhaltlich mit den Leistungen nach dem SGB II (Grundsicherung für Arbeitsuchende) und dem SGB XII (Sozialhilfe) beschäftigen, erfolgt ein kurzer Überblick über die verfassungsrechtlichen – also die im Grundgesetz verankerten – Grundlagen des Sozialrechts, über das System der sozialen Sicherung in Deutschland sowie über Bedeutung und Aufbau des „Sozialgesetzbuchs“.

1.1VERFASSUNGSRECHTLICHE GRUNDLAGEN
1.1.1Das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 GG)

Nach Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ist die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und sozialer Bundesstaat, und nach Art. 28 Abs. 1 GG muss die demokratische Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des republikanischen, demokratischen und sozialen Rechtsstaates i. S. d. Grundgesetzes entsprechen. Was genau unter dem Sozialstaatsprinzip zu verstehen ist, ergibt sich nicht direkt aus dem GG, sondern wurde u. a. durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wie folgt konkretisiert: Der Staat hat die Pflicht, für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen.1

1.1.2Verfassungsrechtliche Garantie (Art. 79 GG)

In Art. 79 Abs. 3 GG ist geregelt, in welchen Fällen eine Änderung des GG unzulässig ist. Dies wäre u. a. dann der Fall, wenn die in den Art. 1 und 20 niedergelegten Grundsätze durch eine Änderung berührt würden. Das Sozialstaatsprinzip ist in Art. 20 GG niedergelegt und darf somit nicht abgeschafft werden; es gehört zum sog. unveränderbaren Kernbereich des GG.

1.1.3Aufgabe der Sozialgesetzbücher

In § 1 SGB I wird das Sozialstaatsprinzip ebenfalls konkretisiert. Nach Abs. 1 soll das Recht des Sozialgesetzbuchs dazu beitragen,

•ein menschenwürdiges Dasein zu sichern,

•gleiche Voraussetzungen für die freie Entfaltung der Persönlichkeit, insbesondere auch für junge Menschen, zu schaffen,

•die Familie zu schützen und zu fördern,

•den Erwerb des Lebensunterhalts durch eine frei gewählte Tätigkeit zu ermöglichen und

•besondere Belastungen des Lebens, auch durch Hilfe zur Selbsthilfe, abzuwenden oder auszugleichen.

Zur Sicherung eines menschenwürdigen Daseins gehört es auch, dass der Staat ein Existenzminimum sicherstellt, wenn jemand nicht über ausreichende Mittel verfügt, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Dies erfolgt u. a. durch die Gewährung von Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII.

1.2DAS SYSTEM DER SOZIALEN SICHERUNG

Das System der sozialen Sicherung in Deutschland ist dadurch gekennzeichnet, dass die Aufgabe, soziale Gerechtigkeit und soziale Sicherheit herzustellen, durch verschiedene Leistungsträger wahrgenommen wird. Weiterhin gibt es unterschiedliche Leistungsarten, die dazu dienen, diese Aufgabe zu erfüllen.

1.2.1Träger der sozialen Sicherung

Man unterscheidet die Träger der sozialen Sicherung nach öffentlichen und privaten Trägern.

Öffentliche Träger sind:

•Bund

•Länder

•Gemeinden und Gemeindeverbände (= Kreise)

•Sozialversicherungsträger, die ihre Aufgaben im Wege der Selbstverwaltung wahrnehmen, z. B. die Träger der Kranken- und Rentenversicherung und Berufsgenossenschaften

Die Zahl der privaten Träger in Deutschland ist sehr hoch, weshalb hier keine vollständige Aufzählung erfolgen kann. Zu den privaten Trägern gehören u. a.:

•Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände

•Kirchen und Religionsgemeinschaften

•Verbände der freien Wohlfahrtspflege, z. B. Caritas, AWO

•Hilfsorganisationen

Insbesondere die Kirchen, Religionsgemeinschaften und Verbände der freien Wohlfahrtspflege nehmen viele Aufgaben wahr, die sonst der Staat übernehmen müsste. So sind sie z. B. häufig Träger von Krankenhäusern, Kindergärten, Altenheimen, Jugendeinrichtungen usw.

1.2.2Leistungsarten im System der sozialen Sicherung

Unterscheiden kann man Leistungen der öffentlichen sozialen Sicherung, also „Sozialleistungen“, und private Möglichkeiten der sozialen Sicherung.

Die öffentliche soziale Sicherung baut nach dem sog. „klassischen System“ auf drei Säulen auf, und zwar der Sozialversicherung, der Versorgung und der Fürsorge. In dem nachfolgenden Schaubild sind die unterschiedlichen Voraussetzungen für die verschiedenen Leistungsarten sowie Beispiele für Leistungen dargestellt.

DIE DREI SÄULEN DER ÖFFENTLICHEN SOZIALEN SICHERUNG


Die Fürsorgeleistungen in Form der Sozialhilfe gibt es bereits seit 1962. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie bedarfsdeckend erbracht werden, d. h., es gibt grundsätzlich keine Pauschalleistungen, die für alle Bezieher gleich hoch sind, sondern es wird immer der individuelle Bedarf gedeckt. Bis zum 31.12.2004 fanden sich die entsprechenden Regelungen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG).

Im Rahmen der Arbeitslosenversicherung gab es bis 2004 neben den weiterhin bestehenden Leistungen in Form von Arbeitslosengeld die Leistungen der Arbeitslosenhilfe. Beide Leistungen waren abhängig von vorherigen Beitragszahlungen, und die Höhe der Leistungen richtete sich danach, in welcher Höhe vorher Beiträge gezahlt wurden. Außerdem war die Dauer der Leistungsgewährung zeitlich befristet. Die Arbeitslosenhilfe war geringer als das Arbeitslosengeld und reichte häufig nicht aus, um den Lebensunterhalt der Empfänger und ihrer Familien zu decken, sodass zusätzlich Sozialhilfeleistungen erbracht wurden.

Mit der Einführung der Sozialgesetzbücher II und XII zum 01.01.2005 wollte der Gesetzgeber erreichen, dass die o. g. Fälle, in denen zusätzlich zur Arbeitslosenhilfe noch Sozialhilfe gezahlt wird, nicht mehr vorkommen. Die Arbeitslosenhilfe wurde abgeschafft. Nun gibt es bedarfsdeckende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und dem SGB XII. Grob gesagt erhalten Personen, die erwerbsfähig sind oder mit erwerbsfähigen Personen zusammenleben, Leistungen nach dem SGB II und nicht erwerbsfähige Personen Leistungen nach dem SGB XII.

Die private soziale Sicherung umfasst z. B. die eigene Vorsorge durch Vermögensbildung und den Abschluss privater (Zusatz-)Versicherungen gegen Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Berufsunfähigkeit o. Ä., die Vorsorge durch Arbeitgeber in Form von betrieblicher Altersvorsorge sowie freiwillige Leistungen durch Verwandte, Freunde, Kirchen usw.

1.3BEDEUTUNG UND AUFBAU DES SOZIALGESETZBUCHS
1.3.1Zielsetzung und Entwicklung des SGB

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich zum Sozialstaatsprinzip bekannt und dies verfassungsrechtlich verankert und verfassungsrechtlich vor Änderungen geschützt. Eine konkrete Ausformulierung des Prinzips ist in der Verfassung nicht zu finden. Mit dem Verzicht, dieses Prinzip auszuformulieren und somit als starres Prinzip einzuführen, lässt man Spielraum und Gelegenheit, auf die gesellschaftliche Entwicklung reagieren zu können.

Die Gesetzgeber können dieses Prinzip konkret ausformulieren.

Für die Umsetzung des Sozialstaatsprinzips wurden viele soziale Gesetze geschaffen, die zur sozialen Absicherung dienen und den sozialen Ausgleich wahren sollen.

Mit der Schaffung eines Sozialgesetzbuchs soll die Vielzahl der Einzelgesetze vereinheitlicht werden und die Durchführung des Verwaltungsverfahrens gemeinsamen gesetzlichen Regelungen unterworfen werden. Seit den 70er-Jahren wird daran gearbeitet, die unterschiedlichen Sozialgesetzbücher in einem Sozialgesetzbuch zu vereinheitlichen. Der Bürger soll Rechtsansprüche einfacher erkennen und somit Vertrauen in den sozialen Rechtsstaat erlangen. Der ausführenden und der Recht sprechenden Gewalt soll die Zusammenführung der sozialrechtlichen Einzelgesetze in ein einheitliches Buch die Verwaltungsarbeit erleichtern, eine einheitliche Rechtsanwendung der verschiedenen Institutionen ermöglichen und die Rechtsprechung erleichtern. Durch einheitliche Verwaltung und einheitliche Rechtsprechung soll das Ziel der Rechtssicherheit erreicht werden.

1.3.2Überblick über die SGB I–XII

Das SGB unterteilt sich in mehrere Bücher. Die Vorschriften des SGB I (z. B. über das Sozialgeheimnis oder die Mitwirkung des Leistungsberechtigten) gelten für alle Sozialleistungsbereiche. Auch das SGB X: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz enthält Bestimmungen für alle Sozialleistungsbereiche (z. B. über die Akteneinsicht oder die Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung). Die übrigen besonderen Teile des SGB gelten dagegen jeweils nur für bestimme Sozialleistungsbereiche. Sie beinhalten vor allem die Vorschriften über Voraussetzungen, Art und Umfang der einzelnen Sozialleistungen.

Die unterschiedlichen Einzelgesetze, die der sozialen Sicherheit dienen sollten, führten nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer hohen Unsicherheit in der Bevölkerung. Die Zusammenführung zu einem Sozialgesetzbuch erfolgte seit 1976. 2005 wurden die bislang letzten Sozialgesetzbücher II und XII hinzugefügt.

Nachfolgend genannt sind die zwölf Bücher des Sozialgesetzbuchs mit ihrem Datum des Inkrafttretens:

 

Erstes Buch: Allgemeiner Teil (SGB I) 01.01.1976
Zweites Buch: Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) 01.01.2005
Drittes Buch: Arbeitsförderung (SGB III) 01.01.1998
Viertes Buch: Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) 01.07.1977
Fünftes Buch: Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) 01.01.1989
Sechstes Buch: Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) 01.01.1992
Siebtes Buch: Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) 01.01.1997
Achtes Buch: Kinder und Jugendhilfe (SGB VIII) 01.01.1991
Neuntes Buch: Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) 01.07.2001
Zehntes Buch: Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) 01.01.1981/01.07.1983
Elftes Buch: Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) 01.01.1995
Zwölftes Buch: Sozialhilfe (SGB XII) 01.01.2005

1.3.3Besondere Teile des SGB im Überblick

Mit der Einführung des Bundessozialhilfegesetzes und der Arbeitslosenhilfe, jetzt SGB II und SGB XII, wurden die vorerst letzten Gesetze in das Sozialgesetzbuch eingeführt. Es gibt jedoch noch mehrere Gesetze, die Bestandteil des Sozialgesetzbuchs sein sollen. Bis zu deren Einpflege in die Systematik des Sozialgesetzbuchs gelten diese durch die Übergangsvorschrift des § 68 SGB I als besondere Teile des SGB.

Zu diesen Gesetzen gehören u. a. das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG), das Bundeskindergeldgesetz (BKGG), das Wohngeldgesetz (WoGG), das Unterhaltsvorschussgesetz (UVG) sowie das Bundeselterngeldgesetz (BEEG).

Nach derzeitigem Stand wird das nächste Sozialgesetzbuch das Buch Nummer XIV. Dieses soll Regelungen im Bereich der Opferentschädigung enthalten. Da die soziale Entschädigung derzeit neu geregelt wird, ist dieses Sozialgesetzbuch noch nicht in Kraft getreten.

Ausgelassen wird bei der Nummerierung des Sozialgesetzbuchs die Nummer XIII. Da es sich beim SGB XIV um Regelungen zur Entschädigung von Opfern von Gewalttaten handeln wird, baten Opferverbände, die Zahl XIII auszulassen, da diese Zahl abergläubig mit Unglück in Verbindung gebracht werden kann.

1.3.4Anwendung des SGB I und SGB X im Bereich der sozialen Sicherung

In § 1 SGB I werden mit der Verdeutlichung der Aufgabe des Sozialgesetzbuchs bewusst nochmals die Verbindung und der Bezug zum Grundgesetz und zu den sozialen Grundrechten hergestellt. Das Sozialstaatsgebot wird deutlich mit Leben gefüllt und konkret umsetzbar gemacht.

§ 37 Satz 1 SGB I regelt die Anwendung der Vorschriften des SGB I und SGB X für alle Sozialleistungsbereiche des Sozialgesetzbuchs, sofern sich in den einzelnen Büchern keine konkreten Spezialvorschriften finden lassen.

Der Vorbehalt der spezialgesetzlichen Regelung gilt nicht für die §§ 1–17 und 31–36 SGB I (§ 37 Satz 2 SGB I).

Damit gelten diese Normen für alle Sozialgesetzbücher übergreifend, d. h., auch für die Grundsicherung für Arbeitsuchende und die Sozialhilfe gelten sie unmittelbar und uneingeschränkt:

§§ 11–17 SGB I – Allgemeines über Sozialleistungen und Sozialleistungsträger

§§ 31–36 SGB I – Allgemeine Grundsätze

Wie die sozialen Sicherungsleistungen zu erbringen sind, regelt § 11 SGB I.

Aus der Reihenfolge der Benennung dieser Leistungsarten kann eine Rangfolge abgeleitet werden. Gegenstand der sozialen Rechte sind demnach Dienst-, Sach- oder Geldleistungen. Unter Dienstleistung versteht man die Aufklärung der Bevölkerung über Rechte und Pflichten sowie den Anspruch auf Beratung und Auskunft durch die zuständigen Sozialleistungsträger. Daraus ergibt sich ein individueller Beratungsanspruch des Hilfesuchenden bzw. des Antragstellers. Konkrete materielle Hilfen sind dann als Sach- oder Dienstleistungen zu erbringen. Die Unterteilung der Leistungsarten ist ebenfalls in den Sozialgesetzbüchern II (§ 4 Abs. 1 SGB II) und XII (§ 10 Abs. 2 SGB XII) zu finden.

Ein allgemeiner Beratungsanspruch des Hilfesuchenden ist in § 14 SGB I verankert. Hierbei besteht insbesondere der Anspruch auf individuelle Beratung hinsichtlich der besonderen Situation der Rat suchenden Person. Dabei unterliegt der Ratsuchende Mitwirkungspflichten, die in den §§ 60–67 SGB I einheitlich für alle Sozialgesetzbücher verankert sind (siehe Kapitel 1.3.6).

Die Antragstellung auf eine konkrete Sozialleistung kann durch schriftliche oder mündliche Erklärung erfolgen. § 16 SGB I regelt die Zuständigkeit für die Antragsannahme und den Grundsatz, dass Anträge bei dem zuständigen Leistungsträger zu stellen sind.

Damit der Person, die ihren Antrag beim unzuständigen Leistungsträger stellt, kein Nachteil entsteht, werden die unzuständigen Leistungsträger zur unverzüglichen Weiterleitung als auch zur Annahme des Antrags verpflichtet gemäß § 16 Abs. 2 SGB I.

Die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) sind gemäß § 37 Abs. 1 SGB II antragsabhängig. Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) hingegen sind nicht von einem Antrag abhängig. Ausnahmen bilden dabei u. a. die Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel SGB XII sowie ergänzende Darlehen nach § 37 SGB XII.

§ 31 SGB I unterwirft das Recht der Sozialleistungen einem umfassenden Gesetzesvorbehalt. Jede Handlung der Sozialleistungsbehörden bedarf demnach einer gesetzlichen

Grundlage. Dies gilt für die Begrenzung von Rechten ebenso wie für die Gewährung von Sozialleistungen bzw. die Begründung von Rechtsansprüchen.

Die bei den Sozialleistungsträgern gemachten Angaben unterliegen dem Sozialdatenschutz gemäß § 35 SGB I i. V. m. den §§ 67 ff. SGB X. Die Einzelangaben über persönliche und sachliche Verhältnisse, die von einem Betroffenen von einem Sozialleistungsträger zur Wahrnehmung der Aufgaben nach dem Sozialgesetzbuch erhoben werden, unterliegen einem umfassenden Sozialgeheimnis. Dies schützt den Betroffenen vor Datenerhebung und -speicherung, aber auch im Umgang mit diesen im Verhältnis zu Dritten.

Gemäß der §§ 104 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs werden Personen erst mit der Vollendung des 18. Lebensjahres voll handlungsfähig. § 36 SGB I befähigt jedoch bereits ab Vollendung des 15. Lebensjahres zur Antragstellung auf Sozialleistungen sowie Verfolgung der Ansprüche und Entgegennahme von Sozialleistungen.

Der Sozialleistungsträger ist zur Unterrichtung der gesetzlichen Vertreter über die Antragstellung und die erbrachten Sozialleistungen verpflichtet. Werden von einem minderjährigen Antragsteller Anträge zurückgenommen, auf Sozialleistungen verzichtet oder Anträge auf Darlehen gestellt, bedarf es jedoch der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (§ 36 Abs. 2 SGB I).

Für das Verwaltungsverfahren gelten die Vorschriften des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit der Festlegung einheitlicher Verfahrensvorschriften werden diese einheitlich und übersichtlich geregelt. Das Zehnte Buch des Sozialgesetzbuchs wurde dabei in drei Kapitel gegliedert:


I. Kapitel Das Verwaltungsverfahren §§ 1–66 SGB X
II. Kapitel Der Schutz der Sozialdaten §§ 67–85a SGB X
III. Kapitel Die Zusammenarbeit der Leistungsträger §§ 86–119 SGB X

Um Einheitlichkeit im gesamten Verwaltungsverfahren zu erzielen, wurden viele Normen des Verwaltungsverfahrensgesetzes wörtlich übernommen. Abweichungen sind in den Bereichen zu finden, die aufgrund der Besonderheiten des Sozialrechts notwendig waren. So werden in den rechtlichen Normen des Zehnten Buchs u. a. Regelungen zur Zuständigkeit getroffen (§ 2 SGB X), Verfahrensgrundsätze benannt (§§ 8–25 SGB X), Regelungen zum Zustandekommen, der Begründung und den besonderen Anforderungen an einen Verwaltungsakt (§§ 31–34 SGB X) sowie Bestimmungen zur Aufhebung von Verwaltungsakten (§§ 44–49 SGB X) getroffen.

1.3.5Allgemeine Grundsätze des Leistungsrechts

Dem Vorbehalt spezieller Regelungen in den anderen Büchern unterliegen die §§ 38–59 SGB I, die im Leistungsrecht als Grundsatz anzuwenden sind, sofern es dazu keine vorrangige Regelung gibt.

Auf Sozialleistungen besteht gemäß § 38 SGB I ein Anspruch, soweit die Spezialnorm den Leistungsträger nicht ermächtigt, nach Ermessen zu handeln. Ein Rechtsanspruch auf eine Sozialleistung besteht demnach dann, wenn die Voraussetzungen nach der Spezialnorm erfüllt sind und in dieser Norm dem ausführenden Leistungsträger kein Ermessen eingeräumt wurde. Dem Bürger wird damit ein einklagbares Recht auf die Leistung gewährt. Die Verwaltung hingegen wird zur Leistung bei Vorliegen der Voraussetzungen verpflichtet.

Abzugrenzen ist der Rechtsanspruch aus § 38 SGB I zur Ermessensleistung nach § 39 SGB I.

Wird dem Leistungsträger in einer Rechtsnorm Ermessen eingeräumt, so besteht der Anspruch des Antragstellers in der ordnungsgemäßen und pflichtgemäßen Ermessensausübung durch den Leistungsträger (§ 39 Abs. 1 Satz 2 SGB I). Mit Ermessensregelungen werden der Verwaltung vom Gesetzgeber Gestaltungsspielräume eingeräumt. Das Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Norm und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen auszuüben.

Die Behörde muss ihre Entscheidung begründen und dabei erkennen lassen, dass sie Ermessen ausgeübt hat. Insbesondere gilt es zu begründen, wie sie zu dieser Ermessensentscheidung gekommen ist. Wird eine Entscheidung der Behörde gerichtlich überprüft, deren Grundlage eine Ermessensnorm war, konzentriert sich die Prüfung allein darauf, ob der Behörde bei der Ausübung des Ermessens Fehler unterlaufen sind, d. h., wurde Ermessen erkannt und ausgeübt und wurden dabei keine sachfremden Erwägungen einbezogen. Weiterhin wird geprüft, ob die Entscheidung im rechtlich eingeräumten Ermessensrahmen getroffen wurde.

Die Leistungen werden mit Entstehen fällig (§ 41 SGB I). Besteht Anspruch auf eine Geldleistung dem Grunde nach, aber zur Feststellung der Höhe ist noch längere Zeit erforderlich, kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, deren Höhe im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers steht (§ 42 SGB I).

Bis zum 31.07.2016 wurde die Vorschussregelung nach § 42 SGB I auch bei der Bewilligung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II angewendet, da es eine Spezialnorm dazu im SGB II nicht gab. Mit der Einführung des § 41a SGB II am 01.08.2016 im Rahmen des 9. Änderungsgesetzes wurde eine Spezialnorm geschaffen, nach der eine vorläufige Bewilligung (quasi als Vorschuss) erfolgen muss, sodass § 42 SGB I im SGB II keine Anwendung mehr findet.

 

Die Auszahlung von Geldleistungen soll kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut erfolgen (§ 47 SGB I).

Weiterhin regeln die §§ 51, 52 sowie 53 ff. SGB I die Aufrechnung, Verrechnung sowie die Übertragbarkeit und Pfändbarkeit von Leistungsansprüchen. Hierzu gibt es allerdings Spezialregelungen im SGB II und SGB XII.