Mediation

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UTB 3369

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Dipl.-Soz.Päd. Anja Köstler, München, ist Mediatorin und Ausbilderin im Bundesverband Mediation (BM).

Lektorat/Redaktion im Auftrag des Ernst Reinhardt Verlags: Ulrike Auras, München.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der

Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten

sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

UTB-ISBN 978-3-8252-3369-3 (Print), 978-3-8463-3369-3 (E-Book)

eISBN 978-3-8463-3369-3

© 2010 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede

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Inhaltsverzeichnis

Titel Impressum Einführung 1 - Was ist Mediation? 2 - Was macht einen Konflikt aus? 3 - Wie arbeitet ein Mediator? 4 - Wie läuft eine Mediation ab? 5 - Wo wird Mediation eingesetzt? 6 - Was bringt Mediation in (psycho-) sozialen Arbeitsfeldern? 7 - Quo vadis, Mediation? Anhang Sachregister

Einführung

Überall, wo Menschen zusammenleben und/oder zusammenarbeiten, kommt es zu Konflikten. Und wir alle haben Sätze im Ohr wie, „Bleib sachlich“, „Kommen Sie doch mal zur Sache“ usw. Doch die wenigsten Konflikte sind nur auf der Sachebene zu befrieden. Wären sie es, hätte sich kein längerer Konflikt entwickelt.

Mediation als Verfahren zur konsensualen Konfliktklärung zeichnet sich im (psycho-)sozialen Bereich dadurch aus, dass sie – über die Klärung von Sachfragen hinaus – die Beziehungsebene und das innere Geschehen bei den einzelnen Beteiligten in den Blick nimmt. Dies unterscheidet Mediation in diesen Anwendungsfeldern von der klassischen Wirtschaftsmediation, in der es häufig „nur“ um die Lösung eines bestimmten Problems geht. Im (psycho-) sozialen Zusammenhang bedeutet Mediation im Wesentlichen, dass die Konfliktpartner – seien es zwei Menschen oder mehrere Gruppierungen – mit sich selber und mit ihren Kontrahenten wieder ins Reine kommen und sich weiterhin im gleichen Umfeld bewegen können. Die Konfliktparteien können z.B. Partner sein, die nach der Trennung noch Eltern ihres Kindes bleiben und sich in dessen Lebenswelt immer wieder begegnen werden; Einrichtungen, die nach wie vor im gleichen Stadtteil mit den gleichen Anwohnern arbeiten werden oder Mitarbeiter in Krankenhäusern, Kindergärten, Beratungsstellen, Nachbarschaftszentren, deren Zusammenarbeit im Team fortdauern wird und nicht durch schlechte Konfliktregelungen belastet sein sollte.

In diesen (psycho-) sozialen Bereichen kann man – anders als in rein geschäftlichen Beziehungen – den Kontakt zueinander selten völlig beenden, ohne dadurch weiteren Schaden in Kauf zu nehmen. Solch ein Schaden wäre z.B. nach einer Ehescheidung, wenn ein Mann künftig nicht mehr gleichzeitig mit der Ex-Frau auf die Feste von gemeinsamen Freunden gehen kann oder wenn ein Erzieher beim Schichtwechsel in einer Jugendwohneinrichtung wiederkehrend mit von Kollegen produzierten schwierigen Situationen konfrontiert ist.

Gelingt es nicht, trotz und nach Streitigkeiten gut miteinander umzugehen, vergiftet dies oft das gesamte bisherige Lebensumfeld – etwa Wohnung, Freunde, Nachbarschaft oder Arbeitsstelle. Und wenn dieser soziale Nahraum gefährdet ist, erleben Menschen dies oft als existenzielle Bedrohung. Viele schlagen dann schnell harte Töne an, um nur ja 8als Sieger aus dem Konflikt hervorzugehen. – Sie treiben damit aber die Eskalation des Konfliktes genau in die befürchtete Richtung voran. Diese Dynamik beschäftigt auch alle, die im (psycho-) sozialen Bereich Dienst- oder Hilfeleistungen für Menschen in besonderen Lebenssituationen erbringen. Dazu drei Beispiele:

Beispiel 1: Die bisher allein lebende 75-jährige Mutter wird pflegebedürftig. Die Krankenhaus-Sozialarbeiterin erlebt drei erwachsene Kinder, für deren Leben – teils mit Partnern, teils mit Familien – die eigene Welt aus den Fugen gerät bei der Vorstellung, die Mutter bei sich zu Hause aufzunehmen. Die Vorstellung, die Pflegekosten zu dritt zu übernehmen, ist für zwei der drei ebenso ein Horrorszenario. Forderungen und Anklagen kommen auf den Tisch: „Mutter hat dir sowieso immer Geld zugesteckt …“ „Du hast doch eh nur eine halbe Stelle und dir sowieso mal überlegt, ob du nicht wegen den Kleinen ganz zu Hause bleibst, aber ich müsste meine ganze Karriere aufs Spiel setzen …“ „Ja, so war es schon immer: Wenn es euch unangenehm wird, wälzt ihr so was auf mich ab! …“

Beispiel 2: Im ehrenamtlichen Vorstand des örtlichen Sportvereins hat der langjährige Vorsitzende aus persönlichen Gründen (zeitliche Entlastung) nicht mehr kandidiert. Er steht dem Verein seit einem halben Jahr stattdessen als Schatzmeister zur Verfügung. Seine Nachfolgerin und der konstant gebliebene Stellvertreter haben die Prioritätensetzung und den Arbeitsstil völlig verändert. Nach Ansicht des Vorgängers stehen nun die Rücklagen des Vereins auf dem Spiel. Die letzten beiden Vereinssitzungen sind total eskaliert, und die heftigen Vorwürfe – „Ihr ruiniert den Verein, nur um Eurer persönlichen Vorlieben willen!“ „Du warst schon immer unfähig, zusammenzuarbeiten. Die finanziellen Probleme, die wir jetzt haben, hast letztlich du durch deine unglaubliche Schlamperei verursacht!“ – sind bereits in den innerörtlichen Tratsch gesickert.

Beispiel 3: In die Familienberatungsstelle kommt ein Paar, das immer häufiger über Trennung nachdenkt. Die zwei Kinder werden von beiden Seiten mit unterschiedlichen Erwartungen konfrontiert und erzogen, sodass nicht nur die Beziehungskonflikte untereinander groß sind, sondern auch der Kontakt zu den Kindern stark problembelastet ist. Der Alltag miteinander sei manchmal kaum auszuhalten. Die Frau hat große Sorge, dass ihr Mann bei einer Trennung die Kinder gegen sie aufhetzt, 9der Mann fürchtet, dass seine Frau die Kinder – wenn sie das Sorgerecht hätte –, völlig „verziehen“ würde.

In solchen Fällen kann Mediation zu einer guten und sinnvollen Lösung der Probleme beitragen.

Merksatz

Mediation ist ein Verfahren, das die Eskalationsspirale bei Konflikten unterbrechen und stoppen kann; sie geht mit den Beeinträchtigungen und Verletzungen, den starken Gefühlen und den dahinter stehenden Bedürfnissen aller Beteiligten auf wertschätzende Art um und schafft einen sicheren Rahmen, in dem gegenseitiges Verstehen möglich wird; erst dadurch wird der Blick frei auf die Gestaltung einer für alle Seiten langfristig wirklich guten Zukunft.

Wo steht Mediation heute in Deutschland?

Die Vorstellung, dass bei Konflikten, um sie zu lösen, nicht einer der Beteiligten niedergerungen werden muss, ist noch nicht in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Es ist nach wie vor kaum denkbar, dass man Konflikte tatsächlich klären kann, ohne in Verteidigungsposition zu gehen, ohne den anderen anzugreifen, indem man Vorwürfe macht und Forderungen stellt. Unsere Sprache ist voller Begriffe, die dies widerspiegeln: Wir leben in einem Wirtschaftskampf, Kampf um Ressourcen, ständigen Verdrängungswettbewerb, einem Krieg der Kulturen und Religionen. Und beruflich werden Durchsetzung, Kampfgeist, Individualität etc. hoch geschätzt.

 

Dennoch: Auch in manchen Großkonzernen, denen man sicher nicht nachsagen kann, dass sie ihre Prioritäten im Zwischenmenschlich-Sozialen setzen, ist mittlerweile das Ende der Fahnenstange beim Einsparen von Produktionsmitteln und Arbeitskraft in Sicht, sodass eine Umorientierung einsetzt. Kostenminimierung durch gut gelöste und durch weniger Konflikte ist attraktiv geworden. Führungskräfte und Entscheidungsträger in Unternehmen erkennen höhere Mitarbeiterzufriedenheit und gesteigerte Effektivität in der Kommunikation inzwischen als für den Unternehmenserfolg bedeutende Faktoren an.

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Mediation in Rechtsprechung und Gesetzgebung

Rechtsprechung und Gesetzgebung in Deutschland entwickeln zunehmend Offenheit für Mediation und fördern dieses Verfahren entsprechend. Im Bereich Trennung und Scheidung z. B. verstehen sich Familienrichter schon lange als Förderer eines fairen Ausgleichs.

In der sogenannten „Münchner Erklärung“ haben sich 2008 weit über 100 Familienanwälte verpflichtet, in Familien- und Sorgerechtsverfahren vorrangig mit Mediation zu arbeiten.

In dem ab 01.09.2009 geltenden „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“ ist neu geregelt, dass das Familiengericht ein Informationsgespräch zu Mediation und anderen außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren für die Ehepartner anordnen kann. Dies spiegelt wider, dass der Gesetzgeber den Mehrwert einer konsensualen Streitbeilegung erkannt hat und fördern möchte, wenngleich die Anordnung zur Information über Mediation auch die Gefahr birgt, dass der freiwillige Charakter von Mediation einen merkwürdigen Beigeschmack von Pflicht bekommt.

Darüber hinaus sind in den letzten Jahren an verschiedenen Orten Deutschlands Richter als gerichtsinterne Mediatoren ausgebildet worden, z. B. in der Sozialgerichtsbarkeit in München, in Mecklenburg-Vorpommern, in Schleswig-Holstein. In Bayern heißen diese Richter Güterichter.

Die drei großen Bundesverbände für Mediation in Deutschland (Bundesverband Mediation e. V., Bundes-Arbeitsgemeinschaft für Familien-Mediation e.V. und Bundesverband Mediation in Wirtschaft und Arbeitswelt e.V.) und eine Expertenrunde streben in stetigen Gesprächen mit dem Bundesjustizministerium die Verankerung und Qualitätssicherung von Mediation in Deutschland an. Den großen gesetzlich abgesicherten Rahmen setzt dabei die Europäische Mediationsrichtlinie. Sie schafft zwar einerseits „nur“ die Voraussetzungen für die Anerkennung von Mediationsergebnissen bei grenzübergreifenden Konflikten, z. B. bei Familienstreitigkeiten oder in Wirtschaftsangelegenheiten. Andererseits nimmt sie ihre Mitgliedsstaaten in Artikel 4 der Richtlinie in die Pflicht, Voraussetzungen zu schaffen, die staatenübergreifend das nötige Vertrauen in die Mediation und in die Qualität ihrer Durchführung ermöglichen:

„(1) Die Mitgliedsstaaten fördern mit allen ihnen geeignet erscheinenden Mitteln die Entwicklung und Einhaltung von freiwilligen Verhaltenskodizes 11durch Mediatoren und Organisationen, die Mediationsdienste erbringen, sowie andere wirksame Verfahren zur Qualitätskontrolle für die Erbringung von Mediationsdiensten. (2) Die Mitgliedstaaten fördern die Aus- und Fortbildung von Mediatoren, um sicherzustellen, dass die Mediation für die Parteien wirksam, unparteiisch und sachkundig durchgeführt wird.“

In Artikel 12 wird weiterhin bestimmt: „Die Mitgliedsstaaten setzen vor dem 21. Mai 2011 die Rechts- und Verwaltungsvorschriften in Kraft, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen; …“

Literatur

Greger (Hrsg.) (2008): Die Zukunft der Mediation in Deutschland

Mediation in Forschung und Ausbildung

Mediation gehört zu den sogenannten ADR-Verfahren. ADR steht für alternative dispute resolution, zu deutsch: Kooperative Konfliktlösung. Hierzu hat sich international ebenso wie an deutschen Lehrstühlen ein breites Forschungsspektrum aufgetan, in dessen Rahmen auch die Wirkungen von Mediation untersucht werden. Diese empirische Forschung und ihre eindeutigen Ergebnisse haben Mediation auch in eher sachorientierten Wissenschaften wie dem Rechtswesen und der Wirtschaft zur Akzeptanz verholfen. In (psycho-) sozialen Feldern wie Training, Beratung, Sozialarbeit und Kommunikationswissenschaften musste Mediation wegen ihrer inhaltlichen Nähe und ihres aus der (psycho-) sozialen Forschung kommenden Verständnisses vom Kommunikations-und Konfliktgeschehen zwischen Menschen nie in diesem Maß um Akzeptanz kämpfen. Inzwischen zeugt von der breiten Anerkennung der Mediation auch, dass sie als Masterstudiengang an verschiedenen Universitäten angeboten wird.

Merksatz

Mediation zu erlernen ist für eine Vielzahl von Personengruppen und Berufssparten interessant geworden; in den Ausbildungen finden sich Lehrkräfte neben Personalentwicklern, Architekten neben Vereinsvorständen, ehrenamtlich engagierte Rentner sowie Sozialpädagogen, Berater, Firmeninhaber und Führungskräfte aus Wirtschaft, Verwaltung, Kommunen und sozialen Einrichtungen.

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Literatur zu Mediation

Die ersten Titel der mittlerweile umfangreichen Literatur zu Mediation entstanden in den 1970er Jahre in den USA. Das „Harvard-Modell“ von Ury und Fisher gilt nach wie vor als Klassiker der Grundlagenliteratur zur verhandlungsbasierten Mediation, wie sie auch heute noch die Basis für die Wirtschaftsmediation darstellt. Die folgenden Titel gelten als deutschsprachige Grundlagenliteratur zum Thema Mediation.

Literatur

Fisher et al. (2004): Das Harvard-Modell.

Besemer (1995): Mediation – Vermittlung in Konflikten.

Haynes et al. (2004): Mediation – Vom Konflikt zur Lösung.

Montada/Kals (2007): Mediation – ein Lehrbuch auf psychologischer Grundlage.

Noch Anfang der 1990er gab es in Deutschland jedoch noch kaum verfügbare Literatur jenseits des Themas Trennungs- und Scheidungsmediation. Von Schulmediation war nur in Skripten aus Neuseeland oder den USA zu lesen. Mittlerweile kann man auch auf dem deutschen Buchmarkt Fachliteratur zu fast jedem Anwendungsgebiet der Mediation finden, und die Anwendungsgebiete bilden alle gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Bereiche ab:

• Scheidung, Partnerschaft, Erziehung, Familie, Erbschaft

• Erziehung, Bildung in Kindergarten und Schule

• Hochschule, Forschung

• Nachbarschaft und Gemeinwesen, Vereine, Verbände, Sport

• interkulturelle, interreligiöse Konflikte

• Arbeitsplatz, innerbetriebliche Konflikte

• öffentlicher Dienst

• Medizin, Gesundheitssystem, Altenpflege

• Kirche

• Wirtschaft (zwischen Betrieben), Unternehmensnachfolge

• Planen und Bauen

• Umwelt, öffentlicher Raum

• Polizei, Sicherheitsdienst

• Politik, Internationale Beziehungen 13

Merksatz

Deutliche Indikatoren für die zunehmende Akzeptanz und Verbreitung von Mediaton sind: die Durchdringung aller Lebensfelder mit Mediation, die Entstehung von Mediationsliteratur für alle Lebensbereiche, die intensive Befassung und zunehmende Verankerung von Mediation im deutschen wie im europäischen Rechtssystem sowie der ansteigende Zulauf zu den Weiterbildungsmöglichkeiten in Mediation.

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Was ist Mediation?

In der Einleitung haben Sie bereits einen Eindruck davon gewonnen, in welchen Bereichen Mediation zur Konfliktlösung eingesetzt werden kann. Im Folgenden soll nun zunächst der Begriff Mediation geklärt werden, um dann seine historischen und kulturellen Wurzeln sowie die Entwicklung des heutigen westlichen Verständnisses von Mediation zu beleuchten. Daran anschließend werden die Kennzeichen von Mediation erörtert und ihre Grenzen und Voraussetzungen beschrieben. Der letzte Abschnitt gibt einen Überblick, wie Mediation sich von anderen Verfahren abgrenzt.

Bedeutung des Begriffs „Mediation“

Der Begriff Mediation hat seine sprachlichen Wurzeln sowohl im Griechischen wie im Lateinischen: Den „mesitaes“ – den Vermittler, abgeleitet von „mesos“ – die Mitte, gibt es in Griechenland seit mehr als 2000 Jahren. Der Mediator leitet sich im weitesten Sinn vom lateinischen Wort „medius“ ab. Es bedeutet wörtlich „mitten, dazwischenliegend“ und wird im übertragenen Sinne für „vermittelnd, in der Mitte stehend, die Mitte haltend“ oder auch für „neutral, unparteiisch“ verwendet (Langenscheidts Großes Schulwörterbuch Lateinisch-Deutsch). „Medium paci se offere“ bedeutet: „sich als Mittler für den Frieden anbieten“. Der Begriff „mediator“ findet sich bereits 130 n. Chr. in lateinischen Schriften.

Mediatoren oder Vermittler gab es in der europäischen Geschichte in allen Epochen. Ihre Aufgabe und die Haltung, in der sie ihre Tätigkeit versahen, lassen sich jedoch nicht mit der heutigen Mediation gleichsetzen. Dennoch zeigt ihre Existenz in der Politikgeschichte das Bedürfnis, 15sich anders als durch Gewalt und kriegerische Auseinandersetzung zu verständigen. Ein historisches Beispiel der Neuzeit sind die Verhandlungen zum Westfälischen Frieden 1648 mithilfe eines „mediators“ aus Venedig und eines des Papstes.

Literatur

Duss-von Werdt (2008): Einführung in die Mediation

Kulturelle und geschichtliche Wurzeln

Auch wenn die Herkunft des Wortes Mediation es nahelegt: Man kann weder die Entstehung der Mediation noch ihre Verbreitung allein dem europäischem Kulturraum zuordnen. Grundhaltung und Idee der außergerichtlichen Konfliktklärung, die im Bemühen um ein Verstehen aller Seiten unter der Führung eines unabhängigen Dritten stattfindet, gibt es z.B. bei afrikanischen Völkern, in Lateinamerika, Melanesien, Jordanien sowie in Japan und China. Prägend für die Ausbildung von Mediation in China war das konfuzianische Ideal gesellschaftlicher Harmonie – das harmonische Zusammenleben mit dem Nächsten war weitaus wichtiger als der exakte materielle Ausgleich untereinander (Montada/Kals 2007). In China galt es lange Zeit als Gesichtsverlust, sich vor Gericht Recht zu verschaffen.

Merksatz

Mediation ist eine alte Kunst; sie ist ein weltweit bekanntes Konfliktlösungsverfahren und in vielen verschiedenen Kulturen verbreitet.

Auch Religionsgemeinschaften, z.B. die Quäker und Mennoniten, spielten in der Entwicklung der Mediation eine Rolle: Ihre Verpflichtung zur Friedfertigkeit ließ sie gewaltfreie Wege der Konfliktklärung entwickeln; sie sind auch heute noch international in der Vermittlung tätig. Quäker haben sich z. B. bei der Vermittlung im Biafrakrieg (1967–1970) engagiert.

Literatur

Besemer (1995): Mediation – Vermittlung in Konflikten

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Internet

Zeittafel zur Entwicklung Mediation: www.mediation-dach.com/frameset.htm

→ Allgemeines → Historisches zur Mediation

Heutige, in der westlichen Welt ausgeübte Mediation hat ihren Ausgangspunkt in den USA und fand Anfang der 1980er Jahre nach Deutschland.

Die Entwicklung in den USA

Die Geschichte der Mediation in den USA ist eng verbunden mit den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen. Folgende Wegmarken sind hier hervorzuheben: Bereits 1898 setzte der amerikanische Kongress Mediation als gesetzliches Mittel bei Arbeitsplatzkonflikten fest. 1913 wurde das Verfahren in Konflikten um den Eisenbahnbau eingesetzt – vermutlich nicht zuletzt deshalb, weil im Eisenbahnbau viele chinesische Arbeiter tätig waren, die Mediation aus ihrer Kultur mitgebracht hatten. Ab ca. 1920 wurden verschiedene Organisationen mit dem Ziel der Conciliation (= Versöhnung) gegründet, u.a. das Jewish Conciliation Board für die Jüdische Gemeinde in den Vereinigten Staaten. 1939 entstanden gerichtsinterne Versöhnungsberatungsstellen zur Eheberatung. 1947 gründeten Konfliktvermittler in Arbeitskämpfen den „Federal Mediation and Conciliation Service“. Großen Aufschwung erlebte die Mediation in den 1960ern: Die Bürgerrechtsbewegungen bemühten sich offensiv um neue außergerichtliche Konfliktlösungswege (adr – alternative dispute resolution), da die eigene Justiz als rassistisch und elitär bewertet wurde. Neighbourhood Justice Centers boten Mediation als kostengünstigen Weg der Streitbeilegung an.

 

Ende der 1970er Jahre erfuhr Mediation durch die Zunahme von Scheidungsverfahren weitere Verbreitung: Die Gerichte waren heillos überlastet und viele Anwälte wurden zunehmend unzufrieden mit den gerichtlichen Scheidungsverfahren, weil sie erlebten, wie diese die Paare häufig in schwere Kämpfe trieben und zu immer noch mehr und tieferen Verletzungen führten.

Die Entwicklung in Deutschland

Die Idee der außergerichtlichen Einigung fasste auf einer pragmatischen Ebene bereits ab den 1960er Jahren mit der Einrichtung von Schiedsstellen 17in Deutschland Fuß (z.B. 1966 Gründung der Handwerks-Innungen, 1970 KFZ-Schiedsstelle beim ADAC Hamburg und der KFZ-Innung München, 1970 in den Architektenkammern, 1975 für Mietsachen). Den wesentlichen Boden für Mediation lieferten jedoch auch in Deutschland zunächst gesellschaftliche Entwicklungen: Die 68er Generation stellte alle gesellschaftlichen Mächte und Autoritäten infrage, damit auch die Justiz. Die Friedensbewegung kritisierte massiv die Idee der Sicherheit durch Hochrüstung und forderte das Ende des Kalten Kriegs sowie einen neuen, akzeptierenden und gewaltfreien Umgang mit der Sowjetunion. Der Vertrauensverlust gegenüber Rechtswesen, Politik und Militär förderte die Suche nach neuen, selbstbestimmten, vom Staat unkontrollierten Wegen.

In Trennungs- und Scheidungsverfahren gab es bei Rechtsanwälten, Mandanten und Richtern die gleichen Unzufriedenheiten wie in den USA, und so war dies der erste Anwendungsbereich, in dem Mediation Anfang der 1990er Jahre Fuß fasste – zunächst mit einem Pilotprojekt an der Universität Erlangen. Diesem folgte 1992 die Anerkennung des Grundkonzeptes von Mediation im Kinder- und Jugendhilfe-Gesetz (heute§ 17 SGB VIII). Die sich Anfang der 1990er Jahre entwickelnde Debatte um Gewalt in der Schule mit lauten Rufen nach Prävention öffnete schließlich die Türen für den Einsatz von Mediation in der Schule, dort in der Regel als Peer-Mediation, in der ausgebildete Schüler-Mediatoren Streitsituationen ihrer Mitschüler mediieren.

Merksatz

Immer wenn der traditionelle juristische Weg unbefriedigend bis kontraproduktiv für einen Ausgleich der Interessen erlebt wurde, entwickelten gesellschaftliche, i.d.R. nicht-staatliche Kräfte, Mediation weiter.

Mediation in der politischen Auseinandersetzung

In politischen Auseinandersetzungen findet sich in Vergangenheit und Gegenwart immer wieder der unabhängige Vermittler – als Person oder als Staat –, der entweder direkt oder in Form von Pendeldiplomatie mit beiden Seiten arbeitet. Dazu ein Beispiel: Jimmy Carter vermittelte als amerikanischer Präsident 1979 in Gesprächen mit Menachem Begin (Israel) und Anwar as-Sadat (Ägypten) das Camp-David-Abkommen. Er führte das Gespräch weg von der festgefahrenen Position beider 18Staaten, die da hieß: „die Sinai-Halbinsel besitzen“. Carter gelang es, die jeweils dahinterstehenden Interessen sichtbar zu machen: Einerseits der Sicherheitsbedarf Israels, das mit einem Besitz des Sinai verhindern wollte, dass aus diesem Gebiet nicht, wie kurz zuvor geschehen, Angriffe gestartet würden. Andererseits Ägyptens Angst vor einem Gesichtsverlust in der arabischen Welt bei einer Zustimmung zur Gebietsabtretung des Sinai an Israel. Die Lösung war die Schaffung einer entmilitarisierten Zone auf dem ägyptisch bleibenden Sinai mit den USA als Wächter über die Einhaltung des Abkommens. Als Einzelpersönlichkeit ohne politisches Mandat vermittelte Jimmy Carter auch gemeinsam mit Vertretern der „Moravian Church“ 1989 in Nicaragua im Konflikt der Sandinisten mit den Miskito-Indianern (Besemer 1995, 49).

Artikel 33 in der Charta der Vereinten Nationen nennt Mediation ausdrücklich als eine mögliche Vorgehensweise bei politischen Interessenkonflikten. Die Erfolge der Vermittler hängen dabei nicht zuletzt davon ab, ob sie auch wirklich von beiden Seiten als unabhängig eingestuft werden.

Was leistet Mediation?

In der Mediation ist ein wichtiges Ziel, die persönlichen und / oder Arbeitsbeziehungen zwischen den Konfliktparteien auch im Hinblick auf die Zukunft zu verbessern. Weil sich der Kontakt aber nicht nur auf der Sachebene abspielt, muss Mediation einen Schritt weitergehen und auch die Beziehungen und die Art des Umgangs der Beteiligten untereinander als Thema aufgreifen. Im konkreten Ablauf der Mediation spielt deshalb das Sich-Mitteilen, das gegenseitige Zuhören eine wichtige Rolle. Der Mediator oder die Mediatorin ist dafür verantwortlich, dass dies in konstruktiver Weise geschieht und die wesentlichen Konfliktpunkte gemeinsam bearbeitet werden. Mediation kann man im Hinblick auf die Rolle des Mediators wie folgt beschreiben:

Merksatz

Mediation ist ein Weg der Konfliktlösung mithilfe eines allparteilichen und in der Sache neutralen Dritten, der von allen Beteiligten akzeptiert wird.

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Dieser Dritte – der Mediator – unterstützt die Konfliktparteien darin, eigenverantwortlich eine ihnen allen angemessene Lösung für ihr Problem zu finden. Somit entstehen keine Sieger oder Verlierer, sondern alle Beteiligten verlassen die Mediation mit Gewinn.

Dabei gehen Mediatoren davon aus, dass die Konfliktparteien aus einer Situation, in die sie sich miteinander gebracht haben, auch wieder herausfinden, wenn sie dazu bereit sind; und davon, dass eine von den Beteiligten selbst gefundene Lösung weit stabiler sein wird, als gute Ratschläge oder Beratungen von Außenstehenden. In diesem Sinn arbeiten die Konfliktparteien selbstständig und inhaltlich unbeeinflusst vom Mediator ihre Lösungsideen aus, der Mediator steht ihnen bei dieser Erarbeitung sichernd zur Seite.

Im Bild lässt sich Mediation folgendermaßen veranschaulichen: Die Konfliktparteien sind wie Bergsteiger, die sich entschieden haben, einen schwierigen Gipfel zu erklimmen und dafür einiges an Zeit und Energie aufzuwenden. Der Mediator nimmt die Rolle des Bergführers ein, der dafür sorgt, dass sie sich nicht auf Pfade begeben, die in weglosem Gelände enden, dass sie sich nicht in dornigem Gestrüpp am Wegrand verheddern, dass sie das Ziel nicht aus den Augen verlieren und Kräfte des Umfelds, wie etwa das Wetter, nicht außer Acht lassen.

Merksatz

Wesentlich für das Gelingen einer Mediation ist, dass alle Beteiligten dem Verfahren als Lösungsweg zustimmen und freiwillig am Mediationsprozess teilnehmen; bei Arbeitsplatzkonflikten müssen auch die jeweiligen Vorgesetzten die Mediation begrüßen und unterstützen.

Was kennzeichnet Mediation?

Mediation ist also, wie die bisherigen Ausführungen gezeigt haben, Vermittlung in Konflikten. Das Wort „Vermittlung“ ist einerseits technisch korrekt, denn es geht in der Mediation genau um dieses „in der Mitte stehen“ und von der Mitte aus beiden Seiten Kontakt und Verständnis zu ermöglichen, was erst die Voraussetzung für eine gemeinsame Lösung bildet. Anhand einer umfassenden Definition von Mediation, die sich aus den vorherigen Ausführungen ableiten lässt, sollen die genauen Kennzeichen des Vermittlungsprozesses Mediation beleuchtet werden.

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Definition

Mediation ist ein

• Verfahren zur Vermittlung in Konflikten,

• bei dem alle Konfliktbeteiligten einbezogen sind

• und in direktem Kontakt zueinander

• unter der Leitung und Gesprächsführung eines Dritten,

• der am Konflikt unbeteiligt, in der Sache neutral und allparteilich für alle Konfliktparteien arbeitet,

• eine einvernehmliche Lösung,

• in der die Interessen und Bedürfnisse aller Seiten berücksichtigt sind, erarbeiten.

• Mediation ist freiwillig und

• alle Beteiligten bleiben jederzeit selbstbestimmt in ihren Entscheidungen.

• Mediation ist im Gegensatz zu einer Gerichtsentscheidung ein informelles Verfahren, in dem es keine entscheidungsbefugte Autorität jenseits der Parteien gibt.

Die Einbeziehung aller Konfliktparteien ist Grundvoraussetzung dafür, dass tatsächlich alle Interessen auf den Tisch kommen und bearbeitbar werden. Mediation ohne eine Auseinandersetzung mit allen Seiten, die im Konflikt eine Rolle spielen, ist nicht vorstellbar, weil damit wesentliche Informationen, aber auch Ressourcen fehlen würden, um zu einer wirklich guten Lösung zu kommen.

Mediationsgespräche finden in aller Regel in direktem Kontakt statt. Dies unterscheidet durch Mediation herbeigeleitete Lösungen wesentlich von hierarchischen oder obrigkeitlichen Entscheidungen, in denen häufig übergeordnete Instanzen – mit oder ohne Anhörung der Betroffenen – Entscheidungen treffen. In Firmen, Betrieben oder Vereinen z.B., entscheiden Vorgesetzte oder Vorstände vieles hinter verschlossenen Türen. Oder in einem Rechtsstreit kann Recht gesprochen werden, auch wenn der Beklagte nicht erscheint. Ebenso können die Beteiligten in vielen juristischen Angelegenheiten Rechtsanwälte beauftragen, sodass tatsächlich kein direkter Kontakt nötig ist. Dabei wird auch die Beteiligung an allen Verhandlungen komplett an den eigenen Anwalt delegiert.

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