Das Hochschulrecht in Baden-Württemberg

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Prof. Dr. Volker M. Haug

Einführung

I.Reform und Aufbau2 – 25

1.Auslöser und Zielsetzung der Reformpolitik2 – 4

2.Felder der Reformpolitik5 – 25

a)Das Verhältnis von Staat und Hochschulen5 – 11

b)Die Organisation von Hochschulen12 – 18

c)Studium und Lehre19, 20

d)Qualitätssicherung21, 22

e)Hochschulmedizin23 – 25

II.Ausschöpfung der Landeshoheit nach der Föderalismusreform26 – 30

1.Wegfall bundesgesetzlicher Fesseln26

2.Modernisierung des Hochschuldienstrechts27, 28

3.Schaffung einer neuen Hochschulart: Duale Hochschule Baden-Württemberg29

4.Fusion von Universität und Forschungszentrum Karlsruhe zum KIT30

III.Feinjustierung und Ausdifferenzierung31 – 39

1.Feinjustierung durch Re-Akademisierung31 – 35

2.Ausdifferenzierung durch Stärkung von Sonderinteressen36, 37

3.Institutionelle Weiterentwicklungen38, 39

1

Die jüngere Entwicklung von Hochschulrecht und Hochschulpolitik in Baden-Württemberg lässt sich in drei Abschnitte mit prägenden inhaltlichen Merkmalen einteilen: Dies beginnt mit der Reform- und Aufbruchspolitik in den ausgehenden 1990er Jahren, setzt sich nach 2006 mit der beherzten Ausschöpfung der mit dem Wegfall zentralistischer Vorgaben verbundenen Spielräume im Zuge der Föderalismusreform fort und reicht in die Gegenwart mit einer Gesetzgebungstätigkeit der Ausdifferenzierung und Feinjustierung unter veränderten politischen Vorzeichen. Ging es in den ersten beiden Abschnitten stärker um die Stärkung von Hochschulautonomie und Steuerungsfähigkeit, stehen in der jüngeren Zeit die zeitgerechte Weiterentwicklung der Strukturen und die Stärkung der hochschulinternen Sonderinteressen im Vordergrund.

Einführung › I. Reform und Aufbau

I. Reform und Aufbau

Einführung › I. Reform und Aufbau › 1. Auslöser und Zielsetzung der Reformpolitik

1. Auslöser und Zielsetzung der Reformpolitik

2

Auslöser des wachsenden Dranges nach umfassenden Reformen im Hochschulbereich war das zunehmende Gefühl, dass sich die Strukturen aus den 70er Jahren in weiten Teilen überlebt hatten. Diese waren geprägt von einer massiven Staatsdominanz, erheblicher rechtlicher Detailsteuerung und nur geringen autonomen Handlungsspielräumen der Hochschulen, wie – pars pro toto – das NC-Hochschulvergaberecht zeigt: Die Studienplätze wurden nach Abitursnote und Wartezeit ohne Einflussnahme seitens der Hochschulen vergeben (dazu näher unten, Rn. 10). Daher pflegte der damalige baden-württembergische Wissenschaftsminister Klaus von Trotha oft zu sagen, dass es nur zwei Institutionen in Deutschland gebe, die hinsichtlich ihrer Insassen keine Mitspracherechte hätten: Hochschulen und Gefängnisse.

3

Symptome der vielerorts beklagten Defizite des Hochschulsystems waren z.B. die Belastung durch hohe Studierendenzahlen, Strukturmängel im Studium, fehlende Kontrolle von Qualität, didaktischer Konzeption und inhaltlicher Relevanz von Studienangeboten, fehlende oder zu schwache Praxisorientierung, zu hohes Lebensalter der Absolventen, fehlende Transparenz über das Leistungsgeschehen an den Hochschulen und unzureichende Flexibilität bei der Mittelbewirtschaftung.

4

Die Hochschulreformpolitik hat sich die Stärkung der Leistungskraft der Hochschulen und damit die weitere Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf dem nationalen und internationalen Bildungsmarkt zum Ziel gesetzt. Denn Hochschulen, die an sich einen hohen wissenschaftlichen Anspruch stellen, kamen und kommen nicht umhin, sich dem Wettbewerb auf dem Bildungs- und Forschungsmarkt zu stellen – einem Wettbewerb um gute Forscher und Lehrer, einem Wettbewerb um staatliche Mittel, einem Wettbewerb um Drittmittel und einem Wettbewerb um gute Studierende. Um sich in diesem Wettbewerb gut positionieren zu können, mussten sich die Hochschulen vom Status behördlicher Einrichtungen, die vom übergeordneten Wissenschaftsministerium erlassene operative Vorgaben umzusetzen hatten, emanzipieren. Zugleich musste die Handlungsfähigkeit der Hochschulen nach innen gestärkt werden. Dies bedingte eine Ablösung der klassischen Gremienkultur, die zwar dem einzelnen Wissenschaftler weitergehendere Teilhabemöglichkeiten bot, aber zugleich Verantwortungswahrnehmung erschwerte und oft zu Entscheidungen auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner führte.

Einführung › I. Reform und Aufbau › 2. Felder der Reformpolitik

2. Felder der Reformpolitik

a) Das Verhältnis von Staat und Hochschulen

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(1) Im Mittelpunkt der Reformmaßnahmen stand die Stärkung der Eigensteuerung und damit der Autonomie der Hochschulen. Dafür wurden die Mitwirkungsrechte des Staates in vielfältiger Weise abgebaut. Besonders deutlich wird dies bei einer Gegenüberstellung des baden-württembergischen Hochschulrechts von 1995 und von heute in einigen beispielhaft ausgewählten Bereichen, wobei der hier beschriebene heutige Rechtszustand im Wesentlichen bereits seit 2005 besteht.

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(a) Die Professoren wurden 1995 auf Vorschlag der Hochschulen vom Ministerium berufen, ohne dass dieses an die Reihenfolge der Liste gebunden gewesen wäre (§ 66 III UG[1]). In Ausnahmefällen durfte das Ministerium sogar den Ruf an eine Person erteilen, die von der Hochschule gar nicht vorgeschlagen gewesen war (§ 66 VII UG); der Hochschule stand in einem solchen Fall lediglich ein Anhörungsrecht zu. Die Berufung der Professoren liegt heute bei den Hochschulen. Zuvor muss die Zustimmung des Ministeriums zur Liste eingeholt werden (§ 48 II 1 LHG). Der Übergang der Verantwortung für die Berufungsentscheidung hat dazu geführt, dass die Prüfung der Liste im Ministerium nur noch kursorisch erfolgt und sich in aller Regel auf die Beanstandung formaler Mängel beschränkt.

7

(b) 1995 nahm das Ministerium zahlreiche personalrechtliche Einzelzuständigkeiten wahr – bis hin zur Entscheidung über die Bewilligung eines Forschungssemesters (§ 68 UG). Außerdem lagen die Gehaltsverhandlungen mit den Professoren – sowohl bei Neuberufungen wie bei Bleibeverhandlungen – ausschließlich in der Hand des Ministeriums. Den Rektoren blieb lediglich, ein erhebliches Gewinnungs- oder Erhaltungsinteresse der Hochschule in einem Brief an das Ministerium darzulegen und um entsprechende Berücksichtigung zu bitten. Heute ist eine Reihe von personalrechtlichen Zuständigkeiten auf die Hochschulen delegiert, etwa im Disziplinarrecht (§ 11 V LHG) oder bei der Genehmigung von Forschungssemestern (§ 49 VII LHG). Insofern ist es nur konsequent, dass auch die Gehaltsverhandlungen mit den Professoren jetzt – auf der Grundlage eines Vergaberahmens, den jede Hochschule hat – vom Rektorat geführt werden (§ 16 III 2 Nr. 11 – 14 LHG).[2]

8

(c) Außerdem hatte das Ministerium in den Haushaltsangelegenheiten 1995 noch eine wesentlich stärkere Steuerungsfunktion. Die staatlichen Zuschüsse an die Hochschulen wurden im Rhythmus der jährlichen oder zweijährlichen Haushaltsaufstellungen jeweils zwischen Ministerium und Hochschulleitung detailliert verhandelt. Außerdem wurde ein erheblicher Teil der für die Hochschulen vorgesehenen Mittel – insbesondere für spezielle Projekte – nicht in den Haushaltskapiteln der Hochschulen, so dass diese darüber hätten frei verfügen können, bereitgestellt, sondern in zentralen Haushaltskapiteln, die das Ministerium verwaltete.[3] Demgegenüber werden seit 1997 zwischen dem Land und den Hochschulen fünf- bis siebenjährige Hochschulfinanzierungspakte (derzeit bis 2020) abgeschlossen, in denen die Höhe der vom Land zur Verfügung gestellten Mittel für die gesamte Laufzeit garantiert ist; die Studiengebühren (bzw. deren Ersatzmittel) und Drittmittel kommen noch hinzu.[4] Zudem hat die Einführung von Globalhaushalten die Bewirtschaftungskompetenz der Hochschulen deutlich erhöht. Freilich haben diese Maßnahmen zur Folge, dass die Hochschulen nun ihre „normalen“, aber über den Tagesbetrieb hinausgehenden Projekte eigenständig mit den zugewiesenen Landesmitteln oder mit Drittmitteln finanzieren müssen.

9

(d) Die Prüfungsordnungen, die als Hochschulsatzungen erlassen werden, bedurften 1995 in jedem Einzelfall der Zustimmung des Ministeriums (§ 51 I UG); Zustimmung bedeutet übrigens – in Abgrenzung von der auf rechtliche Fragen beschränkten Genehmigung – ein Überprüfungsrecht auf Recht- und Zweckmäßigkeit. Heute werden die Prüfungsordnungen von den Hochschulen eigenverantwortlich ohne Beteiligung des Landes festgelegt; lediglich dem Rektor ist ein hochschulinterner Zustimmungsvorbehalt zugewiesen (§§ 32 III, 38 IV, 39 V LHG). Das Ministerium kann nur noch eine Änderung der Prüfungsordnung verlangen, wenn bestimmte rechtliche Vorgaben nicht eingehalten sind (§ 32 III 4 LHG). Da die Prüfungsordnungen dem Ministerium auch nicht mehr zur Kenntnis gegeben werden müssen, setzt ein solches Änderungsverlangen des Ministeriums in der Praxis entsprechende (meist studentische) Beschwerden voraus.

10

(e) Bei der Auswahl der Studierenden gab es 1995, wie eingangs bereits erwähnt, kein Beteiligungsrecht der Hochschulen: War ein Studiengang zulassungsbeschränkt, mussten 60 % nach Abitursnote und 40 % nach Wartezeit aufgenommen werden (Art. 13 I ZVS-Staatsvertrag 1992);[5] war der Studiengang unbeschränkt, musste jeder Inhaber einer entsprechenden Hochschulzugangsberechtigung aufgenommen werden. Heute haben die Hochschulen dagegen bei der Vergabe ihrer Studienplätze eine ungleich stärkere Rolle: Bei Studiengängen, deren Profil durch die mit der Zugangsberechtigung nachgewiesenen allgemeinen Studierfähigkeit nicht hinreichend abgedeckt ist, können die Hochschulen eine Aufnahmeprüfung vorsehen (§ 58 IV LHG). Bei den zulassungsbeschränkten Studiengängen werden 90 % der Studienplätze ebenfalls nach dem Ergebnis eines Hochschulauswahlverfahrens und nur noch 10 % nach Wartezeit vergeben (§ 6 I 4 HZG); bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen beträgt die Hochschulquote 60 % (Art. 10 I StV EfH). Die Hochschulen haben weitreichende Freiheiten bei der Ausgestaltung einer solchen Aufnahmeprüfung oder eines solchen Hochschulauswahlverfahrens (allerdings nicht bei der Kreation von Auswahlmaßstäben[6]). Neben Durchschnittsnote oder Einzelnoten der Zugangsberechtigung sind auch Studierfähigkeitstests, Auswahlgespräche, Motivationsschreiben oder Essays als Auswahlmaßstäbe möglich (§ 6 II HZG). Damit hat das Land seine Gestaltungsspielräume mit einer starken Bewerberauswahlkomponente zugunsten der Hochschulen ausgeschöpft. Den Hochschulen wird dadurch ermöglicht, das Verfahren nach eigenen Vorstellungen auszugestalten, Schwerpunkte zu setzen und so das eigene Profil zu schärfen. Dies eröffnet Bewerbern mit studiengangspezifischen Vorteilen – z.B. einer einschlägigen Berufsausbildung – zusätzliche Chancen.

 

11

(2) Das in diesem Zusammenhang häufig verwendete Schlagwort von der „Stärkung der Autonomie der Hochschulen“ bedeutet freilich keine Befreiung von allen Bindungen und Rechenschaftspflichten, sondern kann nur im Rahmen des verfassungsrechtlichen Kontextes verstanden werden. So sind die staatlichen Hochschulen Teil eines vom Bürger legitimierten und von ihm auch finanzierten demokratischen Systems, das durch parlamentarische Kontrolle und Rechenschaftspflicht der Regierung geprägt ist (Art. 20 I GG, 27 II LV); zudem ist der Staat als Träger der Hochschulen auch wesentlicher Garant für die Gewährleistung der Grundrechte sowohl der Wissenschaftler aus Art. 5 III GG wie auch der Studierenden aus Art. 12 I GG. Stärkung der Hochschulautonomie bedeutet in diesem Rahmen den Rückzug des Staates aus der weitreichenden Detailsteuerung und seine Konzentration auf die strategische Globalsteuerung. Aus diesen Gründen bestehen auch gegenüber eigenverantwortlichen Hochschulen Berichts-, Mitwirkungs- und Aufsichtsrechte des Landes (z.B. § 13 IX LHG; §§ 66 ff. LHG). Besonders bedeutsam sind hierbei die Zustimmung zur Struktur- und Entwicklungsplanung (§ 7 II LHG) und zu Veränderungen des Studiengangangebots (§ 30 IV 1 LHG).