Deutsch-kroatische Sprachkontakte

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3 Historische Grundlagen
3.1 Sprachliche und kulturell-geschichtliche Aspekte

Die geschichtlichen Begebenheiten in Kroatien zeugen durch die jahrhundertelange politische und kulturelle Verbindung Kroatiens zum Habsburgerreich über einen direkten deutsch-kroatischen Sprachkontakt (Stojić, 2006b: 37). Diese reichen noch in die Zeit vor der Ansiedlung der Kroaten auf das Gebiet des heutigen Kroatien im Frühmittelalter,1 als sie im ehemals römischen Illyricum2 ansässig wurden. Sie sind die kontinuierliche Fortsetzung der Sprachkontakte zwischen den Germanen und den Slawen, als das Germanische und Slawische noch ungeteilte Sprachgruppen waren. Wenn man also geschichtlich über die ersten deutsch-kroatischen Sprachkontakte spricht, handelt es sich eigentlich um slawisch-germanische Sprachkontakte, weil diese den deutsch-kroatischen vorausgingen und erfolgten, als das Slawische und Germanische noch ungeteilte Sprachen waren. Ebenfalls muss berücksichtigt werden, dass sich beide Sprachen im Laufe der Zeit entwickelt haben. Für die Beschreibung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte ist besonders das Oberdeutsche wichtig, das folgende Entwicklungsstufen unterscheidet:

 a) althochdeutsche Periode (ahd.) von 750 bis 1050,

 b) mittelhochdeutsche Periode (mhd.) von 1050 bis 1350,

 c) frühneuhochdeutsche Periode (frühnhd.) von 1350 bis 1650,

 d) neuhochdeutsche Periode (nhd.) von 1650 bis heute.

Eine chronologische Darstellung der deutschen Entlehnungen im Kroatischen ist ohne Berücksichtigung dieser sprachlichen Entwicklungen des Deutschen nicht möglich. Ebenso wichtig ist auch der geschichtlich-kulturelle Kontext der Sprachkontakte. Die Lautform der Entlehnung deutet auf die Zeit der Entlehnung sowie den Dialekt, aus dem sie entlehnt wurde, hin. Während aber die Entlehnung in der Nehmersprache weiterlebt und sich nach ihren sprachlichen Gesetzmäßigkeiten entwickelt, so geht die Geschichte weiter und es kommt zu neuen politischen Konstellationen (Žepić, 1996: 313). In diesem Kontext kann auch die zeitliche Schichtung der deutschen Entlehnungen in der kroatischen Sprache untersucht werden. Die chronologische Darstellung der deutsch-kroatischen Sprachkontakte erfolgt hier deshalb parallel vom sprachlichen und kulturell-geschichtlichen Aspekt.

3.2 Germanisch-slawische Kontakte

Es ist bekannt, dass die slawischen Völker noch vor der Völkerwanderung in ihr Idiom einige hundert germanische Entlehnungen übernommen haben. Diese Problematik wurde ausführlich sowohl von Slawisten als auch Germanisten untersucht.1 Da es keine schriftlichen Aufzeichnungen aus dieser Zeit gibt, gibt es unterschiedliche Interpretationen bezüglich der genauen Datierung des Beginns dieser Sprachkontakte. Einige Sprachwissenschaftler (Kiparsky, 1934; Golab, 1992) denken, dass einige Wörter im Urslawischen noch aus dem Urgermanischen übernommen wurden. Tatsache ist, dass es einige urslawische Germanismen nicht im Gotischen gibt (vgl. Matasović, 2000: 129). Die wahrscheinlichste und verbreitetste Hypothese ist, dass es zum Einfluss der germanischen Sprache auf das Urslawische frühestens im 2. Jahrhundert nach Christus zur Zeit der Expansion der Goten vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer kommen konnte. Auf diesem Gebiet waren zu dieser Zeit die Urslawen ansässig. Die meisten Lehnwörter, die im Urslawischen erscheinen, sind aus dem Gotischen, Balkangermanischen und aus den westgermanischen Mundarten ins Urslawische gekommen. Dieser Einfluss zeigt sich in den sog. gemeinslawischen Entlehnungen, bei denen es noch keine einzelsprachliche Differenzierung gibt (vgl. Strieder-Temps, 1958: 6). Das sind allslawische deutsche Lehnwörter,2 d.h. germanische Wörter, die in alle slawischen Sprachen entlehnt wurden, wie beispielsweise:

 kro. badanj3 < germ. budin, ahd. butin(a), nhd. Bütte;

 kro. bukva < germ. *bokaz/*boko, nhd. Buche;

 kro. čabar < ahd. zubar/zuibar, nhd. Zuber;

 kro. gredelj < ahd. grintil, nhd. Grendel;

 kro. hiža < got. *husa, nhd. Haus;

 kro. hljeb < germ. *χlaibaz, got. hlaifs «panis», nhd. Laib;

 kro. javor < germ. *ahurna, ahd. ahorn;

 kro. kabao < ahd. *kubil, nhd. Kübel;

 kro. kupiti < got. kaupon, nhd. kaufen;

 kro. lihvar < got. leihvan, nhd. leihen;

 kro. lug (pepeo) < ahd. louga, nhd. Lauge;

 kro. mito < got. mōta, ahd. mūta, nhd. Maut;

 kro. pila < germ. *finhlo, ahd. fila, nhd. Feile;

 kro. plug < got. *plōgs, ahd. pluoc, nhd. Pflug;

 kro. skot < germ. *skattaz, got. skatts «Geld», ahd. skaz, nhd. Schatz;

 kro. skut < got. *skauts, nhd. Schoß;

 kro. uborak < ahd. ambar, eimbar, nhd. Eimer usw.

Neben diesen Entlehnungen, die ein Zeugnis über die kulturellen Beziehungen zwischen Germanen und Slawen ablegen, gibt es auch eine Reihe von Wörtern, die auf die Kriegsorganisation der Germanen, die von den Slawen übernommen wurde, hinweisen (Žepić, 1996: 212):

 kro. bradva < germ. barda, nhd. Barte;

 kro. brnjica < got. brunjo, ahd. brunja, nhd. Brünne;

 kro. knez < urgerm. *kuningaz oder got. *kuniggs, nhd. König;

 kro. puk < germ. plŭkŭ, nhd. Volk;

 kro. vladati < ahd. waltan, nhd. walten;

 kro. mač < got. mēkeis, nhd. Schwert.

3.3 Entlehnungen aus der althochdeutschen Periode
3.3.1 Das Königreich Kroatien

Mit der Ansiedlung der Kroaten in ihr neues Heimatland beginnt im 7. Jh. der Kontakt mit den westlichen Nachbarn, den deutschen Franken, deren Herrscher Karl der Große im Jahre 800 zum Kaiser des römischen Reiches gekrönt wurde. Auch das Pannonische Kroatien erkennt während der Herrschaft des Fürsten Ljudevit Posavski die Obrigkeit des Frankenreiches an, daraufhin auch das kroatische Küstenland unter der Herrschaft von Fürst Borna. Die Vorherrschaft von Karl dem Großen dauerte nicht sehr lange, aber der Einfluss war spürbar. So kann man die karolingische Macht und Persönlichkeit Karls des Großen beispielsweise in der slawischen Bezeichnung kralj sehen, ein Nomen Appellativum für »König«, das sich aus dem Namen des damaligen Frankenkönigs und späteren römischen Kaisers entwickelte.

Im Hinterland Dalmatiens entstanden seit dem 8. Jahrhundert slawische Reiche, die sich in einem breiten Streifen entlang der Küste von Ostistrien bis östlich von Split erstreckten. Durch ein Bündnis mit Byzanz bekam Kroatien die Adriainseln und die Städte Split, Trogir und Zadar zugesprochen, die bis dahin formell unter byzantinischer Herrschaft standen. Dieser Staat, der unter König Tomislav zum Königreich Kroatien wurde, umfasste somit bis auf Istrien alle heutigen kroatischen Gebiete. Sprachliche Einflüsse des Deutschen auf die kroatische Sprache gab es auch in dieser Zeit. Ein wichtiges Zeugnis dafür ist das in Stein gemeißelte kroatische Sprachdenkmal Baščanska ploča (Tafel von Baška), das in kroatischer glagolitischer Schrift um das Jahr 1100 entstand und Angaben über den Bau der Kirche der hl. Lucija enthält und dokumentiert, dass der kroatische König Zvonimir dieser Kirche eine Schenkung machte. Die Tafel zeugt u.a. vom Einfluss kultureller Zentren des germanischen Teiles Europas (Goldstein, 1995: 416). Da die Kroaten als Nachbarn zwei der stärksten christlichen Staaten hatten, im Osten Byzanz, im Westen das Frankenreich, spielte die Christianisierung für die Kroaten eine entscheidende Rolle, weil ihnen das Christentum dazu verhalf, auf diesen Gebieten zu überleben und auf diese Weise in den Kreis der europäischen Völker wie auch in die Welt des Schrifttums und Kultur einzugehen. Der Prozess der Christianisierung verlief in zwei Richtungen: von Seiten byzantinischer Priester aus dalmatinischen Küstenstädten und deutschen Priestern in der Zeit vom 7. bis 9. Jh. Während der fränkischen Herrschaft verwendeten die Kroaten auch im Gottesdienst die lateinische Sprache, d.h. die Sprache ihrer Päpste. In dieser Zeit gelangte deshalb nur eine geringe Zahl deutscher Lehnwörter ins Kroatische. Eigentlich handelt es sich um lateinische oder griechische Entlehnungen, die das Deutsche ins Kroatische vermittelte. Die fränkische Obrigkeit an der kroatischen Küste hinterließ demnach keine größeren Spuren in der kroatischen Sprache. Es handelt sich um nur wenige Lexeme:

 kro. crkva < urslaw. *cerky < ahd. chirichā < griech. kyriakon, nhd. Kirche;

 kro. kloštar < ahd. klōstar < lat. claudere, nhd. Kloster;

 kro. pop < altslaw. popъ < ahd. pfaffo < griech. papas, nhd. Pfaffe;

 kro. post < altslaw. postъ < ahd. fasto, nhd. Fasten.

3.3.2 Personalunion

Nach dem Tod des kroatischen Königs Zvonimir 1089 erhob der ungarische König Ladislaus Erbansprüche auf die kroatische Krone. Es begann die Erschließung des mittelalterlichen Slawoniens, des "Slawenlandes" südlich der Drau. 1094 gründete Ladislaus in Zagreb ein Bistum und eine Gespanschaft nach ungarischem Muster. Sein Nachfolger Koloman wurde dann 1102 in Biograd bei Zadar zum kroatischen König gekrönt. Die ungarische Dynastie der Arpaden 1102 übernahm durch die so genannte Pacta Conventa die kroatische Königskrone und gründete gemeinsam mit kroatischen Herrschern die Personalunion (1102–1526). Im gemeinsamen Staat kam es zum gegenseitigen Einfluss auf Kultur und Sprache, wobei indirekt auch viele deutsche Lehnwörter über das Ungarische in die kroatische Sprache entlehnt wurden (Talanga, 1990: 131). Aus dieser Zeit stammen Begriffe wie:

 

 kro. frtalj < ung. fertály < ahd. fiorteil, nhd. Viertel;

 kro. grof < ung. gróf < mhd. grāve, nhd. Graf;

 kro. hahar < ung. hóhér < mhd. hāhaere < nhd. Henker;

 kro. marva < ung. marha < mhd. mar(i)ha < nhd. Mähre;

 kro. mužar < ung. mozsár < ahd. morsari < nhd. Mörser;

 kro. perec < ung. perec < ahd. brez(i)tella < nhd. Brezel;

 kro. puška < ung. puska < ahd. buhsa < nhd. Büchse;

 kro. rit < ung. rit, ret < ahd. (h)riot < nhd. Ried u.v.m.

Aus dem Althochdeutschen wurden in der Zeit von 1000 bis 1300 ebenfalls viele Ausdrücke für neue Gebrauchsgegenstände oder andere Innovationen, die die Kroaten von den Deutschen übernommen haben, entlehnt:

 kro. izba < slaw. *istbba < ahd. stuba, nhd. Stube;

 kro. kanta < ahd. channata; nhd. Kanne;

 kro. kotar < ahd. kataro, nhd. Gatter (dial. Kotter);

 kro. kuhati < ahd. kochōn < vlat. cocere, nhd. kochen;

 kro. kuhinja < ahd. chuhhina < vlat. cocina, nhd. Küche;

 kro. letva < ahd. latta, nhd. Latte;

 kro. mlin < ahd. muli(n) < lat. molina, nhd. Mühle;

 kro. mošt < ahd. most < lat. mustum, nhd. Most;

 kro. pehar < ahd. beehari < mlat. bicarium < griech. bikos, nhd. Becher;

 kro. škaf < ahd. scaf, scaph, nhd. Schaff;

 kro. škare < ahd. skâre, nhd. Schere;

 kro. škoda < ahd. scado, nhd. Schaden;

 kro. škrinja < ahd. scrini < lat. scrinium, nhd. Schrein;

 kro. štagalj < ahd. stadal, nhd. Stadel;

 kro. truba < ahd. trumba, nhd. Trompete;

 kro. vaga < ahd. vaga, nhd. Waage;

 kro. žaga < ahd. saga, nhd. Säge.

Einige dieser Gebrauchsgegenstände oder Bezeichnungen für unterschiedliche Alltagserscheinungen gab es auch vor der Übernahme des Fremdwortes, jedoch in anderer Form oder mit gewissem Unterschied in technologischer Hinsicht. So gebrauchten die alten Slawen statt dem Ausdruck kuhati das Verb variti, das auch heute noch verwendet wird, allerdings war das althochdeutsche Wort angemessener für die Bezeichnung der fortgeschrittenen Art dieser kulinarischen Aktivität als das urslawische variti, was auf eine Handlung am Feuerplatz referiert. Ähnlich auch die Synonyme mlin und das slawische žrvanj, das eine mit der Hand betätigte Mühle bezeichnete, während das althochdeutsche mulin, heute mlin, eine Mühle bezeichnete, die mithilfe von Wasserkraft bewegt wird.

Vom sprachlichen Aspekt ist, wie oben schon angedeutet, das Zusammenleben mit den Ungarn äußerst interessant, weil nämlich im Laufe der über 400 Jahre im gemeinsamen Staat die kroatische Sprache oftmals eine Mittlerrolle bei der Entlehnung deutscher Wörter ins Ungarische hatte, wie z.B. das kroatische Wort kuhinja, das aus dem althochdeutschen Wort chuchhina übernommen wurde und im Ungarischen durch Metathese zu konyha wurde. Ebenfalls einflussreich war auch die ungarische Sprache bei der Vermittlung deutscher Wörter ins Kroatische. In dieser Zeit wurde eine große Zahl deutscher Entlehnungen indirekt über das Ungarische übernommen (Talanga, 1990: 131). Sprachlich manifestiert sich diese Tatsache darin, dass die deutschen Wörter durch Metamorphose nach phonologischen und morphologischen Regeln der ungarischen Sprache in die kroatische gelangten. Die größte Zahl der Entlehnungen stammt aus dem Bereich der staatlichen Verwaltung und des Rechtssystems, was auch auf die Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens der Kroaten hindeutet (vgl. Hadrovics, 1985).

3.4 Entlehnungen in der mittelhochdeutschen Periode
3.4.1 Kolonisierung und Migration

Ethnokulturelle Kontakte der Menschen und Gemeinschaften wurden im Mittelalter noch mehr durch Migrationsbewegungen während des 12. Jahrhunderts gefördert. Sie führten dazu, dass Einwanderer aus den umliegenden Gebieten Teile des heutigen Kroatien besiedelten und sich dadurch an der Entwicklung der kroatischen Gesellschaft beteiligten. Die kroatischen Gebiete eigneten sich seit jeher wegen günstiger klimatischen und geografischen Bedingungen zur Besiedlung. Zu dieser Zeit kam es zur intensiven Kolonisierung, wobei die Hauptrichtungen der Besiedlung von Westen nach Süden und gleichzeitig von Norden nach Osten reichten. Aus dem Westen kamen Germanen, die den größten Einfluss auf kroatischen Gebieten hinterließen. Die ersten deutschen Einwanderer kamen im frühen Mittelalter (Geiger/Kučera, 1995: 85). Dies ist auch der Beginn der kontinuierlichen Verbindung Kroatiens zum deutschsprachigen Raum. Die neuen Zuwanderer hatten den Status von hospites bzw. Königsgästen. Dies war ein Beschluss des ungarischen Königs Stephan I. der Heilige (998–1035), der die „getreuen Gäste“ zur Urbarmachung des Siedellandes, Belebung von Wirtschaft und Handel, Abgaben im Frieden und Lebenseinsatz bei der Grenzverteidigung im Kriegsfall aufrief. Ihre Künste – Handwerk und Handel, wie auch unterschiedliche Sprachen hatten für den Staat eine große Bedeutung. Stephans Nachfolger führten seine Besiedlungspolitik weiter. Die Kolonisten besiedelten slawonische Grundbesitze und nahmen an der Gründung der ersten städtischen Siedlungen im Gebiet zwischen den Flüssen Save, Drau und Donau teil (vgl. Raukar, 1997: 141). Die älteste deutsche Siedlung in Kroatien befindet sich in Varaždin, dem König Andreas II. im Jahre 1209 den Titel einer freien Königsstadt verlieh. Das wichtigste Privilegium, dass den Einwohnern der Stadt damit zukam, war das Recht, ihren eigenen Richter zu wählen, den sie rihtar nannten (Gabričević, 2002: 28). Dieser Germanismus zeugt von dem großen Einfluss der deutschsprachigen Zuwanderer, obwohl diese Gebiete von deutschen Einwanderern erst nach dem Jahr 1527 im bedeutenderem Ausmaße besiedelt wurden. Nach dem Statut von Gradec, später Zagreb, wurde zwischen 1377 und 1436 der Stadtrichter abwechselnd gewählt: 1. lingua slavonica, 2. lingua hungarica, 3. lingua theutonica, 4. lingua latina = gallica. Im Privilegium von Vukovar aus dem Jahre 1231 sind folgende Zuwanderer angeführt: Deutsche, Sachsen, Ungarn und Slawen. Mit der Entwicklung dieser beiden Städte ging auch die Entwicklung der Städte Virovitica, Petrinja, Samobor, Zagreb, Križevci, Koprivnica u.a. unter Zuwanderung vieler Deutsche einher. Dazu trug vor allem die Goldene Bulle von König Bela IV. bei, der nach den Verwüstungen der Tataren im Jahre 1242 mit zahlreichen Privilegien Handwerker vor allem aus deutschen Ländern zur Zuwanderung bewegte. Aus diesen Siedlungen wurden schnell freie Königsstädte, so Gradec bei Zagreb, Samobor (1242), Križevci (1252), Petrinja, Jastrebarsko (1257) und andere (Antoljak, 1994: 61). Mit diesen Privilegien stieg das Vasallentum auf. Unter der Führung der Sachsen entwickelte sich der Bergbau in Bosnien. Besonders die Einwohner der Stadt Dubrovnik kamen mit ihnen in Kontakt, weil sie als Anmieter der Bergwerke und Händler mit den Kolonisten die gleichen Ortschaften bewohnten und somit sicherlich von ihnen Einiges übernahmen und lernten (Rešetar VDG, 1995: 102).1 Auch die anderen Küstenstädte Dalmatiens regten die Ansiedlung von fachlich gebildeten Zuwanderern an, insbesondere Handwerker, Notare, Ärzte und Lehrer. Die größte Zahl der Zuwanderer kam aus dem benachbarten Italien, aber viele kamen auch aus den westeuropäischen Ländern (Raukar, 1997: 141). Das kroatische Küstenland und Dalmatien standen sowohl kulturell als auch wirtschaftlich unter starkem Einfluss Italiens, so dass leicht der Eindruck gewonnen werden kann, dass dieser Teil Kroatiens nicht mit der deutschen Zivilisation in Berührung gekommen ist. Vom Einfluss des deutschen Elementes neben dem italienischen in dieser Zeit zeugt jedoch das älteste kroatische Rechtsdenkmal, das Gesetz von Vinodol aus dem Jahre 1288, das neben Italianismen (pošišion, tovarnar, kredenče, kvaderna, falso, mankaju)2 auch einige Germanismen enthält (Talanga, 1990: 133). So das Wort likovo, das heute die Bedeutung von «Getränk, das der Verkäufer (oder Besteller) dem Käufer (oder Arbeiter) nach dem abgewickelten Geschäft bezahlt» trägt. Dieses Wort erscheint im Gesetz von Vinodol in der Form likuf,3 was auf das mhd. lîtkouf zurückgeht. In den nordkroatischen Ortssprachen wird dafür aldumaš oder aldomaš gebraucht, was auf das ungarische Wort áldomás zurückgeht. Ebenfalls im Gesetz von Vinodol findet sich das deutsche Wort band in der Bedeutung von «Urteil oder Strafgeld». Dieses Wort kam in die kroatische Sprache voraussichtlich über das Italienische bando oder das Mittellateinische bannum, die beide auf das Deutsche Bann zurückgehen.4

Vereinzelt findet man auch in Urkunden Belege über deutsche Siedler an der Küste. Im Jahre 1454 wird unter den venezianischen Soldaten in Split ein gewisser Lodovicus Teutonicus erwähnt, der offensichtlich deutscher Herkunft war. Dass es noch mehr solcher Soldaten deutscher Abstammung gab, ergeht aus dem Beschluss des Rates der Zehn der Republik Venedig vom 23. März 1458, das Kroaten, Ungarn und Deutschen verbot, in den venezianischen Streitkräften in Dalmatien zu dienen. 1455 hat der Raber Vassal Nikola Scaffa im Namen seiner Ehefrau Jelena einen Vertrag mit dem Vizekommissar Martin Mojsović von der Insel Krk unterzeichnet, der von einem deutschen Notar namens Moses Guthnecker beeidet wurde. In Šibenik befanden sich im 15. Jahrhundert unter den venezianischen Soldaten auch sog. Stipiendiarii, Söldner deutscher Herkunft. Auf der Insel Rab wird 1499 ein Deutscher namens Jacobus de Colonia, ein offitialis curie magnifici domini comitis erwähnt. Auch einige Offiziere deutscher Herkunft werden in Dokumenten aus dieser Zeit erwähnt, wie z.B. der Kommandant der venezianischen Garnison in Šibenik, Christoph Martin von Degenfeld, oder etwas später der Kommandant der Armee der Republik Venedig, Marschall von der Schulenburg, Anfang des 18. Jh. der deutsche General Friedrich Nostritz und viele mehr. Es liegt der Schluss nahe, dass Deutsche noch im frühen Mittelalter nach Dalmatien zogen, jedoch dort keine sichtbaren Spuren in demographischer oder kultureller Sicht hinterließen (Pederin, 1995: 15).

Die Zuwanderer haben in der neuen Gemeinschaft das Bewusstsein über ihre Herkunft bewahrt, so auch ihr sprachliches und geistiges Erbe. Das hinderte sie jedoch nicht daran, sich vollkommen in die neue Gemeinde zu integrieren. So kam es zur vollständigen Assimilation, die nicht überall gleicher Intensität war. Vor allem Siedler deutscher Herkunft verweigerten den Prozess der Anpassung, worüber die Aufzeichnungen des Magistrats in Varaždin Zeugnis ablegen. War nämlich der Richter ein Deutscher, so wurden die Prozesse ausschließlich auf Deutsch geführt und nicht wie sonst auf Latein. Die deutschen Siedler hatten auch ihre eigenen Institutionen: eine Zeche, eine eigene bewaffnete Stadtverteidigung – compagniam germanicae nationis, eigene Schulen, alles mit der Absicht, die Stadt Varaždin zu einer deutschen Stadt zu machen (Gabričević, 2002: 46). Die deutschen Siedler brachten auch ein neues ethnisches Element mit, voller Fleiß und Unternehmungslust, das häufig übermächtig hinsichtlich der technischen Kultur war. Auf diese Weise haben die deutschen Siedler auf fruchtbare Art und Weise bestimmte gesellschaftliche und produktive Prozesse stimuliert, womit sie zum gesellschaftlichen Fortschritt und Entstehung des Bürgertums beitrugen (Štuka VDG, 1995: 97). Kolonisten, Handwerker und Händler haben als Träger der deutschen Sprache und Kultur nicht nur an der Gründung von Städten in den nordwestlichen Gebieten Kroatiens teilgenommen, sondern durch ihre Präsenz auch die wirtschaftlichen und sprachlichen Kontakte mit dem deutschsprachigen Raum gefestigt. Eine große Zahl deutscher Entlehnungen kam auf direktem Wege in die kroatische Sprache. Aus dieser Zeit stammen folgende Entlehnungen (Talanga, 1990: 132):

 kro. ceh < mhd. zech(e), nhd. Zeche;

 

 kro. cilj < mhd. zil, nhd. Ziel;

 kro. cimer «Handelswappen» < mhd. zimier < frz. cimier < lat. cyma;

 kro. cvek < mhd. zwëc, nhd. Zwecke;

 kro. cvilih < mhd. zwil(i)h, nhd. Zwillich;

 kro. drot < mhd. drāt, nhd. Draht;

 kro. falinga < mhd. *vaelunge, nhd. Fehler;

 kro. faliti < bair./österr. fālen, nhd. fehlen;

 kro. farba, farbati < mhd. varwe, dial. farben;

 akro. fištar < mhd. fister, vister, nhd. Bäcker;

 kro. funta < mhd. pfunt, nhd. Pfund;

 kro. galge < mhd. galge, nhd. Galgen;

 kro. gmajna < mhd. gemeine, nhd. Gemeindehutweide;

 kro. graba < ahd. grabo, nhd. Graben;

 kro. helam < mhd. helam, nhd: Helm;

 kro. hip < mhd. hieb, heute: Augenblick;

 kro. karta < mhd. karte < frz. carte < lat. charta < griech. chartes, nhd. Karte;

 kro. klaftar < mhd. klafter; nhd. Klafter;

 kro. klamfar < mhd. klampfer, nhd. Klampfe;

 kro. krama < mhd. krām, nhd. Krambude;

 kro. kuga < mhd. koge, heute: Pest;

 kro. ladica < mhd. lade, nhd. (Schub-)Lade;

 kro. lanac < mhd. lanne, heute: Kette;

 kro. lanci < dtsch. Lands(-knecht), Abkürz. von ital. lanzo;

 kro. lojtre < österr. loitr, dtsch.: Leiter;

 kro. malar < mhd. mālaere, nhd. Maler;

 kro. mantra < mhd. marter, nhd. Marter;

 kro. pancir, pancer < mhd. panzier < altfrz. pancier, nhd. Panzer < lat. pantex;

 kro. pintar < mhd. pinter, nhd. Fassbinder;

 kro. plac < frühnhd. plaz < frz. place, nhd. Platz;

 kro. pleh < mhd. blëch, nhd. Blech;

 kro. pošta < frühnhd. post, nhd. Post;

 kro. purgar < mhd. burgaere, nhd. Bürger (dial. Purger);

 kro. ribež < mhd. rīben, nhd. Reibeisen;

 kro. rihtar < mhd. rihtaere, nhd. Richter;

 kro. risati < mhd. rīzen, nhd. ritzen;

 kro. šalica < mhd. schāle, nhd. Schale;

 kro. šina < mhd. schine, nhd. Schiene;

 kro. šindra < mhd. schindel, nhd. Schindel;

 kro. šnicar < mhd. snitzaere, nhd. Schnitzer;

 kro. šnidar, žnidar < mhd. s(ch)nîder, nhd. Schneider;

 kro. sokla < mhd. sockel, nhd. Sockel;

 kro. šoštar < mhd. schuo(ch)ster, nhd. Schuster;

 kro. šporar < mhd. sporaere, nhd. Sporenmacher;

 kro. špot, špotati < mhd. spot, nhd. Spott;

 kro. štibra, štivra < mhd. stiura, nhd. Steuer;

 kro. tišlar < mhd. tischler, nhd. Tischler;

 kro. ura < mhd. ūr(e) < lat. hora, nhd. Uhr;

 kro. žlahta < mhd. slahte, nhd. (Ge-)schlecht (dial. Kschlacht).

Einige dieser Entlehnungen sind heute außer Gebrauch, weil auch die Dinge, die sie benennen heute nicht mehr gebraucht werden. Einige Entlehnungen sind den heutigen Sprechern in dieser Form nicht bekannt, sondern in der Form, in der sie einige Jahrhunderte danach erneut übernommen wurden, wie beispielsweise das kro. pekar vom deutschen Bäcker. Ein Teil der Wörter erhielt sich im Substandard der kroatischen Sprache. So gebraucht man in einigen kroatischen Dialekten auch heute noch die Wörter moler aus dem nhd. Maler (südd. dialektale Aussprache «moler»). Das Wort šnajder stammt vom deutschen Schneider statt dem mittelhochdeutschen šnidar oder žnidar, wie šuster statt šoštar vom nhd. Schuster. Der Ausdruck šoštar diente noch im 13. Jh. als Toponym für die neue deutsche Siedlung am Fuß der Stadtmauern von Gradec, die sie Schusterdorf bzw. Šoštarska nannten. Das Wort žlahta wird heute nur noch als Bezeichnung für die Weinsorte žlahtina gebraucht.