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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Die Art und Weise, wie die Abessinier ihre Gemälde entwerfen, die oft auch die Pergamentmanuskripte schmücken, beschreibt Salt. Der Maler machte zunächst einen genauen Entwurf seiner Zeichnung mit Kohle und überzog denselben dann mit Tusche. Der Gegenstand stellte zwei abessinische Reiter im Kampfe mit den Galla dar; die Kleider der Krieger, das Geschirr der Pferde, der Gesichtscharakter waren getreu nachgeahmt. Die Abessinier vergrößern in ihren Gemälden auf eine besondere Art das Auge und zeichnen die Figuren en face; nur Juden, Teufel u. s. w. werden im Profil gemalt. Die Farben sind äußerst grell: Grün, Roth, Blau und Gelb herrschen vor.

Wenden wir uns nun zur Betrachtung des Charakters der Abessinier, so treffen wir hier auf sehr widersprechende Urtheile, doch kann im allgemeinen behauptet werden, daß derselbe nach unsern europäischen Begriffen ein keineswegs vorzüglicher ist. Während z. B. Munzinger und Heuglin dem Volke mehr Gerechtigkeit widerfahren lassen, sind die Urtheile von Bruce, Rüppell, Krapf, Isenberg sehr herbe, und auch im eigenen Lande giebt es Leute genug, welche in die Verdammung einstimmen. Dahin gehörten vor allem der König Theodoros II. selbst und der im Jahre 1867 gestorbene Abuna (Erzbischof). Einzelne vorzügliche, durch Liebenswürdigkeit, edlen Charakter und Gelehrsamkeit ausgezeichnete Persönlichkeiten hat es jedoch immer gegeben und sie beweisen, daß in dem befähigten Volke noch nicht alle besseren Eigenschaften eingeschlummert sind. Der höchste Kirchenfürst des Landes, allerdings ein Ausländer, von dem selbst kein sehr erfreuliches Bild entworfen wird, schrieb 1843 an Isenberg: „Die Abessinier sind ein Volk, das weder nach Erkenntniß verlangt, noch Liebe zum Lernen zeigt, noch auch begreifen kann, daß Sie sein Bestes suchen. Was es will, ist, daß Sie ihm von Ihrer Habe mittheilen, nichts anderes. Wie kurz oder wie lange Sie sich auch in Abessinien aufgehalten haben mögen – können Sie immer noch glauben, daß die Abessinier seien wie andere Menschen, welche lernbegierig sind und nach Erkenntniß verlangen?“ Isenberg selbst ist von dem Volke keineswegs erbaut und hatte bei der ihm widerfahrenen Behandlung auch wenig Ursache hierzu. Rüppell, ein sehr nüchterner Beobachter, faßt sein Urtheil folgendermaßen zusammen: „Die Hauptzüge des moralischen Charakters der Abessinier sind: Indolenz, Trunkenheit, Leichtsinn, ein hoher Grad von Ausschweifung, Treulosigkeit, Hang zum Diebstahl, Aberglaube, dummstolze Selbstsucht, große Gewandtheit im Verstellen, Undankbarkeit, Unverschämtheit im Fordern von Geschenken und eine des sprüchwörtlichen Gebrauches würdige Lügenhaftigkeit.“ Mildernd setzt er hinzu: „In der Regel ist ihnen übrigens ein leutseliges, ungezwungenes Betragen eigen, weshalb eine oberflächliche Beurtheilung zu ihren Gunsten ausfällt.“ Dann weiter: „Zur Erregung eines bessern moralischen Gefühls trägt gar nichts in ihrem Leben bei, und ich muß durchaus dem beistimmen, was der Missionär S. Gobat als das Resultat eines beinahe einjährigen Aufenthalts in Gondar über den sittlichen Zustand dieser Stadt ausspricht, nämlich: „Alle Abessinier, wenn sie keine Regierungsgewalt zu fürchten haben, treiben das Räuberhandwerk. Ich kenne die Abessinier zu gut, als daß ich einen großen Werth auf ihre süßen Worte legen sollte. Ich bin traurig und niedergeschlagen, weil es mir vorkommt, als sei jeder Rettungsversuch vergeblich.““ Rüppell führt eine Menge diese Aussprüche charakterisirende Einzelheiten an, welche allerdings schlagende Illustrationen bilden; allen Ständen schreibt er gleich große Rohheit zu. Auch die Trägheit der Abessinier ist unglaublich. Jeder Ackerbautreibende bestellt nicht mehr Feld, als für den Bedarf seiner Familie nöthig ist, und an ein Aufspeichern von Vorräthen ist nicht zu denken. Jede Art von Handarbeit halten sie für etwas Entehrendes, und daher kommt es denn, daß fast die ganze Industrie des Landes in den Händen der Muhamedaner und Juden ist. Betrug im Handel, Verfälschung der Waaren sind gang und gäbe.

Alledem gegenüber klingt als Lobrede, was Werner Munzinger, allerdings einer der ersten Kenner des Landes und Volkes, sagt: „Ueber dieses Land darf ich wohl reden, denn auch sein Mensch steht uns kaum so fern. Er denkt, er träumt, er liebt und haßt ja auch; er fühlt wie wir, nur roher und oft viel natürlicher und freimüthiger. Soll denn das schwarze Gesicht immer ein schwarzes Herz bergen? Auch dort findest du mitleidige Herzen! Wenn der schneidende Abendwind dichte Nebel auf die Hochebene hinabregnet, da kann der Wegfahrer getrost anklopfen und auch des erfrorenen Bettlers harrt ein freundlicher Gruß, ein fröhlich loderndes Feuer und ein warmes, in Milch eingebrocktes Brot. Auch dort giebt es Ritter, Beschützer der Frauen und Schwachen. Der Mißhandelte findet seinen Advokaten. Auch Freunde kannst du erwerben, wenn auch nicht schnell, die am Tage der Gefahr dich beschirmen. Treue Liebe, glückliche Gatten sind nicht selten, und wie oft folgt die trauernde Gattin ihrem Herrn freiwillig in den frühen Tod! Du siehst in Hungersnöthen die Mutter mit hohlen Wangen, die Kinder frisch und munter, denn das letzte Brot spart sie für ihre Lieben auf. Unermüdet wacht die Gattin bei ihrem kranken Manne. Brave Söhne opfern jahrelange Arbeit, um ihrem alten Vater sorgenfreie Tage zu bereiten, Gefühl fehlt nicht und auch nicht Muth und Frohsinn; sie singen und tanzen die sternenhelle Nacht durch; Rhapsodien loben den Helden, den Löwentödter, den Menschenbezwinger. Freude und Leid wird ausgesungen; das Lied dient auch der Klage, es begleitet die Arbeit, es bejubelt die Hochzeit.“ Im grellen Gegensatz steht – gegenüber fast allen andern Berichten – was Munzinger hier über die ehelichen Verhältnisse bemerkt, und es scheint uns fast, als sei wenigstens hier ein rosiger Schimmer über seine Darstellungen ausgebreitet.

Hier muß erwähnt werden, daß die Blutrache in ganz Abessinien allgemein herrscht und daß eine ausgebreitete und mächtige Verwandtschaft daher als ein sehr bedeutendes Schutzmittel gilt. Zu Isenberg kam einst eine Frau in der größten Angst gelaufen mit der Bitte, er möge für ihren Mann beten, der am Morgen ohne Begleitung und ohne Waffen ausgegangen sei; dies habe sein ihm feindlicher Vetter benutzt, um ihm bewaffnet zu folgen. „Wir erfuhren, daß diese Feindschaft zwischen den beiden Vettern von ihren Vätern herrührt, die einander in tödtlicher Feindschaft umgebracht haben sollen. Auch die Vettern haben in ihren Streitigkeiten schon zehn ihrer Leute verloren.“ Salt lernte einen jungen Häuptling (Schum) Namens Schelika Negusta kennen, der einen Feind im Zweikampfe erschlagen hatte. Mehrere mächtige Verwandte des Gebliebenen bemächtigten sich seiner Person und führten ihn vor den Ras, welcher ihn nach dem Gesetze zum Tode verdammte und zwar wurde er nach mosaischem Gebrauch den Verwandten des Ermordeten übergeben, damit diese nach Gefallen mit ihm umgehen möchten. Gewöhnlich wird bei solchen Gelegenheiten der Thäter nach dem Markte geführt und dort zu Tode gespeert, und so sollte es auch dem Schelika Negusta ergehen, als die Osoro’s (Prinzessinnen), von seiner Schönheit gerührt, sich hinter die Geistlichkeit steckten und durch deren Banndrohungen es vermochten, daß der der Blutrache Geweihte gegen eine hohe Geldsumme freigegeben wurde.

Die Justiz wird in Abessinien ungemein willkürlich gehandhabt. Ein oberster Gerichtshof hatte in der Residenz seinen Sitz und entschied in weltlichen Angelegenheiten als letzte Instanz. Bezüglich der Todesurtheile steht dem Könige die Entscheidung zu. Dieser hält wöchentlich mehrere Mal öffentliche Audienz in seinem Palaste, wobei Jedermann Zutritt hat. Hier läßt er sich Klagen und Vertheidigung vortragen, verhört die vorgeladenen Zeugen und giebt nach Berathung mit den Gerichtsbeisitzern seinen Spruch ab, dem jedoch die ausübende Kraft fehlt und der daher mehr als Gutachten angesehen werden muß. Ist der König verreist, so wählen sich die Parteien selbst ihren Schiedsrichter. In den Provinzen entscheidet der Gouverneur und zwar gleichfalls öffentlich, in der Regel auf einem Hügel in der Nähe der Stadt. Rüppell wohnte einer solchen Gerichtssitzung zu Angetkat in Semién bei. Der Gouverneur saß auf einem Flechtstuhle und ringsumher lagen die Zuhörer im feuchten Grase. Es handelte sich um eine Ehescheidung, bei der sowol Mann wie Frau ihre Sache persönlich vortrugen und zwar beide mit vieler natürlicher Beredsamkeit. Die Umstehenden sprachen fortwährend laut dazwischen und machten ihre Bemerkungen über den Gang der Unterhandlungen. Endlich ward Ruhe geboten und der Gouverneur verkündigte das Urtheil, worauf er beide Parteien mit einem „Marsch!“ entließ.

Bei diesen Verhandlungen wird das geschriebene Gesetzbuch Abessiniens, das Feta Negust (die Richtschnur des Königs) nur selten angewandt, da man es meist nur bei verwickelten Rechtsfällen zu Rathe zieht. Es soll angeblich unter Konstantin dem Großen durch die auf dem Konzil zu Nicäa versammelten Kirchenväter zusammengestellt worden sein. Das Feta Negust besteht aus zwei Abtheilungen, von welchen die eine das kanonische, die andere das bürgerliche Recht behandelt; beide zusammen haben 51 Unterabtheilungen. Die 22 Paragraphen des kanonischen Rechts handeln von der Rechtgläubigkeit, der Geistlichkeit, der Kirche, der Verwaltung von deren Eigenthum, vom Gottesdienst, den Feiertagen, der Ketzerei u. s. w.; die 29 Paragraphen des bürgerlichen Rechtes von der Dienstbarkeit, der Ehe, dem Wucher, Erbschaft, Kauf, Zeugnissen, gefundenen Sachen, Grundeigenthum, Todtschlag, Diebstahl, Strafen u. s. w. Interessant ist die von Rüppell nicht ohne Grund ausgesprochene Ansicht, daß als Verfasser dieses Gesetzbuches vielleicht der protestantische deutsche Missionär Pater Heyling von Lübeck anzusehen sei, der im Jahre 1634 nach Abessinien kam.

Alle Gesetze jedoch, so gut sie sein mögen, hindern das Volk nicht in seinem faulen, zügellosen und namentlich in geschlechtlicher Beziehung außerordentlich liederlichen Lebenswandel fortzufahren, und die zahlreiche Geistlichkeit thut nicht das Geringste, um dem wüsten Treiben Einhalt zu thun, ja sie geht mit schlechtem Beispiel voran. Da kann es denn, wo für Aufklärung und Schulen so gut wie gar nicht gesorgt wird, nicht Wunder nehmen, daß unter diesen Christen die abenteuerlichsten Vorstellungen und der seltsamste Aberglaube im Schwunge ist.

 

Nach den abergläubigen Ansichten der Abessinier hat jeder Mönch, jeder Einsiedler, jeder Zwerg die Fähigkeit, in die Zukunft schauen und weissagen zu können. Geschriebene Talismane werden unter die Saat gemischt, damit sie gut keime, und kein Abessinier besteigt sein Maulthier, ohne sich vorher mit einer solchen Papierrüstung versehen zu haben, die ihn angeblich stich- und kugelfest machen soll. Amulete spielen derart eine große Rolle und schützen den Inhaber gegen jede vorhergesehene oder unvorhergesehene Gefahr. Der Tulsim, ein Gürtel, an dem kleine Ledertäschchen hängen, enthält diese schützenden Papierschnitzel, welche Männer, Weiber, Kinder tragen und die selbst der König für unentbehrlich hält. Auch übt der Einfluß des bösen Auges eine große Macht auf alle Abessinier aus; böse Geister durchschwärmen nach ihrer Vorstellung die Erde und das Wasser. Häufig wendet man das Besa oder Krankenopfer an, indem man unter Singen und Schreien um das Lager des Patienten einen Ochsen treibt und denselben dann vor dem Hause schlachtet. Kein Abessinier wird an einem Sonnabend oder Sonntag eine Schlange zu tödten wagen, weil an diesen Tagen jene Thiere als ein glückverheißendes Omen erscheinen. Uebereinstimmend mit den heidnischen Galla bringen die Christen im Juni dem Sar (bösen Geiste) Dankopfer dar, obgleich dieser Götzendienst durch Verordnungen aufs strengste untersagt ist. Drei Männer und eine Frau, die mit dem Bösen in Verbindung stehen, versammeln sich dann, um in einem frisch ausgekehrten Hause die Ceremonie vorzunehmen; eine ingwerfarbige Henne, eine röthliche Gais oder ein Ziegenbock mit weißem Halsringe werden geopfert und das Blut der Thiere, mit Fett und Butter gemischt, während der Nacht auf einen engen Pfad gesprengt, damit alle Darübergehenden das Uebel des Kranken an sich nehmen, zu dessen Gunsten das Opfer dem Sar dargebracht wurde.

Das Aechzen der Wassernixen hört der abergläubige Abessinier in jedem Wasserfall, und der Unglückliche, welcher im plötzlich angeschwollenen Wildbache ertrinkt, wird als Speise der bösen Wassergeister angesehen. Verschiedene Pflanzen und Kräuter besitzen zauberische Eigenschaften, so ein Gras (Fegain), das, heimlich auf den Gegner geworfen, diesem Krankheit und schleunigen Tod bringt. Zauberer und Sterndeuter, durchaus keine seltenen Erscheinungen in Abessinien, erreichen nach der Volksmeinung das anständige Alter von vier- oder fünfhundert Jahren; sie fliegen mit der Windsbraut durch das ganze Land, erscheinen plötzlich und ungesehen in der schmausenden Gesellschaft und nehmen ihr die leckersten Fleischbissen vor der Nase weg.

Vor dem sterblichen Auge verborgen liegt irgendwo im Lande das zauberhafte Dorf Duka Stephanos, ein Paradies auf Erden, das, alle irdischen und himmlischen Freuden in sich vereinigend, die Sehnsucht des wunderliebenden Volkes im hohen Grade erregt. Seine grasigen Auen und prächtigen Wälder laden zum süßen Schlummer ein, und am heitern Ufer des Nil, der seine blauen Fluten durch die prächtige Landschaft rollt, wandern die schönsten Weiber. Dort fließen die köstlichsten Getränke in nimmer versiechendem Strome, und die Erde bringt saftige Früchte in unendlicher Fülle ohne Arbeit hervor. Doch in zauberische Nebel verhüllt, öffnet dieses Elysium seine Pforten nur Menschen von untadelhaft schönem Aeußern, die das Wohlgefallen der Bewohner von Duka Stephanos erregten.

Zwerge werden mit einem gewissen Respekt behandelt und sind Gegenstände der Furcht; viele unter ihnen sind gerade die gelehrtesten Leute des Landes. So war der Beichtvater Sahela Selassié’s, des Königs von Schoa, ein wahrer Asmodeus in seiner Erscheinung, doch dabei ein liebenswürdiger und ungemein weiser Mann, der sich vor seinen Landsleuten in geistiger Beziehung bedeutend auszeichnete. Auch die Großen des Landes wählen sich gern mißgestaltete und zwerghafte Leute zu Sekretären.

Ganz besonders mit übernatürlichen Kräften ausgestattet erscheint aber der Grobschmied oder Budak, da er sich nach Belieben in einen Wolf oder eine Hyäne zu verwandeln und Menschenfleisch zu fressen vermag. Dem bösen Blicke eines Schmiedes wird gewöhnlich Krankheit und Unglück zugeschrieben. Hailo, der Vater Ubié’s, des früheren Herrschers von Tigrié, gab einst Befehl, alle Schmiede, die in seinem Reiche wohnten, niederzumachen, um weiteres Unglück zu verhüten. Ueberall bluteten die unschuldigen Opfer, dem Manne aber, der dieses abergläubige Werk vollbracht, jubelten dankbar die Herzen des Volkes zu, das sich von einem Alp befreit glaubte. Nicht weniger als 1300 der nützlichen Eisenarbeiter sollen damals (zu Anfang dieses Jahrhunderts) ihr Leben auf diese grausame Art verloren haben. So berichtet wenigstens Harris, dem wir hier gefolgt sind. Indessen genügt die Gegenwart irgend eines christlichen Emblems oder der Heiligen Schrift, um die üblen Wirkungen der Schmiede zu neutralisiren. Kein Metall kann in Gegenwart des Kreuzes geschweißt werden. Als die britische Gesandtschaft in Schoa war, mühten sich ein paar eingeborene Schmiede mit ihren kleinen Blasebälgen vergeblich ab, einen Reifen um das Rad einer Kanonenlaffete zu schmieden. Sie erklärten nun, daß die Gegenwart irgend eines Theils der Heiligen Schrift ihrem Geschäfte hinderlich sei. Schnell warfen alle Anwesenden ihre Amulete weg; die Blasebälge arbeiteten von Neuem, aber das Metall war nicht in Fluß zu bringen. Nun wurden englische Blasebälge gebracht, und als die Funken vor der Windröhre davon sprühten, war das Eisen in fünf Minuten weißglühend und der Reif aufgeschweißt. Die einheimischen Magier baten aber, dergleichen Proben in Zukunft zu unterlassen, da sonst ihr Ansehen verloren ginge!

Da der Handel großentheils in den Händen der Muhamedaner, die Gewerbthätigkeit meistens bei den Juden ist, so bleiben für den christlichen Abessinier das Kriegshandwerk, die Geistlichkeit, Jagd, Ackerbau und Viehzucht als Erwerbszweige übrig.

In der wildreichen Kola, die mit ihren grasreichen Niederungen den Elephanten, Büffeln und Antilopen ein willkommener Aufenthalt ist, tritt uns der Eingeborene oft als kühner Jäger entgegen. In den meisten Hütten der Kola von Eremetschoho fand Rüppell getrocknete Elephantenrüssel oder die Schweife von Büffeln, welche als Zeichen des persönlichen Muthes aufbewahrt wurden. Als einzige Waffe dient den Riesen der Wildniß gegenüber der Speer. Doch ist im Allgemeinen die Jagd nur ein nebensächlicher Erwerbszweig.

Der Abessinier der Hochlande dagegen ist vorzugsweise Ackerbauer und Viehzüchter, und nach den Produkten dieser Thätigkeit richtet sich auch seine Nahrungsweise. Die Nachricht, daß die Abessinier große Freunde rohen Fleisches (Brundo) seien, drang zuerst durch Bruce nach Europa. Man glaubte ihm jedoch nicht, bis dann spätere Reisende Alles bestätigten, was er erzählt hatte. Bruce berichtete, daß, wenn die Gesellschaft zum Essen versammelt gewesen sei, man eine Kuh oder einen Ochsen vor die Hütte geführt habe. Man bindet dem Thiere die Füße, macht unten am Halse in die Haut einen Einschnitt bis an das Fett und läßt fünf bis sechs Tropfen Blut auf die Erde fallen. Dieses geschieht, um das Gesetz zu beobachten. Dann fallen einige Leute über das Thier her, ziehen ihm die Haut vom Körper bis in die Mitte der Rippen ab und schneiden aus den Hintervierteln dicke viereckige Stücke Fleisch heraus. Das schreckliche Gebrüll des unglücklichen Thieres ist ein Zeichen für die Gesellschaft, sich zu Tische zu setzen. Statt der Teller legt man jedem Gaste runde Tiéfkuchen vor, die als Zuspeise und Serviette zugleich dienen. Herein treten zwei oder drei Diener mit viereckigen Stücken Rindfleisch, welches sie in den bloßen Händen tragen; sie legen dasselbe auf Tiéfkuchen; der Tisch ist ohne Tafeltuch. Die Gäste halten schon ihre Messer bereit. Jeder Mann schneidet mit seinem krummen Säbelmesser kleine Stücken Fleisch herunter, in welchen man noch die Bewegung der Fasern, das Leben, wahrnimmt. In Abessinien speist sich kein Mann selbst und rührt seine Kost nicht an. Die Frauenzimmer nehmen diese Stücken und schneiden sie erst in Streifen von der Dicke eines kleinen Fingers und dann in Würfel. Diese legt man auf ein Stück Tiéfbrot, das stark mit Pfeffer und Salz bestreut ist und wie eine Rolle zusammengewickelt wird. Dann steckt der Mann sein Messer ein, setzt beide Hände auf die Kniee seiner Nachbarinnen und wendet sich mit vorgebeugtem Leibe, gesenktem Kopfe und aufgesperrtem Maule zu derjenigen Nachbarin, welche die Rolle zuerst fertig hat. Diese stopft ihm das ganze Stück in den Mund, der davon so voll wird, daß der Mann in Gefahr geräth zu ersticken. Je vornehmer der Mann, um so größer ist das Stück, und es wird für sehr fein gehalten, wenn er beim Essen recht stark schmatzt.

Wie gesagt, dieses Verzehren von rohem Beefsteak erregte in England allgemeines Aufsehen und Bruce stand als Lügner gebrandmarkt da. Hören wir nun, was spätere Reisende über diesen Gegenstand berichten. Salt, der mehr als dreißig Jahre später in Abessinien war, bezüchtigte Bruce der Unwahrheit, indem er erzähle, es sei Gewohnheit bei den Abessiniern, sich am Fleische noch lebender Thiere nach Art des Polyphem zu ergötzen; doch stellt er keineswegs in Abrede, daß rohes Fleisch, je frischer, je lieber, ihr größter Leckerbissen sei. Rüppell (1832) berichtet an mehr als einer Stelle seines Reisewerkes, wie er gesehen habe, daß die Leute noch zuckendes Fleisch genossen hätten. Er sagt: „Dasjenige Fleisch, welches noch seine natürliche Wärme hat und bei dem die Muskelfasern noch unter dem Messerschnitte zucken, gilt für einen besondern Leckerbissen. Das Fleisch wird von den Abessiniern meistens roh verzehrt, wiewol in den von mir bereisten Provinzen jetzt nie anders, als nachdem das geschlachtete Thier ausgeblutet hat. Der barbarische Gebrauch, Stücke Fleisch von einem noch lebenden Thiere herauszuschneiden, welchen Bruce beschrieben hat, mag zur Zeit seines Aufenthaltes in Gondar stattgefunden haben, ist aber sicherlich dort in neuerer Zeit nicht mehr etwas Gewöhnliches. Daß derselbe indessen in andern Gegenden Abessiniens auch jetzt noch zuweilen vorkommt, behaupte ich trotz des Widerspruchs Salt’s und der ganz grundlosen Kritiken, welche die Franzosen Combes und Tamisier über Bruce veröffentlichten.“ Der Missionär Isenberg (1843) bezweifelt dagegen wieder die allgemeine Richtigkeit der Angabe von Bruce und stellt jene Thatsache als Aushülfe in Nothfällen hin, „wo z. B. auf einem Marsche befindliche Soldaten in gewisser Entfernung von ihrem Lagerplatz, wenn sie der Hunger ereile, dem Vieh, welches sie vor sich hertreiben, ein Stück Fleisch aus dem Hinterviertel herausschneiden und verzehren, die leere Stelle mit Heu oder anderm Material ausfüllen, die abgelöste Haut wieder darüberziehen und dann das Thier bis zu ihrem Lagerplatz treiben, wo seinem Leben ein Ende gemacht werde.“ Entscheidend möchte jedoch Folgendes sein.

Als der Reisende Apel im Januar 1865 zu Wochni gefangen genommen und nach Gondar geschleppt wurde, setzte man ihn auf ein Pferd, das vermittels eines Seiles von etwa 3 Ellen Länge an dasjenige eines ungeheuren Abessiniers befestigt war. „Auf diesem Ritt von Wochni nach Gondar habe ich mit eigenen Augen das gesehen, was von Bruce so standhaft behauptet und von der ungläubigen Civilisation bestritten wurde, – nämlich das Herausschneiden des Fleisches von noch lebenden Thieren und das Genießen desselben, während das Thier noch im Todeskampfe liegt. Es wurden ihm von den Christen die Füße gebunden, es fiel auf die Seite, und alsbald schnitt man ihm Stücke Fleisches aus dem Rumpfe, welche, noch zuckend von der Muskelbewegung, gierig von den Christen verschlungen wurden. Das Thier verblutete und blieb dann eine Beute der Schakale. Mir wurde ein blutiges zuckendes Stück Fleisch zugeworfen und ich habe, so widerwärtig mir das Ganze auch war, doch den größten Theil desselben verzehrt, so arg hatte mich der Hunger mitgenommen, denn seit zwei Tagen hatte ich nichts genossen. Dieselbe Kost wurde mir während der ganzen Reise angeboten.“ Krapf endlich sah in Schoa, wie Soldaten einem lebendigen Schafe ein Bein abschnitten, das Thier nicht tödteten und das rohe Fleisch vom Knochen sogleich abnagten!

Nicht viel weniger widerwärtig ist die Art und Weise, wie die Abessinier ihr übriges Fleisch zubereiten und überhaupt ihre Nahrung zu sich nehmen, sodaß man bei ihnen wol vom „Fressen“ sprechen kann.

Schafe und Ziegen werden in Gegenwart der Gäste geschlachtet und abgehäutet, dann die noch zuckenden Glieder etwa fünf Minuten über ein Flammenfeuer gehalten und die äußerste Lage Fleisch, die kaum durchröstet ist, mit Brotkuchen und reichlicher Pfeffersauce genossen. Salz wird in langen, gewundenen Antilopenhörnern umhergereicht. Während des Essens selbst wird nicht getrunken, unmittelbar nach demselben gehen jedoch Glasflaschen, sogenannte Berille, mit gegohrenem Honigwasser herum. Der Ueberbringer desselben gießt dabei, indem er eine Flasche darreicht, eine Kleinigkeit davon in die hohle Hand und trinkt sie vor dem Gaste aus, um demselben damit zu zeigen, daß der Trank nicht vergiftet sei. Auch die zubereiteten Speisen erscheinen für einen Europäer sehr widerlich, denn bei vielen wird ein Oel aus den Samenkörnern der Nukpflanze von sehr unangenehmem Geschmack zugesetzt.

 

Die Abessinier können ganz unglaubliche Portionen verschlingen und die Gefahr, dabei zu ersticken, welche Bruce scheinbar übertreibend anführt, wird auch von Rüppell hervorgehoben. Eine Hauptsache beim Essen ist jedoch, daß sie die Kauwerkzeuge unter lautem Geschmatze und Geschnalze bewegen müssen. Ländlich, sittlich! und diese „Sitte“ gilt nicht nur in den niederen Klassen, sondern auch bei Hofe, selbst in unsern Tagen bei Theodoros II. Dieser hatte den Missionär Stern zur Tafel geladen; die Mahlzeit bestand, da gerade Fasttag war, einfach aus Tiéfkuchen und Honigwasser. „Da machte ich“, erzählt Stern, „einen Verstoß gegen die Sitten des vornehmen Lebens. Nach abessinischen Begriffen muß jeder Mann aus der Aristokratie beim Essen schmatzen wie ein Schwein. Davon wußte ich leider nichts; ich aß so, wie wir in Europa es für schicklich halten, aber das trug mir den Tadel der Gesellschaft ein; die Leute raunten sich allerlei ins Ohr. Endlich fiel mir die Sache auf, und ich fragte den Engländer Bell, ob ich etwas Unangemessenes gethan habe. Bell entgegnete: Gewiß haben Sie das. Ihr Betragen ist so ungentlemanly, daß alle Gäste glauben müssen, Sie seien ein Mensch ohne alle Erziehung und Bildung und gar nicht gewohnt, sich in anständiger Gesellschaft zu bewegen. – Nun, wodurch habe ich denn eine so schmeichelhafte Meinung verdient? – Einfach durch die Art und Weise wie Sie essen. Wenn Sie ein Gentleman wären, so würden Sie das bei Tafel beweisen; Sie müssen recht laut und derb schmatzen und Keiner wird bezweifeln, daß Sie ein Mann von Stande seien. Da Sie aber nicht schmatzen und die Speisen lautlos kauen, so glaubt hier Jeder, daß Sie ein armer Tropf sind. – Ich erklärte dann den abessinischen Aristokraten, daß bei mir zu Lande, in Europa, eine andere Sitte herrsche, und damit brachte ich die Dinge wieder in richtigen Zug.“ –

In der Kleidung der Abessinier walten selbstgesponnene und gewebte Baumwollenstoffe vor. Wie im Orient noch immer, so spinnen auch die Frauen die gereinigte Baumwolle mit der Spindel aus freier Hand; mit dem Weben beschäftigen sich jedoch vorzugsweise die Muhamedaner. Die Kleidung der Männer besteht aus weiten Unterhosen, einem langen, um die Brust und den Leib geschlungenen Gürtel, der eine Ausdehnung von zuweilen 100 Ellen hat, und einem weiten faltigen Mantelüberwurf, welcher aus einem großen Stücke Zeug besteht, das bei Vornehmen mit einem faltigen Rande versehen ist. Mehr ist von der weiblichen Kleidung zu berichten. Sie besteht aus einem großen Hemde mit weiten, jedoch an der Handwurzel eng zulaufenden Aermeln. Darüber tragen sie den Umschlagmantel gleich den Männern. Außer einigen Seidenstickereien am Hemde zeichnet noch der Putz die abessinischen Schönen aus. Ohrringe oder Rosetten, welche eine Goldblume vorstellen, sind ein sehr beliebtes Schmuckmittel, desgleichen silberne Halsketten und dicke Ringe an den Fußknöcheln, beide öfter mit kleinen Silberglöckchen behängt. Das Haupthaar der Frauen ist gewöhnlich kurz abgeschnitten oder es wird, wenn es in seinem natürlichen Zustande bleibt, mit Anwendung von vieler Butter in dünne anliegende Zöpfchen geflochten. Auch hier ruft, wie bei unseren Damen, die Mode sehr häufig Aenderungen der Haartracht hervor, die genau befolgt werden. Stirnbänder oder Schuhe von rothem Leder kommen nur ausnahmsweise vor. Luxusartikel der männlichen Kleidung sind Arm- und Stirnbänder als Ehrendekorationen. Die blaue Schnur von Seide oder Baumwolle, welche als Zeichen des Christenthums gilt, wird allgemein getragen.

Diese allgemeine Tracht erleidet natürlich vielerlei Ausnahmen. In den Grenzländern findet man fast ganz nackte Leute, die nur den Leibschurz tragen; in Schoa hatte allein der König das Recht, sich mit goldenen Dingen zu schmücken. In Foggera, östlich vom Tanasee, tragen Frauen und Mädchen große gegerbte Lederhäute, welche zugleich Nachts als Schlafmatratze dienen. Beim Gehen verursacht dieser lederne Leibrock ein sonderbares Geräusch. In den hohen Alpengegenden der Provinz Semién schützen sich die Bewohner gegen das harte Klima durch eine Art von ambulantem, aus Rohrdecken zusammengeflochtenem Schutzdache (Gassa), welches sie beständig mit sich herumtragen, um ihre durch dürftige Lumpen nur zum Theil bedeckten Körper gegen plötzliche Regengüsse und Schneegestöber zu verwahren; ein anderes Schutzmittel gegen die schneidende Luft in den Hochlanden sind Kappen von Ziegenhaar, die bis über die Ohren gehen. Als Zeichen der Ehrerbietung zieht der Abessinier bei Begegnungen den die Schultern bedeckenden Theil seines Kleides (Schama) herab und vor dem Landesherrn erscheint er nur gegürtet, d. h. er schlägt die den Oberkörper bedeckenden Theile des Kleides über dem Gürtel um den Leib, während ein Hochgestellter in Gegenwart untergeordneter Personen sich das Gesicht vom Kinn bis über den Mund verhüllt.

Sauberkeit ist keine Tugend der Abessinier, und ihre Wohnungen wie ihre Körper zeigen oft den höchsten Grad von Schmuz. Merkwürdig ist, daß in ganz Abessinien das Waschen der Kleidungsstücke Sache der Männer und nicht der Frauen ist. Statt der Seife bedienen sie sich der getrockneten Samenkapseln des Septestrauches (Phytolacca abessinica), welche zwischen Steinen zu Mehl gerieben und dann auf einem Leder mit Wasser gemischt werden; das zu waschende Tuch wird hierauf in dieser Mischung mit den Füßen gestampft, worauf es, nachdem die Operation einige Male wiederholt wurde, von jedem Schmuze befreit ist. Die Bewohner der Küstengegend bei Massaua, wo es keine Septe giebt, bedienen sich statt der Seife beim Waschen getrockneten Kameelmistes.

Das sehr ungeregelte Leben der Abessinier ist auch die Ursache vieler Krankheiten, die große Verheerungen unter ihnen anrichten. Geschlechtliche Vergehen und Krankheiten sind allgemein verbreitet, ebenso Krätze und die arabische Gliederkrankheit; bei letzterer schnurrt die Haut an den Finger- oder Zehengelenken zusammen, das Glied stirbt nach und nach ab und löst sich endlich ganz vom Körper. So verliert der Kranke ein Glied der Finger und der Zehen nach dem andern, bis der nackte Stumpf der vier Gliedmaßen allein übrig geblieben ist und der sonst scheinbar gesunde Mensch zum hülflosen Geschöpf wird. Der Verlauf und die Unheilbarkeit dieser erblichen Krankheit ist in Abessinien sehr wohl bekannt, und den Kranken überfällt, wenn er die ersten Anzeichen spürt, natürlicherweise Schwermuth. Die Filaria oder der Medinawurm kommt ziemlich häufig vor, ist aber meistens nur eingeschleppt. Der Keim dieses Schmarotzers dringt in das Wadenfleisch der Menschen ein, bildet sich dort aus und verursacht die größten Schmerzen, gegen welche man mit Glück Zibethmoschus anwendet; Kröpfe und Kretinismus finden sich in einigen Gegenden; die Blattern richten periodisch große Verwüstungen an; Schwindsucht und Augenentzündungen sind häufig. Die einheimischen Aerzte (Tabib) können nur als Charlatans angesehen werden. Es existiren auch medizinische Werke, darunter eins mit dem Titel „El Falasfa“, dessen mitunter höchst lächerliche Vorschriften sympathetischer und mystischer Art sind. Auch die Geistlichkeit verlegt sich auf das Kuriren, und Rüppell sah, wie ein Knabe, der über und über mit Brandwunden bedeckt war, mit Honig und dem Blute eines schwarzen Huhns von einem Priester bestrichen wurde. Nach vier Stunden gab derselbe seinen Geist auf. Die „bösen Geister“ werden von den Priestern gleichfalls vertrieben, wie Isenberg selbst zu beobachten Gelegenheit hatte. Der Geistliche ließ sich einen Topf mit Wasser geben, las darauf schnell einige Gebete aus dem Buche Haimanot (Glaube) und spuckte dann mehrere Male in das Wasser. Isenberg machte ihm Vorwürfe hierüber, allein der Priester ließ sich nicht aus der Fassung bringen und besprengte mit der Flüssigkeit das Haus, welches solchergestalt von allen Unholden befreit wurde. Freilich ist dieses Verfahren von dem bei uns immer noch geübten Exorzismus nicht weit entfernt, und es steht uns daher wenig an, darüber viele Worte zu verlieren, so lange wir selbst nicht frei von ähnlichen Thorheiten sind.