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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Nun sollten auch die Deutschen ihren Theil an der Erforschung oder vielmehr Bekanntmachung Abessiniens haben. Im Jahre 1681 erschien zu Frankfurt am Main ein glänzendes literarisches Meisterstück deutscher Gelehrsamkeit, Hiob Leutholf’s (Ludolf’s) klassische „Historia aethiopica, sive brevis et succincta descriptio regni Habessinorum, quod vulgo male Presbyteri Joannis vocatur“, welcher noch mehrere Kommentare und Anhänge folgten. Die Natur des Landes und seine Einwohner, die Geschichte, die Religion und kirchlichen Verhältnisse, die Literatur Abessiniens werden darin ausführlich behandelt. Große Hülfe bei der Ausarbeitung seiner Werke erhielt Leutholf von dem amharischen Patriarchen Abba Gregorius, der kurze Zeit am Hofe des Herzogs Ernst von Sachsen-Gotha weilte und dessen Porträt in dem Kommentar mitgetheilt ist. Die Kleidung der Einwohner, Abbildungen der Pflanzen und Thiere, der Alterthümer des Landes sind in einer für die damalige Zeit sehr treuen Wiedergabe in den Werken Leutholf’s enthalten, der uns auch die Korrespondenz der abessinischen Könige mit den Königen Spaniens, ein Verzeichniß äthiopischer Manuskripte, Gebete und Liturgien, den abessinischen Kalender u. s. w. übermittelt hat und dessen Werk fast ein Jahrhundert lang die vorzüglichste Quelle über Abessinien blieb. Kurz darauf, nachdem Leutholf seine äthiopische Historie veröffentlicht hatte, durchzog 1698 der französische Arzt Poncet das ganze Land, indem er, von Sennar ausgehend, über Amhara und Tigrié bis Massaua gelangte. Gründlicher als alle seine Vorgänger förderte aber 70 Jahre später, durch Leutholf’s Geschichte angeregt, der Schotte James Bruce unsere Kenntniß des Landes durch Sammlung geschichtlicher Urkunden und Quellen, sowie durch genaue astronomische Ortsbestimmungen.

James Bruce, geboren den 14. Dezember 1730 zu Kinnaird in Schottland, wird für alle Zeiten als einer der bedeutendsten unter den abessinischen Reisenden dastehen. In Algier, wo er 1763 als englischer Konsul angestellt worden war, beschäftigte er sich eifrig mit dem Studium der morgenländischen Sprachen und machte von dort aus Reisen längs der Küste des Mittelmeers, den Nil aufwärts bis Syene und nach Baalbek und Palmyra in Asien, wo er die berühmten Alterthümer zeichnete. So vorbereitet trat er im Jahre 1769 seine große Reise an, auf der er von Massaua unter großen Mühen und Gefahren bis Gondar gelangte, wo er sich bei der hier ausgebrochenen Blatternseuche durch Anwendung europäischer Heilmittel sowol bei Hofe als im Volke großes Ansehen erwarb und Gelegenheit fand, in alle Einzelheiten des Volkslebens einzudringen, sowie mit dem furchtbaren Ras Michael freundlich zu verkehren. Er blieb über drei Jahre in Abessinien, fand die Quelle des Abai oder Blauen Nil im Südwesten des Tanasees und brachte ein ganzes Jahr damit zu, seine Reise nördlich durch das Land der wilden Schankela oder Schangalla (Heiden) und Nubien nach Alexandria fortzusetzen, das er im Mai 1773 glücklich erreichte. Seine Reisebeschreibung (Travels into Abyssinia) gab er in fünf Bänden erst 1790 zu Edinburg heraus, worauf er bald (16. April 1794) durch einen Sturz von der Treppe sein Leben endete. Er, der so vielen Gefahren getrotzt, so große Mühen und Beschwerden muthig ertragen, endete auf diese Weise! Die letzten vier Jahre seines Lebens waren ihm noch außerordentlich verbittert worden. Als er sein umfangreiches Werk veröffentlichte, fand das Publikum darin eine solche Menge von ungewöhnlichen Nachrichten, Uebertreibungen und Ungeheuerlichkeiten, daß man den Reisenden kurzweg für einen Lügner erklärte. Er wurde mit Zuschriften bestürmt, die weisen Kritiker behandelten ihn unbarmherzig, und namentlich konnte man sich über die Angabe, daß die Abessinier rohes Fleisch von lebenden Thieren genössen, nicht beruhigen, eine Angabe, auf die wir ausführlich zurückkommen. Man nannte ihn Mr. Mendax, Herr Lügner; aber die Zeit hat ihn gerechtfertigt, wenn er selbst auch nicht die Genugthuung erlebte, die Zweifler bekehrt zu sehen.

Drei Jahrzehnte waren seit Veröffentlichung von Bruce’s so oft angefochtener Beschreibung verflossen, als die englische Regierung den ersten Entschluß faßte, mit dem merkwürdigen abessinischen Volke in Verbindung zu treten. Lord Valentia wurde zu Anfang dieses Jahrhunderts beauftragt, eine Reise ums Kap der guten Hoffnung herum nach dem Rothen Meere zu machen, die ganze ostafrikanische Küste wissenschaftlich zu untersuchen, besonders die genauesten Nachrichten über Abessinien einzuziehen und die geeigneten Schritte zu thun, eine Verbindung mit diesem Lande anzuknüpfen. Diese Reise war von vielen wichtigen Resultaten für die genauere Bekanntschaft mit den hervorragendsten Punkten an der ostafrikanischen Küste, sowie für die Belebung des indischen Handels begleitet; jedoch hatte sie für Abessinien nicht den Erfolg, den sie hätte haben können, wenn die Unterhandlungen kräftiger betrieben worden wären. Valentia selbst blieb in Mocha an der arabischen Küste, während er seinen wissenschaftlich gebildeten, tüchtigen Sekretär Henry Salt mit der Sendung nach Abessinien betraute. Dieser machte die Reise über Massaua, Arkiko, Halai, Dixan nach der Provinz Enderta, wo er, da er nicht zum Könige selbst in Gondar gelangen konnte, mit dem Ras Walda Selassié unterhandelte. (Vergl. oben S. 14S. 14.) Es gelang dem gewandten Salt durch die glänzenden Geschenke, welche er dem Ras im Namen Georg’s III. von England überreichte, denselben vom Wohlwollen der englischen Regierung zu überzeugen und ihn zu einer Verbindung mit England zu bewegen. Er kehrte mit ausführlichen Nachrichten über das Land und seine Bewohner und mit der Ueberzeugung zurück, daß sich hier England für die Erweiterung seines Handels als auch der Kultur ein weites und günstiges Feld eröffne. Einer von Salt’s Begleitern, Pearce, blieb am Hofe des Ras zurück. Dieser ersten Reise folgte bald darauf, gegen das Jahr 1814, nachdem Salt’s Gönner, Lord Valentia, in den Pairsstand erhoben worden war, eine zweite Gesandtschaft unter Salt’s eigener Führerschaft. Diese hatte den Erfolg, daß das gute Vernehmen zwischen England und dem alten Ras gestärkt und durch Pearce’s längeren Aufenthalt die Bekanntschaft mit Abessinien vermehrt wurde. Wieder traten nun politische Wirren in Tigrié ein, welche England die Lust benahmen, weiter in die Angelegenheiten des Landes einzugreifen, bis im Jahre 1841 Kapitän Harris nach Schoa ging und jene politische Mission ausführte, von welcher wir eine ausführliche Schilderung weiter unten nach dessen 1844 zu London erschienenem dreibändigen Werke „The highlands of Aethiopia“ mittheilen.

Es konnte nicht fehlen, daß bei den merkwürdigen Sagen, die über Abessinien umgingen, und bei der Unbekanntschaft, die über dessen Volk und Natur noch herrschten, auch die Deutschen ihren Antheil an der näheren Erschließung des Landes nahmen, nachdem Ludolf mit so gutem Beispiele, wenn auch nur theoretisch, vorangegangen war. Den Reigen eröffneten zwei der besten deutschen Naturforscher: W. F. Hemprich und C. G. Ehrenberg, welche schon früher Nubien durchzogen hatten und nun, von der preußischen Regierung unterstützt, das Rothe Meer besuchten. Von Massaua aus durchwanderte Hemprich die Küstengebirge, während Ehrenberg nach den heißen Quellen von Eilat zog. Nach Massaua zurückgekehrt, traf ihn der harte Verlust, am 30. Juni 1825 seinen Begleiter Hemprich dem Fieber erliegen zu sehen. Trotzdem war die naturgeschichtliche Ausbeute der Expedition ungemein reich, da nicht nur eine Menge ganz neuer Thierformen entdeckt, sondern auch in den Oscillatorien, Wesen zwischen Thier und Pflanzen, die Farbe des Rothen Meeres erkannt worden war.

Die bedeutendste und ergebnißreichste Reise in Abessinien führte nach Bruce abermals ein Deutscher, Eduard Rüppell, geboren 20. November 1794 zu Frankfurt a. M., aus. Reich begütert und vortrefflich in naturwissenschaftlicher wie astronomischer Beziehung vorbereitet, hatte er nach einem kleineren Ausflug nach dem Orient, Nubien, Kordofan und das Peträische Arabien 1823–1825 besucht und sich dann Abessinien als Hauptziel seiner Forschungsthätigkeit erkoren. Am 17. September 1831 landete er auf Massaua an der abessinischen Küste, wo er den Rest des Jahres und den nächsten Frühling zu Ausflügen in die Umgebung, nach Arkiko, dem Thale Modat, den Dahalakinseln und nach den Ruinen von Adulis benutzte. Am 29. April 1832 trat er dann den Marsch nach dem inneren Hochlande an, welches vor ihm wissenschaftlich nur von Bruce und Salt beschrieben worden war. Wurde auch die ganze Reise glücklich zurückgelegt, so verlief sie doch nicht ohne große Gefahren, denn in Tigrié, wo gerade Ubié ans Ruder gelangt war, wütheten noch die grausamsten Bürgerkriege. Für diesen Herrscher hatte Rüppell ein sonderbares Geschenk, nämlich eine schwere Kirchenglocke bestimmt, deren Transport auf dem Rücken von Maulthieren viel Mühe verursachte, aber mit großer Freude angenommen wurde, da Glocken in Abessinien sehr selten sind. Um sich einen Schutz auf der Reise zu verschaffen, lieh Rüppell einem abessinischen Großhändler 600 Maria-Theresia-Thaler und zog nun durch den Tarantapaß auf Halai, die abessinische Grenzstation, zu. Schon hatte er sein Gepäck in Massaua zur Ueberfahrt nach dem Festlande zurechtgelegt, als ihm von einem betrunkenen türkischen Soldaten, der eine Pistole auf ihn abschoß, fast das Leben geraubt und die große, wohl vorbereitete Reise verhindert worden wäre. Von Halai wandte sich Rüppell in südlicher Richtung nach Atigrat am Fuße des hohen Alequa, kreuzte am 20. Juli das tiefe Thal des reißenden Bergstroms Takazzié und stieg hierauf in die hohen, oft von Schnee bedeckten, kühn geformten Alpen der Provinz Semién, wo er den fast 12,000 Fuß hohen Paß am Selkiberge überschritt und auf den Alpenwiesen in jener Region neben Ericabüschen jene seltsame, in ihrer Form an die Palmen erinnernde Pflanze, die Dschibarra, entdeckte, welcher Fresenius den Namen Rhynchopetalum montanum gegeben hat. Am 12. Oktober hielt er seinen Einzug in die Königsstadt Gondar, wo er der Absetzung des Königs Saglu Denghel beiwohnte und bis zum 18. Mai 1833 verweilte. Die Zwischenzeit benutzte er zu einem Ausfluge in die heißfeuchte Niederung (Kolla) von Workemeder und Ermetschoho, nördlich von Gondar, wo seine Elephantenjäger reichliche Beute fanden. Dann zog er dem Ostufer des Tanasees entlang, dessen Höhe über dem Meere er zum ersten male zu 5732 Fuß bestimmte. Weiterhin gelangte er dann zu der Stelle, wo unfern der berühmten Brücke von Deldei der Abai oder Blaue Nil dem Tanasee entströmt.

 

Am 18. Mai 1833 brach Rüppell von Gondar auf, um über die alte Krönungsstadt Axum, wo er eine wichtige altäthiopische Inschrift entdeckte, und über Adoa, die Hauptstadt Tigrié’s, wieder nach Massaua zurückzukehren, das er am 29. Juni glücklich erreichte. Seine Ausbeute, die er von dieser Reise mit heimbrachte, war eine ungemein reiche, denn nicht nur hatte er viele Orts- und Höhenbestimmungen vorgenommen, die der Karte Abessiniens ein wesentlich anderes Gepräge geben, sondern auch archäologische, historische und ethnographische Forschungen angestellt, vor allem aber die zoologische Kenntniß des Landes bereichert, wie seine „Neue Wirbelthiere zur Fauna Abyssiniens gehörig“ und seine „Uebersicht der Vögel Nordostafrika’s“ beweisen.

Seine „Reise in Abyssinien“ erschien 1840 zu Frankfurt a. M. Für alle seine Arbeiten wurde ihm denn auch die wohlverdiente Auszeichnung zu Theil, daß ihm die Londoner geographische Gesellschaft die große goldene Medaille verlieh. Seine reichen Sammlungen vermachte er seiner Vaterstadt Frankfurt, wofür diese ihm eine lebenslängliche Pension aussetzte.

Auf Rüppell folgten 1835 zwei Franzosen, die Stiefbrüder Tamisier und Combes, mit dem angeblichen Zwecke des einen, Menschenkenntnisse zu sammeln, des andern, sich für die Poesie zu begeistern. Sie kamen unter vielen Gefahren bis Schoa. Beide Herren waren Mitglieder der Sekte der Saint-Simonisten und haben nach ihrer Rückkehr 1846 zu Paris vier starke Bände („Voyage en Egypte, en Nubie etc.“) einer sehr romantischen und wenig glaubhaften Erzählung ihrer Erlebnisse und Abenteuer veröffentlicht. Mit nicht viel mehr Glück machte im Jahre 1836 Baron von Katte einen kurzen Ausflug nach Adoa in Tigrié, kehrte jedoch bald wieder zurück und beschenkte Deutschland mit einer Reiseschilderung, an deren Genauigkeit der gewissenhafte Rüppell gar manches auszusetzen hat. („Reise in Abyssinien im Jahre 1836“. Stuttgart und Tübingen 1838.)

Im Januar 1837 traf dann der deutsche Botaniker Schimper in Adoa, damals der Hauptstadt Ubié’s, ein. Wilhelm Schimper wurde im Jahre 1804 zu Mannheim geboren. Zuerst als Drechslerlehrling, dann als Unteroffizier, fand er keine Befriedigung seines Wissensdranges, weshalb er sich nach München wandte, um dort Botanik zu studiren. Nachdem er eine tüchtige Ausbildung erlangt, trat er größere Reisen nach dem Orient an; er besuchte, vom württembergischen Reiseverein unterstützt, Algerien, Aegypten, die Sinaihalbinsel und Arabien, von wo er überall reiche Sammlungen nach Hause brachte. Im Jahre 1835 ging er, um seine durch Fieber untergrabene Gesundheit wiederherzustellen, über Massaua in die abessinischen Hochlande, wo er bei Ubié in Adoa eine freundliche Aufnahme fand und seinen wissenschaftlichen Sammlungen nachgehen konnte. Sein Einfluß bei diesem Fürsten stieg immer mehr, sodaß Schimper als Statthalter zuerst einen Distrikt an der Gallagrenze, dann den Distrikt Antitscho in Tigrié zu verwalten hatte. Mit einem Worte, er wurde die rechte Hand Ubié’s, als dessen Baumeister und Minister er sich unentbehrlich zu machen wußte. Schimper war bereits früher in Rom zum Katholizismus übergetreten, weshalb er die Lazaristenmissionen unter de Jacobis in Abessinien unterstützte, was er um so leichter mit Einfluß auszuführen wußte, als er mit einer Tochter des Landes sich vermählt hatte. Auch begann er für Frankreich zu wirken, von wo aus er Unterstützungsgelder bezog, um dafür seine Sammlungen an den Jardin des plantes in Paris einzusenden. Nach dem Sturze Ubié’s hatte Schimper anfangs viel Ungemach auszustehen, doch kam er später bei Theodoros wieder in Gnade. Im Jahre 1861 schrieb Theodor von Heuglin über ihn: „Mein alter Freund Schimper wird bald wieder im Stande sein, seine botanischen und zoologischen Sammlungen fortzusetzen, die in den letzten fünf bis sechs Jahren ausschließlich nach Frankreich gegangen sind. Dr. Schimper zählt jetzt 57 Jahre, ist aber immer noch der alte rüstige und bewegliche Mann, voll unverwüstlichen Humors, als den ich ihn vor vielen Jahren hier kennen zu lernen das Vergnügen hatte.“

Bald nachdem Schimper in Abessinien sich niedergelassen hatte, beauftragte die französische Regierung die Aerzte Aubert und Dufey, wieder ein gutes Vernehmen mit den Eingeborenen herzustellen, das durch das Auftreten verschiedener französischer Abenteurer gestört worden war. Leider waren diese beiden Gesandten keineswegs die einer solchen Aufgabe gewachsenen Männer, denn durch eine Kette von Thorheiten und Schlechtigkeiten setzten sie den europäischen Charakter in der Achtung des Volks ganz herunter und vermehrten die Schwierigkeiten, die dem europäischen Verkehr im Lande schon im Wege standen. Dr. Aubert kehrte im Februar 1838 von Adoa nach Kairo zurück, während Dufey durch Schoa nach der Küste des Rothen Meeres ging und als der erste Europäer die gefährliche Straße von Ankober nach Tadschurra zurücklegte. Die Sendung dieser beiden Männer wurde, da das französische Interesse an Abessinien sich mehrte, die Vorläuferin einiger andern politischen und wissenschaftlichen Expeditionen von Frankreich aus, die vom Jahre 1839 an erfolgten. Zwei derselben waren 1839 und 1841 unter Lefêbvre’s, eine 1840 unter Combes’ Anführung (welcher zum zweiten male Abessinien besuchte) nach Tigrié und auch nach Amhara gegangen. Ubié, der damals noch in Tigrié herrschte, behandelte namentlich Lefêbvre sehr verächtlich, musterte die ihm vom Könige Ludwig Philipp übersandten Geschenke und sagte zu seinem Schatzmeister: „Nimm diesen Unrath in die Schatzkammer hinüber.“ Der Gesandte wurde trotzdem aufgefordert, am Essen mit theilzunehmen, wobei reichlich Honigwein kredenzt wurde, der den Herrscher bald trunken machte. In diesem Zustande forderte er den Herrn Gesandten auf, vor ihm zu tanzen, was nur durch das muthige Auftreten des Dolmetschers verhindert werden konnte. In Verbindung mit den französischen Gesandtschaften stand auch die Reise des belgischen Generalkonsuls in Kairo Blodell, im Jahre 1841, die um deswillen zu erwähnen ist, weil sie, von Massaua ausgehend, ganz Abessinien von Osten nach Westen durchkreuzte, indem Blodell über Sennar und Chartum nach Kairo zurückkehrte. Reiche wissenschaftliche Arbeiten lieferte um dieselbe Zeit die Expedition des Franzosen Galinier nach Tigrié, Semién und Amhara.

Combes war von Ubié gut aufgenommen worden, aber die freundschaftlichen Verhandlungen wurden bald abgebrochen durch die Ankunft der Gebrüder d’Abbadie, von denen der eine Ubié beleidigt hatte durch seinen Antheil an einem Streifzuge gegen seine Truppen. Die d’Abbadie’s wurden mit der Drohung verwiesen, daß, wenn sie je wieder ihre Füße in Ubié’s Gebiet tragen sollten, dieselben ihnen abgehauen würden. Ebenso mußten infolge dieses Vorfalles Combes und Lefêbvre das Land verlassen. Abgesehen von ihren politischen Intriguen waren die Gebrüder Anton und Michael d’Abbadie ausgezeichnete, mit tüchtigen Kenntnissen versehene und reich begüterte Männer, die nicht unwesentlich für die Erweiterung unserer Kunde Abessiniens thätig waren und sind, wenn sie auch ihr Hauptaugenmerk auf die Verbreitung des Katholizismus und auf die Förderung der Interessen Frankreichs gewandt haben mögen. Nach langen Vorbereitungen und einigen mißglückten Versuchen gelang es 1842 Anton d’Abbadie, über Tigrié in das Binnenland einzudringen, wo er sich mit der Erforschung Enarea’s, Kaffa’s und des Quellgebiets des Uma beschäftigte. Nach zehnjähriger Abwesenheit kehrten beide Brüder 1848 nach Frankreich zurück, wo sie die Resultate ihrer Arbeiten in einzelnen Abhandlungen veröffentlichten.

Politik und Religions- oder Missionsangelegenheiten begannen überhaupt allmälig bei den abessinischen Reisenden die Hauptsache, die Wissenschaft aber die Nebensache zu werden. Englische Reisende und protestantische Missionäre wirkten im Interesse Großbritanniens, katholische Sendboten und französische Reisende im Interesse Frankreichs. Kein Wunder also, daß die abessinischen Fürsten, welche die Plane bald durchschauten, mißtrauisch wurden und einzelne Reisende schlecht behandelten. Der abenteuerlichste unter allen war wohl Rochet d’Héricourt, nach Isenberg’s Bericht ein französischer Glücksritter, der sich mehrere Jahre hindurch in Kairo als Chemiker und Mineralog aufhielt und beständig mit dem Plane umging, nach Abessinien zu reisen, um sich dort Geld zu machen. Nachdem ihm mehrere Versuche mißlungen waren, setzte er endlich 1839 sein Vorhaben ins Werk, indem er den deutschen Missionären nach Schoa folgte. Als er dort jedoch nicht gleich zu großen Reichthümern gelangte, wurde er ungehalten und von dem Könige für halb verrückt angesehen. Bald sollte sich die Sache jedoch wenden und Rochet zu großem Ansehen gelangen. Da der König, dessen erste Frage an jeden ankommenden Europäer gewöhnlich die war, was er verstehe, Rochet’s chemische Fertigkeiten in Pulvermachen, Seifensieden, Zuckerfabriziren und andern Dingen bemerkte, stieg letzterer hoch in seiner Achtung. Außerdem versprach der Franzose, ihn von einer gewissen heimlichen Krankheit zu heilen, und als diese Kur zu gelingen schien, wurde er dem Könige unentbehrlich. Rochet benutzte nun, wie es die Franzosen gewöhnlich thun, die steigende Gunst beim Könige, sich politisch mächtig zu machen, indem er Schoa dem französischen Einflusse zu eröffnen und den Engländern entgegenzuwirken suchte. Als er nach neunmonatlichem Aufenthalte wieder in sein Vaterland zurückkehren wollte, bestimmte er den Negus dahin, ihm einen Brief und Geschenke an den König Ludwig Philipp von Frankreich mitzugeben und auf diese Weise eine politische Verbindung zwischen Frankreich und Schoa einzuleiten. Dieses einseitige Vorgehen suchten aber in Englands Interesse die deutschen Missionäre, namentlich Krapf, zu verhindern, indem sie den König bewogen, eine Botschaft nach Bombay zu senden, um einen Freundschafts- und Handelsvertrag mit England abzuschließen. Als Erwiederung dieser Botschaft erschien dann die glänzende Ambassade unter Kapitän Harris.

Inzwischen war Rochet in Paris angekommen und hatte die dortige Regierung seinem Wunsche, mit Schoa in Verbindung zu treten, geneigt gefunden. Nachdem er eine Beschreibung seiner Reise herausgegeben hatte („M. Rochet d’Héricourt, Voyage sur la côte occidentale de la Mer Rouge, dans le pays d’Adel et le Royaume de Choa.“ Paris 1841), kehrte er im Auftrage seiner Regierung und der Pariser Akademie der Wissenschaften wieder nach Schoa zurück. Kaum an der Küste angelangt, wußte er es durchzusetzen, daß der König von Schoa befahl, keinen andern Europäer, sei er Franzose oder Engländer, außer ihm nach Schoa kommen zu lassen, bei Verlust des Lebens. Infolge dessen mußten denn die deutschen Missionäre Krapf, Isenberg und Mühleisen von Zeyla aus, wohin sie sich 1842 zu einer zweiten Reise nach Schoa begeben hatten, unverrichteter Dinge umkehren. Rochet bereiste nun weit und breit das Innere des Landes und gab uns in einem zweiten Werke („Second voyage“, Paris 1846) neue werthvolle Nachrichten über Schoa.

Nach Isenberg erhielt Rochet nur durch ein listiges Vorgeben die Erlaubniß des Königs, in das Innere von Schoa vorzudringen. Er behauptete nämlich, nur dann den König heilen zu können, wenn er ein Präparat von einem ungeborenen Hippopotamus mache, das er aus einem fernen See holen müsse. Das nachtheiligste Licht auf Rochet’s Wahrheitsliebe und Glaubwürdigkeit wirft indessen wol, was der deutsche Missionär Ludwig Krapf über ihn berichtet. Beide befanden sich im November 1839 im Kriegslager des Königs Sahela Selassié von Schoa, der auf einem Feldzuge gegen die Galla begriffen war. Man war in der Nähe der Quellen des Hawaschflusses, allein beide Europäer bekamen sie nicht zu Gesicht, während Rochet sich in seinem Reisewerke für deren Entdecker ausgiebt. Der biedere Krapf giebt uns den nöthigen Kommentar zu dieser wissenschaftlichen Schwindelei. „Rochet“ so schreibt Krapf, „sagte zu mir im Verlaufe des Feldzuges, daß wir angeben müßten, die Quellen des Hawasch wirklich gesehen zu haben. Als ich ihm erwiederte, daß dieses ja nicht der Fall gewesen, antwortete er lächelnd: Oh, wir müssen Philosophen sein.“ – So erlauben sich gewissenlose Reisende Geographie zu machen oder vielmehr zu fälschen.

Die Anzahl der Reisenden, welche Abessinien besuchten, beginnt sich nun ungemein zu häufen, sodaß wir nur die wichtigsten unter ihnen hervorheben können.

 

Dr. Beke, früher englischer Konsul in Leipzig, reiste 1840 von London nach Aden, unterstützt von den Freunden Afrika’s, um in Schoa und den angrenzenden Ländern Nachrichten über das Innere und besonders über den geistigen Zustand der dasselbe bewohnenden Völker einzusammeln. Glücklich kam er über Tadschurra in Ankober an, wo der Missionär Krapf ihm Hülfe leistete und sich in den Verhandlungen zwischen Beke und dem Könige manche Beschwerden und Unannehmlichkeiten zuzog. Später, nach Ankunft der englischen Gesandtschaft und von dieser unterstützt, reiste er nach Godscham, von wo er durch die Provinzen Jedschau, Waag und Enderta nach Antalo ziehend, Tigrié erreichte. Die Frucht seines langen Aufenthalts waren verschiedene wissenschaftliche Werke; namentlich widmete er sein Augenmerk der politischen Rivalität der Franzosen und Engländer im Rothen Meere, welche die großen Fragen des Suezkanals und des ostindischen Ueberlandwegs einschließt und über welche er in seinem Werke „The French and the English in the Red Sea“ seine Ansichten niedergelegt hat.

Mit Schimper’s Schicksal im engsten Zusammenhange steht ein anderer deutscher Landsmann, dem wir bei Abfassung dieses Werkes zu ganz besonderm Danke verpflichtet sind. Christoph Eduard Zander, von dem ein Theil der charakteristischen Illustrationen dieses Buches herrührt, ward am 22. Oktober 1813 in der kleinen anhaltischen Stadt Radegast geboren. In seiner Heimat, wo er noch immer den besten Ruf genießt, wird er als ein Mann von bescheidenem, anspruchslosem Wesen und tief religiösem Charakter geschildert, der eine ganz besondere Fertigkeit in den verschiedensten technischen Dingen besaß. Zander erlernte die Landwirthschaft, wandte sich dann aber zur Malerei und hielt sich zu seiner Ausbildung längere Zeit in München auf. Neben seiner Kunst interessirte er sich aber auch lebhaft für das Artilleriewesen, eine Neigung, die ihm später sehr zu statten kam. Da es ihm nicht gelang, als Maler und Zeichner seinen Unterhalt hinreichend zu erwerben, ging er auf den Rath einiger Freunde zu Dr. Schimper. Nach einer langen Fahrt durch das Rothe Meer, auf welcher er von Krankheit und Hunger geplagt wurde, warf seine Barke am 12. September 1847 bei Massaua Anker. Durch den Tarantapaß stieg er in das abessinische Hochland hinauf und schrieb in Halai einen Brief an Schimper, in welchem er diesen von seiner Ankunft in Kenntniß setzte. Trotz einer niederschlagenden, ihn zurückweisenden Antwort beschloß er dennoch, nach Antitscho, Schimper’s Distrikt, vorzudringen. Da aber ringsum das Land von Rebellen verwüstet wurde, konnte dies nicht ohne Lebensgefahr geschehen; doch gelangte er glücklich an sein Ziel, wo er von dem Landsmann gut aufgenommen wurde. Als Gehülfe Schimper’s bei dessen naturwissenschaftlichen Arbeiten durchstreifte er weit und breit das Land, sammelnd und zeichnend, bis er endlich zum Oberhofbaumeister des Regenten Ubié vorrückte, von diesem Ländereien und Vieh erhielt und den Auftrag bekam, die Kirche von Debr Eskié in Semién zu bauen, dieselbe, in welcher am 11. Februar 1855 Theodor II. vom Abuna zum Herrscher über Gesammt-Abessinien gekrönt wurde. In Ubié’s Gunst immer mehr steigend, wurde Zander in den Adel erhoben; auch verheirathete ihn dieser Fürst mit einem schönen Gallamädchen. In der großen Schlacht von Debela am 9. Februar 1855, in welcher der alte Ubié von dem Emporkömmling Theodor besiegt wurde, kommandirte Zander die Artillerie des ersteren. Als alles für Ubié verloren war, trat Zander in die Dienste Theodor’s und wurde Befehlshaber der befestigten Insel Gorgora im Tanasee, wo er die Schatzkammer und ein Zeughaus des Königs zu hüten hatte. Dieser, der den tüchtigen, in allen technischen Dingen erfahrenen Mann zu schätzen wußte, machte ihn zu seinem Vertrauten und höchsten militärischen Würdenträger. Als solcher stand Zander auch noch 1868 an der Seite Theodor’s. Seine werthvollen Arbeiten über Abessinien, die uns in vieler Beziehung neue Gesichtspunkte eröffnen, sind in dem vorliegenden Buche benutzt worden und gereichen demselben als Originalbeiträge zur besondern Zierde.

In jene Zeit, in welcher Abessinien gleichsam von europäischen Reisenden durchschwärmt war und ein Missionsversuch dem andern folgte, fallen auch die geographisch nicht unwichtigen Züge des italienischen Mönches Giuseppe Sapeto durch die nördlichen Grenzländer der Mensa, Bogos und Habab. Begleitet von den Brüdern d’Abbadie landete er im Jahre 1838 in Massaua und erreichte am 3. März desselben Jahres Adoa. Er wußte sich bei Ubié in Gunst zu setzen und gründete zu Adoa nach Vertreibung der protestantischen Geistlichen (siehe darüber weiter unten) eine katholische Mission, besuchte Gondar, sah sich aber nach fünfjährigem Aufenthalt – wie Isenberg angiebt, infolge liederlichen Lebens – durch Krankheit genöthigt, nach Aegypten zurückzukehren; aber 1850 begab er sich aufs neue nach Massaua, indem er längs der Westküste des Rothen Meeres hinaufreiste und nun mit dem Missionär Stella in die Länder der Bogos, Mensa und Habab vordrang, über die wir einen ausführlichen Bericht mittheilen werden. Es war dies gleichsam eine neue Entdeckung, denn in der That kannte man kaum den Namen der Habab, und die andern beiden Völker existirten bis dahin für uns nicht. Sapeto’s Werk erschien erst 1857 zu Rom und führt den Titel: „Viaggio e missione cattolica fra i Mensa, i Bogos e gli Hahab.“

Das in Rede stehende Gebiet ist wegen seiner leichten Zugängigkeit dann häufig das Ziel europäischer Reisenden geworden und uns nun fast so genau bekannt wie ein Land Europa’s. Am 13. Juli 1857 brach ein österreichischer Löwenjäger, Graf Ludwig Thürheim, nach Mensa auf, besuchte Keren, wo die katholischen Missionäre sich niedergelassen hatten, und gelangte glücklich durch Barka und Taka nach Chartum.

Die vorzüglichsten Nachrichten über jene Länder, werthvolle, bleibende Schätze der geographischen Literatur, verdanken wir indessen dem Schweizer Werner Munzinger. Dieser gelehrte, unternehmende Mann wurde 1832 zu Olten geboren. Er studirte in Bern und München Geschichte, Naturwissenschaften und orientalische Sprachen; in den letzteren vervollkommnete er seine Kenntnisse zu Paris. Schon im Jahre 1852, also im Alter von zwanzig Jahren, begab er sich nach Kairo, trat dort später in ein Handelsgeschäft, unternahm dann 1854 eine kaufmännische Reise nach dem Rothen Meere und benutzte die günstige Gelegenheit zu einem Ausfluge nach den Bogosländern. Es war schon damals sein Plan, sich dort niederzulassen, und er führte denselben unverweilt aus. Im Jahre 1855 ging er, mit Sämereien und Waffen wohl versehen, nach Keren, wo er dann längere Zeit gewohnt hat. Dort verfaßte er auch sein 1859 zu Winterthur erschienenes Werk „Ueber die Sitten und das Recht der Bogos“, dessen Vorrede aus Keren vom 31. November 1858 datirt ist. Er lebte wissenschaftlichen Forschungen, trieb dabei auch Handelsgeschäfte und machte sich bei dem Volke so beliebt, daß er oft das Richteramt ausübte und mit Regierungsgeschäften betraut wurde. Er fand aber auch Muße zur Ausarbeitung seiner Studien und schrieb nicht nur eine Grammatik des Belem, der Sprache der Bogos, sondern übersetzte in dieselbe einzelne Abschnitte der Bibel. Die inhaltreiche Arbeit über die Bogos war jedoch nur die Vorläuferin eines größeren Werkes: „Ostafrikanische Studien“ (Schaffhausen 1864), in welchem auch das Land der Marea, der Kunama oder Bazen und deren physikalische Verhältnisse in mustergiltiger Weise geschildert werden. Auf beide Arbeiten kommen wir später zurück; ebenso auf die Reise des Herzogs Ernst von Sachsen-Koburg-Gotha in jenen solchergestalt erschlossenen Gegenden im Jahre 1862.