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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Am 31. Oktober 1867 stand das Heer bei dem Flecken Biedehor, der etwa 10,000 Fuß hoch über dem Meere liegt. Von dort hat man einen weiten Blick in das Land nach Süden, nach Magdala und dem hohen, schneebedeckten Kollogebirge. Südlich von Biedehor aber durchsetzt eine jener grausigen Thalschluchten das Land, an denen Abessinien so reich ist. Hier fließt zwischen senkrechten, fast 3000 Fuß hohen Felsen die rauschende Dschidda hin. Nur einige Terrassen unterbrechen die jähen mauerartigen Wände. In diesen Schlund mußte die ganze Armee hinabsteigen und, nachdem sie das Flußbett überschritten, am jenseitigen Ufer wieder einen ebenso steilen Felsenwall über nacktes, vulkanisches Gestein nach der fruchtbaren Ebene von Talanta hinaufklimmen. Dorthinab mußten auch die Kanonen und der Riesenmörser „Sebastopol“ geschleppt werden. Der letztere wurde auf einem ungeheuren Wagen von Hunderten von Menschen fortgezogen, so wie die alten Aegypter einst ihre Kolosse fortbewegten. Aber auf den gewöhnlichen Maulthierpfaden konnte der Mörser unmöglich durch die Dschiddaschlucht gelangen, und rasch entschlossen befahl Theodor den deutschen Arbeitern, die ihn begleiteten, eine Straße zu bauen. Dieses geschah, während die Engländer schon im Anmarsch waren, und mit Erstaunen vernahm Theodor, was er für unmöglich gehalten, daß jene in Zula gelandet seien. Zwei Monate nahm der Bau der Straße in Anspruch, denn erst am 15. Januar 1868 war die Dschidda glücklich überschritten und die Talanta-Ebene erreicht.

Wohlgefälligen Auges schaute der König auf die fruchtbare Ebene. Die Weizen- und Gerstenfelder standen in der üppigsten Pracht, überall wimmelte es von fleißigen Menschen, die den Boden bestellten, von fröhlich singenden Kindern, denn ein Owatsch (Herold) des Königs war umhergezogen und hatte in ganz Talanta verkündigt: „Kehrt heim ihr Bauern zu eurer Arbeit, bestellt die Aecker und flüchtet euch nicht. Der König bringt den Frieden, kein Haar wird euch gekrümmt, euer Eigenthum ist geachtet.“ Und friedlich kehrten die, welche schon auf der Flucht waren, in ihre Dörfer zur gewohnten Beschäftigung zurück. Aber Theodor hielt sein Wort nicht; er brauchte Proviant für seine Festung Magdala, fiel über die schmählich betrogenen Leute von Talanta her und zog dann über den Beschlo in seine Felsenburg ein.

Unterdessen rückten die Engländer mit großer Geschwindigkeit nach Süden vor. Ihr Marsch war kein leichter. Besonders muß man bedenken, daß eine Verbindungslinie von 400 englischen Meilen zwischen dem Meere und Magdala offen zu halten und durch eine Postenkette zum Schutze des Proviants und der Munition zu befestigen war. Letzteres war um so mehr erforderlich, als man auf freundschaftliche Gesinnung der Eingeborenen nur so lange mit Gewißheit rechnen konnte, als Gewalt und Glück auf Seite der Europäer stand.

Dabei bewegte sich die Truppe mit ihrem riesigen Troß, ihren Elephanten und Kanonen auf Gebirgen, die unsere höchsten Alpenpässe bei Weitem überragen, wie aus der folgenden, in Petermann’s Mittheilungen (1868, S. 180) angegebenen Höhenlage der hauptsächlichsten Stationen hervorgeht. Senafe, besetzt am 6. Dezember 1867, liegt 7464 Fuß über dem Meere; Adigerat (Ategerat), besetzt 31. Januar 1868, 8291 Fuß; Tschelikut 6279 Fuß; Antalo (besetzt 15. Februar) 7935 Fuß; Aladschin-Paß 9630 Fuß; Aschangi-See 7264 Fuß; Lat (besetzt 31. März) 8478 Fuß; Dasat-Berg 9502 Fuß; Quelle des Takazzié 7700 Fuß; Abdikom 10,000 Fuß; Talanta (4. April) 10,700 Fuß; Magdala (erstürmt am 13. April) etwa 11,000 Fuß. In diesem Verzeichniß ist zugleich die Marschroute des Heeres kurz angegeben, über die wir hier noch Einiges nachtragen wollen.

Von Senafe zog das Heer über ein hohes, offenes, grasbedecktes Plateau mit einer reizenden Aussicht auf Gebirgsmassen von allen nur denkbaren Formen, nach Adigerat zu. Die zwischen den Bergen sich hinwindenden Schluchten, denen nur Bäche und Wälder zur Vollendung der Schönheit mangeln, schienen sehr fruchtbar zu sein, sodaß man die schwache Zufuhr an Getreide von Seite der Eingeborenen kaum begreifen konnte, und selbst die beschränkten Zufuhren erschöpften die Gegend immer schnell, da keine Idee von Großhandel herrschte und jeder nur das zu Markte brachte, was er von seinen eigenen Vorräthen erübrigen konnte. Adigerat selbst, das man am 31. Januar 1868 besetzte, war allen bisher gesehenen abessinischen Städten überlegen, da außer den gewöhnlichen schmuzigen Hütten und einer hübschen Kirche noch ein Palast und ein befestigter Thurm sich dort befanden. Hinter diesem Hauptorte der Provinz Haramat führt ein gangbarer Weg nach Mai Wihis, durch weite, offene, grasbewachsene Ebenen, die häufig von Dörfern unterbrochen und ziemlich kultivirt waren. Für den kriegerischen Charakter der Bevölkerung zeugten genugsam die vielen auf fast unerreichbaren Felsspitzen erbauten Festungen, die selbst europäischer Artillerie zu trotzen vermögen. So namentlich Amba Zion (siehe Abbildung S. 41S. 41), das ehemalige Staatsgefängniß Theodor’s, welches jetzt leer stand, da bei dem Abfall Kassai’s auch der mit der Beaufsichtigung dieser Festung betraute Häuptling revoltirte und die Gefangenen in Freiheit setzte. Ad Abagin, 7849 Fuß über dem Meeresspiegel, war die nächste Station. Hier waren die Nächte so kalt, daß man kaum schlafen konnte, wozu sich die lieblichen Töne eines Schakal- und Hyänen-Konzerts gesellten. Allein die Thiere waren weniger gefährlich, als man denken sollte, da sie sich genügend an den todten Maulthieren sättigen konnten. Bei Agala, 6300 Fuß über dem Meere, zeigte sich eine merkliche Veränderung der Vegetation. Duftende Kräuter versüßten die Luft, die Straße war wunderbar gut und nur auf eine kurze Strecke abschüssig. Hier in dieser Gegend erhielt man wieder Briefe von den Gefangenen in Magdala, woraus hervorging, daß sie sich Alle wohl befanden und daß Theodor im Januar Magdala noch nicht erreicht hatte, aber entschlossen sei, es mit den Engländern aufzunehmen. Da man die Abessinier für keine zu verachtenden Feinde hielt, wurde die Straße, die nach Magdala führt, durch mehrere Positionen befestigt. So erhielt Adigerat Wall und Graben, die von 200 Mann und einigen Armstrongkanonen vertheidigt wurden. Die Flüsse, welche man auf dem ferneren Wege nach Antalo zu traf, eilen der Geba, einem Nebenflusse des Takazzié, zu und senden durch diesen Kanal ihren Tribut zum Anschwellen des Nil. Die Armee hatte daher über eine Reihe von Wasserscheiden im rauhen Gebirgslande zu setzen. Hier traf man auch auf die Salzkarawanen, welche, von Taltal kommend, die Salzstücke in das Innere des Landes verführen.

Während die Armee solchergestalt vordrang, suchte der Oberbefehlshaber sich mit den Häuptlingen des Landes in freundschaftliches Einvernehmen zu setzen und begann mit einem Besuche Kassai’s, des Fürsten von Tigrié. Als Ort der Zusammenkunft diente eine Stelle am Flüßchen Diab, unweit der herrlichen Amba Zion; als Tag war der 25. Februar bestimmt. Kassai erschien mit 4000 Mann am Ufer des Baches. Sir Robert Napier ritt auf einem Elephanten, gefolgt von seinem ganzen Stabe, ihm entgegen, verließ aber seinen hohen Sitz auf dem Rüsselträger, damit der Anblick des Thieres unter der Kavallerie der Abessinier keine Verwirrung anrichte. Nun öffneten sich auch die Reihen der Abessinier und mitten durch sie kam der etwa 35 Jahre alte Kassai auf einem weißen Maulthiere angeritten. Die Briten empfingen ihn mit allen militärischen Ehren, ihr Oberkommandant schüttelte ihm die Hand und führte ihn ins Zelt, wo Kassai reich beschenkt wurde und ein Freundschaftsbündniß mit England schloß. Er bewunderte vorzüglich die Waffen der Europäer und lud hierauf Napier ein, seine eigenen Truppen zu inspiziren. Mit wenigen Ausnahmen trugen diese alle Feuerwaffen. Der größte Theil von ihnen besaß doppelläufige Perkussionsgewehre englischen oder belgischen Fabrikats. Viele führten Pistolen und kein einziger fand sich, der nicht das lange krumme Schwert an der rechten Seite getragen hätte. Die wenigen, die ohne Gewehre erschienen, waren mit Speer, Schwert und Schild bewaffnet. Die Mannszucht schien gut, ihre Manövrirfähigkeit war nicht zu verachten. Gleichfalls beschenkt mit silbernen Armringen, einer Löwenhaut, dem Abzeichen tapferer Krieger, mit Speer und Schild, kehrte der englische Oberkommandant in sein Lager zurück. Er hatte nun im Rücken nichts mehr zu besorgen, und der Vormarsch auf Antalo begann auf schwierigen Wegen.

Das Land zeigte überall Spuren der vielen Kämpfe, denen es durch seine unruhigen Häuptlinge ausgesetzt war. Die Dörfer lagen verwüstet, die Unsicherheit der Zustände hinderte eine geregelte Bodenkultur und statt den Engländern für die Verbesserung der Straßen und Wegbarmachung der Pässe zu danken, grollten ihnen die Eingeborenen, weil hierdurch den Häuptlingen der Nachbarländer später feindliche Einfälle erleichtert würden.

Antalo unterschied sich nicht von Adigerat als Stadt, war aber bedeutend als Marktplatz. Brot, Mehl, Butter, Honig, Schlachtvieh wurden in reichem Maße zugeführt, doch stellte sich eine Schwierigkeit ein: Napier hatte einen Augenblick lang Ebbe in der Kasse, denn Gold nahmen die Eingeborenen nicht und Maria-Theresia-Thaler waren in ungenügender Menge zugeführt worden. In ihren Thalern hatten die Engländer das beste Mittel, die Allianz der Einwohner zu erzielen; aber ihre Kopfzahl erschien diesen immer noch zu gering, um den fürchterlichen Theodor anzugreifen, welcher sich, den angelangten Nachrichten zufolge, auf der Hochebene von Talanta, zwischen den Strömen Dschidda und Beschlo befestigte.

Der Zug der Engländer ging nunmehr durch Wodscherat und Doba zum Aschangi-See, der östlich liegen blieb, und durch Wofila nach dem 8478 Fuß hoch gelegenen Lat, wo das ganze Expeditionscorps in zwei Divisionen getheilt wurde, von denen die erste unter General Stavely, 4600 Mann und 600 Pioniere zählend, zum aktiven Vorgehen, die zweite unter General Malcolm zur Reserve und Besatzung der Zwischenstationen bestimmt war. Alles unnöthige Gepäck blieb zurück; für je 12 Offiziere wurde nur ein Zelt und für 20 Gemeine eins bewilligt, die ersteren durften nur 30 Pfund, die letzteren nur 25 Pfund Gepäck mitführen.

 

Nachdem der 10,662 Fuß hohe Emano-Amba-Paß durchschritten war, stieg die Armee hernieder zu den Quellen des Takazziéstromes. Dann wurde die Ebene von Woadla (Wadela) durchschritten, und am 30. März standen die Engländer in Biedehor am höchsten Rande des Dschidda-Thals, 10,000 Fuß über dem Meere, auf der Kunststraße, die Theodoros mühsam durch die Deutschen hatte herstellen lassen. Durch den Bau dieser Straße hatte der Negus den Engländern ein gutes Theil an Zeit und Mühe erspart, allein es blieben noch Hindernisse genug übrig. Der Uebergang über die Dschidda, welcher am 4. April bewerkstelligt wurde, war nicht das geringste derselben. Die abschüssigen, felsigen Ufer hinab und wieder hinauf zu steigen, war kein leichtes Unternehmen; die Lastthiere rutschten die ganze Strecke hinunter und mehrere erlagen den Strapazen. Das Aufsteigen auf der anderen Seite war womöglich noch schwieriger für Menschen und Thiere, die sich mit leerem Magen und unter schwerem Gepäck hinaufzuwinden hatten. Hier wurde es allmälig zur Gewißheit, daß Theodor sich auch von der Hochebene Talanta, die man jetzt betrat, zurückgezogen und nach Magdala geworfen habe, daß man ihn daher hinter dem Beschlo aufsuchen müsse. Die vorausgeschickten Rekognoszirungstruppen hatten bereits die Nachhut von Theodor’s Heer erblickt, und nun war es klar, daß in den nächsten Tagen ein Zusammenstoß stattfinden könne. Was die Einwohner von Talanta betraf, so bezeigten sie sich den Engländern freundlich, da sie kurz vorher von Theodor’s Truppen nach Maßgabe der altabessinischen Praxis ausgeplündert waren und nun in den Fremdlingen ihre Rächer erblickten. Gefährlich schien für die Engländer einen Augenblick das Auftreten des Rebellen Wolda Jesus in ihrem Rücken, der die Transporte, welche durch Lasta gingen, zu stören versuchte, aber von dem ihnen verbündeten Kassai von Tigrié zur Ruhe verwiesen wurde. Von den Gefangenen hatte man die Nachricht, daß sie sich wohl befänden und milder als früher behandelt würden.

Ueber das Verhalten Theodor’s kurz vor dem Zusammentreffen mit den Engländern giebt ein Brief des gefangenen Gesandten Rassam interessante Auskunft. Hiernach hatte sich der König schon am 18. März über den Beschlo zurückgezogen und an diesem Tage einen Brief an Rassam geschickt, in welchem er bedauerte, daß dieser in Fesseln gelegt worden sei, denn ohne sein Wissen hätten dieses die Behörden gethan; gleichzeitig gab er den Befehl, Rassam die Ketten abzunehmen, was auch geschah.

Am 27. März zog Theodor mit seinen sehr zusammengeschmolzenen Getreuen in Magdala ein, wo die größte Verwirrung herrschte. Ein hoher militärischer Würdenträger war desertirt und zwei andere Häuptlinge wurden angeklagt, Menilek, den König von Schoa, eingeladen zu haben, die Festung in Besitz zu nehmen. Dieses Alles setzte den stolzen Herrscher, der bisher nur die unbedingteste Unterwerfung unter seinen Willen gekannt, derart in Wuth, daß er zuerst beschloß, die alte Garnison aus der Festung zu entfernen und durch eine neue zu ersetzen; am nächsten Tage jedoch gab er Gegenbefehl, beschränkte sich darauf, den Kommandanten abzusetzen und die Besatzung durch 1000 Mann zu verstärken. Am 29. März schickte Theodor zu Rassam, den er in einem seidenen Zelt empfing. Er theilte ihm höflich und in seiner unberechenbaren Weise mit, daß er ihn nur darum übel behandelt habe, weil er wünschte, die Engländer möchten gegen ihn zu Felde ziehen. Darauf drückte er den Wunsch aus, er möge Rassam in der englischen Uniform sehen, was dieser natürlich zugestehen mußte. Umgeben von 400 Offizieren und den deutschen Handwerkern empfing er den ehemaligen Abgesandten der Königin Victoria, welcher die Ehre hatte, dem königlichen Prinzen vorgestellt zu werden. Alles schien dem Könige daran gelegen, den Gefangenen möglichst zu imponiren, und um diesen Zweck zu erreichen, wurde der berühmte Riesenmörser Theodor’s herbeigeschleppt, den dieser „Sebastopol“ getauft hatte. Freudenschüsse begleiteten die Ankunft des Ungethüms, das sich später als sehr ungefährlich erwies. Theodor selbst beaufsichtigte die Befestigungs- und Wegarbeiten und war darüber, daß er Magdala vor den Engländern erreicht, so erfreut, daß er sämmtlichen Gefangenen die Fesseln abnehmen ließ. Nachdem alle Kanonen und Mörser an Ort und Stelle waren, erkundigte er sich bei Rassam aufs genaueste nach der Zahl der gegen ihn ausgesandten englischen Truppen. Letzterer erwiderte: man spreche von 10,000 Mann; er glaube aber nicht, daß mehr denn 6000 bis Magdala kommen würden. Darauf hin setzte der Negus auseinander: wenn er noch so mächtig wäre, wie ehedem, hätte er die Engländer bei ihrer Landung erwartet und sie gefragt, was sie denn eigentlich wollten; aber jetzt habe er mit Ausnahme Magdala’s das ganze Land verloren und müsse sich damit begnügen, sie hier zu erwarten. Dann befahl er, die Gefangenen in seiner unmittelbaren Nähe zu halten, während er von seiner luftigen Burg unablässig mit dem Fernrohr nach Norden hin schaute, von wo der Feind kommen mußte. Endlich am 7. April sah Theodor die ersten Engländer am Beschlo anlangen.

Am 10. April überschritt auch Sir Robert Napier diesen Fluß und hatte nun die Feste Magdala in ihrer ganzen Fürchterlichkeit vor sich liegen. Kühn ragten die steilen Felsen gen Himmel, und oben befand sich Theodor mit seinem Heere. Obgleich die Engländer keineswegs die Absicht hatten, sogleich zum Angriff überzugehen, sondern außerhalb Schußweite von Fala, einer Vorburg Magdala’s, kampiren wollten, so wurden die Truppen Theodor’s doch durch die englischen leichten Reiter, welche nahe an die Festung heranritten, hervorgelockt. Theodor, der selbst in Fala bei seinen großen Kanonen sich aufhielt, gab Befehl, diese dreisten Leute gefangen zu nehmen. Aber er hatte nicht gewußt, daß inzwischen die ganze Brigade unter Sir Stavely auf einem verdeckten Wege ebenso nahe war. Die leichten Reiter zogen sich, als etwa 1200 Fußgänger von der Amba herunterkamen, so schnell sie konnten, zurück. Statt ihrer rückten nun ein Regiment Beludschen, ein englisches Infanterieregiment, eine Batterie Berggeschütze und eine Raketenbatterie vor. Theodor that aus seinem schweren Geschütze in Fala einige gutgezielte Schüsse und seine Leute liefen in Unordnung, aber tapfer vor, bis sie auf 150 Schritt an die Engländer herangekommen waren. Dann aber hatte es ein Ende: Die Wirkung der Geschütze und das auf die Abessinier einströmende Feuer der Raketen machte, daß an keinen Halt mehr zu denken war; Hunderte deckten, mit dem Anführer (Fit Auri, S. 19S. 19) an der Spitze, die Wahlstatt; der Rest stob auseinander und flüchtete nach der Burg zurück.

Theodor, welcher seines Sieges sicher war, hatte unterdessen geschickt eine andere Abtheilung in den Rücken der englischen Bagage gesandt; aber auch dieser ging es schlecht. Von einer Bergbatterie unterstützt, richtete die Bagagemannschaft ein entsetzliches Blutbad unter den Abessiniern an, die immer in dem Glauben gelebt hatten, wehrlose Leute vor sich zu haben. Von diesen 600 Mann kehrte keiner in die Amba heim; die Ueberlebenden konnten nicht in die Burg zurück, da ihnen der Rückzug abgeschnitten war, und, ins Land fliehend, wurden sie ein Opfer der erbitterten Bevölkerung. Der Kampf dauerte bis 6½ Uhr Abends, wo Dunkelheit und Regen die Engländer nöthigten, die Verfolgung, die bis an die Felsenwälle Magdala’s selbst führte, einzustellen. Während des ganzen Gefechts, das die Engländer als „Schlacht von Arodsche“ bezeichnen, fand ein furchtbares Gewitter statt, sodaß Donner und Kanonengebrüll sich miteinander mischten. Die Zahl der abessinischen Todten betrug viele hundert, die Engländer dagegen hatten keinen Todten und nur zwanzig Verwundete.

Theodor war über den Mißerfolg seiner Waffen außer sich. Zum ersten Male, seit er die Krone trug, war er ordentlich geschlagen worden, und zwar von den verachteten „rothen Barbaren“. Seine Wuth kannte keine Grenzen, und das Damoklesschwert schwebte fortwährend über dem Haupte der europäischen Gefangenen. Indessen kühlte er seinen Zorn nur an den abessinischen Gefangenen, von denen er über 300 vor den Augen der Europäer hinrichten und über die Felswälle Magdala’s hinabstürzen ließ. Aber soviel sah er ein, daß er auf die Dauer den Engländern nicht zu widerstehen vermöge. Am nächsten Morgen sandte er daher den Missionär Flad, von zwei abessinischen Häuptlingen begleitet, in das englische Lager, um zu unterhandeln. Die einzige Antwort, die Sir Robert Napier durch diese dem König geben konnte, war: bedingungslose Kapitulation.

Noch einmal schickte Theodor die Parlamentäre ins Lager, doch Sir Robert Napier gab ihnen dieselbe Antwort, und traurig waren sie im Begriff, in die Gefangenschaft zurückzukehren, als sie auf dem Wege die plötzlich freigegebenen Europäer Cameron, Rassam und einige der Handwerker antrafen. Am nächsten Morgen wurden alle übrigen Gefangenen freigelassen, der Franzose Bardel, den man für den schlechten Rathgeber Theodor’s hielt, ausgenommen. Bardel fanden die Truppen später, bei der Einnahme von Islam-Gie, hinter einem Felsen liegend, krank vor Hunger und Fieber. Theodor hatte ihn aus Magdala hinausgejagt. Dieser selbst aber war entschlossen, sich nicht zu unterwerfen und bis zum letzten Augenblicke auszuhalten. Lieber wollte er muthig untergehen, als feige sich ergeben. So blieb denn den Engländern nichts übrig, als zum Sturm auf Magdala zu schreiten, welches immer noch von einigen tausend Mann besetzt war.

Die Festung, von steilen Felsen beschützt, so erzählt ein englischer Bericht, bot nur zwei Zugänge, an der Nord- und der Südseite, die so enge waren, daß nur ein Maulthier sie jedesmal passiren konnte, und die jeder zu einem stark verrammelten Thore führten. Das nördliche Thor war es, durch welches der Eingang erzwungen wurde. Gegen halb drei Uhr Nachmittags am 13. April, dem Ostermontag, begann das Bombardement, und nach einer zweistündigen Kanonade wurde der Befehl zum Sturm gegeben. Die Truppen erkletterten den zum Thore führenden Pfad, fanden aber dieses, wie das umgebende Pfahlwerk, von den Kugeln nur wenig verletzt. Die Palissaden mußten daher mit Hülfe einer Strickleiter überstiegen werden, um das Festungsthor von beiden Seiten angreifen und die Vertheidiger zurücktreiben zu können. Den Zugang bildeten zwei etwa zehn Fuß voneinander entfernte Thore; der Raum zwischen denselben war mit schweren Steinen angefüllt. Hatte die Kanonade auch keinen direkten Vortheil erzielt, so trieb sie doch die Vertheidiger zurück. Nur sechs Offiziere stellten sich mit Todesverachtung den Angreifern entgegen, doch waren ihrer zu wenige, um die Position halten zu können.

Als die Engländer über die Leichen dieser Tapferen vordrangen, fanden sie auf einer etwas entfernten Anhöhe den entseelten Körper des Königs Theodoros liegen – er hatte die Schande nicht überstehen können und sich, um einer schmachvollen Gefangenschaft zu entgehen, durch den Mund erschossen, und zwar mit einem jener Revolver, welche ihm „die Königin Victoria zum Zeichen ihrer Dankbarkeit für die Güte geschenkt hatte, die er ihrem Diener Plowden erwiesen.“ So sagte die Inschrift des sechsläufigen Revolvers. Theodor’s Waffenträger gab die Einzelheiten an über das Verhalten seines Herrn in den letzten Stunden während des Angriffs der Engländer, gegen welchen der sonst so gefürchtete Tyrann nur mit wenigen Getreuen Stand hielt. Zweimal brach unter den hervorragendsten Häuptlingen und deren Gefolge Meuterei aus. Sie weigerten sich, an seiner Seite zu kämpfen, und beschlossen, ihn dem Feind auszuliefern, doch hatten sie noch immer nicht genug Muth, ihr Vorhaben auszuführen. Als so Alles verloren war, erschoß sich Theodor selbst, gleichsam um seine Feinde dadurch zu beschämen, daß er wie ein König sterbe. Das Gesicht des Todten ließ allerdings nicht auf seine früheren Züge schließen, zumal da das Auge das Feuer und den Ausdruck verloren, die als sein Charakteristicum bezeichnet wurden. Die Stirn zeugte von Intelligenz, der Mund von Entschlossenheit und Grausamkeit. Eine Anzahl englischer Truppen hielt bei dem königlichen Leichnam Wache, bis er, am Abend des 14. April, in der Kirche von Magdala begraben wurde.

Der englische Oberbefehlshaber bot das eroberte Magdala dem Gobazye, Schum von Waag, an; dieser lehnte jedoch das Geschenk ab, weil er es nicht gegen die Angriffe der Wollo-Galla vertheidigen könne und es überdies noch jedem, der dort geherrscht, den Untergang bereitet habe. Deshalb beschloß Napier, Magdala zu zerstören. Am Nachmittag des 17. April wurde der Ort in Brand gesteckt, die hochaufwirbelnden Feuer- und Rauchsäulen verkündeten den erstaunten Eingeborenen, daß Theodor gefallen, seine Zwingburg zerstört sei. Mit der Kirche, die man vor den Flammen nicht retten konnte, verbrannte auch der Leichnam des Königs. Damit war jedoch nur der Ort Magdala vernichtet, die natürliche Felsenfeste aber war unzerstörbar. Die Stadt an und für sich war uninteressant, sie bestand aus den gewöhnlichen Hütten mit kegelförmigen Strohdächern. Nur die keineswegs schöne Kirche und die Wohnung Theodor’s stachen von den übrigen Häusern ab. Letztere bestand aus zwei Stockwerken und war mit einem flachen Dache gedeckt. In ihr fand sich eine Anzahl europäischer Luxusartikel vor, Klaviere, Harmoniums, Spieldosen, Patronen für Hinterlader und ein Gemenge anderer Gegenstände. Sonst fanden sich Zeichen der Civilisation nur in den Werkstätten der von Theodor gefangen gehaltenen Handwerker. Einige Kronen, Becher, die Mörser Theodor’s, Speere, Säbel, Kreuze, amharische Bibeln u. s. w. wurden als Trophäen mit nach England genommen. Unter den Gefangenen befand sich auch ein Sohn Theodor’s, welchen der Obergeneral mit nach England zu nehmen beschloß. Auch die beiden Königinnen fielen den Engländern in die Hände. Die rechtmäßige Gattin Toronesch, die Tochter Ubié’s, erschien als eine vornehm aussehende Frau von 26 Jahren, mit heller Hautfarbe, lebhaften Augen, hübscher Hand und wunderschönem Haar, das in dichten Locken auf die Schultern herabfiel. Sie vermochte das Ende ihres Gemahles nicht zu überleben und starb auf dem Wege nach der Küste.

 

Sofort begannen die Engländer den Rückmarsch; um den Besitz der kahlen Felsenwände Magdala’s, das zur Berühmtheit geworden, stritten sich nun wieder die Galla – für die Abessinier war das Land am Kollogebirge, welches sie von ihren Stammesgenossen in Schoa trennt, verloren, und der muhamedanische Keil, den einst Theodor beseitigt, war wieder zwischen die christlichen Reiche eingeschoben. Auf der Talanta-Hochebene sammelte Sir R. Napier sein kleines tapferes Heer, hielt über dasselbe Revue und dankte ihm für die bewiesene Aufopferung. Dann wurde die Dschidda überschritten und auf demselben Wege, den man gekommen, die Heimkehr vollzogen.

Die befreiten Gefangenen und die Beute brachten die Engländer triumphirend nach Zula, von wo sie nach England eingeschifft wurden. Auch die deutschen Handwerker kehrten heim und nur Schimper und Zander zogen es vor, sich nach Adoa in Tigrié zu begeben, wo sie ihre Tage beschließen wollen. Die Expedition selbst war ein großer Erfolg, für den England aber theuer bezahlen mußte. Wenn der Brief, den Theodor Ende 1862 an die Königin Victoria schrieb, im Auswärtigen Amte nicht vergessen und nicht unbeantwortet geblieben wäre, so würde kein Grund vorhanden gewesen sein, die Expedition überhaupt zu unternehmen, 6 Millionen Pfund Sterling zu opfern und einige Tausend schlecht bewaffneter Abessinier mit Armstrongkanonen und Hinterladern niederzuschießen.

Selten wurde wol ein Kriegszug mit solchem Widerstreben unternommen, mit solcher Genauigkeit entworfen und so rasch und vollständig ausgeführt, wie die englische Expedition gegen Abessinien. Sir Robert Napier konnte mit Cäsar schreiben: Veni, vidi, vici! Der König todt, Magdala erstürmt, die Gefangenen frei! Das waren die nächsten Resultate. Die Schnelligkeit und Entschiedenheit des Erfolges, die vollständige Vernichtung Theodor’s und seiner Macht kann uns kaum Wunder nehmen. Der Kampf zwischen einem englischen Heere mit englischen Waffen und einer Streitmacht wenig geschulter, wenn auch tapferer Abessinier war für letztere von vornherein ein hoffnungsloser. Das eigenthümliche Verdienst der Engländer bestand aber nicht darin, daß sie die Abessinier, sondern daß sie das Land besiegten. Die Natur kämpfte gegen sie, aber die Wissenschaft und die Organisation überwanden diesen gefährlichsten der Gegner. Napier mußte sich fast Zoll für Zoll erst den Weg bahnen, und dieser mühsame und gefahrvolle Marsch ging über jäh abstürzende Klippen und an schwindelnden Abgründen vorbei; dazu gesellte sich die Kälte auf den Alpenhöhen von 12,000 Fuß über der Meeresfläche. Man begreift die ängstliche Spannung der englischen Armee, indem sie sich Magdala näherte, Theodor möchte sich zurückziehen und sie in endloser Verfolgung seiner Person und seiner Gefangenen zu ermüden suchen – aber der Negus hatte geschworen: „wenn auch alle seine Truppen flöhen, allein den Briten Stand zu halten“. Und er hat Wort gehalten, und in der That kann man im Hinblick auf die früheren Großthaten und die letzte Stunde sein Mitgefühl dem Manne nicht versagen, der selbst die Engländer zwang, ihn zu zermalmen. Er war aus dem Stoffe vieler orientalischer Eroberer gemacht, ein willensstarker, bedeutender Mensch, aber ohne Selbstbeherrschung und unfähig, die Kraft einer der seinigen überlegenen Civilisation zu begreifen. Selbst die Engländer ließen dem überwundenen Feinde schließlich Gerechtigkeit widerfahren und eines ihrer Blätter ruft aus: „Schade um den Mann! Der wahnsinnige Barbar, das feige Ungeheuer, als welchen ihn die schreibseligen Judenmissionäre in ihren Episteln aus der Gefangenschaft schilderten, war vielleicht der einzige wirkliche Held in diesem romantischen Drama. Schade um den Mann! Ein Mann von wilder Genialität, durchdringendem Scharfsinn und eiserner Willenskraft, mit all den Eigenschaften ausgerüstet, welche nöthig sind, um Afrikanern zu imponiren und Barbaren für die Civilisation zu gewinnen, so erschien er unsern Kriegern und er hat ihr Urtheil durch sein Herzblut besiegelt.“

In Abessinien sind von Zeit zu Zeit große Männer aufgetreten, welche ihr daniederliegendes Vaterland aus dem Staube zu heben suchten – der Abuna Tekla Haimanot stellte zu Ende des 13. Jahrhunderts das Reich unter der salomonischen Dynastie wieder her; Kaiser Fasilides verjagte die Jesuiten und unterwarf alle Rebellen – aber größer und gewaltiger erscheint der Sohn der armen Kussohändlerin aus Koara, Theodor II. – Und Abessinien? wird man fragen. Ohne kräftige Regierung steht es wieder da, zerklüftet und zerfallen, als das Land, das es von je gewesen, „das Land der Verwirrung“.

Ende