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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Die inneren Feinde waren so allmälig niedergeworfen, dafür trat jedoch von außen ein weit mächtigerer Widersacher, England, auf. Ehe wir jedoch hierzu übergehen, ist es nothwendig, noch einen Blick auf Charakter und Persönlichkeit, wie auf die reformatorischen Bestrebungen des Negus zu werfen, der jedenfalls ein ganz bedeutender Mensch in seiner Weise war, eine seltene und großartige Erscheinung in Abessinien, die allerdings mit europäischem Maßstabe nicht gemessen werden darf.

„Theodoros“, so schrieb 1862 Lejean, „mag etwa 46 Jahre alt sein. Er ist von mittlerem Wuchs und wohlgestaltet, hat einen offenen sympathischen Gesichtsausdruck, gut entwickelte Stirn, kleine, lebhafte Augen und eine fast schwarze Gesichtsfarbe. Nase und Kinn erinnern an den jüdischen Typus. Er ist aus Koara gebürtig und ich halte ihn für einen Agow oder Gamanten; für einen Aethiopier von reinem Blute ist Theodoros zu dunkelfarbig. Seine äußere Erscheinung imponirt, sie zeigt, daß er in der That ein Mann von großer geistiger Regsamkeit und unermüdlicher Kraftentwicklung ist, und er bildet sich auch hierauf etwas ein. Er vertreibt sich gern die Zeit damit, an steilen Hügeln herab- und heraufzuklimmen und dann erfordert die Etikette, daß seine Umgebung ein Gleiches thue. Auf dem Pferde bewegt er sich wie ein argentinischer Gaucho und seine Rosse zittern buchstäblich, wenn sie ihn kommen sehen. Sein Kriegsruf ist wie bei allen abessinischen Häuptlingen: Abba Senghia, d. h. Vater der Pferde. Für gewöhnlich trägt er sich höchst nachlässig; als tüchtiger Soldat verachtet er ein geschniegeltes Wesen, kleidet sich wie ein gewöhnlicher Offizier, Kopf und Füße sind unbedeckt. Aber auf einen Schmuck der Krieger legt er Werth; er läßt das Haar in drei lange Flechten legen, welche auf die Schulter herabfallen, und trägt ein weißes Stirnband.“ Ausgenommen seine erste Frau, Tsubedsche, hat nie ein Weib Einfluß auf sein Leben gehabt. Diese aber, die Tochter seines Widersachers Ras Ali, liebte er leidenschaftlich, und als er sie im Jahre 1858 verlor, war er kaum zu trösten. Ganz anders ging es seiner zweiten Frau, Toronesch, einer Tochter Ubié’s, die er geheirathet, um sich mit der Familie dieses einst mächtigen Fürsten auszusöhnen. Er verstieß sie einmal, und Bell, der interveniren wollte, um Skandal zu verhüten, erhielt eine gehörige Ohrfeige. Der Fortbestand seiner Dynastie lag dem König Theodoros nicht minder am Herzen als einem europäischen Fürsten, und er behauptete, daß wenigstens einer seiner Söhne ans Ruder kommen müsse, „denn die Propheten hätten nicht gelogen“. Sein älterer Sohn, von der Tsubedsche, war ein durchaus verkommener, mißrathener Mensch, den der Vater eines schönen Tages in einen Eselstall sperren ließ, damit er dort „en famille“ sei. Der zweite jedoch, Detschas Maschescha, wurde 1862 zum Gouverneur von Dembea ernannt, wo er sich durch sein mildes Wesen so beliebt machte, daß Theodor es für gerathen hielt, ihn abzuberufen. „Was soll dies Buhlen um die Volksgunst? fragte er ihn. Willst du die Rolle des Absalon spielen und den Vater vom Throne verdrängen?“

Das Auftreten Theodor’s war meist theatralisch oder, wie die Abessinier sagen, fakerer, d. h. ruhmredig. Gesten und Stimme waren berechnet und Niemand wußte besser als er den Präsidentensitz bei einer Versammlung auszufüllen. Seine brillante Beredtsamkeit verfehlte selten ihr Ziel und seine Briefe sind Muster der amharischen Sprache. Die halb klösterliche Erziehung, die er in Tschankar erhalten, hatte noch Spuren hinterlassen, und so galt der König für einen sehr gebildeten Mann. Er war in der Nationalliteratur bewandert und kannte die europäischen Zustände. Als Probe seines Stils möge folgende von ihm eigenhändig niedergeschriebene Proklamation gelten: „Von Menilek bis auf die jüngste Zeit herab sind alle Negus dieses Landes nur Histrionen gewesen, welche Gott weder um Geist noch um Beistand baten, das Reich wieder aufzurichten. Als Gott mich, seinen Diener, zum Könige erwählte, sagten meine Landsleute: Der Fluß ist ausgetrocknet, es giebt kein Wasser mehr in seinem Bett. Und sie beleidigten mich, weil meine Mutter arm war und nannten mich ein Bettlerkind. Aber den Ruhm meines Vaters, den kennen die Türken, da er sie von den Landesgrenzen bis in ihre Städte zurückgejagt. Mein Vater und meine Mutter stammen von David und Salomo, ja von Abraham, dem Knechte Gottes, ab. Diejenigen aber, welche mich Bettlerkind schimpften, sie betteln heute selbst um ihr tägliches Brot. Ohne den Willen Gottes können weder Kraft noch Weisheit vor dem Untergange schützen. Viele Große dieser Erde haben Bomben und Kanonen im Ueberflusse und sind doch unterlegen. Napoleon hatte tausende und er ist besiegt worden. Nikolaus, der Negus der Moskowiter, ist von Franzosen und Türken besiegt worden; er starb, ohne daß seines Herzens Wunsch in Erfüllung ging.“

Von der europäischen Civilisation hatte Theodor eine hohe Meinung, von der Moral der Europäer jedoch nur eine sehr geringe, was auch nicht gut anders der Fall sein konnte, da die meisten Europäer, mit denen er zu verkehren hatte, verdorbenes, hochmüthiges Gesindel waren. So wild der König auch im Kriege war, an sanfteren Regungen fehlte es ihm keineswegs. Er nahm sich der Waisen an, sorgte für sie durchs ganze Leben, verheirathete sie und ließ sie niemals aus dem Auge. Er liebte die Kinder außerordentlich und kehrte sich, wie er sagte, von den falschen Höflingen ab, um sich an der Unschuld jener zu weiden. Dabei war er freigebig im höchsten Grade, großmüthig und gerecht, aber auch unerbittlich streng, wo es darauf ankam. „Ich selbst war Zeuge,“ schreibt Krapf 1856, „wie schon Nachts 2 Uhr Scharen von Beschwerde führenden Leuten aus allen Theilen Abessiniens das königliche Lager umstanden und Dschan hoi! (o Majestät) riefen. Ich glaube kein König in der Welt thut es ihm in dieser Beziehung gleich, und mußte mich nur wundern, wenn er es bei einer solchen angestrengten Thätigkeit bei Tag und Nacht, in Sachen des Kriegs sowol, wie des Friedens aushalten kann. Die Abessinier haben ihn aber auch bereits so lieb, daß sie ihn mit dem König David im alten Bunde vergleichen, und sie glauben, daß die alte Weissagung, wonach ein König Theodorus kommen und Abessinien groß und glücklich machen, auch Mekka und Medina zerstören werde, sich zu erfüllen anfange.“

Obgleich der Negus sein eigenes Volk verachtete und dessen Fehler recht wohl kannte, so hat er nichtsdestoweniger redlich an der Verbesserung der Lage desselben zu arbeiten versucht und, soweit den eingewurzelten Mißbräuchen gegenüber seine Kraft reichte, eine reformatorische Thätigkeit entwickelt, die allerdings durch die fortdauernden Rebellionen auf große Hindernisse stoßen mußte. Durch die lange Anarchie waren alle Gesetze nur todte Buchstaben geworden und die Kirche in die größten Mißbräuche gerathen. Alle üblen Folgen der todten Hand lasteten auf den Bauern und Besitzern der Kirchengüter. Gegen diese Mißbräuche trat nun Theodor mit eisernem Willen auf; er erklärte die todte Hand als ein nationales Uebel und annektirte alle Kirchengüter der Krone, indem er der Geistlichkeit ein gewisses Einkommen und den Klöstern genug Land ließ, um sich zu ernähren. Auf die Einheit der Kirche hielt er dabei große Stücke; doch war er Fanatiker und befahl allen Muhamedanern in seinem Reiche, binnen zwei Jahren Christen zu werden. Mit den Missionären, protestantischen wie katholischen, die sich doch in die politischen Verhältnisse mischten, wollte er nichts zu thun haben – er untersagte ihnen jegliche Thätigkeit. Den Handel zu heben, hatte Theodor gleich nach seinem Regierungsantritte alle die unzähligen Zollstätten von Gondar bis nach Halai aufgehoben, zwei Plätze ausgenommen. Auch der Sklavenhandel und die Vielweiberei wurden verboten, freilich ohne großen praktischen Erfolg. Sein Hauptplan war aber immer, das große äthiopische Reich phönixartig aus der modernden Asche wieder erstehen zu lassen. Hierzu brauchte er die Hülfe der Europäer, und darum verlangte er nach jenen Handwerkern, die ihm auch durch Krapf’s Vermittlung zugeschickt wurden. Jedenfalls war überall ein Fortschritt, auch in der Justiz zu erkennen, sodaß 1862 Heuglin aus Abessinien in die Heimat schreiben konnte:

„Die Zustände in Abessinien im Allgemeinen lassen Manches zu wünschen übrig. Der König stößt auf tausend Schwierigkeiten bei Einführung seiner Reformen und muß mit eiserner Strenge verfahren, um nur einigermaßen Ordnung erhalten zu können, doch ist trotzdem, daß ihm seine Kriegszüge keine Zeit lassen, viel für Administration zu thun, auch manches sehr Erfreuliche hier geschehen. Namentlich ist für bessere Kommunikation wirklich mit Erfolg an Straßenbauten gearbeitet und dem Schreiber- und Pfaffenunwesen mit einer Kraft Einhalt gethan worden, an der sich mancher andere Herrscher ein Exempel nehmen dürfte.“

Soviel wie Theodor hatte vor ihm kein abessinischer Herrscher für Land und Volk gethan, keiner war aber auch mit so außerordentlichen Gaben des Geistes ausgerüstet, wie dieser bedeutende Mann, an dem andererseits Jähzorn und Trunksucht sehr zu beklagen sind, da beide ihn oft zu gewaltsamen, unüberlegten Handlungen hinrissen. Wild und grausam blieb er auch in seinem Lager- und Kriegsleben, das wir am besten kennen lernen, wenn wir mit dem deutschen Reisenden Steudner, dem Begleiter Heuglin’s, einen Besuch im Lager des Königs abstatten, der sich auf einem Feldzuge gegen die Galla im Lande jenseit des hohen Kollogebirges befand.

Spät am Abend des 4. April 1862 erschien ein Bote bei Herrn von Heuglin, um diesen einzuladen, beim Könige zu erscheinen. Der Geladene warf sich in eine große Uniform und wanderte, von Steudner begleitet, unter Fackelschein über Sturzäcker zu dem kaiserlichen Zelte. In dem mit Wachen umstellten engeren Lagerbezirke wurden die Reisenden aufgehalten, da im Zelte des Negus erst eine längere Berathung darüber stattfand, ob Heuglin auch mit dem Säbel an der Seite eintreten dürfe. Nachdem dies bewilligt war, wurden die Fremden feierlich in das Zelt eingeführt, in welchem sie Seine schwärzliche Majestät mit halb untergeschlagenen Beinen auf einem alten auf der Erde ausgebreiteten Teppich sitzend fanden; neben ihm kauerte sein Beichtvater, der Etschegé. Se. Majestät trug ein weißes abessinisches Gewand, dem man die Spuren langen Lagerlebens deutlich ansah; er grüßte sehr artig, besonders Herrn von Heuglin, fand es jedoch nicht für nöthig, sich zu erheben; dann lud er die Gäste ein, neben ihm Platz zu nehmen. Das Zelt war von großen Würdenträgern und Eunuchen überfüllt; zur Linken des Königs saß dessen Sohn Maschescha, und der Sohn des gestürzten Königs von Schoa, der zugleich mit Maschescha erzogen wurde, der zweite Ras des Landes, Ras Engeda, und der Lagerkommandant Bascha Negusi. Vor ihnen stand ein mit rothem Tuch bedeckter Meseb oder Eßkorb, aus welchem sie mit unvergleichlichem Appetite die Fastenspeise verzehrten. Se. Majestät ließ durch seinen Af sich erkundigen, was die Reisenden essen wollten, Brundo (rohes Fleisch), Teps (halbgeröstetes) oder Fastenspeise. Der Af, d. h. der Mund, ist eine vertraute Person des Königs, zu welcher dieser spricht, um die Worte den Fremden zu wiederholen, selbst wenn derjenige, an den sie gerichtet sind, sie vernimmt. Man stellte es der Weisheit Theodor’s anheim, mit was er seine Gäste bedienen wolle, und auf ein Zeichen erschien ein Meseb mit schönem Tiéfbrot gefüllt, um den die beiden Europäer sich lagerten, während zwei hohe Würdenträger beordert wurden, sie zu füttern, d. h. abgerissene Stücke Tiéfbrot in die rothe Pfeffersauce zu tauchen und ihnen diese in den Mund zu praktiziren. Die Leute entledigten sich dieser Pflicht in höchst liebenswürdiger Weise, indem sie möglichst große Brotballen mit möglichst viel brennender rother Pfeffersauce den Gästen in den Mund steckten, welche das abessinische Gericht krampfhaft hinabwürgten. Nach der Mahlzeit bediente sich Se. Maj. nicht mehr des Af, sondern wandte sich unmittelbar an die Fremden und zwar in arabischer Sprache. Während der Unterhaltung wurde Honigwein in schönen Punschgläsern aus einer Bowle servirt, die vom Gouverneur von Indien geschenkt war.

 

Theodor war damals sehr mit Regierungsgeschäften überhäuft und ließ sich mehrmals entschuldigen, daß er die Reisenden nicht gleich offiziell empfangen könne. Schon vor Sonnenaufgang begann vor dem königlichen Zelte das Dschan-hoi-Geschrei derjenigen, die Streitsachen vortragen und Gerechtigkeit erflehen wollten. Hierauf folgten von Sonnenaufgang an die Gerichtssitzungen, wobei das klatschende Geräusch der großen Knuten und Stöcke das Ergebniß verkündigte, welches nicht selten in die frische Morgenluft hinein hallte. Mehre Tage hindurch war der Negus damit beschäftigt, die im Lager mitgeführten Herden zu zählen. Nachdem dieses königliche Geschäft, wobei 20,000 Rinder die Revue binnen zwei Tagen passirten, vollendet war, erhielten die beiden Reisenden eine feierliche Audienz zur Uebergabe der mitgebrachten Geschenke. Der Negus empfing sie am Abhange eines Hügels, welcher das Centrum des Lagers bildete. Er saß auf einer Alga, die mit einem prachtvollen, sehr großen Kaschmir bedeckt war; darüber lag noch ein mit indischer Goldstickerei überladener Teppich ausgebreitet. Auf der Sonnenseite, sowie hinter dem Könige standen zwei Schirmträger, welche beide ungeheuer große bunte Schirme auf 10 Fuß hohen Stäben über dem Haupte des Erlauchten hielten. Der Negus selbst war in einen sehr feinen Margef gehüllt und lehnte nachlässig auf der Alga, vor welcher für die beiden Europäer gute Teppiche zum Niedersitzen ausgebreitet waren. Diese befanden sich allein mit dem Fürsten und seinen schirmtragenden Kammerherren, während im Umkreise von 30 Schritt Halbmesser andere dienstthuende Hofchargen standen, z. B. die Peitschenträger mit langen Stöcken in der Hand, um das neugierige Publikum abzuhalten.

Nachdem Se. Maj. sehr bereitwillig Erlaubniß zur Ueberreichung der Geschenke ertheilt, wurden die Diener der beiden Reisenden herangerufen, die mit gänzlich entblößtem Oberkörper, die Gewänder um den Leib gegürtet, mit den Gegenständen erschienen. Jedes einzelne Stück mußte dem Negus gezeigt und dann vor ihm auf den Boden niedergelegt werden. Die Geschenke bestanden aus mehreren Sammetteppichen, einem Revolvergewehr, einem sehr schönen Revolver nach abessinischem Geschmack mit recht großem Kaliber, zwei sehr guten langen gezogenen Pistolen, welche man mit angeschraubtem Kolben auch als Pürschbüchsen benutzen konnte, einem Hirschfänger mit vergoldetem und einem andern mit silbernem Griffe, einigen schön gearbeiteten Dolchen mit vergoldeten Scheiden u. s. w. Se. Maj. geruhten hierauf sich dankend über die Geschenke auszusprechen. Im Laufe der Unterhaltung sprach er seine Verwunderung darüber aus, daß die Türkei bisher noch nicht von den christlichen Mächten erobert sei, ja daß einige derselben sie sogar gegen eine andere christliche Macht geschützt hätten, wobei er bemerkte: „ein Reich, das sich nicht selbst regieren könne, habe keinen Anspruch darauf, selbständig zu existiren“. Uebrigens erschien der König sehr ermüdet, war es doch der dritte Tag, an welchem er sich mit dem anstrengenden Rinderzählen beschäftigt hatte, kein Wunder also, daß seine Nerven angegriffen waren. Abgesehen von dieser Mattigkeit erschien König Theodor, ein Mann von etwa 40 Jahren, kräftig, schlank, wenn auch nicht groß. Seine Gesichtszüge waren frei; in der Tracht unterschied er sich kaum von seinen Unterthanen; wie diese ging er barhaupt und barfuß in dieselbe Schama gekleidet. Das Haar trug er als Krieger in mehrere, dicht am Kopfe anliegende Zöpfe geflochten.

So war der Mann beschaffen, der als Mittelpunkt des ganzen Lagers dastand, welches sehr leicht aufgeschlagen wird. Will der Negus, der stets an der Spitze seines Heeres marschirt, Halt machen, so läßt er an einem passenden Platze ein kleines scharlachrothes Zelt aufstellen, welches dann als Mittelpunkt für das ganze Lager dient. Dicht vor diesem, auf dem höchsten Punkte wird das Kirchenzelt, welches niemals fehlen darf, errichtet. In einiger Entfernung von diesem und stets – angeblich aus Demuth – tiefer stehend, wird das sehr große, aus dickem dunkelbraunem Mack bestehende Zelt des Negus aufgebaut; zu beiden Seiten desselben standen zwei ähnliche für die beiden Königinnen; auf dem linken Flügel dann ein sehr großes Zelt für den königlichen Marstall und die vier zahmen Löwen, diesem entsprechend auf dem rechten Flügel gleichfalls ein großes Zelt für die königliche Küche, dann das Zelt des Abuna Salama, durch eine stets vor der Zeltthür errichtete Windwand kenntlich. Die Zelte der Anführer sind aus weißem Baumwollenstoff in verschiedenen Formen gearbeitet; um diese herum bildet sich ein weiter Kreis kleiner Hütten, Gotscho, in welchen die Leute eng zusammengepreßt liegen, um sich gegenseitig zu erwärmen. Eine bestimmte und sehr praktische Form haben die Zelte der Schoaner; sie sind aus starkem braunem Mack gefertigt, haben ein Rechteck zur Basis und zwei Zeltstangen halten das Ganze an den beiden schmalen Ecken, während kurze Schlingen am unteren Rande des Zeltes dazu dienen, die Pflöcke einzuschlagen. Auf diese Weise halten sie sich sehr gut, ohne daß sie die wegen der vielen herumlaufenden Thiere höchst unangenehmen Zeltstricke nöthig haben; auch im Innern bieten sie vielen Raum. Ueberall vor den Zelten lodern Feuer, an denen die Frauen der Soldaten beschäftigt sind, für diese Tiéfbrote oder rothe Pfefferbrühe zu kochen; zu anderen Zeiten sieht man die Zeltstricke dicht mit großen Mengen in lange dünne Streifen geschnittenen Fleisches behangen, welches an der Luft und der Sonne trocknen soll. Reihen von Mägden und Dienern durchziehen von der königlichen Küche aus nach allen Richtungen das Lager, um große, mit rothem Tuch überdeckte Meseb oder Körbe voller Tiéfbrot und mächtige Krüge voll Honigwein nach den verschiedenen Zelten der Großen zu bringen, die aus den königlichen Vorräthen mit Trank und Speise versehen werden.

Noch bunter und lebendiger gestaltet sich das Bild, wenn das Lager aufbricht. Zunächst werden die kleinen Gras- und Reisighütten (Gotscho) niedergebrannt, und hoch zum Himmel auf strebt der Rauch, die Stätte des abgebrochenen Lagers bezeichnend. In den meisten Fällen führt der Negus, von Kavallerie umgeben, den Zug an, dem in mehreren Heersäulen das Gros der Armee folgt. Lange Reihen von schwer beladenen Pferden, Maulthieren und Eseln, die in dem futterarmen Hochlande Tag und Nacht der Kälte und Nässe ausgesetzt sind, ziehen, zu Skeletten abgemagert, dahin. Ohne die geringste Ordnung schreiten Leute einher, die vorsichtigerweise während des Tagemarsches eine Last Holz mitschleppen, um sich damit am Abend ein wärmendes Feuer machen zu können; ihnen folgen Krieger in der einst weißen, jetzt schmuzigen Schama mit rothem Randstreifen und umwickelt mit dem dicken abessinischen Leibgurt, in welchem der Schotel, d. h. der große krumme abessinische Säbel mit Nashorngriff in rother Scheide steckt; in der Hand führen sie die scharfgeschliffene Lanze oder ein Luntenflintengewehr mit viereckigem Kolben. Dann ziehen munter plaudernd, an dem Kochlöffel erkenntlich, mit dem flachen Gilgit oder Proviantkorbe auf dem Rücken, die Köchinnen, echte Löffelgarde, einher. Die königlichen Küchendamen sind an dem Messingknopfe kenntlich, der auf dem Kopfwirbel in das Haar mit eingeflochten ist. Neben ihnen traben Esel, unter der Last von Grasbündeln völlig begraben. An jedes der langen Ohren dieser philosophischen Geschöpfe ist eine Ziege oder ein Schaf vorgespannt, damit das interessante Kleeblatt beisammen bleibe.

Von einer Anzahl Pfaffen mit großen Turbanen umgeben, reitet auf schönem Maulthiere im violetten Gewande der höchste Kirchenfürst, Abuna Abba Salama auch im Zuge mit. Neben ihm und seiner wohlgenährten in Gott vergnügten Schar schleppt sich mühsam auf skelettartig abgemagertem Maulthiere ein früherer Häuptling hin, dem mit oder ohne Ursache eine Hand und ein Fuß abgehauen ist. Er hat den Stumpf seines Fußes in ein Trinkgefäß aus Horn gesteckt, den verstümmelten unbrauchbaren Arm trägt er im faltigen Gewande verborgen. Dann folgen Gefangene in schweren Ketten, jeder mit seinem Führer zusammengeschlossen, den der Unglückliche noch für diese Gefälligkeit ernähren und bezahlen muß. Viele dieser Gefangenen tragen, um das Entweichen zu verhindern, den fünf bis sieben Fuß langen Monkos am Halse, dessen dicke Gabel durch ein Querholz geschlossen ist und der dem Gefangenen selbst beim Schlafen nicht abgenommen wird. Kaum ein Lumpen deckt diese Unglücklichen. Nicht weit von ihnen trifft der Blick wieder auf ein anderes Bild, und zwar auf ein heiliges, das mit allem Aufwande von abessinischem Prunk angezogen kommt. Es ist der Etschegé, das Oberhaupt der Mönche, zugleich Beichtvater des Königs, dem er als steter Begleiter und Rathgeber allüberall hinfolgt. Er reitet ein prachtvolles Maulthier und schützt sein theures, mit einem ungeheuren weißen Turban umhülltes Haupt durch einen großen buntseidenen Regenschirm, dessen abwechselnd goldgelbe und violette Fächerfelder weithin sichtbar sind. Ihm folgt eine große Anzahl schmuziger Mönche in einstens weiß gewesene Gewänder gehüllt oder in gelbes Leder gekleidet; alle tragen das Zeichen ihres Standes, den Fliegenwedel oder Kuhschwanz. Unter ihren weißen oder gelben Kappen erblickt man die niederträchtigsten Gaunerphysiognomien, sowie die ausdrucklosesten Gesichter, die Abessinien erzeugen kann. Plötzlich scheut das Maulthier des Etschegé und springt zur Seite: es ist ein aller Kleider beraubter Todter, der, auf der Straße liegend, das Thier beunruhigt. Dem Etschegé mit seinen frommen Begleitern folgt eine Reihe Tabots, für deren wunderthätigsten ein mit rothen Lappen und Lumpen bedeckter Armsessel aus lackirtem, mit bunten Blumen bemaltem Holz bestimmt ist. Diese Tabots, deren oft zehn oder zwanzig aufeinander folgen, sind Holztafeln mit den zehn Geboten oder frommen Sprüchen beschrieben. Jede dieser Platten ist sorgfältig mit rothem Baumwollstoff bedeckt und alle werden in einer langen Reihe hintereinander getragen. Dem ganzen kirchlichen Prachtzuge geht ein schmuziger Mönch voran, welcher fortwährend eine Glocke schwingt, damit Jeder, der da sitzen sollte, vor den Heiligthümern aufstehe und ihnen seine Ehrfurcht bezeuge.

Im vollen Galopp auf guten Maulthieren, die mit klingelnden Glöckchen behängt sind, kommt ein Trupp Schoaner angesprengt; es sind lauter kräftige Gestalten, in dunkelbraunen Mack gekleidet, mit dem kurzen, stark gekrümmten Messer im dicken, die Brust bedeckenden Gürtel und mit der schön gearbeiteten Lanze auf der Schulter. Wieder andere Bilder! Hier Lastthiere, schwer bepackt mit Lederschläuchen; dort Weiber, die das Doppelte ihres eigenen Volumens an leeren oder gefüllten Kürbisschalen (Gerra) schleppen, welche zum Transport von Butter, Honig, rothem Pfeffer u. s. w. dienen. Alle schreien und schwatzen, dazwischen klappern die vielen getrockneten Kürbisschalen. Keiner dieser Schönen fehlt indessen das nöthige hölzerne Kopfkissen in der Form eines fünf bis sechs Zoll hohen Leuchters mit einem ausgehöhlten Holzbügel zum Hineinlegen des Nackens beim Schlafen. Der Fuß dieses Instrumentes ist oft hübsch gedrechselt.

 

Neben dieser bunten Gesellschaft reitet eine der zwei Königinnen, denn zu jener Zeit hatte der christliche Monarch zwei Damen zu Ehegemahlinnen. Die eine rechtmäßig mit dem Negus verbundene war die schon erwähnte Tochter des entthronten Detschasmatsch Ubié von Tigrié; die zweite ein Fräulein aus dem Jedschu-Galla-Lande. Beide jedoch sind gleich gekleidet in blaue Mäntel, die mit Gold- und Silberglöckchen behangen sind. Beide haben, wie alle großen Damen, ihr Gesicht verhüllt, nur die schwarzen Augensterne funkeln und leuchten bei beiden gleichmäßig aus der weißen Umhüllung. Das einzige Unterscheidungszeichen zwischen beiden war nur stets ein in Silber gestickter türkischer Halbmond mit daranstehendem Venusgestirn, das auf dem Gewande der einen Königin auf dem untersten Theile ihres Rückens erglänzte. Diese jetzt die schlanken Formen zweier Königinnen umhüllenden Mäntel waren wol einst Schabracken eines ägyptischen Marstalls gewesen. Beide Majestäten sind von einigen Bewaffneten und Eunuchen begleitet und reiten stets in der Entfernung einer halben Stunde voneinander, um etwa möglichen Konflikten vorzubeugen, sowie sie auch zwei gänzlich getrennte Hofhaltungen in zwei verschiedenen Zelten zu beiden Seiten des königlichen Zeltes haben.

Oft sitzt oder liegt mitten in dem durch die Hufe der zahlreichen Thiere aufgewühlten Schmuze ein nur wenige Monate oder ein bis zwei Jahre altes Kind schreiend im Wege, jeden Augenblick in Gefahr, durch Reit- oder Lastthiere zertreten zu werden, die sich oft dicht zusammendrängen, um einer Leiche aus dem Wege zu gehen. Todte Thiere, halbverweste Pferde, Maulthiere, Esel, Schafe und Ziegen bezeichnen zu tausenden die Straße, welche das Heer zieht. Dort wird ein Kranker getragen, es muß ein Vornehmer sein, denn man trägt ihn behutsam auf bequemer Tragbahre, über welcher aus weißer Schama ein leichtes Zelt errichtet ist; wäre es nur ein armer Mann, so hätte man ihn einfach auf zwei lange Holzstücke gebunden.

Nahe bei dem Kranken sehen wir einen anderen Zug: eine ganz weiß gekleidete Dame, die Frau eines Großen, reitet dicht verhüllt dahin; ihr Maulthier wird sorglich von einem Diener geführt. Gestern erst hat sie die Welt mit einem neuen Bürger beschenkt, der schreiend und quiekend in einem weiß bedeckten Brotkorbe von einem Diener auf dem Kopfe nachgetragen wird. Der kaum einige Tage ältere Sprößling einer anderen Frau giebt ebenfalls durch Schreien Zeichen einer gesunden, kräftigen Lunge, sein Lager aber ist nicht so sorgsam gegen Sonne und Kälte geschützt. Mit Riemen ist er völlig nackt zwischen Körbe und Kürbisflaschen auf den Rücken oder die Hüfte seiner schwer tragenden Mutter geschnürt oder auf das Gepäck eines magern Pferdes gebunden. Kleine Kinder von drei bis fünf Jahren, völlig nackt oder nur mit einem Stückchen Schaf- oder Ziegenfell über den Schultern, laufen neben ihren schwer bepackten Müttern, ja sie tragen selbst einen Theil von den Kürbisflaschen, Eisenblechen zum Brotbacken, hölzernen Schüsseln zum Anrühren des Brotteiges u. s. w. Andere Weiber rauchen gemüthlich aus einer großen Tabakspfeife, deren Abguß aus einem kleinen wassergefüllten Kürbis besteht; neben ihnen schleppen sich einige unbepackte Maulthiere hin, deren aufgedrückter Rücken eine einzige Wundfläche bildet. Am Wege sitzt ein Künstler von Fach auf einem Bunde Stroh, aus welchem er sich am Abend einen Gotscho zu bauen gedenkt, und singt zu dem eintönigen Geklimper seiner Kirra, der abessinischen Lyra, mit scharfer näselnder Stimme, packt dann Stroh und Lyra auf den Kopf und wandelt als zweiter Apollo seinen kothigen Weg. Zwischen diesen Scharen bepackter Menschen und Thiere ziehen brüllend Herden schöner Rinder, Schafe und Ziegen; auch bricht, Geschrei und Unordnung verursachend, gelegentlich ein kräftiger Stier durch die Massen.

Die vier zahmen Löwen des Negus (vergl. S. 187S. 187), schöne, große Thiere, laufen völlig frei mitten im Troß, ohne auch nur am Stricke geführt zu werden. Steudner bemerkte zu seinem Erstaunen, daß in unmittelbarer Nähe der Löwen das Vieh, Kühe, Schafe, Ziegen, Maulthiere, ruhig graste, ohne die geringste Furcht vor dem Könige der Wildniß zu haben. Wie Hunde liefen sie mitten im Gewühl und gehorchten der Stimme ihres Begleiters, hinter welchem sie oft in geschlossener Phalanx dicht auf den Fersen hermarschirten.

Mitten zwischen dem Troß reitet ein Großer des Landes stolz durch all das Gedränge. Vor ihm her schreitet sein Speerträger, ein Diener mit langer, haarscharfspitziger Lanze, deren von Schoanern gearbeitete Eisenspitze in rothledernem Futteral geborgen ist. Sein mit Gold und Silber beschlagenes Büffelhautschild, sein Gewehr und seinen in rothlederner Scheide steckenden Säbel mit Rhinozerosgriff tragen andere Diener vor und neben ihm. Vor ihm führt sein Lieblingsknappe ein Staatsmaulthier, auf welchem der gleich dem Schilde mit Gold- und Silberplatten und Filigranarbeit bedeckte Staatssattel liegt. Wie der Sattel ist auch das übrige Geschirr und Zaumzeug des Maulthiers mit Gold und Silber überladen. All dieser Schmuck aber ist mit rothen Lumpen bedeckt. Unbekümmert reitet der Häuptling barhaupt durch das Troßgedränge an den Leichen von Menschen und Thieren oder verwüsteten Saatfeldern vorüber. Seine Thiere sind gegen den „bösen Blick“ durch Dutzende um den Hals hängender Amulete geschützt. Männer mit aus Stroh geflochtenen Regendächern aus Begemeder, Sklaven, die oft nur die Schultern mit einem kleinen ungegerbten Schaffell bedeckt haben, gehen ihm demüthig aus dem Wege, wenn er, mit dem Sonnenschirme das Haupt schützend, stolz dahinreitet. Nicht weit von ihm zieht eine andere Gruppe schwer bepackter Männer. Landleute, zu diesem Frohndienste gepreßt, tragen den in seine Theile zerlegten Erntewagen, welchen die Missionäre in Gafat gebaut – weil der Weg zum Fahren nicht geeignet ist. Andere schleppen die Laffeten schwerer Geschütze und die dazu gehörigen Vollkugeln – allein die Geschützrohre hat man in Magdala gelassen! Soldaten, mit den Sätteln ihrer gefallenen Pferde auf dem Kopfe, mit Speer und Sonnenschirm in der Hand, hoffen bei der nächsten Plünderung eines Dorfes neue Thiere zu ihren Sätteln zu bekommen. Das Wiehern der Pferde, das Geschrei und Gebrüll der übrigen Thiere wird nur manchmal von der dröhnenden, donnerähnlichen Baßstimme des einen oder andern Löwen unterbrochen.

So wechseln die bunten Bilder, die ein abessinischer Heereszug dicht nebeneinander gedrängt erkennen läßt – Bilder zum Weinen und Bilder zum Lachen. Neben dem Kirraspieler, der lustige Weisen singt, sehen wir den Tod: zahlreiche Leichen, aufgedunsen und von Raubthieren angefressen, Sterbende und von Müttern verlassene Kinder – neben fröhlich lachenden, aber gefühllos vorüberziehenden Menschen.

In jene Zeit, als Theodor so verwüstend, Tod und Verderben verbreitend mit seinem Heere durch das Land zog, fällt auch der Beginn jener Mißhelligkeiten, die schließlich zum Kriege mit England führten. Wer sich auf einen vorurtheilsfreien Standpunkt stellt und nicht durch die trübe, befangene Brille anmaßender Judenmissionäre schaut, dem wird in diesem Falle das Auftreten des Königs von Abessinien nicht so gar schrecklich erscheinen, zumal wenn man – was ungerecht wäre – diesen nicht mit europäischem Maßstabe mißt.