Za darmo

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Ein Monat war in dem kühlen, aber angenehmen Klima zu Debra Berhan verflossen, als der König beschloß, seine jährliche Truppenmusterung abzuhalten, und zwar am Maskalfeste, dessen Bedeutung wir schon kennen lernten. (Siehe S. 124S. 124.) Viehherden, vor Kälte sich schüttelnde Kameele, die in das ihnen ungewohnte Bergland versetzt waren, lange Sklavenzüge waren zusammengetrieben worden, um theils zur Nahrung, theils zur Bedienung verwendet zu werden. Am Vorabend rückten mit Fackeln in den Händen die königlichen Garden vor das Zelt Sr. Majestät, um dort zu Ehren der Gesandtschaft einen Kriegstanz aufzuführen. Prächtig nahmen sich die mit reichem silberbeschlagenen Reitzeug versehenen Rosse der Offiziere unter den dunklen wilden Kriegern aus, die den amharischen Kriegsgesang anstimmten und sich dann zur Ruhe begaben. Sehr unköniglich war das Aussehen des Palastes beim Tagesanbruch und höchst unfürstlich die bei Hofe herrschende Verwirrung. Unsauberkeit und knöcheltiefer Schmuz herrschte ringsum; der Thürhüter zerschlug einen Stock nach dem andern auf den Köpfen des herbeidrängenden heftigen Volkes, das nicht einmal still wurde, als Seine Majestät sich in der Thür des Banketsaales niederließ. Vor dem Throne verrichtete ein Schmied seine Arbeit weiter, ohne darauf zu achten, daß ein Hagel von Staub und Kohlenasche auf den König niederfiel. Zwanzig bleiche Eunuchen, die als Zeremonienmeister wirkten, führten die Scharen der Vasallen, der Priester, Mönche, Weiber, Sklaven und Ackerbauer zum Fürsten, der von jedem ein Geschenk empfing, sodaß Honig, Butter, Perlen u. s. w. bald in großer Menge aufgestapelt waren. Die Scenen der Unordnung wichen der höher steigenden Sonne und vor dem Erscheinen der britischen Gesandtschaft, die in voller Uniform vor dem Könige aufzog, der in Staatskleidung, von den Generalen der Reiterei, der Leibgarde und der höheren Geistlichkeit umgeben, auf einem beweglichen Thronsessel dasaß. Zunächst rückten nun dreihundert Mann auf den Schauplatz, die hoch über ihrem Haupte Bündel abgeschälter und mit Binsen zusammengebundener Ruthen trugen. Sie begrüßten die Rückkehr der Blütenzeit, „wenn die Flöhe wiederkommen und die Fliegen erscheinen“, mit Gesang, der lauter und lauter zum Kriegsrufe anschwoll. Die Bündel wurden dann auf einen Haufen vor dem Throne niedergelegt, während die in Thierfelle gekleideten Führer dieser Truppe einen Kriegstanz begannen, ihre Leute zum Gefecht aufforderten und mit einem schrecklichen Geheul diese Exerzitien schlossen.

Hierauf wurden die englischen Gäste zu einem mit bunten Teppichen ausgekleideten Pavillon geführt, von dem aus der König mit seinen Würdenträgern der Revue beiwohnen wollte. Im Hintergrunde standen dichte Reitermassen, während in einer Entfernung von etwa 100 Schritten ein großer Scheiterhaufen blattloser Weidenruthen auf dem grünen Rasen aufgestapelt lag. Um denselben hockten unter ihren Schilden, gleich Schildkröten unter ihrer Schale, lange Reihen Krieger; je drei hatten große Feldschlangen von ungewöhnlichen Dimensionen mit Zündkraut und Lunte zu bedienen. Nun begann die Revue mit dem Aufmarsch der Leibgarde zu Fuß, von der drei Viertel mit den geschenkten englischen Musketen bewaffnet war. In vier Compagnien marschirte sie unter dem Gebrüll des Kriegsgesanges auf, nicht wenig stolz auf die blitzenden, bisher in Abessinien unbekannten Bajonette. Nachdem sie das Feld durchmessen, kauerten die Krieger auf dem Grunde nieder, als wären sie in Bereitschaft, anrückende Reiterei zu empfangen, während ein grauköpfiger Veteran tanzend vor der Front ein Geheul zum Besten gab, das aus einer Wolfsschlucht zu stammen schien und mit einer Salve beantwortet wurde.

Nachdem diese Truppe abgetreten war, rückte die glänzende Schwadron der berittenen Lanzenträger, die Blüte der schoanischen Kavallerie, heran. Kühn sprengte an der Spitze, auf schönem Roß, mit einem rothen Fell über der Schulter, der Führer und hinter ihm, in einer Linie von fast einer Viertelstunde Breite, die Schwadron. Nachdem er eine Anrede gehalten, sprengten die stattlichen Reiter im Galopp vorüber nach dem Scheiterhaufen zu, wo die großen Kesselpauken ertönten und die Feldschlangen losgebrannt wurden. Jetzt aber wandte sich das Erstaunen der Versammlung den Engländern zu, deren Artilleristen den bronzenen Dreipfünder, welcher von Ochsen hierhergeschleppt worden war, bedienten. Als der Donner desselben erschallte und weiße Rauchwolken in die Luft stiegen, wie man sie bisher nur von brennenden Dörfern gesehen – da kannte die Verwunderung der wilden, hier versammelten Galla keine Grenzen. Dreizehn in Löwen- oder Leopardenfelle gekleidete Gouverneure führten nach und nach ihre Truppen vor. Dann war die Revue beendigt und die ausgehungerten Offiziere, Edlen, Höflinge und Geistlichen begannen mit wahrer Wuth über das rohe Ochsenfleisch herzufallen und es in unglaublichen Mengen zu vertilgen.

Acht- bis zehntausend Reiter waren versammelt gewesen, und das Schauspiel, das von Morgens 9 Uhr bis Nachmittags 5 Uhr währte, hinterließ einen wilden und ungewöhnlichen Eindruck. Die Bewaffnung und das Reiten der Leute war vorzüglich und unter guter Führung von ihnen Tüchtiges zu erwarten. Als dann die Nacht herniedersank, da wurde dem Könige wie dem Volke von Seiten der Engländer noch ein Schauspiel geboten, von dem jene sich nichts träumen ließen. Prächtige Raketen stiegen zum tiefschwarzen Himmel empor und zerplatzten, Leuchtkugeln entsendend, mit herrlichem Lichte. Menschen und Thiere, Alles wurde rebellisch, und die Achtung vor den Gästen, welche Kometen an den Himmel zaubern konnten, wuchs mehr und mehr. Schließlich wurde der Scheiterhaufen aus Weidenruthen angezündet, und die Fackelträger führten zu Ehren der Auffindung des heiligen Kreuzes einen Tanz auf.

Angollala, an der Gallagrenze, wurde etwa im Jahre 1830 gegründet und vom Könige zur Hauptstadt des westlichen Theils von Schoa erhoben. Hierhin begab man sich, nachdem das Maskalfest vorbei war, und 3000 Reiter bildeten das Geleit des Negus, der auf einem reich gezäumten Maulthiere ritt. Vier- bis fünfhundert runde Hütten mit rohen Steinmauern und Strohdächern bedecken die Abhänge einer Anzahl flacher Hügel, die ein großes Viereck einfassen. Auf der Spitze des höchsten Hügels steht der von sechs Reihen Palissaden beschützte königliche Palast, aus dessen Mitte ein zweistöckiges, finstres Gebäude hervorragt, das ein Albanese erbaute und welches trotz seiner Mangelhaftigkeit in Bezug auf Architektur alle übrigen Gebäude Schoa’s überragt. Doch hat es von Erdbeben gelitten, und „Erdbeben“, so meinte Se. Majestät, „sind ein übles Ding, denn sie werfen Häuser und Menschen um“.

Vor dem Palaste, zu welchem ein steiler Weg hinaufführte, begrüßte eine dichtgedrängte Menschenmenge den König und seine Gäste mit lautem Jubelgeschrei. Küchen, Vorrathshäuser und Brauereien lagen rings um das Gebäude, das mit dem langen Banketsaale, der Audienzhalle, den Frauengemächern und einzelnen Zellen ein merkwürdiges, aber keineswegs imponirendes Ganze ausmachte. Der Despot führte seine Gäste in den ersten Stock, zu welchem man auf einer Leiter gelangte. Auf dem Fußboden, der mit frischem Gras bestreut war, brannte in einem eisernen Ofen ein Feuer, an welchem sich behaglich mehrere Katzen wärmten, die in keinem königlichen Palaste fehlen. Im Alkoven befand sich ein schmuziges Lager, und wenige Flinten machten den einzigen Schmuck der kahlen, weißgetünchten Wände aus. „Ich habe euch“, hub der König an, „hierhergeführt, um euch zu zeigen, was mir fehlt. Diese Gemächer müssen ausgeschmückt werden, und ich wünsche, daß euer Maler (Herr Bernatz) sie mit Elephanten, Soldaten und sonderbaren Darstellungen aus eurem Lande verziere. Jetzt können meine Kinder sich entfernen.“

Die Nächte, welche die Gesandten hier verbrachten, waren keineswegs angenehm; sie froren ungemein und wußten sich kaum vor der Kälte zu schützen; in der Frühe hatte regelmäßig weißer Reif die Wiesen überzogen. Auch am Tage bot sich ihren Augen gerade kein liebliches Bild. Rings um den Palast lag Schmuz, Asche und Kehricht knöcheltief oder in großen Haufen. Halbwilde Hunde fallen am Tage die Menschen an und lassen in der Nacht wegen ihres grauenhaften Gebells Niemand schlafen. Kurz vor Sonnenaufgang weckt das Gekräh von tausend Hähnen die dennoch etwa sich im Schlummer Wiegenden, und wer trotzdem noch nicht erwacht sein sollte, wird durch das Gebrüll des um alle möglichen Dinge petitionirenden Volkes aufgestört, welches unter dem Rufe „Abiet! Abiet! Meister! Meister!“ mit dem Frühgrauen sich zum Palaste drängt. Lernten Harris und seine Gefährten auch in Angollala manches Interessante kennen, so war der Aufenthalt daselbst doch keineswegs angenehm zu nennen.

In der Umgebung Angollala’s befindet sich das Naturwunder Schoa’s, die Schlucht der Tschatscha, zu welcher der König eines Tags seine Gäste hinführte, doch war der Monarch an diesem Tage gerade schlechter Laune, da sein Lieblingsroß, das er in der Schlacht einem mächtigen Galla-Häuptling abgenommen hatte und das seinen Stall in der königlichen Bettkammer hatte, durch die Unvorsichtigkeit eines Pagen umgekommen war. „Was denkt ihr von meinem Galla-Graben? Habt ihr etwas Aehnliches in eurem Lande?“ so redete der Herrscher seine Gäste an, als er sie an Ort und Stelle geführt hatte, und in der That ließ sich schwerlich eine großartigere und schauerlichere Naturscenerie denken, als sie die Schlucht der Tschatscha zeigte. Die grünen Wiesen des Distriktes Daggi sind hier auf eine seltsame Weise durch niedrige, kahle Hügelketten durchsetzt, zwischen denen kleine Bäche dem tief unten gähnenden Erdriß zuströmen, welcher den Boden gleich einem gewaltigen Spalt durchzieht. Felsig, zerrissen und scharfkantig sinkt dieser Schlund plötzlich 1000 bis 1500 Fuß tief und über eine Viertelstunde breit urplötzlich in der Ebene nieder. Seine aus felsigem Gestein bestehenden Seitenwände sind dünn mit zartem Moose und süßduftendem Thymian überzogen, und nur wenige armselige Hütten sind auf einzelnen vorspringenden Terrassen der Wände angebracht, die sonst in ihren düstern Höhlen den Wölfen und Hyänen Schlupfwinkel darbieten, während hoch oben über dem gähnenden Abgrunde Geier und Adler ihre Kreise in weiten Bogen ziehen. Der Aberglaube des Volks bevölkert aber den Spalt mit allerlei Unholden, während der König nicht mit Unrecht in ihm die beste Schutzwehr gegen die jenseit desselben wohnenden Galla sieht. Tief unten auf dem Boden, nur mit Schwindeln anzusehen, murmelt in tausend kleinen Wasserfällen gleich einem Silberfaden die Tschatscha hin, um ihren Tribut dem mächtigen Nil darzubringen. Da, wo die Schlucht sich etwas erweitert, liegen die königlichen Eisenwerke von Gurejo. Hier wird auf rohe, echt afrikanische Art durch ein einfaches Ausschmelzen ein ziemlich gutes Eisen gewonnen.

 

In einen dunkelgrünen Wachholderhain eingehüllt, erhebt sich auf einem Hügel am jenseitigen Ufer das stille Städtchen Tscherkos, dessen Einwohner einst alle, Mann, Weib und Kind, über tausend an der Zahl, in einer einzigen Nacht von den wilden heidnischen Galla unter Führung des Rebellen Medoko hingeschlachtet wurden, zur Rache für eine ihm am Hofe zu Ankober widerfahrene Beleidigung. Der stolze schöne Mann, auf den alle Frauen des Landes mit nicht geringer Bewunderung schauten, trat einst vor den König hin, brachte ihm 10 herrliche Streitrosse, 500 Ochsen, 20 Sklaven und zwei große Körbe voll Silberthaler, die gnädig angenommen wurden. Aber die Hand der Prinzessin Worka Ferri, um die er darauf bat, wurde ihm abgeschlagen und er selbst schnöde mißhandelt; der Beichtvater des Königs trat ihm in das Gesicht, daß das Blut herunterlief, und die Staatsfestung Gontscho nahm ihn auf. Wie durch ein Wunder entkam er wieder zu seinen Galla, die, seinem Rufe folgend, in hellen Haufen herbeieilten und Tscherkos nebst seinen Einwohnern verbrannten. Unter der Führung ihres Königs rückten nun die Schoaner aus, und bei Angollala kam es zur blutigen, lange schwankenden Schlacht. Medoko unterlag und floh in die geheiligten Asylräume des Klosters Affaf Woira, wo er sich sicher wähnte. Da erschien dort eine feierliche Prozession, welche dem Rebellen die Verzeihung des Königs überbrachte und ihn wieder zu Hofe kommen hieß. Medoko folgte der Stimme zu seinem Unglück. Neuer Verrath wurde gegen ihn gesponnen, und eines Nachts traten sechs Verschworene an sein Lager, um ihn mit ihren Schwertern zu durchbohren. Noch einmal sprang der verwundete, riesenkräftige Löwe auf, ein Blutbad unter seinen Mördern anrichtend, dann sank er zusammen. Seinem Volke, das um ihn lange Jahre trauerte, erschien er aber als Heros und Märtyrer, und die Fehden zwischen Abessiniern und Galla nahmen mit erneuter Wuth ihren Fortgang.

Die Galla

Die Galla sind ein schöner Menschenschlag, dessen Physiognomie kaukasisch ist. Ihre Sprache weicht bedeutend von den echt semitischen Sprachen ab, aber in Konjugation, den Fürwörtern und vielen anderen Wörtern verräth sie doch einen semitischen Charakter und bildet mit den Sprachen der Danakil und Somalen eine eigene Familie des semitischen Sprachstammes. Von ihren zahlreichen Unterabtheilungen haben Krapf und Isenberg über fünfzig herausgefunden, welche fast alle voneinander unabhängig sind, hier und da in Feindschaft miteinander leben, aber dieselbe Sprache reden und ursprünglich dieselbe heidnische Religion hatten. Ueber ihre Herkunft bestehen verschiedene Sagen. Die Muhamedaner aus Argobba, östlich von Schoa, wollen sie aus Arabien herleiten; doch ist dies sehr unwahrscheinlich. Dagegen bemerkt eine abessinische Schrift, welche Krapf in Schoa zu sehen bekam, Folgendes: „Eine königliche Prinzessin von Abessinien heirathete zur Zeit Nebla Denjel’s im 14. Jahrhundert, als die Königsfamilie noch auf dem Berge Endoto residirte, einen Sklaven, der ein Hirte war aus dem Süden von Guragué, und gebar ihm sieben Söhne, die alle das Geschäft ihres Vaters trieben und dessen Sprache redeten. Als sie erwachsen waren, sammelten sie viel Volks um sich und gaben sich der Raub- und Plünderungssucht hin, sodaß sie zuletzt die Abessinier beunruhigten.“ Von einer Schlacht, die sie den letzteren in Guragué am Flusse Galla lieferten, sollen sie den Namen erhalten haben, mit dem die Abessinier und andere umwohnende Völker sie benennen. Sie selbst aber heißen sich Ilmorma, Menschenkinder. Später, nachdem Granje mit seinen muhamedanischen Horden Abessinien verwüstet hatte, ließen sich mehrere Stämme von ihnen in Schoa nieder. Späterhin wiesen die neuen Könige von Schoa den Wollo-Stämmen, die entweder damals schon den Muhamedanismus angenommen hatten oder dasselbe später thaten, die Nordgrenze von Schoa an, wo sie bis 1856 eine Schranke bildeten, welche die Verbindung zwischen diesem Lande und Abessinien erschwerte, bis König Theodoros II. Schoa und mit ihm die Wollo-Galla unterwarf. Diese nördlichen Galla sind fanatische Muhamedaner geworden, während es den christlichen Abessiniern nicht gelungen ist, unter ihnen viel Proselyten zu machen. Auch diesen heidnischen Galla gegenüber bewährt sich wieder die afrikanische Regel: Der Islam siegt über das Kreuz.

Die ursprüngliche Religion der Galla ist eine Naturreligion. Sie verehren ein höchstes, unsichtbares Wesen, welches sie Wak (Himmel) nennen. Ihn betrachten sie als den Urheber aller Dinge und Geber aller Gaben, daher richten sie ihre Gebete hauptsächlich an ihn. Obgleich sie keine bestimmte Idee von ihm haben, so schreiben sie ihm doch Persönlichkeit zu und glauben, daß er sich ihren Priestern im Traume offenbare, daß er zu ihnen rede im rollenden Donner, sich ihnen zeige im leuchtenden Blitze, daß er über Krieg und Frieden, Fruchtbarkeit und Theuerung entscheide. Jedoch steht Wak nicht allein, sondern hat zwei Untergottheiten zu Gehülfen, deren eine Oglia, männlich, deren andere Atete, weiblich ist. Letzteren beiden feiern sie gewisse Feste im Jahre, an welchen sie ihnen Opferthiere, Ziegen und Hühner schlachten, sich ihre Gunst erbitten und ihren Willen durch Besichtigung der Eingeweide der Opferthiere zu erfahren suchen. Die Feste des Oglia werden im Januar und April, das der Atete im September gefeiert. Dem Wak ist jeder Sonntag geweiht, den sie großen Sabbat nennen, zum Unterschiede vom Sonnabend, welchen sie den kleinen Sabbat heißen. Gewisse Bäume sind den Galla heilig; unter diesen opfern sie und verehren ihre Götter. In besonders großer Achtung steht ein großer Maulbeerfeigenbaum an den Ufern des Hawasch im südlichen Schoa. Hier versammeln sich jährlich ihre Priester und Großen von mehreren Stämmen, um Wak zu verehren und ihre Bitten an ihn zu richten. Dieser Baum heißt Wadanabe und ist Sammlungsort der Galla von den verschiedensten Stämmen; nur Weiber dürfen ihm nicht nahen. Ein anderer Baum, unter welchem dem Wak jährliche Opfer gebracht werden, heißt Riltu. Während sie opfern beten sie: „O Wak, gieb uns Tabak, Schafe und Ochsen, hilf uns, unsere Feinde zu tödten. O Wak, führe uns zu dir, führe uns zum Paradiese und führe uns nicht zum Satan“. Auch der Ahorn und der Wanzabaum werden für heilig gehalten. Die Besichtigung der Eingeweide der Opferthiere wird namentlich zur Entscheidung von Krieg und Frieden angewandt. Sie nehmen das Fett aus der Bauchhöhle, legen es auseinander und bestimmen die eine Seite für die Galla, die andere für ihre Feinde; die Seite nun, auf welcher das meiste Blut in den Adern sich befindet, erhält den Sieg. Die beiden Untergottheiten Oglia und Atete gebieten wieder über eine Menge unsichtbarer Wesen, die sie Zaren nennen und denen sie gute und böse Eigenschaften zuschreiben; daher werden auch diesen Verehrung und Opfer dargebracht. Zur Ausübung des Dienstes haben sie Priester (Kalitscha) und Zauberer (Luba). Der Priester hat die Leitung der Gottesverehrung, die Wahrsagung, Segen und Fluch u. s. w. zu besorgen. Er trocknet die zum Wahrsagen gebrauchten Eingeweide, legt sich dieselben um den Hals und zieht damit im Lande herum. Merkwürdig ist, daß ein ganzer Stamm der Galla für heilig gehalten wird, und zwar sind dieses die Watos, die überall frei umhergehen, segnen oder fluchen dürfen, ohne daß ihnen Jemand ein Hinderniß in den Weg legte. Dieser Stamm behauptet im Besitze ursprünglich reiner Galla-Natur zu sein, und seine Angehörigen heirathen nur unter sich. Sie kennen kein anderes Geschäft als Segnen und Fluchen, und weil Alles in dem Glauben steht, daß, was sie sagen, eintreffen müsse, so sind diese Leute sehr respektirt. Kein Galla läßt einen Wato zu sich ins Haus kommen, aber Lebensmittel in Menge werden ihnen, wo sie sich zeigen, vor die Häuser gebracht, weil man im Unterlassungsfalle ihren Fluch fürchtet. Sie lieben, wie die Waitos (vergl. S. 90S. 90), das Fleisch des Flußpferdes, welches in großer Menge im Hawasch vorkommt.

Ueber den Ursprung der Menschheit haben die Galla einen dunklen entstellten Begriff, jedoch scheinen sie nicht zu glauben, „daß alle von einem Blute herkommen“. Sie sagen, ihr erster Stammvater habe Wolab geheißen; Wak habe ihn aus Thon gebildet, ihm dann eine lebende Seele gegeben und ihn am Hawasch angesiedelt. Ihre Eidschwüre verrichten die Galla auf eine sonderbare Weise. Eine tiefe, enge Grube wird in den Erdboden gegraben und in dieselbe steckt man einige Lanzen. Dann wird sie mit einer Thierhaut bedeckt, und die Betheiligten schwören nun, daß, falls sie ihr Versprechen nicht hielten, sie in eine solche Grube stürzen, ihre Leiber mit Lanzen durchbohrt werden und ungerächt und unbegraben liegen bleiben mögen. Einmal geschlossene Freundschaft soll heilig gehalten werden, wenn sie auch unter den verschiedenen Stämmen selten zu sein scheint, da diese sich stets untereinander befehden. Heirathet ein Galla, so bekommt die Frau ihre Mitgift vom Vater; scheidet sie sich aber von ihrem Manne, so behält der Mann das Heirathsgeschenk. Gewöhnlich heirathen sie drei Frauen. Stirbt der Mann, so ist sein Bruder verpflichtet, die Witwe oder Witwen zu heirathen. Die Sanktion der Heirathen erfolgt allemal durch den Abadula oder Vorgesetzten mehrerer Dörfer. Tödtet ein Galla einen Fremden, der nicht von seiner Nation ist, so erwirbt er sich dadurch viel Ruhm, tödtet er einen Stammverwandten, so hat er, ist der Getödtete ein Mann, 100 Ochsen, ist es eine Frau, 50 Ochsen zu bezahlen. Da abessinische Christen nebst den sie umgebenden Muhamedanern keine Mühe, keine Schlechtigkeiten scheuen, Galla-Söhne und Töchter als profitable Menschenwaare in den abscheulichen Sklavenhandel zu ziehen, so ist’s natürlich, daß sie alle Fremden als Feinde betrachten. Abessinische Fürsten wollten ihnen das elende Christenthum, welches sie selbst hatten, mit dem Schwerte aufdringen; abessinische Mönche wagten ihr Leben selbst daran, ihnen den Genuß des Kaffees und Tabaks nebst anderen, von den Abessiniern für unrein gehaltenen Speisen und Getränken, abzuschneiden, und dafür nicht das Evangelium, sondern strenge Fastengesetze und andere Observanzen aufzubürden; kein Wunder, daß sie sich gegen Beides mit aller Macht wehrten. Sie haben die Idee, daß sie sicher bald sterben müssen, wenn sie Christen werden, und daher sehen sie auch die ihnen vorgesetzten Christen mit Abscheu an. Tritt ein solcher Gouverneur seine Stellung an, dann ruft das Volk einstimmig: „Möge er bald sterben, möge er bald sterben.“

Die Kriege zwischen Abessiniern und Galla haben eigentlich nie recht aufgehört. So oft auch letztere unterlagen, so erhoben sie sich doch immer wieder. Zu Tausenden verkaufen dann die biederen Christen die armen Heiden und füllen sich die Taschen mit blanken Maria-Theresia-Thalern, welche sie für die Menschenwaare erhalten.

Ein Hauptsklavenmarkt ist Metemmé, die Hauptstadt des Gebietes Gallabat, an der Grenze zwischen Abessinien und dem ägyptischen Sudan. Baker besuchte dort 1862 die Sklavenhändler. Sie wohnten in großen Mattenzelten und besaßen viele junge Mädchen von außerordentlicher Schönheit, deren Alter zwischen neun und siebzehn Jahren wechselte. Diese liebenswürdigen Gefangenen mit einer schönen braunen Farbe, zart geformten Zügen und Gazellenaugen waren Gallamädchen, welche aus ihrem Vaterlande an den abessinischen Grenzen von abessinischen Händlern hierher geführt wurden, um in die türkischen Harems verkauft zu werden. So schön diese Mädchen sind, taugen sie zu keiner schweren Arbeit und kränkeln und sterben bald, wenn man sie nicht freundlich behandelt. Man sieht mehr als eine Venus unter ihnen, und nicht genug, daß ihr Gesicht und ihr Wuchs vollendet schön sind, beweisen sie denen, welche sie gut behandeln, die größte Anhänglichkeit und werden sehr brave und treue Frauen. Es liegt etwas eigenthümlich Gewinnendes in der natürlichen Anmuth und Milde dieser jungen Schönheiten, deren Herz jenen tieferen Liebesgefühlen, welche unter rohen und rauhen Stämmen selten bekannt sind, eine rasche Antwort geben. Ihre Formen sind auffallend elegant und anmuthig, die Hände und Füße namentlich außerordentlich zart. Die Nase ist gewöhnlich leicht gebogen und mit großen und schöngeformten Oeffnungen versehen. Das schwarze und glänzende, aber ziemlich grobe Haar, reicht etwa bis zum halben Nacken hinunter. Obgleich diese Mädchen aus den Gallaländern sind, bezeichnen sie sich stets als Abessinierinnen und sind unter diesem Namen allgemein bekannt. Sie sind außerordentlich stolz und hochgesinnt und lernen merkwürdig schnell. In Chartum haben sich mehrere der angesehensten Europäer mit solchen reizenden Damen verheirathet, welche ihren Männern ohne Ausnahme große Liebe und Ergebenheit bewahren. In Gallabat betrug der Preis für eine dieser Schönheiten zwischen 25 und 40 Thalern. Einige Jahre nach Baker’s Aufenthalt (März 1865) scheint aber der Handel mit Gallamädchen in Metemmé fast erloschen zu sein und der schlechteren Waare vom Weißen Flusse Platz gemacht zu haben, denn Graf Krockow, welcher damals dort war, bemerkt: „Die in früheren Zeiten massenhaft für die Harems der Reichen exportirten jungen, feurigen, abessinischen Mädchen kommen jetzt nur selten auf den Markt, denn in ihrer Heimat hat das abscheuliche Treiben fast ganz aufgehört“ (?).

 

Jedenfalls stehen die Gallamädchen weit über den lasterhaften Abessinierinnen und vermögen nach Umständen wohl auch einen Europäer zu beglücken. Lassen wir darüber einen Brief Eduard Zander’s vom 27. Juni 1854 reden: „Seit einem Jahre und einem Monat bin ich auf Befehl des Regenten Ubié verheirathet, und vor zwei Monaten ist mir unter Gottes Beistand auch ein Töchterlein geboren worden. Es ist ganz deutschen Charakters, weiß und blond, sehr wohlgestaltet und schön und erhielt in der Taufe nach abessinischem Ritus die Namen Maria Sophia. – Zwanzig Monate sind jetzt verflossen, da veranstaltete Ubié eine großartige Schmauserei, zu der an einem Tage nicht weniger als 300 Kühe abgeschlachtet wurden; Alles war guter Dinge und der Honigwein floß in Strömen. Auch ich war besonders von Ubié eingeladen worden; bei ihm angelangt, befahl er sofort, daß ich mich neben ihn auf seine Alga setzen sollte. Das Weilen auf diesem Platze gilt für die größte Auszeichnung bei Hofe, welche nur den Mitgliedern des höchsten Adels zu Theil wird. Ubié hatte mich im Laufe der Zeit genau kennen gelernt und sehr lieb gewonnen, sodaß ich schon vor zwei Jahren in den hohen Adel erhoben wurde und zu jeder Zeit ungehinderten Eintritt bei ihm hatte. An diesem Tage war er ganz besonders heiterer Laune, er sprach viel mit mir und fragte mich nach allen möglichen Dingen, unter anderm, warum ich nicht verheirathet sei? Offen und rund heraus erklärte ich ihm denn, daß die Töchter seines Landes mir keineswegs gefielen, da ihnen das, was wir an den Frauen vor Allem schätzten, fehle, nämlich Ehrbarkeit und Tugend. Du hast Recht, entgegnete mir Ubié, sie taugen alle nicht für dich, denn du bist ein ordentlicher Mann. Ich werde selbst für dich sorgen und dir eine passende Frau aussuchen. Kaum waren fünf Monate vergangen, so erfüllte Ubié bereits sein Wort. Während dieser Zeit hatte er nach allen Richtungen des Landes Boten ausgesandt, die für mich eine geeignete Frau suchen sollten; keiner aber hatte eine schickliche gefunden. Da langten eines Tages muhamedanische Kaufleute hier an, unter denen sich ein Sklavenhändler befand, welcher sieben schöne Sklavinnen feil hatte. Ubié ließ sich die Mädchen vorführen und suchte unter allen sieben die schönste aus, um sie mir zum Weibe zu schenken. Das Vaterland meiner Frau ist Lima; die Bewohner sind Galla, der Regent oder Oberhäuptling des Landes heißt Ababokiwo. Meine Frau zählt jetzt 16 Jahre. Sie hat mich lieb gewonnen, ist mir treu ergeben und von Charakter sanft, ihr Verstand ist scharf und hell. Was sie aber besonders auszeichnet, ist Sittsamkeit und Tugend.“

In seiner Heimat, wo das Schwert des abessinischen Eroberers noch nicht eindrang, ist der Galla ein freier, unabhängiger Mann, dem nur der Distriktsvorsteher oder Abadula und der oberste Häuptling oder Heiu zu befehlen hat. Der Heiu regiert nur acht Jahre, alsdann tritt er ins Privatleben zurück, weil dann ein anderer Heiu, ein Mann von kriegerischem Muthe und Talent, gewählt wird. Sein Geschäft besteht darin, daß er durch den ganzen Stamm zieht, alle Hauptangelegenheiten seines Staates schlichtet und unterstützt und namentlich über Krieg und Frieden entscheidet. Dabei ist der Ort, in welchem er sich gerade aufhält, verpflichtet, ihn zu unterhalten.

Stirbt ein Galla, so erhebt sich, wie fast im ganzen Oriente, allgemeine bittere Klage. Ist der Verstorbene ein Hausvater, so rasiren sich, zum Zeichen der Trauer, die Kinder am ganzen Leibe. Der Todte wird anständig begraben, das Grab mit schönen Steinen bedeckt und eine Aloe darauf gepflanzt; dann wird eine Kuh geschlachtet und von den Verwandten verzehrt. Sobald die Aloe ausschlägt, glauben sie, die Seele des Verstorbenen sei zu Wak ins Paradies gekommen. Jedoch meinen sie, daß auch in jener Welt alle Nationen und Religionen ebenso geschieden sein werden wie hier. Galla, Muhamedaner und Christen kommen jede Partei an ihren besonderen Ort, um die guten oder üblen Folgen ihres Verhaltens in dieser Welt zu genießen. Die Lüge scheint bei ihnen verpönter zu sein als bei ihren abessinischen Nachbarn. Wird ein Galla als Lügner ertappt, so verliert er Sitz und Stimme in den öffentlichen Versammlungen und wird der Verachtung preisgegeben.

Was im Vorstehenden über die Galla mitgetheilt wurde, ist vorzugsweise den Berichten Krapf’s und Isenberg’s entlehnt. Das Volk erscheint uns nach diesen Mittheilungen weit liebenswürdiger und besser als seine abessinischen Bedrücker. Ueber die Art und Weise, wie die letzteren gegen die Galla verfahren, wie sie Land und Volk dieses Stammes auf das Schmählichste verwüsten, darüber können wir uns am besten unterrichten, wenn wir abermals der Erzählung des Major Harris folgen.

Wie die meisten anderen afrikanischen Potentaten, unternahm auch Sahela Selassié keinen Krieg wegen des nationalen Ruhmes oder wegen der öffentlichen Wohlfahrt; seine Kriege waren entweder Raubzüge oder auf die Unterdrückung von Rebellen gerichtet, und das war auch jetzt wieder der Fall, als er gegen die Galla auszog, wobei er den dringenden Wunsch aussprach, von der Gesandtschaft begleitet zu werden; die Gegenwart derselben sollte ihm Kraft, seinen Völkern neuen Muth verleihen. Nur für 20 Tage wurde die Armee mit Lebensmitteln versehen, woraus man schließen wollte, daß das Ziel des Feldzuges kein allzufernes war. Angollala war in großer Aufregung und alle Handwerker damit beschäftigt, die Waffen in Stand zu richten, während im königlichen Arsenale Tag und Nacht große Thätigkeit herrschte. Bei dem abergläubischen Charakter der Abessinier war vorauszusehen, daß erst das Schicksal befragt und nach guten oder bösen Vorzeichen geforscht werden müßte. Priester und Mönche hatten in dieser Beziehung alle Hände voll zu thun. Das Herabfallen eines Schildes vom Sattelknopf, die Erscheinung eines weißen Falken sind ungünstige Zeichen, während ein paar Raben Glück verheißen. Auch das Heulen der Hunde während der Nacht wurde beobachtet, um daraus Schlüsse zu ziehen. Endlich brach man auf und zwar in der größten Unordnung, um aber bald wieder Halt zu machen, damit die zahlreichen Nachzügler sich sammeln konnten. Vor der Armee wurde unter einem Baldachin von Scharlachtuch die Bibel und die Bundeslade aus der Michael-Kathedrale in Ankober auf dem Rücken eines Maulthieres vorangetragen, welche den sicheren Sieg gegen den heidnischen Feind verleihen sollten; dann folgte auf reich gezäumtem Maulthiere der König, umgeben von seinen Luntengewehrträgern und den Musikanten mit Kesselpauken und Trompeten. An ihn schlossen sich an Gouverneure, Offiziere, Mönche, Priester und zuletzt – das Sonderbarste von allen: 40 Frauen und Fräulein, welche die königliche Küche zu versorgen hatten. Soweit das königliche Gefolge, dem sich unter einer ungeheuren Staubwolke, soweit das Auge reichte, Reiter, Krieger zu Fuße, Saumrosse, Esel, Maulthiere, mit Zelten und Lebensmitteln beladen, sowie große Scharen Weiber anschlossen, die mächtige Töpfe mit Bier und Honigwein auf dem Rücken trugen. Alles in Unordnung malerisch durcheinander. Wenn diese Masse sich niederließ, nahm das Lager einen Raum von anderthalb Stunden im Durchmesser ein, in dessen Mitte das königliche Zelt und dabei die Küche stand. Von Vorposten oder sonstigen Sicherheitsmaßregeln war aber, selbst als man schon des Feindes Land betreten hatte, gar keine Rede. Nicht wenig Aufsehen erregten die Bajonnetflinten, die bei diesem Zuge zum ersten Male in praktischen Gebrauch kommen sollten, und die Raketen, welche auf des Königs Wunsch die Engländer allabendlich steigen ließen, um die Galla durch den Feuerregen derselben zu schrecken.