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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Schoa und die britische Gesandtschaft unter Major Harris

Begrenzung. – Englische Gesandtschaft unter Harris. – Tadschurra. – Zug durch die Adalwüste. – Salzsee. – Mord im Thale Gungunté. – Versammlung der Eingeborenen. – Sklavenkarawane. – Myrrhen. – Der Hawasch. – Der Grenzdistrikt. – Alio Amba, ein Marktort. – Empfang beim Könige Sahela Selassié. – Die Hauptstadt Ankober. – Debra Berhan, die Sommerresidenz. – Sklavendepot. – Truppenrevue. – Angollala. – Schlucht der Tschatscha. – Medoko, der Rebell. – Das Gallavolk. – Kriegszug gegen dasselbe. – Siegesfest. – Abschluß des Handelsvertrags. – Rückkehr.

Schoa im weiteren Sinne umfaßt den Theil der abessinischen Hochlande, welcher im Osten von der Adalwüste, im Süden vom Hawaschflusse und im Westen vom Abai oder Blauen Nil begrenzt wird. Die unbestimmte Nordgrenze machen muhamedanische Gallastämme aus. Im engeren Sinne versteht man darunter jedoch nur den westlichen Theil dieser Hochlande, nämlich die Distrikte Tegulet, Schoa Meda, Morabiétié, Mans und Gesche. Die östliche, im allgemeinen als Ifat bezeichnete Abtheilung des Berglandes umfaßt dagegen die Provinzen Bulga, Fatigar, Mentschar im Süden, Argobba im Osten und Efra im Norden. Beide Theile sind infolge des fruchtbaren Bodens ziemlich stark bevölkert, wozu noch das gesunde Klima und eine vergleichsweise politische Ruhe beigetragen haben. Krapf schätzt die Bevölkerung mit Einschluß der im Süden unterjochten Galla auf eine Million Seelen. Quellen, Bäche, Flüsse und Seen sind zahlreich im Lande vorhanden, das in Bezug auf seine Bodenbeschaffenheit mit dem übereinstimmt, was wir im allgemeinen über Abessinien bemerkten.

In der Zeit, die wir in diesem Abschnitte schildern wollen, herrschte Sahela Selassié als Negus über Schoa. Er hatte den protestantischen Missionär Krapf wie dessen Mitarbeiter Isenberg freundlich aufgenommen und von Beiden viel über Englands Macht und Größe gehört, wodurch sich in ihm der Wunsch regte, zunächst mit der Ostindischen Compagnie in ein Freundschaftsverhältniß zu treten, so daß er schon am 6. Juli 1840 einen Brief an den englischen Gouverneur in Aden sandte, in welchem er um die Absendung einer Gesandtschaft an seinen Hof bat. Infolge dessen entschloß sich die ostindische Regierung, seinem Wunsche zu willfahren und eine ständige Gesandtschaft an ihn zu schicken, an deren Spitze Kapitän W. Cornwallis Harris stand, ein vorzüglicher Offizier, der sich bereits durch seine Reisen in Südafrika, wo er bis in das Reich des Mosilikatse vorgedrungen war, einen Namen gemacht hatte. Als erster Stellvertreter wurde ihm Kapitän Graham, als Arzt Dr. Kirk, als Naturforscher Dr. Roth, als Maler der Deutsche Martin Bernatz, außerdem fünf andere Europäer, zwei Apotheker, ein Zimmermann, ein Schmied, zwei Sergeanten und fünfzehn freiwillige Soldaten beigegeben. Mit reichen Geschenken für König Sahela Selassié versehen, worunter sich auch eine Kanone und 300 Flinten befanden, verließ die zahlreiche Gesandtschaft am 27. April 1841 Bombay, besuchte zunächst Aden, das Gibraltar des Ostens, in Arabien, und schiffte dann nach der afrikanischen Küste hinüber, um in der Bucht von Tadschurra Anker zu werfen. Die Bucht, in welcher die Schiffe lagen, wurde ihrer Ruhe und Sicherheit wegen Bar el Banatin, der See der zwei Nymphen, genannt. Sie reicht tief ins Land hinein, ist ziemlich eng und von hohen Bergen umgeben, die ihr vulkanisches Gepräge deutlich zur Schau tragen. Zugleich hat diese Bucht ethnographische Bedeutung als Scheide der Danakil und Somalvölkerschaften. Am 18. Mai landete die Gesandtschaft und empfing sofort den Besuch des Sultans der Stadt, des alten Muhamed Ibn Muhamed. Eine häßlichere Erscheinung als diesen alten, magern, schmuzigen Fürsten kann man sich kaum vorstellen; der Reihe nach bot er einem Jeden seine mit ekelhaften Klauen versehenen Hände und ließ sich dann zum Gespräch nieder. Er war in einen groben Baumwollenmantel, der einmal blau gewesen war, eingehüllt, trug an einem Riemen den Koran um die Schulter gebunden und war außerdem mit einem Säbel gegen seine leiblichen und mit Amuleten gegen seine überirdischen Feinde versehen. Sein braunes, durchfurchtes Gesicht zeigte eine Politur gleich Ebenholz und war von einem weißen Bart umrahmt. Von ihm wurde zunächst die Erlaubniß erlangt, nach Schoa vordringen zu dürfen, eine Erlaubniß, die gegenüber den Kanonen der britischen Kriegsschiffe nicht gut verweigert werden konnte.

Der elende Ort Tadschurra war einige Jahre lang in den Händen der Türken, nachdem diese Massaua (1527) erobert hatten, und aus ihrer Zeit stammt auch noch eine zerfallene Moschee am Meeresstrande. Jetzt ist es eine selbständige Stadt unter einem Sultan, der zeitweilig von den Sultanen der gegenüberliegenden arabischen Küste abhängig ist. Fanatische Muhamedaner, meist Danakil, bewohnen den Platz, welcher nur als Sklavenmarkt einige Bedeutung hat. Ackerbau besteht nirgends in der Umgegend; jedermann ist Krämer oder Händler und wird mit der Zeit durch den Sklavenhandel wohlhabend. Der bedeutendste Handel findet mit Südabessinien statt, wohin jahraus jahrein die Karawanen ziehen. Indische und arabische Manufakturen, Zink, Kupfer und Messingdraht, Perlen und namentlich viel Salz werden dort gegen Sklaven, Korn, Elfenbein und einige andere Erzeugnisse ausgetauscht; allein Menschen und Salz bilden die Hauptartikel. Als Werthmesser gilt auch hier der Maria-Theresia-Thaler vom Jahre 1780, als Scheidemünze Lederstreifen, die zu Sandalen benutzt werden können. Außerdem nimmt man im Handel Schnupf- und Rauchtabak, leere Flaschen, Spiegel, Knöpfe und Perlen als Scheidegeld an.

Die gewöhnliche Klage der afrikanischen Reisenden, daß bei ihren Unternehmungen die Abreise das Schwierigste sei, sollte sich auch bei der britischen Expedition nach Schoa wieder als wahr zeigen. Das Verpacken der Geschenke für den König, das Engagiren von Kameeltreibern, endlich aber die Hindernisse, welche der Sultan von Tadschurra in den Weg legte, waren schwer zu beseitigen und zeitraubend. Als dies jedoch Alles mühselig überwunden, war das Jahr so vorgeschritten, daß man die Wüste gerade durchreisen mußte, als in den Monaten Juni und Juli der feurige und ungesunde Wind über die wasserlose Ebene von Südwesten her den Reisenden entgegenblies. Unterdessen herrschte im Lager von Dullul, wo die Gesandtschaft ihre Zelte am sandigen Seegestade aufgeschlagen hatte, große Regsamkeit, um Alles vorzubereiten und das Gepäck zu ordnen und zu vertheilen. Endlich waren 170 Kameele, welche die Karawane bildeten, beisammen; Wasserschläuche und Maulthiere wurden für die Europäer gekauft, und mit den Gefühlen, mit denen man eine Räuberhöhle verläßt, setzte sich der Zug in Bewegung, um Tadschurra den Rücken zu kehren, dessen Bewohner Harris die abscheulichsten und niederträchtigsten Menschen nennt, welche die Erde bewohnen. Als Ras el Kafila oder Karawanenführer fungirte Isaak, ein Bruder des Sultans von Tadschurra, der sich aber keineswegs als zuverlässiger und tüchtiger Mann bewies. Der Zug ging anfangs längs dem Meere bei Dullul hin durch das schroffe, zerrissene und wilde Gebirge, welches die Bucht auf der Nordwestseite umgiebt. Der gähnende Paß der Isa war zunächst zu durchschreiten, welcher seinen Namen von dem räuberischen Somalstamme der Isa empfangen hat, die in seinen Tiefen manchen Mord ausführten. Ein Zickzackriß, hervorgebracht durch die plutonischen Aeußerungen des Erdinnern, windet sich hier gleich einem mythologischen Drachenleib durch die Eingeweide der Erde. Ungeheure schwarze oder braune, vegetationslose Basaltklippen stehen senkrecht zu beiden Seiten wie Mauern in die Höhe, bei deren Bau die Cyklopen thätig waren, und durch diese wilde Scenerie eilte nun in wolkenloser heller Mondscheinnacht die Karawane hindurch. Kein Ton außer den Zurufen der Kameeltreiber war zu hören; schauerliches Dunkel lag auf dem Abgrund und nur die Lanzenspitzen der Eingeborenen, die den Zug begleiteten, glitzerten hier und da im Scheine des fahlen Mondlichtes – geisterhaft bewegte sich die Karawane dahin; Schauder lag auf allen Gemüthern, und erst als die Frühlichtstrahlen die gebrochenen Felsklippen vergoldeten, wich die Pein von den bangen Gemüthern.

Weiter ging der Zug durch einsame Thäler, deren Boden mit zertrümmertem basaltischen Gestein bedeckt war und die durch tiefe Schluchten und Spalten die Gewalt der vulkanischen Kräfte bezeugten, welche hier einst sich äußerten. Dann kam man zum Assalsee, dessen Ufer eine tänzelnde Fata Morgana umgab. Der erste Blick auf dieses seltsame Phänomen war keineswegs angenehm. Das elliptische Becken von etwa zwei deutschen Meilen Länge war zur Hälfte mit ruhigem, tiefblauem Wasser, zur andern Hälfte mit einer blendendweißen, glitzernden Salzkruste bedeckt, die durch Verdampfung entstanden war. Von drei Seiten umgürteten hohe, brennendheiße Berge dieses Seebecken, während auf der vierten Lavatrümmer und tiefe Schlünde sich hinzogen. Alles Pflanzen- und Thierlebens beraubt, war die Erscheinung dieser Wildniß von Land und stagnirendem Wasser, über dem ein dumpfes Schweigen ruhte, ganz dazu geeignet, das Gemüth niederzudrücken. Nicht ein Laut tönte an das Ohr, keine Welle spielte auf der Wasserfläche, nur die brennendheiße Sonne setzte am wolkenlosen Himmel ihren Lauf fort und sandte glühende Strahlen auf das todte vulkanische Land hernieder, über dem kein kühlendes Lüftchen wehte.

In diesem höllischen Schlunde hatten Mensch und Thier in gleicher Weise zu leiden. Nicht ein Tropfen Trinkwasser war weit und breit zu entdecken, während das Thermometer selbst im Schatten der Mäntel und Schirme eine Temperatur von 126 Grad Fahrenheit, d. i. 52 Grad Celsius oder 42 Grad Réaumur zeigte! Fünfhundert und siebzig Fuß liegt das Becken des Assalsees unter dem Spiegel des Meeres; kein Lüftchen weht dort, kein Obdach ist zu entdecken, nur der weiße Widerschein der Salzkruste blendet das Auge. Die lechzende Zunge hängt am Gaumen und empfängt keinerlei Labung von dem warmen Wasser, das die Schläuche darbieten, jeder Schritt vorwärts ermüdet Mensch und Thier noch mehr und zwölf lange Stunden dauert die Reise durch das Seebecken – sie müssen zurückgelegt werden, wenn nicht der Tod über den Wanderer kommen soll.

 

In einer Bucht des Sees waren Salzgräber damit beschäftigt, ihre Kameele für die Märkte in Aussa und Abessinien zu beladen, wo das Salz einen bedeutenden Tauschartikel ausmacht. Die Danakil betrachten die Ausbeutung dieses Salzlagers als ihr unbestrittenes Monopol und verwehren jedem andern Volke den Eingriff in dasselbe. In lange, schmale Säcke aus Dattelpalmblättern verpackt, wird das Salz von hier nach Abessinien gebracht.

Nachdem die traurige Einöde am Assal durchzogen war, überstieg man einen aus Gyps bestehenden Hügelzug und gelangte in ein Thal, in dem man sich in eine ganz andere Welt versetzt fühlte. Allerdings fehlte hier noch Pflanzen- und Thierleben, aber ein kleiner Bach mit klarem Wasser ließ diesen Ort wie ein Paradies erscheinen, und mit dankbarem Herzen ruhten die ermüdeten Wanderer unter überhängenden Basaltklippen aus, die ihnen Schatten spendeten. Hier am Flüßchen Gungunté endigte der erste Abschnitt der Wüstenreise. Der Zug durch die Einöde ist im Stande, die Gesundheit des kräftigsten Europäers zu untergraben; von der herrschenden Hitze bekommt man jedoch einen Begriff, wenn man hört, daß 50 Pfund gut verpackte Stearinkerzen auf der kurzen Reise von Tadschurra bis Gungunté so vollständig aus der sie bergenden Büchse herausgeschmolzen waren, daß sich in derselben schließlich nur noch Dochte vorfanden! Selbst die Danakil, welche doch von Jugend auf diese Gegenden kennen und an die brennendheiße Lava dieser Tehama-Wüste gewohnt sind, bezeichnen die Gegend am Assal-Salzsee nur als „Feuer“.

Jetzt nahten andere Gefahren, denn man war in dem Gebiete der über alle Begriffe nichtswürdigen, mörderischen und räuberischen Stämme der Isa und Mudaïto, deren ganzes Sinnen nur auf Mord und Plünderung geht. So vorsichtig man auch das Nachtlager im Thale Gungunté eingerichtet hatte, ein Mord durch jene Scheusale in Menschengestalt konnte nicht verhindert werden. Eine Stunde vor Mitternacht stellte sich plötzlich ein heftiger Wüstenwind ein, der Alles mit Sand und Staub überdeckte. Einige schwere Regentropfen fielen, dann aber war wieder Alles still. Diese Ruhe sollte jedoch nicht lange anhalten. Ein wilder Schrei ertönte vom äußersten Ende des Lagers her, panischer Schrecken ergriff die gesammte Mannschaft und in wilder Flucht stürzten die Männer, die sonst keine Furcht kannten, durch das Thal nach der Stelle hin, wo die Gesandten schliefen. Nur mit Mühe gelang es, alle zu sammeln und dann nach der Ursache des Schreckens zu forschen. Ein trauriger Anblick bot sich nun den Suchenden dar. Ein Sergeant und ein Korporal von der indischen Armee, welche die Expedition begleiteten, wälzten sich in Todeszuckungen in ihrem Blute. Dem einen war die Halspulsader durchschnitten, dem anderen ein Stich in das Herz versetzt worden, während nicht fern von ihnen ein Portugiese lag, der eine fürchterliche Wunde quer über den Leib hatte, sodaß die Eingeweide hervorquollen. Im Augenblick als der Alarm entstanden war, hatte man im hellen Mondlichte zwei dunkle Gestalten an den das Thal einschließenden Bergen in die Höhe klimmen und verschwinden sehen; trotz der Verfolgung konnte man ihrer nicht mehr habhaft werden. Wahrscheinlich waren dieses Isa-Somal, die das satanische Verbrechen aus reiner Mordlust begangen hatten. Denn jedes Schlachtopfer, das wachend oder schlafend in die Hände dieser Teufel in Menschengestalt fällt, giebt diesen das Recht, als Ehrenzeichen eine weiße Straußenfeder in den fettigen schwarzen Haaren, einen Kupferring am Arm und einen neuen Silberknopf am Heft des Säbelmessers zu tragen. Jeder Mord ruft nach dem Gesetze der Blutrache wieder einen Mord hervor, und so nimmt das Blutvergießen unter den Stämmen der Danakil und Somal kein Ende.

Am nächsten Morgen bestattete man unter Gebet und Flintensalven die Opfer dieses schändlichen Mordes und zog dann auf der gefährlichen Straße weiter. Drei Jahre lang war schon dieser Weg von Abessinien nach der Seeküste durch solche Schurken förmlich geschlossen, die jeden Durchziehenden kaltblütig abschlachteten, bis der junge Häuptling der Debeni die Banditen ausrottete und die Straße wieder öffnete; jedoch ist es nicht zu verhindern, daß einzelne Gegenden immer noch unsicher bleiben. Viele Leute, welche die Karawane begleiteten, zeigten an ihrem Körper Spuren großer, von den Wegelagerern empfangener Wunden.

Von nun an befestigte man das Lager des Nachts und stellte zahlreiche Posten aus, die alle Herannahenden zurückweisen mußten. Im Thale Alluli schien man den vorhergehenden Stationen gegenüber in ein Paradies gelangt zu sein, denn hier traf man Bäume, Gazellen, Tauben und Ziegenhirten. Die ersten menschlichen Wohnungen fand man jedoch erst weiter südwestlich in Suggadera, das zum Lande der Debeni-Danakil gehört. Diese Leute sind Hirtennomaden, die von Palmwein und der Milch ihrer zahlreichen Ziegen- und Schafherden leben oder Kameele züchten und mit diesen Salz vom Assalsee nach Aussa, der Stadt der Mudaïto, führen. Große Architekten sind sie freilich nicht, aber die auf einer Basis von unbehauenen Steinen aus Dattelpalmblättern erbauten Hütten erfreuten dennoch das Auge der Wanderer als die ersten Wohnstätten, die sie seit ihrer Abreise sahen.

Wegen der großen Hitze zog man in der Nacht weiter, immer über schwarze Lavafelder oder gelbe Sandflächen – ein trauriger Anblick, der noch melancholischer durch die vielen zerstreuten Steinhügel wird, die über den kaltblütig ermordeten Opfern der Isa von den Vorüberziehenden aufgethürmt werden. Tamarisken, Kappersträuche und anderes mit Schmarotzerpflanzen überzogenes Gestrüpp, in dem Vögel nisteten, unterbrach hier und da die Einöde; auch Strauße ließen sich sehen; dann kamen Grasflächen, Wasserplätze, Herden und Hirten, darauf Lavafelder, Bergzüge, ausgetrocknete Thäler, Herden wilder Esel (Equus Onager), Schwefelquellen als Zeugen der vulkanischen Thätigkeit des Bodens.

Im Thale Amadu machte die Karawane bei einem großen Regenwassersumpfe Halt, dessen grünes, von einer Legion Esel, Ziegen, Schafe und Rindvieh verunreinigtes Wasser nichtsdestoweniger recht trinkbar erschien. Hier hatten Leute vom Mudaïtostamme ihr Lager aufgeschlagen – ganz nichtswürdige Schurken. Mit finstern Blicken schauten sie die weißen Eindringlinge an und trieben ihre Fettschwanzschafe in die kühlende Flut, in der die jungen Damen der Horde, nachdem sie sich selbst gewaschen, ihre alten Lederschläuche reinigten, während eine alte magere Hexe ihrem Hunde den Pelz in der Flut wusch. Alle diese Hirten gingen mit Speer und Schild bewaffnet und kamen zum Zelte der Gesandtschaft heran, wo sie versuchten, dies oder jenes Ding sich zuzueignen. Durch ihre Ueberzahl kühn gemacht, begannen sie, den Karawanenführer Isaak zu fragen, mit welchem Rechte er die Fremdlinge durch dieses Land führe, wo sie „Herren des Bodens“ seien – doch als sie sahen, wie auf 250 Ellen Entfernung ein Stein von einer Flintenkugel zersplittert wurde, fingen sie an, bescheiden zu werden.

Ueber ein steiniges Tafelland, das mit nie enden wollenden Basaltblöcken überstreut und mit Rissen durchzogen war, die Wasserpfützen bargen, zog man weiter ins Land der Woéma, eines Danakilstammes. Wo Wasserläufe die Einöde unterbrachen, zeigte sich der Klippschliefer (Hyrax) und ein Baum, in der Form der Casuarina ähnlich. Im Killulluthale war der halbe Weg von der Küste bis nach Abessinien zurückgelegt. Bewaffnete Eingeborene der verschiedensten Stämme waren hier versammelt, um Berathung darüber zu halten, ob man einer so großen Anzahl fremder Leute gestatten dürfe, bis nach Abessinien vorzudringen, und die Mehrzahl war der Meinung, daß man sie entweder zurückjagen oder umbringen müsse. Zugleich wurde die Gelegenheit ergriffen, um über alte Streitigkeiten und Fehden zu unterhandeln. Hunderte dieser Schurken saßen so von Sonnenaufgang bis zum Untergang und wieder die liebe lange Nacht hindurch in größeren und kleineren Kreisen beisammen, um zu berathschlagen. Während der langen Unterhandlungen hockten sie bewaffnet mit aufrecht gehaltenen Speeren da, senkten diese gemeinsam, wenn ein Entschluß gefaßt war, und schlossen, nachdem ein Spruch aus dem Koran gebetet war, mit einem Amen die Versammlung. Noch lebhafter gestaltete sich das Bild durch die Ankunft einer Sklavenkarawane aus Schoa. Es waren einige hundert Kinder von verschiedenem Alter, die unter den dünnbelaubten Bäumen oder unter Felsvorsprüngen Schutz vor den brennenden Strahlen der Sonne suchten. Jedes hatte eine thönerne Wasserflasche bei sich und obgleich sie meist bei guter Laune waren, konnten doch die Europäer, welche die heiße Wüste jetzt durchzogen hatten, sich eine Vorstellung von den Qualen machen, welche die armen Geschöpfe auf dem vor ihnen liegenden Wege auszustehen hatten. Da jedoch die Behandlung in ihrer eigenen Heimat eine keineswegs bessere war, so fanden die Sklaven ihre Lage ganz erträglich und begannen, nachdem sie sich etwas von der Reise erholt, zu tanzen und zu singen. Die meisten waren Christenkinder aus Guragué, von wo die so hoch gepriesenen „rothen Aethiopier“ nach Arabien geliefert werden. Fast alle hatten bereits, wenigstens der Form nach, den muhamedanischen Glauben angenommen und schwuren beim Propheten.

Während der Zeit, daß die Expedition hier einen unfreiwilligen Aufenthalt hatte, stand das Thermometer auf 112 Grad Fahrenheit (35½° R.) und die zudringlichen, nach ranzigem Fett riechenden Eingeborenen drängten sich mit großer Unverschämtheit in das Zelt der Gesandten, um dort die Luft noch unerträglicher zu machen. Muhamedaner von der bigottesten Sorte, verschmähten sie jedoch weder den Zwieback, noch den Kaffee der „Christenhunde“ und bettelten bald um diese, bald um jene Kleinigkeit. Unter den verschiedenen Stämmen, die an diesem vielbesuchten Wasserplatze versammelt waren, befanden sich die Adâl mit breitspitzigem Speer und uralten Schilden, die Küsten-Somal mit leichter Lanze und Buckelschild, nicht viel größer als ein Schiffszwieback, ihre gefürchteten Stammesbrüder, die mörderischen Isa, mit langem starken Bogen von antiker Form und versehen mit einem Köcher voll vergifteter Pfeile. Sie waren unter allen die malerischsten Gestalten; kühn hatten sie den wallenden Mantel umgeworfen und lange rabenschwarze Locken wallten auf die Schulter herab. Sie können als ein Räuber- und Jägervolk bezeichnet werden. Viele unter ihnen besitzen gezähmte Strauße, die mit den Herden zusammen weiden und des Nachts an den Lenden gefesselt werden. Diese gigantischen Vögel werden mit viel Erfolg bei der Jagd auf wilde Thiere benutzt; auch reiten die Isa auf Eseln, von denen der Jäger seine mit Euphorbiasaft vergifteten Pfeile abschießt. Die Schilde, welche die Danakil tragen, werden von den Isa aus dem Fell der Oryx-Antilope verfertigt; auch handeln sie mit Straußenfedern. Die Art und Weise, wie sie die erlegten Vögel zubereiten, ist sehr originell; sie schneiden dem Vogel die Füße ab, wickeln dann das ganze Thier sammt Eingeweiden und Federn in feuchten Thon und backen diesen in heißem Feuer; nachdem die Thondecke entfernt ist, bleibt der saftige Braten zurück.

Nicht ohne große Mühe und Gefahr konnte nach einwöchentlichem Aufenthalt die Gesandtschaft sich von den barbarischen Nomaden und dem traurigen Orte losmachen, um ihren Weg fortzusetzen. Ueber kahle, steinige, von Schluchten zerrissene Berge ging der Weg in südwestlicher Richtung weiter. Lange Züge von Kameelen, Hornvieh, Schafen und Ziegen begegneten ihnen. Alle Bürde trugen die Weiber und Kinder der herumziehenden Stämme, während der faule Ehemann nur leicht mit Speer und Schild bewaffnet dahinschritt. Der Myrrhenbaum (Balsamodendron Myrrha) kam in der Nähe der bienenkorbförmigen Hütten, auf die man jetzt öfter traf, häufig vor; seine aromatischen Zweige liefern den Eingeborenen Zahnbürsten, welche sie in der Säbelscheide tragen. Häufige Regen traten in der Nacht ein und durchweichten die Reisenden bis auf die Haut; dann brausten wieder Wüstenwinde daher, waren wasserlose Flächen oder mit vulkanischem, scharfem Gestein übersäete Ebenen zu durchziehen – mit einem Worte, der Weg war aufreibend, mühsam und beschwerlich im höchsten Grade. Selten nur unterbrach eine Oase die Einöde, um dann gleich wieder vulkanischen Gebilden Platz zu machen. Bei Saltelli traf man auf ein Feld erloschener Vulkane, die, umgeben von Lavafeldern, in kegelförmiger Gestalt hier aus den Eingeweiden der Erde hervorgebrochen waren. Einer dieser alten Vulkane, der über 3000 Fuß hohe Aiullo, gilt als die alte Landesgrenze des nun zerfallenen äthiopischen Reichs. Wüst und traurig war die todte Umgebung dieser Berge – aber eine freudige Ueberraschung wurde den Reisenden hier doch zu Theil, denn zum ersten Male erblickten sie an diesem Orte in weiter, nebelhafter Ferne die blauen Gebirgsketten Abessiniens. Ihren Weg verfolgend trafen die Gesandten immer mehr auf Myrrhenbäume, und zwar auf zwei Arten. Diejenige, welche das beste Harz liefert, ist ein zwerghafter Strauch mit dunklen, krausen, sägeförmigen Blättern, während die andere, welche ein mehr balsamartiges Produkt liefert, zehn Fuß hoch wird und helle, glänzende Blätter hat. Nach der geringsten Verletzung fließt der milchige Saft in reicher Menge heraus und erstarrt an der Oberfläche; wenn die Masse oft vom Stamme entfernt wird, kann man im Januar und wieder im März große Mengen von einer Pflanze gewinnen. Mehrere Loth der feinsten Myrrhe erhält man auf diese Art im Vorbeipassiren leicht; dieselbe wird von den Vorübergehenden in einer Höhlung im Schilde aufbewahrt und an den ersten besten Sklavenhändler gegen Tabak vertauscht. Die Danakil geben die Myrrhe auch als Arznei ihren Pferden ein, wenn diese infolge der Hitze an Erschöpfung leiden. In der europäischen Medizin findet sie heutzutage nur noch geringe Anwendung; ihr Ruf aber ist groß und alt; befand sich doch die Myrrhe unter den Geschenken, welche die Weisen aus dem Morgenlande dem Christkinde brachten!

 

Von dem Gipfel eines Hügels herab hatten die Reisenden endlich den freudigen Anblick des Hawasch, des abessinischen Grenzflusses, dessen Lauf durch einen dichten Baumgürtel bezeichnet wurde. Jenseit desselben ragten kühn die Hochgebirge von Schoa in die Luft, und nach langen Leiden winkte nun das Ziel. Das Schlimmste war überwunden.

Der Hawasch ist der zweitgrößte Strom Abessiniens. Er entspringt im Herzen des Landes in einer Höhe von 8000 Fuß, wird von einer großen Anzahl kleiner Ströme gespeist und fließt gleich einer belebenden Ader grün und längs seiner Ufer bewaldet durch die brennend heißen Adâl-Ebenen, bis er in den Lagunen von Aussa sein Ende findet und versandet. Je näher man dem Strome kam, desto kräftiger wurde die Vegetation. Gummiausschwitzende Akazien, Tamarisken zeigten sich und laut schreiende Perlhühner stoben bei dem Heranziehen der Karawane auseinander; man mußte sich schließlich durch das Dickicht förmlich durchwinden und stand nun, nachdem man so lange durch wilde Einöden gezogen, vor einem großen, mächtig dahinrauschenden Strome, der seine vom Regen getrübten Wasser wild dahinwälzte.

Die Stelle, an welcher die Reisenden den Fluß zu überschreiten hatten, liegt mehr als 2000 Fuß über dem Ozean. Nach Art einer fliegenden Brücke wurden zehn Flöße zusammengefügt und auf diesen die Kameele, das große Gepäck und die zahlreichen Menschen übergesetzt. – Man war nun im Königreich Schoa, doch immer noch im Lande wilder Muhamedaner, da die christliche Bevölkerung erst weiter westlich beginnt.

Weil das Wasser des Stromes dick und schlammig aussah, begab man sich zur Tränke nach einem nahegelegenen Weiher, der von hohen Bäumen umgeben war. Inmitten desselben trieben Nilpferde ihr unheimliches Wesen; eins derselben steckte seinen ungeheuren Kopf aus dem Wasser, sperrte den mächtigen Rachen auf und brüllte, daß man es auf eine halbe Stunde Wegs hören konnte; zum Lohn wurde ihm eine vier Loth schwere Kugel in den Kopf gejagt, deren Einschlagen in den Schädel man deutlich vernahm. Das Thier sank unter, wurde jedoch erst am nächsten Tage aufgefunden und von den benachbarten Nomaden zerstückelt und verzehrt.

Mit leichtem Herzen sagte man den trüben Fluten des Hawasch Lebewohl und zog der Hauptstadt entgegen. Diesseit des Flusses war das einzige vorkommende Schaf das fettschwänzige, wolllose, nur mit Haaren bedeckte Thier gewesen. Statt dessen traten nun die großen, fetten abessinischen Schafe auf. Ziegen mit langen gewundenen Hörnern zeigten sich, von kleinen fuchsartigen Hunden bewacht, in großen Herden. Große Flüge von Heuschrecken, welche das Land kahl gefressen hatten, nahmen ihre Richtung gegen Abessinien zu. Sie verdunkelten förmlich den Himmel und zogen gleich einer finstern Wolke mit großer Schnelligkeit durch die Lüfte hin. In den Wäldern waren Perl- und Rebhühner häufig, zusammen mit der Zwergantilope, und die langentbehrte Jagd brachte in die Küche und die Lebensweise der Europäer einige Abwechselung. Am Abend des zweiten Tages, nachdem der Hawasch überschritten war, kam ein Reiter in das Lager der Gesandtschaft, sah sich überall genau um, sprach dabei kein Wort und verschwand wieder wie er gekommen. Es war ein Spion des Grenzhüters der Provinz Ifat, der seinem Herrn Nachricht über die Fremdlinge bringen sollte. Diese Erscheinung versetzte die begleitenden mißtrauischen Danakil in Aufregung, denn sie argwöhnten sofort, der Herrscher von Schoa werde die Europäer nicht empfangen.

Ungeachtet ihres Abmahnens setzte man den Weg fort. Der Mamrat, „die Mutter der Gnade“, mit seinem kuppelförmigen mächtigen Berghaupte, das weit über die Wolken emporragte, erhob sich gleich einem gigantischen Schlosse aus der Ebene und galt als Ziel, auf das man lossteuerte. Man befand sich jetzt schon 3000 Fuß über dem Meere und stand am Eingange des hauptsächlichsten, nach Südabessinien führenden Passes. Eine erfrischende Brise wehte den Engländern entgegen, der Himmel war mit Wolken bedeckt und das Klima so beschaffen, daß sie sich eher in der Heimat als unter die Tropen versetzt glaubten. Berg über Berg, bedeckt mit herrlicher, üppiger Vegetation erhob sich vor ihnen. Einer thürmte sich unordentlich über dem andern empor; bis schließlich die letzten, mit einem glänzend weißen Schneemantel bedeckten Spitzen sich in den azurblauen Lüften zu verlieren schienen. Dörfer und Weiler schauten aus den grünen Baumgruppen hervor; reiche Saatfelder erglänzten in der Sonne und zeugten von dem Fleiße eines Theils der Bewohner.

Später erfuhr man, daß der Negus angeordnet hatte, eine Ehrenwache von dreihundert Luntengewehrträgern solle die Gäste am westlichen Ufer des Hawasch empfangen, allein der Wulasma Muhamed, d. h. der höchste dem Grenzdistrikte vorstehende muhamedanische Beamte, der sich so gut wie der König selbst dünkte, hatte die Garde zurückgeschickt, da ja die Ehre Ungläubigen erwiesen werden sollte. Auch sonst legte dieser Beamte den Fremdlingen allerlei Schwierigkeiten in den Weg, um sie vom Vordringen abzuhalten, konnte schließlich jedoch bei der Festigkeit, mit welcher man gegen ihn auftrat, nichts erreichen. Zum letzten Male waren die Kameele beladen, um am 16. Juli 1842 in Farri, der Grenzstadt der Provinz Ifat, einzuziehen. Haufen kegelförmig gedeckter Häuser, welche auf zwei Hügeln zerstreut lagen, zwischen denen die Zollgebühren erhoben wurden, waren die ersten permanenten Wohnstätten, welche die Wanderer seit ihrem Abmarsch von der Küste als ein Zeichen des Fortschrittes begrüßten, denn bisher waren sie nur auf Nomadenhütten getroffen. Sowol wegen der nun beginnenden Hochlande, als wegen des kühleren Klimas wird hier das „Schiff der Wüste“, das für die brennendheißen wasserlosen Ebenen geschaffen ist, als Lastthier vollkommen unnütz und muß zurückgelassen werden. Damit lag aber auch die Wüste nun zugleich hinter den Reisenden, und als die Danakil, welche sie bisher begleitet, umgekehrt waren, waren auch die Leiden und Schrecken des durchzogenen Terrains verschwunden. Menschen, Klima, Boden, Thiere, Pflanzen – Alles war anders. Wie wenn ein Zauberer seine Ruthe ausgestreckt und die Landschaft mit einem Schlage verändert hätte, so sah man die Hochlande Abessiniens jetzt, überall nur Kultur bedeckte Flächen statt der brennenden Wüsteneien. Jede fruchtbare Bodenerhebung war mit einem friedlichen Weiler gekrönt, durch jedes Thal strömte rauschend ein krystallheller Bach, schwärmten Herden. Die kühlenden Bergwinde wehten den aromatischen Geruch von Jasminen und wilden Rosen herab, und im schwellenden Rasen blühten Tausendschönchen und Butterblumen. Das Gepäck schleppten jetzt 600 kräftige Muhamedaner, die auf königlichen Befehl von den benachbarten Dörfern gestellt worden waren. Der König, so vernahm man, war vor Ungeduld außer sich, die Gesandtschaft zu empfangen und die schönen Geschenke zu besichtigen, welche sie mitbrachte.