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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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„Was ist das für ein Gebäude?“ fragte Theodor.

„Die Moschee Omar’s“, antwortete Stern. – Sogleich warf der König den Apparat auf die Erde, indem er wüthend ausrief: „Und dieses Europa, das vorgiebt christlich zu sein, duldet eine Moschee beim heiligen Grabe!“

Als endlich die Stunde schlug, um Gondar den Rücken zu kehren, kam Achmed, mein Diener, mit der Nachricht zu mir, daß alle meine Leute sich heimlich entfernt hätten, aus Furcht, von mir in Massaua als Sklaven verkauft zu werden!

Mir blieb nichts anderes übrig, als neue Diener und Lastthiere zu miethen, wobei sich Salmüller besonders gefällig erwies. Ich überschritt den Angerab, wandte mich dem Magetsch zu, erstieg die Hochebene von Wogara, auf der Straße, die vor mir Bruce, Lefêbvre, Ferret und Galinier, Rüppell, Krapf, v. Heuglin u. a. gewandert waren, und gelangte in vier Tagemärschen bis Dobarek.

Am ersten Tage bivouakirten wir in Kossogié, einem Dorfe, welches von den hier häufigen Kossobäumen seinen Namen führt; durch gut bebaute Ebenen gelangte ich am zweiten Tage nach Isak-Dews, dem Isakberge, welcher Ort 1420 vom Kaiser Isak zur Erinnerung an einen hier über die Juden (Falaschas) erfochtenen Sieg gegründet wurde. Die dritte Station Dokoa war ein reizender Flecken auf einer Anhöhe mit einer dem Heiligen Kitane Machrit geweihten großen steinernen Kirche, die vom Kaiser von Jasu im portugiesischen Stile erbaut ist. Hier theilt sich die Straße; rechts, nach Osten zu, führt sie ins Alpenland von Semién. Links, in nördlicher Richtung über den Lamalmon-Paß, und die Kolla von Wogara nach Adoa. Am nächsten Morgen, als ich nach Dobarek aufbrach, zeigte man mir zur Rechten, schon in Semién gelegen, das Dorf Debr-Eskié, in dessen Nähe am 9. Februar 1855 das Schicksal Abessiniens entschieden und Theodor Sieger über Ubié wurde. Als ich den Abhang erstieg, an welchem Dobarek erbaut ist, wurde meine Aufmerksamkeit durch eine traurige Erscheinung gefesselt; der Boden war ringsum mit gebleichten Menschenschädeln besät, die unter den Füßen meines Maulthiers dahin rollten. Ein Schlachtfeld konnte hier nicht gewesen sein, denn andere Knochen als eben nur Schädel waren nicht vorhanden. Aber was war hier geschehen? Eine entsetzliche Katastrophe. Vor gerade drei Jahren (1860) hatte Theodor über seinen rebellischen Neffen Garet bei Tschober einen Sieg erfochten und etwa 1700 Gefangene hierher abgeführt. Man enthauptete sie und warf ihre Schädel aufs Feld.

Am nächsten Tage begann ich den Lamalmon hinabzusteigen. Sein südlicher Abfall ist eine schöne, kaum wellenförmige Ebene; sein nördlicher dagegen eine steile, einige tausend Fuß hohe Lehne, von welcher ein steiler Zickzackfußpfad hinabführt, den wir nicht ohne Lebensgefahr passirten. Auf einer kleinen Terrasse, die alle Karawanen als Ruhepunkt benutzen, machte auch ich Halt. Vor mir lag, wie auf einer Reliefkarte ausgebreitet, die Kolla bis zum Takazzié – eine Aussicht, die sich über dreißig Meilen erstreckte. Von allen Seiten sah ich die Flüsse durch die grünen Wälder und gesägten Berge brechen, um sich dem Takazzié zuzuwälzen, hinter dem, eingehüllt in Nebeldämpfe, das Hochland von Schirié emporstieg. Ich nahm meinen Weg nach der Zarima, einem Nebenflusse des Takazzié, zu, nicht ohne von meinen Leuten vor dem Rebellen Terso Gobazye gewarnt zu sein, der diese Gegend unsicher machte. Wie ich später erfuhr, war die Rebellion dieses Mannes mein Glück, denn Theodor hatte plötzlich drei Tage nach meiner Abreise aus Gondar eine Kavallerieabtheilung hinter mir hergeschickt, welche mich zurückbringen sollte. Kurz nach meinem Aufbruche von Dobarek kam sie dort an, wagte sich aber aus Furcht vor dem Rebellen nicht weiter und kehrte, ohne ihren Auftrag erfüllt zu haben, zurück. Der Negus wurde wüthend und rief aus: „Welches Unglück! Der erste Mensch, der von hier abreiste, ohne genau zu wissen, ob ich sein Freund oder Feind bin!“

Sire! Sie täuschen sich. Ich bin unterrichtet! Aber, ohne Sie zu beleidigen, füge ich hinzu, daß ich mich lieber Ihrer Gunst in Paris als in Gondar erfreue!

Meine erste Station jenseit der Zarima war Tschober, wo Theodor gegen die Gebrüder Garet focht und sein Liebling, der Irländer Bell, getödtet wurde, worauf die Katastrophe folgte, die ich bei Dobarek schilderte. Ich befand mich nun so recht mitten im abessinischen Kirchenlande, in Waldubba, das förmlich von Mönchen strotzt. Auch die Menschen waren hier schon andere; die jungen Mädchen sangen in einer Sprache, welche ich noch nicht gehört hatte und die weit gutturaler als das Amhara klang. Auch vernahm ich, daß ich mich schon im Gebiete des Volks von Tigrié befand. Wie die Amharas ernst, schweigsam und würdig auftreten, so erscheinen im Gegensatz die Leute von Tigrié fröhlich, lustig, mit einem Worte als „gute Kinder“. Frankreich stand in den Bürgerkriegen 1856–1860 auf Seiten der letzteren; England begünstigte die Amharas, und ohne gesuchten Vergleich kann man sagen, daß diese Sympathien dem beiderseitigen Nationalcharakter entsprachen.

Drei Tage später gelangte ich an das Ufer des Takazzié, den ich bei niedrigem Wasserstande traf. Sein dunkles, vom abgefallenen Laube getrübtes Wasser rollte zwischen dicken Wäldern dahin, die an die Urwälder Südamerika’s erinnerten. Hier war echte, tiefe Kollaregion. Am jenseitigen Ufer, wo das Land wieder bergig wurde, gelangte ich in die Deka der reichen und wohlbevölkerten Provinz Schirié, die sich nach dem Mareb hin erstreckt. Ich verließ nun die nördliche Richtung und wandte mich mehr nach Nordosten, einer schönen sumpfigen Prärie zu, welche links von bizarren Bergen begrenzt wurde. Da, wo sie endigt, liegt Axum, die alte heilige Stadt Abessiniens, die jedoch bereits so oft von den verschiedensten Reisenden geschildert worden ist, daß ich die Leser mit Aufzählung ihrer Alterthümer hier nicht ermüden will. (Vergl. oben S. 4S. 4.)

In vier und einer halben Stunde gelangte ich weiter nach der gegenwärtigen Hauptstadt Tigrié’s, Adoa. Die Stadt liegt zwischen dem südlichen Fuße des Scholada am linken Ufer eines kleinen Baches, der sich mit dem Asam vereinigt. Die südlichen, weniger zusammenhängenden Quartiere sind über mehrere Anhöhen zerstreut und theilweise sehr im Verfall begriffen. Viele Kirchen, wie gewöhnlich in kleinen Hainen, erheben sich in und um Adoa, unter denen sich die von Metchimialem auszeichnet. Sie ist von Detschas Sabagadis erbaut, der eine große Glocke hierher stiftete. Die Straßen sind eng, krumm und schmuzig, die Häuser meist aus Stein gebaut; viele haben Dächer von Thonschieferplatten, andere von Stroh; auch solche von zwei Stockwerken sind keine Seltenheit. Der Hofraum ist immer mit einer hohen Feldsteinmauer umgeben, in welcher sich Gärtchen hinziehen und Cordiabäume stehen. An der nordöstlichen Ecke auf einer steinigen Ebene am Bach ist der Marktplatz, wo an mehreren Tagen der Woche Markt gehalten und geschlachtet wird. Seit Jahrhunderten und namentlich seit dem Verfall von Axum ist Adoa die Haupt- und erste Handelsstadt Tigrié’s, deren Einwohnerzahl, fast lauter Christen, etwa 6000 Seelen beträgt. Die industriellen Produkte sind von geringer Bedeutung.

Da meine in Gondar gemietheten Leute nicht weiter gehen wollten, mußte ich hier frische Diener miethen. Dies hielt mich 14 Tage in Adoa auf, und diese Zeit benutzte ich zu Exkursionen in die Umgegend. Leider versäumte ich, die Ruinen der Jesuitenresidenz Fremona bei Mai Goga in der Nähe zu besuchen. Bruce, der sie gesehen hat, giebt an, daß zu seiner Zeit die Mauern noch 27 Fuß hoch gewesen seien, ein von Thürmen flankirtes Viereck, das als Festung gedient hatte. Doch das verhinderte die Vertreibung der Patres nicht, die vor zwei Jahrhunderten eine fürchterliche Qual Abessiniens waren. Man erzählte mir, daß die Ruinen heute ein Gegenstand der Furcht bei den Landleuten seien, welche das alte Gemäuer von bösen Geistern bevölkert glauben.

Am 29. Oktober 1863 verließ ich mit fünf Lastträgern, die ich bis Massaua zu dem billigen Preise von anderthalb Thaler pro Mann gemiethet hatte, Adoa. Am Abend kampirte ich schon in dem äußerst ungesunden Hamedo-Tieflande am Mareb. Diese granitische Ebene bildet für den Botaniker und Zoologen ein wahres Paradies, sie ist aber, wenige Monate im Jahre ausgenommen, furchtbar ungesund, ja geradezu tödtlich. Hier mußte auch mein Landsmann Dr. Dillon, der Freund Lefêbvre’s, nach der Regenzeit sein Leben lassen, als er, ungeachtet der Warnungen seiner Leute in die Kolla hinabstieg. „Vorwärts, ihr Feiglinge“, rief er ihnen unklugerweise zu. Die Abessinier zauderten, sagten aber dann: „Dieser Fremdling geht in den gewissen Tod und wir auch, wenn wir ihm folgen. Ist es aber recht, denjenigen zu verlassen, dessen Brot wir so lange gegessen? Vorwärts denn mit Gott!“

Fünf Tage darauf war Dillon todt und fünf seiner Diener gleichfalls. Ich könnte noch viele ähnliche Thatsachen anführen. Habe ich nun recht, wenn ich die Abessinier ein edles Volk nenne? (Man sieht, wie sehr sich die Urtheile gegenüber stehen, allein dieser eine edelmüthige Zug möchte doch das lasterhafte Volk nicht rein waschen). Was man jedoch noch weniger verneinen kann, ist die äußere Schönheit der Abessinier, Beweis dessen ich hier auf gut Glück das Porträt eines Landmanns aus dem Distrikt Antitscho in Tigrié hersetze.

Die ungesunde Ebene von Hamedo lag nun hinter mir und ich passirte den Mareb in einer Furth. Zu meinem Erstaunen fand ich ein sehr klares breites Wasser, das jedoch nur einen Fuß Tiefe hatte und zwischen belaubten Abhängen, wie zwischen zwei Hecken hinfloß. Jenseit desselben stiegen wieder Berge an, auf denen der Marktflecken Gundet liegt und die gesunde Deka beginnt.

Meine nächste Station war Asmara, die gegenwärtige Residenz des Baharnegasch oder Beherrscher der Meeresküste. Diesen stolzen Titel führte ein einfacher Schum (Ortsvorstand), der vom Statthalter der Provinz Hamasién eingesetzt wird. Der Mann empfing mich mit vieler Freundlichkeit und schenkte meinen ausgehungerten Leuten einen Hammel, ohne etwas dagegen zu verlangen. Er war ein vollendeter Gentleman, welcher bei meiner Abreise mich merken ließ, daß es ihm an Zündhütchen fehle. Da ich leider keine bei mir hatte, schickte ich ihm nach meiner Ankunft in Massaua eine größere Partie. Asmara ist keineswegs die Hauptstadt von Hamasién; als solche galt in alter Zeit Debaroa und heute Tzazega, wo der Detschas Hailu, ein Liebling Theodor’s II., residirte. Der Ort liegt malerisch zerstreut auf einem Hügel und zählt etwa 2000 Einwohner, die etwas Handel und namentlich Maulthierzucht treiben.

 

Das Gebiet des Nils lag schon hinter mir und ich befand mich hier in demjenigen des Anseba, der durch den Barka seine Wasser dem Rothen Meere zusendet. Bald war auch die Grenze Abessiniens erreicht und die Terrassen lagen vor mir, die sich nach der kahlen, brennend heißen Samhara hinabsenken. Erst jetzt fühlte mein Herz eine Erleichterung; das Damoklesschwert hing nicht mehr über meinem Haupte, ich war der Gewalt Theodor’s gänzlich entrückt.

Schnell war auch das Küstenland durchzogen, und in Massaua begrüßten mich nach langer Irrfahrt

Reisen in den nördlichen und nordwestlichen Grenzländern Abessiniens

Das Land der Mensa und Bogos. – Reise des Herzogs Ernst. – Monkullo. – Labathal. – Plateau von Mensa. – Das Volk der Mensa. – Ausflug nach Keren. – Elephantenjagd. – Rückkehr. – Munzinger über die Bogos. – Geschichtliches. – Ein aristokratisches Volk. – Rechtsverhältnisse. – Aberglauben. – Das Christenthum der Bogos. – Der Marebfluß. – Die demokratischen Bazen und Barea.

1. Reise des Herzogs von Koburg nach Mensa und Bogos

Da, wo die Terrassen des nördlichsten Distrikts von Abessinien, der Provinz Hamasién, die natürliche geographische und politische Grenze des Landes ausmachen, hören die vulkanischen Wackengebilde, die rothen Eisenthone und ebenen Basaltplateaux auf und die Urgebirge, die Granite, Gneise, Glimmerschiefer erhalten die Herrschaft. Sie bilden ein Gebirge, das, nach Osten hin zum Rothen Meere, nach Westen gegen das Tiefland des Barka abfallend, von zahllosen Wasserrinnen durchflossen ist, welche während der heißen Jahreszeit vertrocknen. Der namhafteste dieser Gebirgsbäche ist der Anseba, welcher sich mit dem Barka vereinigt. Noch vor zwanzig Jahren war dieses Gebiet den Geographen fast gänzlich unbekannt – jetzt gehört es zu einem derjenigen Theile Afrika’s, dessen Kenntniß am meisten gefördert ist. Die Völkerschaften, die dort wohnen, die Bogos mit den Mensa, die Bedschuk, Takul und Marea sind theilweise Christen, werden aber in nicht allzuferner Zeit dem Islam anheimfallen. Auch in ihrer Sprache unterscheiden sich die Bogos und Bedschuk von ihren Nachbarn; erstere ist ein Agau-(Agow)Dialekt, welcher aber mehr und mehr dem Tigré Platz macht. (Vergl. S. 92S. 92.)

Vor Allem aber hat die Natur dies „Alpenland unter den Tropen“ mit dem herrlichsten landschaftlichen Charakter gesegnet, mit vielfach gegliederten Hochebenen und kühnen Felsgestalten. Zur Regenzeit entwickelt sich dort eine höchst mannichfaltige und reiche Vegetation, und das Thierreich ist so überaus wohl vertreten, daß Bogos sammt Mensa dem Waidmann als ein Paradies erscheinen müssen.

Die Berichte, welche die deutsche Expedition unter von Heuglin über diese gesegneten Landstriche in die Heimat sandte, das Interesse welches sie an und für sich erwecken mußten, endlich die vergleichsweise leichte Zugänglichkeit, die nahe Lage an der Küste – man kann von Triest aus, wenn Alles ineinander greift, jetzt in ungefähr vierzehn Tagen nach Mensa gelangen – machten auch in einem deutschen Souverän den Wunsch rege, jene Gegenden zu besuchen, um dort der edlen Jagd obzuliegen. In Schottlands Hochbergen hatte Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg-Gotha schon den Edelhirsch gejagt, er hatte Gemsen am Fuße der Alpengletscher erlegt und nun entschied er sich auch dahin, auf Elephanten, Löwen, Leoparden, Gazellen und Antilopen in ihrer tropischen Heimat zu pürschen. Doch die Wissenschaft sollte bei diesem Unternehmen keineswegs leer ausgehen, und so versah sich der Herzog mit einem Stabe tüchtiger Männer, die vollkommen geeignet waren, das Erlebte und Gesehene in Wort und Zeichnung aufzubewahren.

Die Reisegesellschaft bestand aus dem Herzoge und seiner Gemahlin, dem Fürsten Hermann Hohenlohe und dem Prinzen Eduard Leiningen, dem Major von Reuter nebst Frau, dem Arzte Dr. Hassenstein, dem Maler Robert Kretschmer – dem wir einen Theil der prächtigen, naturwahren Illustrationen zu diesem Werke verdanken – dem Naturforscher Dr. Brehm, Friedrich Gerstäcker und einigen Anderen. Dr. Brehm, der Afrika aus eigener Anschauung bereits kannte, wurde als Pionier vorausgesandt, um die besten Wege ins Mensagebirge zu erforschen, und am 28. Februar 1862 verließ die Expedition selbst Triest. Nach sechstägiger Fahrt wurde Alexandrien erreicht, Kairo besucht und den Nil stromaufwärts bis zu den Ruinen von Luxor gedampft, endlich mit einem Extrazug durch die Wüste nach Suez gefahren, wo die hohen Herrschaften nebst ihrem Gefolge sich am 24. März einschifften. Fünf Tage dauerte die Fahrt durch das Rothe Meer, und am 29. warf der Dampfer bei Massaua Anker, wo eine englische Fregatte bereit lag, um der herzoglichen Expedition während ihres Aufenthalts an der entlegenen Küste Schutz angedeihen zu lassen.

Jener wichtige Hafenplatz wurde der Ausgangspunkt zur Reise in das Hochland, welche die Frau Herzogin jedoch nicht mitzumachen gedachte. Sie blieb vielmehr in dem westlich von Massaua gelegenen Dorfe Monkullo (Umkullu, M’Kullu) zurück, das man als eine Art Vorstadt von Massaua bezeichnen kann, weil viele Massauer Familien hier ihre Hütten und die meisten Geschäftsleute eine Frau mit Kindern und Sklavinnen wohnen haben, von denen sie täglich Milch und Holz sich bringen lassen. Ein besonderer Vorzug des Ortes sind seine Brunnen mit klarem süßen Wasser, das bis Massaua geführt wird. Monkullo wird von mehreren Hügeln überragt, von deren Hochfläche man einen Blick auf das Rothe Meer hat. Man sieht zwei lange Streifen, welche sich von dem blauen Gewässer abheben; der längere, zur Hälfte gelb, zur anderen grün, ist die Insel Tan-el-hut, wo Hemprich begraben liegt; der andere Streifen ist Massaua. Die gelbe Farbe rührt von Korallen, die grüne von einem dichten Gebüsch her, dessen immergrüne, fettglänzende Blätter denen des Kirschlorbers ähnlich sind; diese Pflanze, der Schorawurzelträger (Avicennia tomentosa), heißt zu Massaua Sackerib und wächst nur an solchen Stellen, welche täglich bei der Flut vom Meereswasser bespült werden. Aus der Ferne gesehen, gewähren die Wurzelträger einen anmuthigen Eindruck; ihr sanftes Grün thut dem Auge wohl; sie strecken ihre ziemlich dünnen Aeste in das Meer, und das Ganze lockt fast unwiderstehlich an, weil es zu dem nackten gelben Strande einen angenehmen Gegensatz bildet. Aber die Atmosphäre ist hier feucht, man kann wohl sagen giftig, und die Hitze oft so arg, daß es gewissermaßen als eine Erquickung erscheint, wenn man aus solch einem Avicenniengewirr heraustritt und wieder von den glühenden Strahlen der äthiopischen Sonne beschienen wird.

Schnell eilten die Mitglieder der Gesellschaft aus der ungesunden Küstenlandschaft dem Innern zu. Im Anfang war die Gegend der Samhara, welche sie durchritten, sehr öde und arm; die sandigen, aus grobkörnigem Kies bestehenden Berge glichen ganz jenen der Wüste. Das thierische Leben der Samhara wird zuerst bei den Regenströmen bemerklich, die nach kurzem Lauf hier dem Rothen Meere zueilen. Großartig wird die Natur erst da, wo das Labathal mit frisch sprudelndem Flüßchen aus dem Gebirge hervortritt. Im hellsten Grün prangten die Gehänge des Thals bis hoch zu den Bergen hinauf; alle Bäume standen im Blätterschmuck, viele von ihnen waren gerade mit den köstlichsten Blüten bedeckt und leuchteten von den Felswänden herunter. Gesicht, Gehör, Geruch schwelgten zu gleicher Zeit. Der Farbenreichthum blendete das Auge, Wohlgeruch erfüllte das Thal und wie ein Gruß tönte der Flötenruf des äthiopischen Würgers den Fremdlingen ins Ohr. Auf den Zweigen wiegten sich Vögel aller Art von den kleinsten Honigsaugern (Nectarinia) bis zum riesigen Ohrengeier. Auch sah man Leoparden, Gazellen, Antilopen, Rudel von Affen, namentlich Hamadryaspaviane eilten mit lautem Geschrei die Abhänge hinauf und muntere Klippschliefer belebten die Felsen, die sogar Spuren des riesigen Elephanten trugen, der bis in die hohen Berge hinaufsteigt.

Ganz oben verwandelte sich das Thal in eine enge Felsschlucht, und unter unsagbaren Mühen wurde am 7. April die Hochebene erklommen, welche wiederum von riesigen Alpen umgeben die Hüttengruppen des Hirtenvolkes der Mensa trägt. Das Gebirge selbst besteht aus einem sehr grobkörnigen Granit, welcher jedoch nur an den höchsten Spitzen durchbricht, und aus Thon- und Glimmerschiefer, der sich wie ein Mantel um den innern Granitkern gelegt hat. In den tiefern Thälern finden sich steile Wände, welche jedoch fast überall zugänglich sind und es noch viel leichter sein würden, wenn nicht die Pflanzenwelt dies verhinderte. Alle Felsen sind grün bis oben hinauf, und wo nur ein geeignetes Plätzchen sich findet, da hat die Pflanzenwelt sicher Fuß gefaßt. Doch bestimmt die Armuth an Dammerde das Gepräge der Vegetation. Große gewaltige Bäume giebt es nur im Thale, und hier zeigen sich am Bache die charakteristischen Gewächse der Kollaregion: schirmförmige Mimosen, prächtige Tamarinden, Kigelien mit ihren großen Früchten, Adansonien, Akazien, Oelbäume, die Kronleuchter-Euphorbie und eine niedrige Palme.

Der stattliche Gebirgszug, in dessen Gipfel das Plateau von Mensa gleichsam eingekeilt liegt, mag sich in den Theilen, welche von der herzoglichen Expedition berührt wurden, zu einer Höhe von 8000 bis 9000 Fuß erheben. Die Hochebene selbst soll gegen 6000 Fuß über der Meeresfläche liegen und wird durch einen niedrigen Hügelrücken in zwei Theile geschieden. Der eine bildet eine wilde, mit Büschen bewachsene, sandige Fläche, die oft von Schluchten durchzogen ist. Der andere zeigt besseren Boden und wird bebaut.

Das Dorf Mensa bildet zwei Gruppen von Niederlassungen mit zusammen etwa 100 Hütten, die sich an die beiden Ränder der Hochebene anlehnen. Dicht hinter denselben steigen die bewaldeten Felsgehänge noch kühn empor und tritt zwischen riesigen Granitblöcken ein klarer Quell hervor, und ringsum entfaltet das Gebirge seine ganze Pracht. Die Stelle war zu Ausflügen gut gewählt, aber leider wurde die Freude theuer bezahlt, denn ein großer Theil der Gesellschaft wurde vom Fieber gepackt. Die Gesunden ließen sich jedoch dadurch nicht abhalten, tüchtig der ergiebigen Jagd nachzuspüren und die Sitten der Eingeborenen zu studiren.

Nirgends wol in Afrika trifft man auf so elende Behausungen als in Mensa. Die Hütten bestehen aus Stangen oder Zweigen, über die man einfach Reisig wirft, das nicht einmal gegen den strömenden Regen gedichtet wird. Eine kleine niedrige Thür führt in das Innere des hohlen Reiserhaufens. Dort gewahrt man dieselbe Unfertigkeit: einige aneinander gereihte Stäbe, welche auf Querhölzern ruhen und von gegabelten Pfählen getragen werden, bilden den Schlafplatz. Diese Bettstätte ist außerdem mit einem laubenähnlichen Bau überdacht, der immer noch den Regen durchläßt. Außer einigen irdenen Töpfen, dem unentbehrlichen Reibstein, auf dem das Getreide zerkleinert wird, einem Topfe, in dem man das Korn aufbewahrt, und einigen Schläuchen sieht man keine Geräthschaften im Innern. Eine Dornumzäunung schließt die Wohnung ein, und innerhalb derselben liegt der kleine Tabakgarten, denn das starke Kraut wird von den Männern leidenschaftlich aus großen Wasserpfeifen geraucht, deren Wasserbehälter durch einen Kürbiß gebildet wird.

Die Mensa sind schöne, wohlgebaute Menschen von gelblicher bis dunkelbrauner Hautfarbe. Ihre Sprache ist das Tigré. Das Haar ist eigenthümlich frisirt, wie es die Abbildungen zeigen, und mit einer Nadel versehen, welche die Ruhe unter den lästigen Insassen herzustellen hat. Kurze baumwollene Hosen und weite Umschlagmäntel machen die Kleidung der Männer aus; eine lederne, in viele Streifen zerspaltene Schürze bildet die einzige Bekleidung der unverheiratheten Mädchen, welche am Tage der Verheirathung mit einem Umschlagetuche vertauscht wird. Das Leben des Volkes hängt von den Herden ab; Getreidebau wird wenig betrieben. Die Erhaltung und Vermehrung der Herden macht die ganze Wissenschaft ihres Lebens aus. Der Mensa hält sich um so verständiger, je besser er mit dem Vieh umzugehen versteht, und er achtet sich um so glücklicher, je zahlreicher seine Herde von Buckelrindern ist. Manche von den Leuten, welche in einer der beschriebenen erbärmlichen Hütten leben, nennen 5000 bis 6000 Rinder ihr Eigenthum. Um überall die Weide gut ausnutzen zu können, wandern die Mensa zweimal im Jahre von der Höhe ihres Gebirges zur Tiefe der Samhara hinab, wenn dort die Regengüsse ein frisches Grün hervorgezaubert haben. Die Milch der Kühe ist ihr vornehmstes Nahrungsmittel, und bei festlichen Gelegenheiten wird ein Ochse geschlachtet, dessen halbgeröstetes Fleisch gierig verschlungen wird. Als geistiges Getränk dient der Honigwein. Ganz so schlimm wie die Abessinier sind die Mensa beim Einnehmen ihrer Nahrung nicht, allein auch nicht sehr verschieden von diesen.

 

Das Christenthum der Mensa ist genau so, wie wir es bei ihren Vettern, den Bogos, weiter unten schildern. Das häusliche und eheliche Leben unterscheidet sich kaum von dem der Abessinier. Mit Sonnenuntergang sammeln sich die Mädchen auf den öffentlichen Plätzen und beginnen zu tanzen, wobei die Zuschauer laut brüllen. Dieses Vergnügen währt bis tief in die Nacht, jedoch nur wenn der Mond scheint und die Raubthiere nicht zu fürchten sind. An Festtagen hört man noch eine andere Musik, dann geben die Flötenbläser ihre Künste zum besten. Die abessinischen Flöten sind hohle Röhren mit verschiedenen kleinen Schallöchern, welche nach Art der Mundharmonika geblasen werden. Einzelne Künstler verstehen auch eine Art Geige zu spielen, d. h. eine Fiedel im Urzustande mit einer Saite von Pferdehaaren, die mit einem einfachen Bogen gestrichen wird. Eine Handtrommel mit Schellen unterstützt gewöhnlich dieses Konzert aufs wirksamste.

Eigenthümlich sind die Grabhügel der Mensa. In weitem Kreise um das Grab herum baut man eine senkrechte Ringmauer auf; den von ihr umschlossenen Raum füllt man alsdann mit großen und kleinen Steinen aus. Die Steine schichtet man in einem Haufen hoch auf und überlegt sie endlich mit blendenden Quarzstücken, welche weit und breit zusammengetragen werden. Die tropische Erzeugungsfähigkeit sorgt bald für grüne Umrankung und Umlaubung, und dann heben sich diese Gräber um so heller von dem dunklen Hintergrunde ab.

Hier nun, unter diesem Volke, schlug man die Zelte auf und verweilte einige Zeit. Als die Gewitterregen nachgelassen, trat der Herzog, von seinen beiden Neffen begleitet, einen Ausflug nach Keren im Bogoslande an. Am 12. April setzte sich der Zug in Bewegung, durcheilte in nordwestlicher Richtung die Mensa-Hochebenen und gelangte am nächsten Tage bereits in eine sehr veränderte Gegend. Die reiche Vegetation des Mensathales war fast ganz verschwunden, die Bergrücken waren kahl und nur an den Abhängen zeigten sich Mimosen und verkrüppelte Oelbäume. In den tiefern Thaleinschnitten wuchsen riesige Adansonien und Euphorbien. Nach einem Ritt von mehreren Stunden wurde das Dorf Gabei Alabu auf einem felsigen Plateau erreicht, wo die Einwohner nach einigem Parlamentiren Milch und eine Kuh zum Geschenke brachten. „In keiner Weise konnten wir,“ erzählt Herzog Ernst, „auf der ganzen Reise zwischen diesen Völkerschaften auch nur über die geringste Unbill klagen, und ich muß lobend erwähnen, daß uns überall mit aufrichtiger Freundlichkeit und Gastfreundschaft begegnet wurde.“ Nachdem man zwei Stunden weiter geritten, gelangte man an das malerische Ufer des Anseba (Ainsaba). Der Strom hielt noch dritthalb Fuß Wasser und floß silberhell und reißend dahin. In unendlichen Windungen sendet er seine klaren Fluten, die unfern von Tzazega in Hamasién entspringen, durch das Gebirgsland und erquickt mit seinen zweimal im Jahre austretenden Gewässern die durstige Ebene. Soweit dies der Fall ist, zeigt auch der Boden die ganze Fülle der Tropenvegetation; wunderbar geformte Bäume, dicht mit Lianen überzogen, wechseln malerisch mit haushohem Schilf. Tausende von Vögeln aller Art bevölkern diesen schmalen Streifen Erde, der gleich einer Oase meilenweit den Strom begrenzt, welcher später seine Wasser mit denen des Barka vereinigt, also nicht dem Gebiete des Nil, wol aber jenem des Rothen Meeres angehört.

Die gehoffte Jagd fand leider hier nicht statt, dafür stattete man dem jenseit des Flusses liegenden Dorfe Keren, dem Hauptorte von Bogos, einen Besuch ab. Der Herzog schildert Keren als ein elendes, auf einer Hochebene gelegenes Dorf, das außer den Hütten der Eingeborenen nur zwei größere Gebäude, die Wohnung des weit und breit bekannten Missionärs Stella, aufweist. „Stella ist ein kleiner untersetzter Mann mit stechenden klugen Augen, aber sonst wohlwollenden Zügen. Er gehört zum Orden der Lazaristen. Unstreitig ist er, nach Allem, was ich über ihn gehört und gelesen, zu den wenigen intelligenten Europäern zu rechnen, welche seit einer Reihe von Jahren das Innere Afrika’s bewohnten. Durch seinen Charakter, seinen Muth und sein kluges Benehmen ist er zu einer bedeutenden Person geworden. Er ist nicht nur bei den Bogos höchst angesehen, sondern steht auch in einer gewissen Verbindung mit dem Kaiser Theodor und den ganzen politischen Verhältnissen Abessiniens. Die Ausbreitung der katholischen Religion scheint ihm hier nicht allein am Herzen zu liegen. Er schien vorzugsweise Rathgeber und Vermittler zwischen obwaltenden Streitigkeiten der Stämme zu sein. Ein Gehalt, der ihm regelmäßig ausgezahlt wird, und eine ausgesuchte Herde machen ihm bei geringen Bedürfnissen ein angenehmes Leben möglich.“

Der Boden bei Keren, das 4469 Fuß über dem Meere liegt, ist fruchtbar, aber nur ab und zu mit Durrah, etwas Tabak und dem gewöhnlichen Seifenkraut bepflanzt. Nach Osten und Süden steigen rauhe Gebirge in die Höhe, während sich die im Norden liegenden Ketten mehr und mehr abflachen. Nach Westen zu sieht man den Bergen deutlich an, daß sie aus einer Ebene emporsteigen, denn unmittelbar hinter ihnen beginnt die unabsehbare Barka-Steppe. Wasser enthält die Hochebene so gut wie gar nicht.

Keren war der fernste Punkt, bis zu welchem der hohe Reisende gelangte. Er zog nach kurzem Aufenthalte von da nach Mensa zurück, wo er am 16. April wieder anlangte. Schon am zweiten Tage darauf fand eine glückliche Elephantenjagd statt, und mit nicht geringer Anstrengung gelang es, auf den 8000 Fuß hohen Felsenhöhen des Beit-Schakhan einen alten und einen jungen Elephanten zu erlegen.

Mit folgenden Worten schildert der Herzog das Abenteuer selbst: „Es mochte wol zwischen 2 und 3 Uhr sein, als ein für uns kaum hörbarer Ton das Ohr des uns begleitenden jungen Eingeborenen traf. Wie eine Schlange schnellte die schwarze nackte Gestalt aus dem Grase empor, und die heftigste sich in den wunderlichsten Gesten kundgebende Aufregung bewies uns, daß ein Zeichen von unten gegeben sei. Wie durch einen Zauberschlag berührt, sprangen wir jetzt auf die Füße und griffen zu unseren Büchsen. Die reizende Aussicht war, wie Müdigkeit für uns verschwunden, die Sonnenstrahlen erschienen nicht mehr heiß, und ohne weiter zu überlegen, was eigentlich das Zeichen bedeute, trabte die ganze Gesellschaft über Steinblöcke durch Dick und Dünn der Tiefe zu, aus der in abwechselnden Zwischenräumen das schon vorher erwähnte Zeichen wiederholt wurde.

„Der junge Mensaner mit Schild und Speer an der Spitze, führte den Zug, und da ihn weder Kleidung noch Korpulenz am Laufen hinderten, so fiel er in ein wahrhaft gefährliches Tempo, für das nur die jüngsten Beine geschaffen schienen. Erst nach anderthalb Stunden trafen wir die beiden Elephantenjäger. Nur einige hundert Schritt folgten wir ihnen und sahen schon zum allgemeinen Entzücken, auf der gegenüberliegenden Bergwand, zwischen dem Gestrüpp und alten Euphorbienbäumen, Elephanten ruhig ihr Diner verspeisen.