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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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An Juniperusbäumen vorbei gelangte ich auf einen Hügel, der verschiedene Häusergruppen trug, zwischen denen sich wüste Plätze hinzogen. Ich war jetzt schon mitten in Gondar, ohne daß ich eigentlich die Stadt bemerkt hätte, und war nicht wenig verwundert über diese Kapitale der Kaiser Sosneos und Fasilides, von der ich mir eine durchaus andere Vorstellung gemacht hatte. Von welcher Seite aus man sich auch der Stadt nähert, fallen die vielen hohen Warten und Thürme, Zinnen und Mauern des in mittelalterlich-portugiesischem Styl erbauten Königspalastes und einzelne Kirchen mit großen kegelförmigen Dächern unter malerischen Baumgruppen zuerst in die Augen: ein heimisches Bild für den Wanderer, der sich plötzlich dem Innern des tropischen Afrika entrückt und in eine mitteleuropäische Landschaft versetzt glaubt. Ueber üppigen Wiesengrund an schmalblätterigen Weidenbäumen mit überhängender Krone hin rauschen klare Gebirgsbäche zu Thal und schlängeln sich, Silberfaden gleich, in der Ferne durch das grüne, flache Dembra, dem Tanasee zu. Das nördlichste Quartier der Stadt ist das Abun-Bed mit der Wohnung des Bischofs. Ein nach Westen fließendes Bächlein, kahle Flächen und Ruinenfelder trennen es von der politischen Freistelle, dem Etschege-Bed, mit dem Sitze des Vorstandes der Mönche, Etschege genannt. Auf einem freien, erhabenen Punkt, östlich von beiden, steht von einer runden Mauer umgeben, unter herrlichen Baumgruppen eine Kirche mit zwei von den Holländern dem Kaiser Jasu geschenkten Glocken. Südlich und östlich davon ist der Stadtbezirk Debra Berhan, Kirche des Lichts, mit gleichnamiger Kirche; westlich daran schließt sich der Gempscha-Bed oder Schloßbezirk. Von einer weitläufigen, unregelmäßigen Mauer, mit Zinnen und Wartthürmen und mit verwilderten Gärten und Kiosken umgeben, erhebt sich der große, leider mehr und mehr zerfallende Gemp oder das Schloß selbst, das neben den armseligen, mit Stroh gedeckten Häusern einen wahrhaft großartigen Eindruck macht durch seine massive Bauart, seine vielen Thürme, hohen Bogenfenster und weiten Höfe. Die Façade des Hauptgebäudes ist gegen Westen gekehrt und drei Thürme mit großen Thorbogen bilden die Eingänge zu dem einst gepflasterten, jetzt halb in Schutt und Gestrüpp begrabenen Vorhof. Der Hauptbau ist viereckig, zweistockig, mit flachem Dach und steinerner Brustwehr; auf jeder Ecke erhebt sich ein Thurm mit Cement-Kuppel, ein höherer viereckiger steht in der Mitte. Das Material ist ziemlich roher Basalt, die Einfassungen der Thore und Fenster bestehen aus rothem Sandstein. An das Hauptgebäude lehnen sich noch verschiedene Hallen, Galerien, Säle, Kapellen, Brücken und Thorwege an, Alles jetzt mehr oder weniger zerfallen und mit Schlingpflanzen überwuchert.

Südwestlich vom Gempscha-Bed breitet sich, von verschiedenen Quartieren umgeben, der große Marktplatz aus. Am Abhange und Fuße des Hügels liegt das Quartier der Muhamedaner, Islam-Bed, und südwestlich, jenseit des Kacha-Flusses, die Judenvorstadt, Falascha-Bed. Die Straßen Gondars sind eng und krumm, theils mit natürlichen Basaltplatten gedeckt, theils durch Schmuz und Schutt unwegsam gemacht. Die Einwohnerzahl dürfte 6000–7000 nicht übersteigen; doch war die Stadt einst volkreicher. König Theodor vernachlässigt sie „als Pfaffenstadt“ gänzlich, ja er hat einmal zur Strafe sein Heer gegen sie losgelassen, ihr enorme Geldbußen auferlegt und das Quartier der Muhamedaner zerstören lassen. Nicht weniger als 44 Kirchen, darunter sehr prächtige, bestehen in Gondar, und die Zahl der darin angestellten Geistlichen beträgt 1200, mithin ist jeder sechste Mensch ein Priester.

Nach außen hin ist Gondar offen, nur die Freistätte und verschiedene Kirchen sind mit größeren, halb verfallenen Mauern umgeben. An Trinkwasser ist großer Mangel, sodaß man in der trockenen Jahreszeit sich oft genöthigt sieht, aus dem Angrab- oder Kachaflusse das nöthige Wasser zu holen und das Vieh zur Tränke dahin zu führen. Ueber den letzteren Fluß führt nicht weit vor der Stadt eine alte, sehr malerische Brücke, die noch aus der Zeit der Portugiesen stammt, jetzt aber sehr im Verfalle begriffen ist. Am östlichen Ufer des genannten Flusses liegt nordwestlich von der Stadt auf einer grünen Wiesenfläche die Kirche Fasilides inmitten eines herrlichen Juniperuswaldes und umgeben von niedrigen Mauern mit runden Wartthürmen und Zinnen. Die viereckige steinerne Kirche ruht auf Schwebebogen in einem tiefen Bassin, über welches eine mit Eckthürmen befestigte Brücke führt. Eine großartige steinerne Wasserleitung auf hochgesprengten Rundbogen an der Westseite des Haines versorgte den Platz mit Wasser, das wahrscheinlich in ein Reservoir im südwestlichen Eckthurme geleitet wurde und dort Wasserwerke speisen mußte. Seines Zweckes wegen ist ein dicht bei dieser Kirche gelegener Tempel mit runder Kuppel merkwürdig. Es ist das Grabmal eines königlichen Streitrosses, man sagt von Negus Kaleb. Auch an Bädern mit Wasserleitungen und Nischen, sowie an anderen Zeugen einer ehemals regeren Baukunst und Baulust ist in der Nachbarschaft kein Mangel; doch die geringe Sorgfalt, die jetzt auf die verschiedenen Werke gewandt wird, droht sie dem gänzlichen Ruin zuzuführen.

Geht man von der Kacha weiter westwärts, so gelangt man in ein Seitenthal, in welchem an einem Bergabhange die malerischen Ruinen von Koskam liegen. Ziemlich gut erhalten ist noch das dortige Lustschloß mit zwei Thürmen, deren einer ein Kuppeldach trägt, während das des anderen einem niedrigen, umgelegten halben Cylinder gleicht. Zwischen beiden führt ein hohes Bogenthor in eine lange steinerne Halle mit großen Bogenfenstern und Thüren; das Dach fehlt; Balken zeigen noch die Spuren von Altanen oder Galerien. Das ganze Gebäude besteht wie der Gemp aus ziemlich rohen Basaltsteinen, die Thür- und Fensterpfeiler aber aus gut gearbeitetem rothen Sandstein. Zwischen reizenden Baumgruppen ragen die Reste eines anderen Prachtgebäudes, in dem, wie es scheint, eine Halle mit schön gearbeiteten Säulen hinführte, Alles ist aber verfallen und mit Gestrüpp und Schlingpflanzen überwachsen.

Noch weiter westlich, von hohen Mauern mit Zinnen und Thürmen umschlossen, ist die Kirche, eine Rotunde mit Strohdach und vielen Wandgemälden, die namentlich Reiterfiguren darstellen.

So ist das heutige Gondar und seine Umgebung beschaffen; überall auf Schritt und Tritt begegnet dem Reisenden Verfall, und doch könnte diese Stadt bei ihrer prächtigen Lage in der gesunden, fruchtbaren Gegend im Mittelpunkte Amhara’s zu einer großen Blüte gelangen – wenn nur ihre Bewohner anders beschaffen wären.

Man hatte mir viel von der kleinen Kirche Towari erzählt, die eine Stunde von meinem Aufenthaltsorte entfernt liegt, in welcher man die abessinische Malerei am besten studiren könne. Ich begab mich dorthin und fand auch dieses Gotteshaus, wie alle Landeskirchen, in einem dichten Hain von Juniperusbäumen versteckt. Die Gemälde, so berühmt in Abessinien, machten auf mich, der ich sie mit europäischen Augen ansah, im allgemeinen einen schauderhaften Eindruck. Indessen fesselte ein Bild des Abendmahls doch sehr meine Aufmerksamkeit, da auf demselben der Künstler hieratische Traditionen, byzantinische Malerei und Details des abessinischen Lebens merkwürdig miteinander verschmolzen hatte. Christus, die Jungfrau und die Abendmahlsgenossen sind nach der Tradition gekleidet und mit großem Kunstverständniß rings um einen Tisch gruppirt, der nach der feinsten abessinischen Art gedeckt ist. Vor jeder Person liegen Tiéfbrote, die zugleich die Schüsseln vertreten, zur Seite derselben die Messer zum Zerschneiden des Brundo (rohes Fleisch). Ein Major Domus, offenbar aus guter Familie, bietet zu trinken an; außerdem gehen Jünglinge mit Honigweinkrügen umher. Ein Theil der Jünger wendet die Gesichter gegen Christus, ein anderer gegen Maria. Die Züge dieser Hauptpersonen aber sind verfehlt; namentlich die der Maria. Abgesehen hiervon verdient das Bild jedoch alles Lob.

Als Begleiter auf meinen Ausflügen in die Umgebung Gafats diente mir ein junger Priester, der einige Zeit in der Propaganda zu Rom gewesen, dort aber nicht allzuviel gelernt hatte. Heimgekehrt, wollte er sich die Stelle eines Aleka bei einer reichen Kirche unrechtmäßig anmaßen; allein König Theodor nahm die Sache krumm und verurtheilte Michael, so hieß der civilisirte Geistliche, zu drei Jahren Kettenstrafe. Mir gegenüber wollte er sich nun als Glaubensmärtyrer darstellen, was mir ziemlich einerlei war; dagegen war er mir unschätzbar wegen seiner vortrefflichen Landeskenntniß.

Als er jedoch einige Monate später einen Salzdiebstahl beging, mußte ich ihn vor die Thüre setzen; anfänglich ging es ihm nun schlecht – dann begegnete er mir wohlgenährt und gut gekleidet wieder. Gott weiß, wie er zu Gelde gekommen sein mag; indessen dieser Art von Leuten geht es in Abessinien wie in Europa: sie fallen wie die Katzen stets wieder auf die Füße.

Eine meiner Exkursionen führte mich zur Fafatié oder dem Wasserfall des Rebflusses, der seine Quelle am Abhange des hohen Gunagebirges hat. Ich bestieg mein Maulthier, wandte mich nach Südosten und ließ zur Linken die große und fruchtbare Ebene von Gafat mit ihrem ausgetrockneten Strome liegen. Mit einiger Schwierigkeit wand ich mich durch das bewaldete Thal des Davezout und kam dann, einem schattigen Fußsteige folgend, zum Reb, der leise über ein mit dunkelblauen Steinen besäetes Bett dahinfloß. Der Wasserfall war nur fünf Schritt von mir entfernt: ich sah ihn nicht, aber ein schauderhafter Schlund und ein betäubendes Brüllen zeigten mir seine Gegenwart zur Genüge an. Um ihn von vorne zu erblicken, mußte ich auf einem Zickzackstege den Felsen hinabsteigen, der mit Buschwerk überzogen und von Affen belebt war. Unten angelangt, stand ich vor einem hübschen grünen See, in den von steiler Felswand eine senkrechte Wassersäule von 24 Fuß Höhe herabfiel. Ringsum zeigen sich die entzückendsten Landschaftsbilder, welche jeden Maler begeistern können.

 

Vier Monate später gewahrte ich dann den Wasserfall wieder zur Zeit seines höchsten Glanzes, als die Fluten hoch geschwollen waren. Er übertraf so die herrlichsten Kaskaden der Schweiz bedeutend. Die dreitausend oder viertausend Wasserfälle Abessiniens sind die schönsten, die man sich denken kann, und ihnen fehlt weiter nichts als der Ruf, den andere Kaskaden durch Künstler und Touristen sich erringen. Ich habe den zehnten Theil davon, etwa 300 oder 400 selbst gesehen und etwa zwanzig abgezeichnet – alle prächtige Naturerscheinungen, von denen eine einzige hinreichte, eine Gegend in Europa berühmt und zum Ziele der Touristenschwärme zu machen.

Ich riß mich von den Wundern dieser Fafatié los, um meinen Fuß in östlicher Richtung weiter zu setzen über eine Ebene, die ganz mit Mimosen bestanden war. Diese an und für sich langweiligen Bäume erhielten durch die reichlich von ihnen herabhängenden Schlingpflanzen ein ungemein malerisches Ansehen; namentlich zeichnete sich ein Loranthus mit schönen orangefarbenen und rothen Kelchblüten aus. Bald gelangte ich in das malerische Thal des Makar, eines Nebenflusses des Reb, in dem ich bis zu den Atkanafelsen vordrang, deren trapezoidale Form man von allen hochliegenden Punkten des Distrikts Debra Tabor aus zu übersehen vermag. Dieser Felsen ist eine wirkliche Amba, welche in Kriegszeiten oft genug als Zufluchtsort gedient hat. Am Fuße derselben fand ich zum ersten Male die Henset-Banane (vergl. S. 45S. 45) mit ihren kolossalen Blättern und rothen Rippen. Samen der nützlichen Pflanze habe ich der Akklimatisations-Gesellschaft in Paris überbracht; die Schößlinge, welche ich gleichfalls eingepackt hatte, wurden mir jedoch in Massaua kurz vor meiner Rückkehr von den Hühnern vernichtet. Hinter dem Atkana traf ich in wundervoller Gegend auf das Kloster Guref, das mir durch seine romantische Lage deutlich sagte, wie die Mönche es in Abessinien gleichwie in Europa verstanden, die schönsten Orte zur Anlage ihrer Klöster auszuwählen. Nach der Regel des heiligen Tekla Haimanot leben in prächtiger Einsamkeit diese Mönche inmitten eines schönen Haines, den der klare Waldbach durchfließt. Freilich der Anblick einer europäischen Abtei und derjenigen des abessinischen Klosters sind grundverschieden. Man stelle sich einen weiten Raum, von einer lebendigen Hecke umschlossen, vor, der wiederum durch Hecken in 12–15 kleinere Abtheilungen geschieden ist, deren jede eine Mönchshütte enthält und die durch ein Labyrinth von Straßen verbunden sind, welche schließlich im Mittelpunkte nach der spitzdachigen runden Kirche führen – und das abessinische Kloster ist fertig. Dazwischen liegen grüne freundliche Gärtchen, ringsum ein lachender Hain. Ich fand sogleich den Abt – wenn ich so sagen darf –, einen ernsten, mageren Mann von 45 Jahren, der die weiße Tunica und darüber eine Art von gelbem Pallium, das Zeichen seiner Würde, trug. Gastfreundschaft wurde mir im vollsten Maße zu Theil, allein mein Maulthier mußte ich außerhalb des Klosters lassen – weil es eine Stute war, wobei ich mich der lächerlichen Sitte erinnerte, daß auch in die griechischen Klöster auf dem Berge Athos kein weibliches Thier hinein darf. Ich wohnte dann bei den guten Mönchen und aß mit ihnen die einfache, aus Hülsenfrüchten bestehende Mahlzeit. In der Nacht erweckte mich Psalmengesang, jene Melodie, welche der alte Portugiese Alvarez „eine erbärmliche Harmonie“ nennt; indessen muß ich gestehen, daß dieser abessinische Gesang mindestens so gut klang, wie das Singen in unseren Landkirchen. Im Gedem oder geheiligten Asyle stand außerhalb des Klosters die Gemeindekirche, welche für beide Geschlechter zugänglich war; ihr Gründer war Ras Ali, der sie jedoch nicht vollenden konnte, da er von Theodor II. gestürzt wurde. Dieser that nichts weniger als Kirchen bauen; im Gegentheil er zerstörte und beraubte noch ein- oder zweihundert und zeigte sich als der echte abessinische „Pfaffenfeind“. Nach dem Besuche dieser Kirche kehrte ich nach Gafat zurück.

Um gute Samen der Henset-Banane zu erhalten, wollte ich einen Ausflug nach der Stadt Korata machen, welche Rüppell fälschlich Kiratza nennt. Es ist eine kleine Stadt am südöstlichen Ufer des Tanasees, die wegen ihres starken Handels und der zahlreichen Geistlichkeit berühmt geworden ist. Da die Regen erst im Beginnen waren, so konnte ich darauf rechnen, daß der Fluß Gomara noch durch irgendeine Furt zu passiren sei, und ich beschloß deshalb in gerader Linie, an den heißen Quellen von Wanzagié vorbei, nach Korata vorzudringen. Debra Tabor blieb zur Linken liegen. Das niedrige Hügelland, durch das mein Weg ging, war im Jahre 1841 der Schauplatz einer Schlacht zwischen dem Detschas Ubié von Tigrié und dem Ras Ali. Letzterer wurde glänzend geschlagen und einige seiner Offiziere begaben sich, um sich zu unterwerfen, zu dem Sieger Ubié, der, in seinem Zelte sitzend, ruhig sich in Honigwein betrank. Als Ubié die Feinde erblickte, wurde er ängstlich, da er keine seiner eigenen Soldaten bei sich hatte; erstere aber benutzten diesen Umstand, banden Ubié und machten ihn zum Gefangenen. Auf diese Nachricht kehrte der geschlagene Ras Ali zurück; doch mußte er Ubié, um der Volksstimme zu genügen, wieder freigeben. Die Vegetation auf dem einst blutigen Schlachtfelde war eine prächtige; namentlich fielen mir weiße Lilien (Amaryllis vittata) von lieblicher Form auf, welche die daran gewöhnten Abessinier gar nicht beachteten, während ich jede dieser Blumen bedauerte, welche mein Maulthier niedertrat.

Am Ufer eines frischen Baches wurde Mittagsrast gemacht. Was mich hier am meisten überraschte, war eine lange, in Ruinen liegende Mauer von europäischer Konstruktion. Ich folgte derselben und fand, daß sie einst als Einschließung eines Parkes gedient hatte, welcher der Lieblingsaufenthalt verschiedener Kaiser gewesen sein soll. Man nannte den Ort Arengo. Seine Lage ist reizend – aber da, wo einst die Erben der Königin von Saba thronten, findet man nun Ruinen, zwischen denen lärmende Affen hausen. Theodor II., welcher seine Vorgänger im Kaiseramte gründlich verachtet und sie „Schauspieler“ nennt, behauptet, daß die jetzigen Gäste in Arengo, eben jene Affen, mehr werth sind als die alten, die Kaiser! Vor 170 Jahren, zur Zeit des Reisenden Poncet, war das Schloß noch nicht zerstört, ja nach dem Hörensagen sollte es größer als der Gemp in Gondar sein! Sicher hatten die Abessinier dem Franzosen gegenüber aufgeschnitten, denn sie verstehen dieses Geschäft so gut wie die Yankees. Ein abessinischer Gesandter, welcher 1860 in Paris war und dort sich überall umgesehen hatte, antwortete seinen Landsleuten, die ihn nach jener Stadt fragten: „Paris ist etwa so groß wie Gondar; vielleicht ein klein wenig größer.“

Im Dorfe Schumagina wurde meiner Reise plötzlich ein Ziel gesetzt.

Die reichen und stark bevölkerten Distrikte Wanzagié, Fogara Dera, Korata bildeten das Land, welches ich zu durchreisen hatte. In einem dieser Distrikte hatten sich Rebellen aus Godscham zu verbergen gewußt, indem sie die Wachsamkeit der am Abaï aufgestellten Leute Theodor’s zu täuschen wußten. Für dieses Vergehen, an dem doch die ganze Einwohnerschaft der vier Distrikte keineswegs schuld war, wurden dieselben von Theodor der Armee zur Plünderung überwiesen, worauf die ruinirten Bauern mit ihrer Habe in die Berge und Wälder flüchteten. Als der Negus dies sah, verordnete er, daß nur die Schuldigen bestraft werden, die übrigen aber frei ausgehen sollten. Kaum hatten die letzteren, den Worten vertrauend, sich wieder in ihre Quartiere begeben, als ein General hinterlistig über sie herfiel und ihnen Alles raubte. Die Nachricht von dieser That gelangte nach Schumagina, gerade als ich von dort aufbrechen wollte, um in die beraubten Gegenden vorzudringen. Unter so bewandten Umständen weigerten sich meine Leute ganz entschieden weiter vorzugehen, da auch sie fürchteten, jenem braven General in die Hände zu fallen. So blieb mir nichts übrig als umzukehren; doch hielt ich mich keineswegs für besiegt, und als nach einiger Zeit der Lärm verstummt war, brach ich in den ersten Tagen des Juli 1863 abermals nach Korata auf. Die Gomara, welche jetzt hoch angeschwollen war, mußte hier an einer Stelle überschritten werden, wo sie sich in drei Arme trennt. An demselben Abend erreichte ich noch Madera Mariam, d. h. Ruheplatz der Maria, eine hübsche kleine Stadt, die ähnlich wie Emfras an einem Hügel liegt. Derselbe fällt nach drei Seiten hin senkrecht ab, ist aber von der vierten leicht zugänglich. Das nächste Nachtquartier war das Dorf Wanzagié, welches seinen Namen von den hier stehenden schönen Wanzabäumen führt; dann wurde die Goanta erreicht. Diesen Fluß in einer Furt zu durchwaten, war ganz unmöglich, und ich mußte deshalb in einem abessinischen Mittel – ich sage nicht Fahrzeug – der Hokumada übersetzen. Dies ist eine an den Rändern in Nachenform aufwärts gekrümmte steife Ochsenhaut; ein Mann durchschwimmt den Fluß mit einem Seile, dessen eines Ende an der Hokumada, dessen anderes am jenseitigen Ufer befestigt ist. Der Passagier setzt sich in den Lederschlauch, kauert sich zusammen und hütet sich wohl, nach der einen oder andern Seite sich überzubeugen. So wird er, während noch ein Schwimmer die Hokumada schiebt, am Seile an das jenseitige Ufer hinübergezogen. So kam auch ich über die Goanta, um bald an der geschwollenen Gomara auf ein neues Hinderniß zu stoßen, das dieses Mal mittels einer Tankoa überwunden wurde.

Die Tankoa ist ein rechteckiges Floß, welches sechs bis acht Personen tragen kann und aus einer Reihenfolge von dicht aufeinander gelegten Stroh- oder Binsenschichten besteht, die fest miteinander verbunden sind. Das Binsen- oder Rohrfloß taucht ziemlich tief unter und kann niemals untergehen, desto leichter jedoch umschlagen. Da aber die Abessinier fast alle sehr gute Schwimmer sind, so entstehen selten Unglücksfälle. Das Gepäck, Kleider, Waffen, ein Ledersack, welcher Mehl enthält, liegen hinten; vorn sitzt der Lenker des Ganzen, welcher mit einem Ruderstock versehen ist, denn die Tiefe des Wassers gestattet nicht, das Floß mit einer Stange durch Stoßen auf den Grund fortzubringen. Die Tankoa ist das sprechendste Zeichen, wie starr die Abessinier an ihren Gebräuchen hangen. Dieses Volk mit offenem und hellem Verstande hat nach Verlauf von Jahrhunderten noch nicht einmal zu schließen gelernt, daß, wenn ein simpler Stock, durch den Widerstand, welchen seine Oberfläche dem Wasser darbietet, ein Floß fortzubewegen vermag, eine an das Stockende angebrachte Schaufel eine vermehrte, zehnfache Oberfläche darbieten und also auch die Fortbewegungs-Geschwindigkeit verzehnfachen muß, denn der Abessinier besitzt nicht einmal die Ruderschaufel, welche den Wilden am Weißen Flusse wohlbekannt ist.

Uebrigens ist nichts ermüdender als eine Reise per Tankoa. Die Maulthiere wurden ins Wasser gestoßen und von einem Schwimmer durch die reißenden Fluten gelenkt. So kamen wir wohlbehalten zu einem kleinen, von Wanderhirten bewohnten Weiler, wo wir übernachteten, um am nächsten Morgen, quer über die Hügel und das Flüßchen Izuri hinweg, unsere Reise nach Korata anzutreten, dessen herrlichen Anblick wir bald genießen sollten. Es ist die hübscheste Stadt Abessiniens und war das äußerste Ziel meiner Reise.

Korata liegt auf einem basaltischen Landrücken, welcher sich in den Tanasee vorschiebt. Die spitzdachigen Häuser liegen zerstreut um die Kirche gruppirt, und bei jedem befindet sich ein baumreicher Garten, der von der Wohlhabenheit der Bewohner Zeugniß ablegt. Es war gerade Markt, welcher dicht bei der Stadt abgehalten wird. Besonders wird hier viel rohe oder zu Zeugen verarbeitete Baumwolle verkauft; letztere kommen sämmtlich aus der westabessinischen Provinz Koara, woher sie theils auf Eseln, theils auf dem See gebracht werden. Die rohe Baumwolle wird mit den Samenkörnern verkauft, meistens gegen das gleiche Gewicht Salz. Das Ausscheiden der Samenkörner mittels eines eisernen Stäbchens, welches auf einem flachen Steine mit den Händen hin- und hergerollt wird, ist eine langsame und ermüdende Arbeit; zum Aufschlagen derselben bedient man sich eines elastischen Bogens und zum Spinnen der Handspindel. Eine fleißige Frau kann so viel Gespinnst fertigen, als für zwölf vollständige Umhängetücher erforderlich ist. Auf dem Marktplatze selbst erregte meine Erscheinung keinerlei Aufmerksamkeit; etwas Anderes war es jedoch an einer nur 50 Schritte weiter entfernten Stelle. Ein großer Baum breitete dort seine gigantischen Aeste über den Weg, unter dem in weißen Gewändern, mit riesigen Turbanen auf dem Haupte, den heiligen Fliegenwedel in der Hand, die Geistlichkeit von Korata saß. Als ich mich ihnen näherte, stießen sie ein unwilliges Geschrei aus und verlangten, daß ich vom Maulthiere absteigen solle. Ich weigerte mich, und nun entstand auf dem Markte eine allgemeine, gegen meine Person gerichtete Bewegung, der ich durch Absteigen auszuweichen mich gemüßigt fand. Hierauf konnte ich ungehindert zu Fuß in die Stadt gehen. Später erfuhr ich, daß die Pfaffenstadt Korata das Privilegium besitzt, Niemand zu Pferd oder zu Maulthier durch ihre Straßen reiten zu lassen.

 

Nachdem ich mich in der unteren Stadt einquartiert und dem Ortsvorstand den üblichen Besuch abgestattet, fing ich an, die Straßen oder vielmehr die Alleen zu durchwandern. Diese Straßen sind in der That nur von Hecken eingefaßte Fußpfade, hinter denen sich hübsche Gärten hinziehen. Blumen sieht man in diesen selten, dagegen prächtige Granatbäume, Pfirsiche, Kaffeesträucher, Bananen, Citronen, aus denen die Strohdächer der Hütten hervorlugen. Von dem funkelnden Spiegel des Tanasees herüber wehte ein kühlendes Lüftchen, das mir den Spaziergang in den Straßen zu einer wahren Erquickung machte. Wie schon der Markt zeigt, ist Korata ein bedeutendes Handelscentrum. Seine Kaufleute, lauter Christen, stehen mit Basso in Godscham, mit Gondar und Massaua in Verbindung. Ich habe Korata nur den Vorwurf zu machen, daß die Küche dort schlecht bestellt ist, denn während meines viertägigen Aufenthaltes bekam ich nicht 1 Loth Fleisch zu Gesicht, obgleich in der Umgebung zahlreiche Herden weiden. Die Einwohner leben von Brot und rother Pfeffersauce, der sie zuweilen einen welsartigen Fisch aus dem Tanasee beigesellen.

Die Aussicht auf dieses Binnengewässer ist von Korata aus eine prächtige. Weit in der Ferne, im Norden sieht man die blauen Vorgebirge von Gorgora, die südlich von Tschelga und Gondar liegen; rechts zieht sich der Bergabfall von Begemeder hin, während mitten im Seespiegel die dunkle Masse der Inseln Dek und Daka auftaucht. Eine Eigenthümlichkeit des Sees aber sind ein Dutzend winziger Eilande, wie Bet-Manso, Kibran, Metraha u. s. w., die, vom Festland aus betrachtet, gleich schwimmenden Blumenkörbchen auf der Flut erscheinen. In der Nähe betrachtet, sind diese Blumenkörbchen jedoch bewaldete Inseln, die in ihrem Innern eine Kirche oder ein Kloster bergen.

Auch eine Flotte besitzt die Seestadt Korata, die aus einer großen Anzahl von Tankoa besteht, welche am Ufer trocknen und die Verbindung zwischen der Stadt und den südlichen und westlichen Ufern, namentlich mit Zegrié, unterhalten. Sie sind schmäler als die oben beschriebene Tankoa, bis 15 Fuß lang und führen Mattensegel. Ich wollte ein solches Fahrzeug miethen, um nach Zegrié überzufahren, allein da dieses in der Gewalt der Rebellen von Godscham war, wurde mir die Erlaubniß verweigert. – Bei Korata wohnen viele Waito, jene eigenthümlichen Menschen, die sich mit der Flußpferdjagd beschäftigen (vergl. S. 90S. 90). Während dieser Dickhäuter sehr häufig im See ist, fehlen darin Krokodile gänzlich; dagegen verhält es sich mit dem Abai, dem Abfluß des Sees, umgekehrt.

Das Flußpferd heißt im Amharaschen Gomari, und hiervon stammen wol auch die vielen ähnlich klingenden Flußnamen Gomara u. s. w. Nach viertägigem Aufenthalte verließ ich Korata wieder und kehrte in mein altes Standquartier Gafat zurück.

Die letzte größere Exkursion, welche ich in der Umgebung meines Aufenthaltsortes unternahm, war eine Besteigung der 13,000 Fuß hohen Guna. Ich folgte erst dem Reb, kam dann in das schöne Makarthal und stieg bis zu einem kleinen Dorfe empor, dessen Name lieblich in mein französisches Ohr tönte. Es heißt Maginta. Hier verbrachte ich die Nacht; als ich am nächsten Morgen weiter aufbrechen wollte, kamen zwei Reiter im vollsten Galopp zu mir, mit der Botschaft, daß der Negus mich in Gafat erwarte. Schon am Nachmittage langte ich wieder in meiner Wohnung an, wo ich Waldmeier fragte, was vorgefallen sei. Er antwortete ausweichend. Kurz darauf langte ein Brief in amharischer Sprache vom Könige bei mir an, welchen mir Kinzle übersetzte. Der Negus befand sich in seinem Lager zu Isti, drei Tagereisen von Gafat. Da ich bemerkt hatte, daß er guter Laune war, so wollte ich diese benutzen und bat um seine Erlaubniß zur Heimkehr nach Massaua. Bei Empfang meines Briefes gerieth er indessen in solche Wuth, daß zwei Tage lang Niemand mit ihm zu reden wagte. Sofort ließ er mir einen heftigen Brief schreiben, aus dem ich Folgendes hervorhebe: „Als du hierher kamst, hast du dich mir als Freund vorgestellt; oder bist du etwa gekommen, um mit den Scheftas (Rebellen) gegen mich zu konspiriren? Sind deine Gefühle aber loyal, so schreibe mir; bist du mein Feind, so schreibe mir auch, damit ich weiß woran ich bin.“ Sogleich antwortete ich in einem kurzen, aber respektvollen Schreiben, welches die gefährliche Korrespondenz zu einem guten Ende führte, denn die schleunig darauf erfolgende Antwort lautete: „Habe nur einige Geduld und durch die Gnade der Dreieinigkeit wird Alles gut ablaufen. Ich habe dich aus wichtigen Gründen zurückbehalten müssen; allein wenn mein Agent wieder heimkehrt, will ich dich mit allen gebührenden Ehren entlassen.“ Ich folgte dem mir ertheilten weisen Rath, verhielt mich geduldig und nahm zunächst meinen unterbrochenen Ausflug nach der Guna wieder auf.

In Maginta war ich an die Familie des Irländers Bell empfohlen, der einst eine große Rolle bei Theodor II. gespielt und für diesen sein Leben gelassen hatte. Hier traf ich auf ein Beispiel der abessinischen Langlebigkeit, nämlich auf fünf Frauengenerationen beieinander: die abessinische Witwe Bell’s, deren Mutter, Großmutter, Tochter (die Frau Waldmeier’s) und Enkelin! Die Urgroßmutter war die einzige, welche man als Greisin bezeichnen konnte; denn die Großmutter, eine feine Frau von 55 Jahren war noch sehr lebhaft und thätig in der Hauswirthschaft; die Mutter, Bell’s Witwe, war 35 Jahre alt, zierlich und hübsch; deren Tochter war an den Missionär Waldmeier verheirathet, welchen sie wieder mit einem Töchterchen beschenkt hatte.

Maginta liegt bereits im Gebirge. Von da aus hatte ich, von Plateau zu Plateau ansteigend, nur vier Stunden bis zum Gipfel zurückzulegen.

Der Weg führte vorbei an Kosso- und Ericabäumen, Hypericumstämmen, prächtigen aloeartigen Lilien bis zur Region der seltsamen Dschibarra (Rhynchopetalum).

Letztere gedeiht hier bis zu einer Höhe von fünfzehn Fuß. Der Gipfel der Guna, Ras-Guna genannt, besteht aus Trachyt. Von da aus umfaßte mein Auge eine prachtvolle Rundsicht. Zur Rechten brach der Reb aus einem tiefen Thale hervor; vor mir lag das pittoreske Massiv des Zoramba und weiter hin die Kollo, das mächtigste abessinische Gebirge. Zur Linken endlich Plateau an Plateau, durchrieselt von Bächen, die sich zum Tanasee hinzogen, auf dem die Inseln gleich dunklen Punkten zu schwimmen schienen.

Als ich wieder in Gafat angelangt war, fand ich eine Einladung des Negus vor, ihn in Gondar, wohin er sich begeben hatte, zu besuchen. Sofort brach ich auf. Dort angekommen, hatte ich noch einige Schwierigkeiten, empfing aber am 30. September 1863 den Befehl, Abessinien auf dem kürzesten Wege zu verlassen. Mit mir ging Dr. Lagarde, der den Aufenthalt in Abessinien satt bekommen hatte. Nach der feierlichen Abschiedsaudienz bei Theodor nahmen wir ein Frühstück bei dem englischen Konsul Cameron ein, das von dessen Koch, einem Elsässer Kind, sehr gut zubereitet war. Dieser, früher ein französischer Kürassier, hatte sich die Gunst des Königs zu erwerben gewußt. Als die Missionäre einst einen Wagen für Theodor hergestellt, fragte dieser den Elsässer, wie ihm die Maschine gefiele. „Pfui! sagte der Rheinländer, bei uns in Mühlhausen fährt man in solchen Dingen den Mist aufs Feld!“ (Den berühmten blau angestrichenen Wagen erwähnen auch Heuglin und Steudner.) Beim Frühstück war auch der Judenmissionär Dr. Stern zugegen, welcher zuerst Photographien in Abessinien aufnahm und in seinem Werke „Wanderungen unter den Falaschas“ veröffentlichte. Einst schenkte dieser dem Negus einen Stereoskopenkasten mit einer Ansicht Jerusalems.