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Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

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Eine Eigenthümlichkeit der Massauaner besteht darin, daß sie Familiennamen haben, was bekanntlich sonst bei Muhamedanern nicht der Fall ist. So heißen einige Adulai, und diese stammen aus Adulis; andere Dankeli, Farsi (aus Persien), Yemeni (aus Yemen in Arabien). Unter den Kaufleuten spielen die Banianen eine wichtige Rolle. Diese Indier haben einen großen Theil des Verkehrs auf dem Rothen Meere in ihren Händen und bewohnen in Massaua ein eigenes Quartier. Dort sitzen die wohlbeleibten Männer nur halb bekleidet, mit geschorenem Kopfe, kleinem Schnauzbart und prächtigen schwarzen Augen in dem gelben, etwas weibischen Gesichte. Wer sie so sieht, glaubt sich in einen Bazar nach Delhi oder Bombay versetzt. Der Baniane trägt auf der Straße einen rothen, mit Gold oder gelber Seide verbrämten Turban und eine silberne Kette um den Leib. Diese Inder essen kein Fleisch und mögen solches nicht einmal anrühren. Beklagten sie sich doch einmal, wie Lejean berichtet, ernstlich darüber, daß die Hunde der katholischen Mission einmal in der Nähe ihrer, der Banianen, Cisterne Knochen abgenagt hätten! Dadurch könne das Wasser verunreinigt werden. Die Zahl der Europäer ist in Massaua nie beträchtlich gewesen und besteht nur aus ein paar Konsularagenten, einigen Kaufleuten und Missionären. Unter den Konsularagenten war der englische, vor wenigen Jahren erst verstorbene Raffaele Barroni den Türken besonders verhaßt, weil er den Muth hatte, eine unablässige Fehde gegen die Sklavenhändler zu führen. Um recht mit Nachdruck auftreten zu können, hatte er sich sogar eine eigene Polizei eingerichtet. Er wußte allemal, wieviel Sklaven eine im Küstenland aus Abessinien ankommende Kaflé (Karawane) mit sich führe, zog ihr an der Spitze seiner wohlbewaffneten Dienerschaft entgegen, nahm, wenn nöthig, mit offener Gewalt ihr alle Sklaven ab und verschaffte denselben die Freiheit. Die Kaufleute haßten ihn, sein Leben war oftmals bedroht, aber er hatte seine Vorkehrungen getroffen und sich eine Art von fester Burg gebaut, von welcher aus er mit seinen Kanonen und Büchsen die Umgegend bestreichen konnte. Im Nachlasse dieses muthigen Mannes fand der Reisende Lejean folgende Aufzeichnung: „Ich habe Sklaven befreit, nachdem der Konsul Plowden von hier abgereist war, im Jahre 1855: 2 Galla von Tehuladare, 1 aus Mensa, 158 aus Magatul, 1 von Atti Letta; 160, die man nach Dschidda schicken wollte, habe ich zurückgehalten. Im Jahre 1856: 240. Ich hielt eine ganze Karawane auf ottomanischem Gebiete an und schickte sie nach Abessinien zurück. Im Jahre 1857 befreit: 2 von Schoa, 2 von Mensa, 4 von mir unbekannter Herkunft“ u. s. w. Eine andere Notiz lautet: „Die Bewohner dieser Stadt und namentlich die Sklavenhändler sind hocherfreut, daß Abdul-Aziz den Thron bestiegen hat; sie hoffen unter ihm eine Wiederbelebung des Sklavenhandels im Rothen Meere.“ Wie die Engländer es übrigens mit der Unterdrückung des Sklavenhandels nicht immer ernst nehmen, dafür bringt Lejean ein Beispiel bei. Barroni stand unter dem Oberbefehl des englischen Residenten in Aden. Dieser wandte allerdings gegen das, was Barroni that, nichts ein, gab ihm aber zu bedenken, daß man es mit dem Einschreiten gegen den Sklavenhandel unter türkischer Flagge nicht zu ernsthaft nehmen dürfe „damit diese befreundete Flagge im Rothen Meere in ihrem Ansehen nicht geschwächt werde“.

Was Lejean sonst noch über einzelne Einwohner Massaua’s berichtet, ist zu charakteristisch für die dortigen Zustände, als daß wir es nicht hierher setzen sollten. Die türkische Regierung benahm sich gegen die Kapuziner, welche sich in Monkullo niederlassen wollten, sehr barsch. Ein Mönch machte aber dem Gouverneur zu schaffen und forderte ihn sogar zum Zweikampf auf Säbel; dann erklärte er, er werde den Gouverneur aus dem Fenster werfen und selbst regieren. Zuletzt wurde er Kaufmann und dann in Florenz Zeitungsredakteur.

Im Jahre 1854 war ein gewisser Ibrahim Pascha Kaimakan von Massaua. Dieser Würdenträger war stets durch Hanfrauchen benebelt und schwelgte in den wildesten Phantasien. Nach Konstantinopel berichtete er, daß er alles Land bis zu den Mondgebirgen erobert habe, während doch wenige Stunden landeinwärts seine Macht ein Ende hatte. Er wollte die Einwohner am Festlande besteuern, worauf diese aber keine Lebensmittel mehr nach der Insel brachten, sodaß in Massaua sich Hungersnoth einstellte. Gegen die Europäer erlaubte er sich allerlei Grobheiten; dieselben führten Klage, infolge deren er 1855 von der Pforte kassirt wurde. Er nahm seine Absetzung gleichmüthig auf, schloß sich in seinen Harem ein und erhing sich an einer Säbelschnur.

Was das Klima Massaua’s anbetrifft, so ist es nicht ungesunder als das der andern Hafenplätze am Rothen Meere. Das Sprüchwort sagt, es sei eine Hölle, wie Pondichery ein heißes Bad und Aden ein Backofen. Am empfindlichsten macht sich der Mangel an Trinkwasser auf der Insel selbst bemerkbar. Die Cisternen auf der Ostseite der Insel nehmen etwa ein Drittel dieser letzteren ein. Der Ueberlieferung zufolge sind sie von den Farsi (Persern) gebaut worden und das kann richtig sein, denn es ist wahrscheinlich, daß einige Zeit, bevor Muhamed seine Lehre verkündigte, der persische König Chosroes diese Küstengegend des Rothen Meeres beherrschte. Uebrigens bezeichnet man in Massaua alles, was nicht muselmännisch oder abessinisch ist, als „Farsi“, und so auch die Cisternen. Sie sind vortrefflich gearbeitet und haben eine Art gewölbten Deckel, der aus wunderbar fest gekitteten Korallenstücken besteht. Die inneren Wände der Cisternen sind meistens vollkommen glatt und von rosenrother Farbe.

Die ägyptische Regierung thut nichts, um diese so höchst nothwendigen und nützlichen Cisternen in gutem Zustande zu erhalten; was einfällt wird nicht ausgebessert. Die Türken bekommen ihr Wasser von Monkullo oder Arkiko, und ob die armen Leute Trinkwasser haben, ist ihnen ganz einerlei. Massaua selbst hat gar kein eigenes Trinkwasser, wenn nicht etwa einige dieser Cisternen Regenwasser enthalten. Alltäglich geht dagegen ein Regierungsschiff nach Arkiko, das viele Brunnen besitzt, deren Wasser indessen nicht besonders gut ist. Dasselbe wird dort in lederne, stark gethrante Schläuche gefüllt, dann mittels Lastthieren oder Trägern zum Gestade gebracht und nach der Stadt verschifft. Im August und September fallen nicht selten Regen, welche die Brunnen speisen. Das schon erwähnte Arkiko, das früher Dogen hieß, scheint wenigstens so alt wie Massaua zu sein, obgleich es keinen Hafen besitzt. Es ist von freundlichen Gärten umgeben und dient als Militärstation.

Seine Wichtigkeit verdankt Massaua dem abessinischen Zwischenhandel. Alle dort wohnenden Nationalitäten sind an demselben betheiligt. Es kommen bei günstigen politischen Verhältnissen im Innern gewöhnlich zweimal im Jahre große Karawanen (Kaflé) aus den Gallaländern und ganz Abessinien nach der Küste; der Gesammtwerth der durch sie abgesetzten Waaren wird von Heuglin auf eine Million Thaler, von Andern jedoch weit höher angegeben. Eine solche Karawane sammelt sich bei günstiger Jahreszeit und bewegt sich, von bewaffneter Macht eskortirt und immer wachsend an Mitgliedern, über Adoa dem Meere zu. Sie steht unter dem Befehle eines Schech el Kaflé und transportirt die Waaren auf Maulthieren und Eseln bis an den Abfall der Hochgebirge, wo dann die benachbarten Hirtenvölker, die viele Kameele zu diesem Zwecke halten, die Weiterbeförderung übernehmen und die Waaren bis zum Meere bringen. Der größte Theil der Verkaufsgeschäfte ist schon vor Ankunft der Karawane in Massaua durch Unterhändler abgeschlossen; die Hauptartikel sind Kaffee aus der Umgebung des Tanasees, Godscham und den Gallaländern, Elfenbein von den Galla- und Kolaländern, Nashorn, Moschus, Gold von Damot, Fazogl, Galla u. s. w., Wachs, Honig, Butter, Schlachtvieh, Häute, Maulthiere, Tabak, Straußenfedern und Sklaven. Der Schiffahrtsverkehr mit den Häfen am Rothen Meere, sowie mit Aden und Bombay, ist sehr lebhaft. Noch 1860 schrieb Moritz v. Beurmann: „Unter den von Massaua ausgeführten Handelsartikeln nehmen die Sklaven noch immer einen bedeutenden Posten ein, obgleich in der letzten Zeit auch dieser Handel bedeutend nachgelassen hat und die jährliche Ausfuhr in den letzten Jahren wol kaum auf 1000 Köpfe kommen möchte. Es war deshalb auch zu der Zeit, als ich in Massaua war, die Stimmung gegen die Europäer eingenommen, da man wohl weiß, einen wie schädlichen Einfluß dieselben auf diesen ergiebigen Handel haben.“ Nach Rüppell führte man 1838 etwa 2000 Sklaven beiderlei Geschlechts aus, zu einem Durchschnittspreis von je 60 Speziesthalern. Markt wird täglich in der Stadt abgehalten. Außer den gewöhnlichen Handelswaaren werden auch Lebensbedürfnisse, Fleisch, Brot, Holz und Trinkwasser, feilgeboten. Die beiden zuletzt genannten Bedürfnisse machen die Erwerbsquelle für die armen Landleute aus. Mit dem thönernen Topfe auf dem Haupte kommen die Wasserträgerinnen heran; schon am frühen Morgen stellen sich Hirten ein, welche kleine, mit Milch gefüllte Körbchen zum Verkauf bringen; diese Milch schmeckt sehr unangenehm, indem sie gleich nach dem Melken stark geräuchert wird, was, um das Gerinnen zu verhüten, unumgänglich nöthig sein soll. Andere Landleute bringen in der Winterjahreszeit Nabakfrüchte (Rhamnus Nabac) und kleine Citronen, die aus den verwilderten Klostergärten stammen, sowie frische Hennablätter (Lawsonia inermis), welche den Schönen der Stadt zum Rothfärben der Nägel und Handfläche unentbehrlich sind. Fischerknaben bringen die reiche Ausbeute des Meeres, und im Frühling verkauft man die Blütenstengel einer spargelähnlich schmeckenden Aloëart. Fast die ganze männliche Bevölkerung Massaua’s treibt sich den Tag über faullenzend unter den Marktbuden umher, wo neben dem feinen Stutzer der zerlumpte Derwisch und der halbnackte Hirt einherzieht.

Massaua, sowie Sauakin, gehörten einst zum abessinischen Reiche. Die Stadt wurde 1557 durch eine türkische Flotte erobert und mit einer bosnischen Besatzung versehen. Unter Mehemed Ali gehörte sie zu Aegypten, kam jedoch 1850 wieder unter türkische Oberhoheit und wurde 1865 abermals, nebst der ganzen Westküste des Rothen Meeres an Aegypten abgetreten.

 

Wendet man sich von Massaua gerade nach Süden, nach dem bis zu 5000 Fuß ansteigenden Gedemgebirge, so übersieht man von diesem den ganzen Meerbusen von Annesley oder die Bai von Adulis (jetzt bei den Eingeborenen Gubet Kafr genannt). Während im Westen das Vorgebirge Gedem die Bai abschließt, wird diese im Osten von der meist kahlen Halbinsel Buri begrenzt. Das Westufer, flach und durch Anschwemmungen entstanden, trägt eine üppige Vegetation von Schorabäumen, zwischen deren Wurzelgewirr Heuglin hier einen seltsamen Fisch (Periophthalmus Koehlreuteri) entdeckte, der, froschlarvenartig aussehend, im Schlamme, zwischen Steinen und sogar im Grase lebte und verfolgt in großen Sprüngen sich ins Wasser rettete. Die Bucht hat eine Länge von 20, bei einer Breite von 8 Meilen, ist tief genug, um selbst die größten Seeschiffe aufzunehmen, und besitzt den Vorzug, Trinkwasser wie auch Brennholz liefern zu können. Den Schluß der Bai bildet die den Franzosen gehörige Insel Dessi, welche ohne große Kosten leicht befestigt werden könnte, doch haben die Franzosen es bei der einfachen Besitzergreifung bewenden lassen. Sie hat gleichfalls gutes Wasser und Weide für etwa 600 Stück Rindvieh, die drei Rheden gewähren guten Schutz und können in vortreffliche Häfen umgeschaffen werden. Im Jahre 1859, als Agau Negussi Gebieter Tigrié’s und von den Franzosen als „Empereur“ anerkannt war, gab er die Insel dem französischen Agenten Russel und bot ihm außerdem noch die ganze Bai von Adulis an. Dagegen that die ottomanische Pforte Einsprache, da sie das ganze Küstenland für sich in Anspruch nimmt; indessen wurde darauf keine Rücksicht genommen, und der französische Konsul schloß auf der Halbinsel Buri mit den Häuptlingen der Hasorta, welchen Dessi gehörte, einen Vertrag. Die Schums (Häuptlinge) erklärten, daß sie nie der Pforte, sondern nur der abessinischen Krone unterthan gewesen seien. So ward Dessi französisch und bestimmt, der von den Engländern besetzten Insel Perim in der Bab-el-Mandeb Konkurrenz zu machen.

Am westlichen Ufer, doch eine Stunde vom Meere entfernt, liegen an einem breiten, trockenen Strombette die Ruinen der berühmten Stadt Adulis, Adule, Zula oder Asule. Sie wurde unter Ptolemäus Euergetes gegründet und war zur Zeit der Ptolemäer ein blühendes Emporium, dessen Bewohner lebhaften Handel, besonders mit Elfenbein, Rhinozeros, Schildpatt, mit Affen und Sklaven trieben. Eine zweite Blütezeit erlebte Adulis unter den Königen von Axum, für deren Staat es Hafenplatz bildete.

Als im 6. Jahrhundert hier der Indienfahrer Kosmas landete, fand er das Monumentum adulitanum, dessen Inschriften über die alte Geographie jener Gegenden wichtige Auskunft geben. Jetzt sind von der Stadt nur elende Ruinen noch übrig, die zwei Meilen im Umfang haben. Schutthaufen von Wohnungen, die alle von kleinen unbehauenen Lavasteinen erbaut waren, in der Mitte die Trümmer einer ganz zerfallenen Kirche, dabei Säulenreste und Kapitäle, alles ziemlich plump aus Lava gearbeitet und mit Buschwerk überwachsen – das ist, was von Adulis übrig blieb. Keine Inschrift, kein Relief ist mehr zu sehen, aber die Begräbnißplätze der Muhamedaner haben sich zwischen diesen alten christlichen Resten angesiedelt, bei denen der Mangel größerer Gebäude nicht auffallen kann, wenn man bedenkt, daß Adulis einst dieselbe Rolle spielte, wie heute Massaua, in dem auch alle großen Gebäude fehlen.

Hier ist der Ort, einen kurzen Blick auf die Bewohner des Küstenlandes zu werfen. Diejenigen der Samhara, des schönen Thales von Modat, in welchem die heißen Mineralquellen von Ailet liegen, nennt man zusammenfassend Beduan. Sie sind gleich den Abessiniern Semiten und reden die Tigrésprache. Alle bekennen sich zum Islam, doch vor einem Menschenalter waren sie noch Christen, wie es ihre nächsten Nachbarn im Nordwesten, die Mensa und Bogos, noch heute – wenigstens dem Namen nach – sind. Sie sind alle Nomaden, die besonders Viehzucht treiben und Kameele, Rindvieh, Ziegen und Schafe halten. Letztere sind verschieden von den eigentlichen abessinischen Schafen; sie kommen vielmehr überein mit dem arabischen oder persischen Fettschwanzschafe und zeichnen sich durch einen schwarzen Kopf aus.

In der Umgebung des Golfs von Adulis bis zur eigentlichen Grenze Abessiniens wohnen Hirtenvölker, die Heuglin unter dem Namen Schoho zusammenfaßt und zu denen er auch die Hasorta oder Saorto rechnet. Sie reden eine eigene Sprache, haben eine eigenthümliche Gesichtsbildung, sind blos wilde Hirten, haben keine festen Wohnsitze und treiben keinen Ackerbau. Sie bekennen sich der Form nach allerdings zur muhamedanischen Religion, kümmern sich im Grunde genommen jedoch wenig darum. Ihre Lebensweise ist einfach, ja dürftig, ihr Charakter leidenschaftlich. Rüppell sah in Arkiko Schoho, die sich durch einige Eigenthümlichkeiten auszeichneten. Ihr Kopfhaar stand rund um den Kopf nach allen Seiten hin sechs Zoll weit steif ab und hatte durch die Menge des eingekneteten Hammelfettes eine graugelbe Farbe erhalten; mehrere bejahrte Männer hatten ihre grauen Bärte ziegelroth gefärbt; andere rochen bis in weite Ferne nach Zibethmoschus; dabei gingen sie in ganz zerlumpten Kleidern. Von den ihr Gebiet durchziehenden Fremden versuchen die Schohos auf alle mögliche Art Geld zu erpressen. So suchten sie Rüppell mehrere Schafe und Milch aufzudrängen; glücklicherweise hatten ihn aber seine Reisegefährten gewarnt, von ihnen anders als gegen bestimmte Zahlung etwas zu nehmen, da solche Schenkungen nur ein Kunstgriff seien, um den zehnfachen Werth dafür zu erzwingen. Uneingedenk dieser Warnung kostete er von einer freundlich dargebotenen Schale Milch, wofür er einen halben Maria-Theresia-Thaler zahlen mußte!

Die Begrüßungsart der Schoho ist das Darreichen der Hand; wenn sie ausruhen, nehmen sie eine Stellung an, die man unter den ostafrikanischen Negern (z. B. bei den Bari am Weißen Nil, bei den Leuten im Mondlande u. s. w.) wiederfindet. Sie setzen nämlich die linke Fußsohle an das rechte Knie, biegen dann, indem sie sich mit der Achselhöhle der rechten Schulter auf einen Stab stützen, den Körper auf die rechte Seite und stehen so oft Viertelstunden lang unbeweglich still, apathisch denselben Gegenstand anstarrend.

Folgt man in südöstlicher Richtung der Küste des Rothen Meeres, so trifft man abermals auf ein anderes Volk, auf die ohne ein gesetzliches Band, in kleinen Familien, ohne politisches Oberhaupt lebenden Danakil (in der Einzahl Dankali), welche bei den Arabern Tehmi oder Hetem heißen. Sie sind in den Küstenplätzen am Rothen Meere ansässige Fischer und Schiffer, die auch mit der gegenüberliegenden arabischen Küste Handel treiben. Obgleich sie nur kleine offene Schiffe haben, die hinten und vorn in einen Schnabel auslaufen und gewöhnlich nur durch ein viereckiges, aus Matten verfertigtes Segel in Bewegung gesetzt werden, so wagten sie sich doch von je muthig weit in die See hinaus und waren früher auch zuweilen kühne Seeräuber. In vieler Beziehung gleichen sie den Ostabessiniern, doch sind sie noch kräftiger und heller als diese, tragen aber deren rothgerändertes Umhängetuch und verhüllen sich beim Sprechen damit den Mund; andere bekleiden sich mit der dicken abessinischen Leibbinde, die so breit ist, daß sie bis fast unter die Arme reicht. Sie tragen lange, krause, von Fett triefende Haare, gehen stets bewaffnet mit Lanzen, runden Schilden aus Antilopenfell und einem zweischneidigen Säbelmesser, das aus indischem Eisen geschmiedet und in einer ledernen Scheide an der rechten Seite getragen wird. Die Danakil bekennen sich zum Muhamedanismus; sie werden übrigens von Heuglin, der sie in der Umgebung Ed’s kennen lernte, als feiges, diebisches Gesindel voll des schamlosesten Eigennutzes, dabei faul und mißtrauisch im höchsten Grade, beschrieben. In ihrer Sprache heißen sie Afer. Seit alten Zeiten bewohnen sie Ostafrika und beherrschten sogar einige Jahrzehnte hindurch unter dem Eroberer Muhamed Granjé ganz Abessinien. Jetzt sind die Danakil auf ein verhältnißmäßig kleines Terrain zurückgedrängt, von der Halbinsel Buri im Osten der Bai von Adulis bis Gubbet-Harab im Süden (11° 30′ nördl. Br.). Ihre Westgrenze bildet der Abfall der abessinischen Hochlande und ein Salzwüstenland, das sich längs deren Fuß von Norden nach Süden erstreckt und mit der Samhara oder Samher theilweise zusammenfällt.

Diese Samhara, wie der Araber den schmalen Streifen nennt, welcher östlich von den abessinischen Gebirgen zwischen diesen und dem Meere verläuft, ist ein höchst interessantes Wüstenland. Dem Gesetze zufolge, daß die Wüste überall da, wo es regnet, Wüste zu sein aufhört und Steppe zu werden anfängt, sollte auch die Ebene zwischen dem Gebirgswall Abessiniens und dem Rothen Meere Steppe sein, weil es dort regnet – allein dies ist nicht der Fall. Gerade da, wo man glauben könnte, daß das Wasser seinen ewigen Kreislauf ununterbrochen ausführen könne, an diesen Küsten nämlich, zeigt sich diese Samhara als Ausnahme, die höchstens als Mittelglied zwischen Steppe und Wüste angesehen werden kann. Auf große Strecken erinnert sie noch durchaus an die Wüste, nur in wenigen Thälern ähnelt sie der Steppe und blos da, wo das Wasser so recht eigentlich waltet, beweist sie, daß sie innerhalb des Regengürtels liegt. Aber nicht die Lage macht die Samhara zu dem, was sie ist, sondern die Beschaffenheit. Sie ist blos eine Fortsetzung des Gebirgsstockes selbst, obgleich sie, die Ebene, nur von wenigen und niederen Hügeln unterbrochen wird.

Sie gleicht gewissermaßen, wie Brehm treffend bemerkt, dem Schlackenfeld am Fuße eines gewaltigen Vulkans. Eine Menge konischer Hügel, zum guten Theil aus Lava bestehend, wechselt hier mit schmäleren oder breiteren Thälern ab und bildet ein Wirrsal von Niederungen, welche, dem Faden eines Netzes vergleichbar, zwischen den Hügeln und Bergen verlaufen. So niedrig diese Hügel auch sind, so schroff erheben sie sich, und deshalb verliert auf ihnen das Wasser seine Bedeutung; denn so schnell es gekommen, rauscht es wieder zur Tiefe hernieder und nur in der Mitte des Thales gewinnt es Zeit, das Erdreich zu tränken und ihm die Feuchtigkeit zu gewähren, welche zum Gedeihen der unter einer scheitelrecht strahlenden Sonne so wasserbedürftigen Pflanzen unerläßlich ist. Hier nun macht sich auch gleich ein reiches Leben bemerkbar. An den schwarzen Bergen klettern die Mimosen, so zu sagen, mühsam empor; an den schroffen Wänden finden sie kaum Nahrung genug zu ihrem Bestehen und können sich deshalb nur zu dürftigen Gesträuchen entwickeln. Nur in wenigen Niederungen, die zeitweilig von Regenbächen durchströmt sind, findet man dunkelgrüne Euphorbienbüsche, zu denen sich in noch besseren Lagen Tamarisken, Christusdorn, Balsamsträuche, Asklepiasbüsche, Capparis, Stapelien, Ricinus gesellen, während der Cissus überall an den Sträuchern umherklettert und reiche Guirlanden bildet. Hier erhält man einen Vorgeschmack jener reichen Natur, die im Gebirge herrscht, wo die Pracht der Tropen mit den Schönheiten der Bergwelt sich vereinigt, wo immer neue Zauberbilder vor dem Auge auftauchen und sich das Schatzkästlein ganz Afrika’s eröffnet. Dort im Westen winkt uns der hohe Gebirgswall des afrikanischen Alpenlandes, nach dem wir nun unsere Schritte lenken.

Massaua ist für die weißen Europäer die natürliche Eingangspforte nach Abessinien. Gewöhnlich schließen sie sich einer heimkehrenden Kaflé an, die immer mehr Sicherheit darbietet, als wenn der Reisende allein oder nur mit geringer Begleitung in das Innere einzudringen versucht. Bei den gesetzlosen Zuständen des Landes, den fast stets stattfindenden Bürgerkriegen, der Plünderung und Verheerung, ist ein Reisen in Abessinien außerordentlich gefährlich, und nur die Karawanen gewähren einige Sicherheit, wenn sie auch starken Erpressungen, Zollabgaben und den verschiedensten Plackereien ausgesetzt sind.

Als Lastthiere werden auf den steilen und schwer zugänglichen Wegen vorzüglich Maulthiere verwendet. Das Verpacken der Effekten nimmt viel Zeit in Anspruch, da selbige in gleich große und wo möglich gleich schwere Ballen zusammengeschnürt werden müssen. Eine große Anzahl Diener und Treiber ist deshalb nöthig, um das Gras für die Thiere, Holz und Wasser für die Reisenden herbeizuschaffen, ferner um das Gepäck jedesmal durch gehöriges Zusammenlegen gegen den Regen zu schützen und des Nachts gegen die Räuber und Raubthiere Wache zu halten. Die Karawane z. B., mit welcher Rüppell reiste, bestand aus 40 Kameelen, ebenso viel Maulthieren und über 200 Menschen. Man stelle sich vor, was diese allein an Wasser und Lebensmitteln in den unwegsamen Gebirgen brauchten, und man wird die Schwierigkeit, nach Abessinien einzudringen, schon hiernach beurtheilen können.

 

Nur die angesehensten Reisemitglieder reiten; alle anderen gehen zu Fuß. Jedes Mitglied der Gesellschaft ist bewaffnet; entweder mit einem langen krummen Säbelmesser, das stets an der rechten Seite getragen wird, oder mit einem Speer und runden Schilde. In neuerer Zeit sind die Gewehre mehr in Aufnahme gekommen. Viele tragen außerdem noch kleine, aus Rohr geflochtene Sonnenschirme, die äußerst nützlich sind, wenn man nach abessinischer Sitte keine Kopfbedeckung trägt. Am Abend macht die Karawane gewöhnlich unter einigen Bäumen in der Nähe von Brunnen Halt. Es ist kein leichtes Stück Arbeit, nach Abessinien einzudringen, wer es aber erreicht, der findet in der Natur auch Belohnung für seine Mühe, wenn auch die Menschen, welche jenes Paradies bewohnen, ihm desselben nicht werth erscheinen. Steigen auch wir nun hinauf in die Hochlande.

Hinter uns liegt der ungesunde Küstensaum und die Samhara, die wir in wenigen Tagemärschen durchschritten, vor uns aber, am westlichen Rande derselben, steigt jäh in einer Höhe von durchschnittlich 8000 Fuß das Taranta-Gebirge, der natürliche östliche Grenzwall Abessiniens an, über dem zackige Gipfel in die Höhe starren. Im Lichte der südlichen Sonne spielt es in den prächtigsten Farben, die uns in Entzücken versetzen; ein ewiger Wechsel von Licht und Schatten, Helle und Dunkel ist bemerkbar. Es wird Einem wohler in der Seele, wenn man dem Gebirge näher und näher kommt; man treibt das Maulthier zu schnellerem Laufe an, um bald die Luft der Gebirgsthäler genießen zu können. Die Pässe und Saumwege sind häufig so eng, daß nur ein Lastthier hinter dem andern zu gehen vermag; stürzt eines, so versperrt es den Weg und die Karawane muß Halt machen. Der am meisten begangene Paß ist jener von Halai, durch den zur Regenzeit ein wild angeschwollenes Gebirgswasser dem Rothen Meere zustürzt. Schroffe Bergmassen, welche aus senkrechten Schichten von Schiefer bestehen, begrenzen den Weg. Das Ganze macht den Eindruck einer wilden Einöde: Bergwände mit fast ganz nacktem Gestein ohne frischen Graswuchs erheben sich zu beiden Seiten, während die Thalniederung nur hier und da Baumgruppen zeigt. In Zickzacklinien führt der Weg weiter; es treten nun verschiedene Pflanzen auf: man bemerkt die ersten Tamarisken, dann die Kronleuchter-Euphorbien (Kolqual), die mit der Höhe des Gebirges an Häufigkeit zunehmen und äußerst charakteristisch sind; vorherrschend ist jedoch die Mimose. Jetzt sind wir oben in der erfrischenden Bergeshöhe; in der Nacht ist kalter Tau gefallen und der kühle Wind streicht über die Gipfel, von denen wir noch einen Blick rückwärts auf das Rothe Meer – gleichsam zum Abschied – werfen. Der nächste Fluß senkt sich schon westlich ab – er gehört zum Gebiete des Nil. Abessiniens Grenze, die allerdings nicht so scharf gezogen erscheint, wie die Grenze eines europäischen Staates, ist überschritten und das Dorf Halai, das erste des Landes, ist erreicht. Es schmiegt sich terrassenförmig erbaut an die Kuppe eines Hügels an; die Wohnungen sind kaum mannshoch und mit flachen Dächern versehen. Diese haben einen bodenlosen Topf in der Mitte, durch welchen das Tageslicht in die Hütte dringt und der Rauch hinauszieht.

Diese Töpfe – Schornsteine kann man sie nicht nennen – werden mit einem Steine bedeckt, wodurch dann, da die Hütte außer einer kleinen Thür keine andere Oeffnung hat, das Innere derselben ganz finster wird. Wir treten ein, um einen Vorgeschmack abessinischer Behausungen zu erhalten. Um ein nie verlöschendes Feuer gekauert, dessen Rauch nur mühsam Abzug findet und die Wände mit dickem Ruß überzieht, lagern die halbnackten Insassen, zu denen sich Ziegen, Schafe und Esel gesellt haben, welche in einer Ecke des Gemachs Unterkunft fanden. Ermüdet werfen wir uns auf eine der mit Ledergeflecht überzogenen Ruhebänke, reiben die thränenden Augen, welche von dem beißenden Qualm zu leiden haben, und gedenken uns durch einen Schlaf von der anstrengenden Gebirgswanderung zu erholen – aber auch dieser wird uns verleidet, denn aus den Rohrmatten, die auf der Ruhebank liegen, stürzen blutgierig Hunderte von Flöhen über uns her, denen europäisches Blut ein ganz besonderer Genuß zu sein scheint. Wir möchten hinaus ins Freie – aber auch das ist uns benommen, denn strömender Regen gießt auf die Erde herab, und wir sind gezwungen, in dem ekelhaften Quartier auszuhalten.

So gestaltet sich das Vordringen nach Abessinien von der Seite des Rothen Meeres her. Anders und mit noch größeren Schwierigkeiten gelangt man längs dem Nil oder längs dessen Zuflüssen in die Hochlande. Hier ist der Reisende genöthigt, bis nach der Metropole des östlichen Sudan, Chartum am Zusammenflusse des Weißen und Blauen Nil, vorzudringen. Von hier aus kann er entweder am Blauen Fluß stromaufwärts bis nach der zerfallenen Stadt Sennar reisen und dann nach dem östlich liegenden Sklaven- und Gummimarkte El Gedaref ziehen, oder er verläßt den Blauen Nil schon früher bei Abu-Haras und gelangt durch das Gebiet der Schukerié-Araber nach dem genannten Marktplatze. Von hier aus geht nun in südöstlicher Richtung die vielbesuchte Karawanenstraße am Elephantengebirge oder Ras el Fil vorbei in die Negerrepublik Galabat. Dieser merkwürdige Grenzstaat, der von sehr fleißigen Schwarzen – Takruri – bewohnt wird, die aus Darfur und Wadaï stammen und auf den Mekka-Wallfahrten hier sitzen blieben, hat sich unter einem Oberhaupte – Schum – eine Art von Selbständigkeit zu bewahren gewußt, die er allerdings durch gleichzeitige Abgaben an Aegypten und Abessinien theuer erkauft. Die Hauptstadt Metemmé ist ein bedeutender Marktort, unfern vom Atbara. Auch haben die Baseler Missionäre hier eine Station errichtet, die indessen ganz erfolglos blieb.

Metemmé, nur wenige Meilen von der abessinischen Grenze gelegen, ist in der letzten Zeit ungemein häufig von europäischen Reisenden besucht worden, so von Baker, Schweinfurth, Graf Krockow, v. Heuglin. Das Hinaufsteigen in die Hochlande ist hier nicht sehr schwierig, keinenfalls so mühevoll wie von Massaua aus. Auch wir wollen hier in das Land eindringen und zwar unter der Führung G. Lejean’s, eines französischen Reisenden, der sich um die Wissenschaft schon bedeutende Verdienste erworben hat.