Za darmo

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer

Tekst
0
Recenzje
iOSAndroidWindows Phone
Gdzie wysłać link do aplikacji?
Nie zamykaj tego okna, dopóki nie wprowadzisz kodu na urządzeniu mobilnym
Ponów próbęLink został wysłany

Na prośbę właściciela praw autorskich ta książka nie jest dostępna do pobrania jako plik.

Można ją jednak przeczytać w naszych aplikacjach mobilnych (nawet bez połączenia z internetem) oraz online w witrynie LitRes.

Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Von Ziegen und Schafen haben die Abessinier nur den Nutzen, welchen deren Fleisch und Felle liefern. Nur in den Hochländern kommt das Schaf gut fort, es gedeiht in den tiefen und heißen Gegenden nicht. Auf den Plateaux dagegen finden sich Tagereisen lange Hutungen, die einzig zur Schafzucht benutzt werden können. Die Wolle des abessinischen Schafes ist noch gröber als jene der lüneburger Heidschnucken; sie ist meistens schwarz, wird in einigen Gegenden gesponnen, gewebt und zu Kleidungsstücken verwendet. Nicht im Geringsten kümmert sich der Abessinier um die Veredelung der Schafzucht, er wählt keine Böcke und Mütter aus und läßt diese, nebst den Lämmern stets beisammen. Das Hämmeln der Böcke ist unbekannt; Pferde, außer den Gestüthengsten, Bullen und Ziegenböcke werden dagegen verschnitten. Wie die Schafe wild beisammen leben, so auch die Esel, das Rindvieh, die Ziegen. Der Preis der Schafe, je nach Größe und Qualität, beträgt für 6–8 Stück 1 Maria-Theresia-Thaler. Ihr Fleisch ist wohlschmeckend. Ziegen erhält man für denselben Preis nur 4–6 Stück, und zwei große und fette, verschnittene Ziegenböcke kosten auch 1 Maria-Theresia-Thaler. Aus ihren Häuten bereitet man Getreidesäcke ohne Naht, auch Pergament, das jedoch meist aus Schafleder gemacht wird. Rauh gegerbt dienen letztere auch als Kleidungsstücke.

Die Zucht der ägyptischen Hühner ist sehr im Schwange. Ein Huhn brütet jährlich fünf- bis sechsmal 15–17, also im günstigsten Falle 100 Eier aus. Anderes Geflügel, wie Gänse, Enten, Tauben u. s. w. ist unbekannt. Brächte man sie jedoch hierher, so würden sie besser gedeihen als in meinem Vaterlande. Der Preis für drei bis vier Hühner ist 1 Stück Salz oder für 90–100 Stück 1 Maria-Theresia-Thaler. Das Kapaunen der Hähne, wiewol von einigen Abessiniern verstanden, wird selten ausgeübt.

Der Abessinier ist fester Grundbesitzer, und die Regierung kann über den Grundbesitz ihrer Unterthanen nicht willkürlich verfügen oder denselben nach Gutdünken an sich ziehen, es sei denn durch rechtskräftigen Spruch. Dieser letztere kann nur dann eintreten, wenn der Eigenthümer kinderlos oder ohne Verwandte, nähere oder fernere, stirbt. Dann zieht die Regierung die Ländereien des Verstorbenen für ewige Zeiten an sich. Zeitweilig wird die Regierung Besitzerin eines Grundstückes, wenn dessen Eigenthümer die darauf lastenden Abgaben und Steuern nicht zu entrichten vermag. Sie behält dieselben so lange, bis diese bezahlt sind, oder übergiebt sie unterdessen einem anderen Wirthschafter, der die schuldige Summe vorstreckt, doch nur so lange, bis der rechtmäßige Eigenthümer wieder zahlungsfähig ist und die vollständigen Steuern entrichtet. Oft übernimmt die Gemeinde dieses Geschäft; Verkauf der Ländereien findet selten statt.

Hier wäre wohl der Ort, einige Worte über Ansiedelungen vom Vaterlande aus nach Abessinien einzuschalten. Unter der gegenwärtigen Regierung können dieselben niemals stattfinden. Der Auswanderer, er komme woher er wolle, kann wol hier in Abessinien Grundstücke käuflich erwerben, doch vermag er niemals sichere Garantie für deren dauernden Besitz zu erhalten, denn alle Regierungen des Landes waren bis zum heutigen Tage Willkürherrschaften. Beim Regierungswechsel ist der Ansiedler sicher zu Grunde gerichtet, am gewissesten dann, wenn er das Land von einem Einwohner kaufte, dessen Verwandte ihm seinen Erwerb bei der neuen Regierung streitig machen können. Dann stellt sich gewöhnlich heraus, daß der Verkäufer nur zeitweiliger Besitzer der Ländereien war, und das abessinische Recht giebt unter solchen Umständen den Verwandten das Land zurück. Etwas besser ist der Ansiedler daran, wenn er von der Regierung ein Grundstück erwirbt und den Kaufabschluß unter Zuziehung von Zeugen in das Kirchenbuch eintragen läßt. Aber wie lange ihm das Land gesichert bleibt, weiß Gott allein!

Gesetz und Gerechtigkeit waren in Abessinien nur dem Namen nach vorhanden. Doch die gegenwärtige Regierung des vortrefflichen Kaisers Theodoros läßt schöne Hoffnungen in meinem Herzen wach werden. Der liebe Gott wolle stets über meinem Kaiser, welchen ich von ganzer Seele lieb habe, seinen reichen Segen und Frieden walten lassen. Amen!

Zum Schluß noch einige Worte über Wiesen und Moorgrund Abessiniens. Besonders die Hochländer Semién und Woggera zeichnen sich durch schönen und reichen Wiesengrund aus. Dembea, ein Tiefland, hat am Tana-See unübersehbare Wiesenflächen, Begemeder im Hoch- und Tieflande; Sebit besteht ganz aus Wiesen; ähnlich verhält es sich mit Woadla, Daunt und Talanta. Am Fuße des Kollogebirges in Wollo ziehen sich gleichfalls große Wiesenflächen hin. Schoa, Lasta und Godscham sind stellenweise reich daran. Vergleichsweise mit diesen Hochländern sind die Tiefländer arm an Wiesenwuchs; doch ist ihr Gras nahrhafter und saftiger. Das Heumachen ist ein den Abessiniern unbekanntes Ding, auch besitzen sie keinerlei Werkzeuge zum Mähen der Wiesen. Steht im September das Gras hoch, so wird alles Hausvieh auf die Weide getrieben, die meistens zertreten wird und höchstens zwei Monate ausreicht. Sind so die reichen Weiden zerstört, so tritt bittere Noth und Hunger für den Viehstand ein, ohne daß die Menschen dadurch zum Nachdenken veranlaßt würden.

Auf fast allen Wiesen findet sich viel Moorgrund und Sumpf, die durch vaterländischen Fleiß und Geschicklichkeit leicht in Reisgefilde umgeschaffen werden könnten. Jetzt liegen sie alle wüst und nutzlos da. Vor allem wären die Moorgründe am Tanasee hierzu passend; sie könnten eine Quelle des Reichthums für das Land sein. Auch eine gute und verständige Bienenzucht würde bedeutenden Nutzen abwerfen, denn kein Land eignet sich so vortrefflich zu derselben als Abessinien. Die Art und Weise, wie sie bisher von den Eingeborenen betrieben wird, gleicht genau dem liederlichen Verfahren im Ackerbau; trotzdem wird viel Honig und Wachs gewonnen; letzteres wird meist ausgeführt, ersterer zu Honigwein benutzt. Die abessinische Biene ist kleiner als unsere europäische Art. Schwärmt ein Stock, oder wird der junge Schwarm ausgetrieben, so fliegt dieser oft drei bis vier Tage weit, bis die Königin in einem hohlen Baume oder einer Felsenhöhle einen passenden Ort zur Niederlassung ausfindig gemacht hat.

Hat der Zug seine Auswanderungsreise angetreten, so geht derselbe viele Stunden weit rasch vorwärts, bis Müdigkeit der Königin eintritt, die sich an irgendeiner Stelle niederläßt, welche dann als Rastepunkt der Schar bis zum nächsten Tage gilt, wo die Reise fortgesetzt wird, bis eine Behausung gefunden ist. Will der Abessinier einen solchen Schwarm in einen Stock oder Korb einschlagen, so muß er zunächst der Königin die Flügel verschneiden; unterläßt er dieses, so geht der Schwarm gewöhnlich wieder fort. Ich habe selbst den Versuch gemacht und einen solchen Schwarm dreimal eingesetzt; allein nach ein- bis dreitägigem Aufenthalte ging er stets wieder fort, weil ich der Königin die Flügel nicht verschnitten hatte. Die Form der Bienenstöcke ist walzenförmig; sie werden aus Rohrstäben zusammengesetzt, die man äußerlich mit frischem Kuhmist, dem etwas Lehm zugesetzt ist, einen halben Zoll dick überzieht. Häufig hängt man diese Körbe in große Bäume, doch halten die meisten Abessinier dieselben bei ihren Häusern. Die Bienenzucht wird in einer Meereshöhe von 5000–9000 Fuß betrieben. Der Preis für 50 Pfund Honig ist 1 Maria-Theresia-Thaler.

Vermöge der Verschiedenartigkeit seines Klimas dürfte sich Abessinien zum Anbau aller europäischen Kulturpflanzen eignen, die unter vaterländischer Geschicklichkeit herrlich gedeihen würden. Reis ist unbekannt, Kaffee wird so gut wie gar nicht und noch dazu recht ungeschickt angebaut; stark kultivirt wird er in den Gallaländern Limu, Enarea und Kaffa, und die von dort stammenden Sorten sind besser als der arabische Kaffee aus Mocha. 40 Pfund Kaffee gelten in Abessinien 1 Maria-Theresia-Thaler. Schwarzer Pfeffer, Baumwolle, Indigo könnten vorzüglich gebaut werden; einige Arten Indigo wachsen wild. Für Zuckerrohr und Runkelrüben findet sich geeigneter Boden. Ich selbst habe in Tigrié Runkelrüben kultivirt, die eine bedeutende Größe erreichten und viel zuckerhaltiger als die vaterländischen waren. Alle Gewürze der Gewürzinseln und die verschiedensten Oelpflanzen würden gedeihen; Oelgewinnung und die dazu nothwendigen Geräthe sind hier unbekannt. Desgleichen fehlt guter Hanf und Flachs zum Spinnen und Weben. Beeren, Früchte, Wein – sie alle finden hier zusagenden Boden.

Doch mit Schmerz muß ich bekennen, daß alles dieses, so lange der gegenwärtige Zustand des Landes dauert, so lange nicht eine radikal veränderte Regierungsweise eintritt, eitler Wunsch bleiben wird. Denn erst, wenn die Regierung eine unbeschränkte Kultivirung des Landes durch Deutsche, Engländer, Franzosen u. s. w. zuläßt und unterstützt, kann aus diesem etwas werden. Durch die Abessinier selbst kann eine nutzbringende Kultur niemals geschaffen werden, denn sie sind bitter arm; es fehlen ihnen alle Instrumente, welche den Anbau fördern könnten, oder die Arbeiter, die sie zu verfertigen verständen. Auch ist ihr geistiges Besitzthum arm, dürftig, auf niederer Stufe stehend; sie sind entblößt von allen guten Eigenschaften, Liebe und Lust zur Arbeit, Sinn für die Natur.

Ließe sich das Vaterland den gegenwärtigen Zustand Abessiniens angelegen sein, setzte dasselbe kräftige, wirksame und heilsame Hebel an den gegenwärtig verwahrlosten Agrikulturzustand Abessiniens, so würde reicher Segen seine Mühen und Opfer lohnen. Doch wie Hebel anlegen, daß sie nicht brechen? Oder will das Vaterland feste Gerechtsame in Abessinien erwerben, so können diese nur durch Waffengewalt aufrecht erhalten werden.

Wie der Zustand der Felder und des Viehstandes, so ist auch die Behausung des Abessiniers und deren Umgebung beschaffen. In und außer seinem Hause oder vielmehr seiner Strohhütte, ist alles voller Schmuz und Unrath. In der Regenzeit gleichen die Wohnungen einer Kloake, der man sich nicht nähern kann, ohne Gefahr zu laufen, in diesen Mistsümpfen zu versinken. Um eine Wohnung zu errichten, haut der Eingeborene krumme und gerade, dünne und dicke Holzstangen ab, die er in einem Kreise in den Boden pflanzt und wobei er einen schmalen Raum für die Eingangsthür freiläßt. Die Stangen werden nun mit Bast und dünnen Ruthen gleichwie mit Faßreifen umwunden und die Zwischenräume mit Reisig ausgefüllt. Im Innern wird diese Ringwand dann mit etwas Erdmörtel überzogen. Hierauf wird das Ganze mit einem pyramidenförmigen Dache, das gleichfalls aus Stangen, Reisig und Bast zusammengesetzt ist, gekrönt und mit einer 3 Fuß langen holzigen Grasart belegt. Nun ist die Wohnung vollendet und der Einzug kann stattfinden. Alle Familienmitglieder, nebst Knechten und Mägden, wohnen und schlafen hier beisammen; die Kühe, die Mühle, das Maulthier, falls ein solches vorhanden, die Hühner – sie alle finden hier ihren Platz. Auch das Getreide hat hier in großen aufrecht stehenden Erdtonnen oder wohl verdeckten Gruben seine Stelle. Der Hausherr ruht auf seiner Alga (oder Arat), einem hölzernen Bettgestell mit vier 2 Fuß hohen Beinen, über das schmale Riemen von ungegerbter Rindshaut gezogen sind. Die übrigen Bewohner legen Rindshäute auf den Boden, die ihnen zur gemeinschaftlichen Schlafstätte dienen. Selten wird eine solche Behausung ausgekehrt und unzählige Flöhe, Läuse und Wanzen sind die regelmäßigen Insassen, um welche der Bewohner sich wenig oder gar nicht kümmert. Der Küchenrauch, Asche, Staub und Unrath aller Art häufen sich im Verlaufe eines Jahres dermaßen an, daß man das Innere mit einem Schornstein vergleichen kann.

 

Uebrigens wendet man in Abessinien verschiedene Bauarten an. Oft bestehen die Wände aus Steinen, die mit Mörtel verbunden oder ohne diesen aneinander gefügt sind. Steinhäuser finden sich fast durchgängig im Hochlande, und da es hier in der Nacht sehr kalt ist, so findet auch Vieh aller Art in denselben seine Schlafstätte. Da, wo gute passende Erde vorkommt, baut man auch quadratische Häuser mit plattem Dache. Dieses ist namentlich in Tigrié häufig der Fall. Diese Decke wird dann durch starke Baumstämme und Balken getragen, die mit einer 1 Fuß dicken Lage Erde überdeckt sind, welche zur Regenzeit kein Wasser durchläßt. Hier sieht man auch oft große, auf diese Weise überdachte Säulenhallen aus rohen Baumstämmen, unter denen das Vieh zur Regenzeit Schutz und Obdach findet. Ueberhaupt herrscht im Lande Tigrié mehr Fleiß und Ordnung als in anderen Gegenden Abessiniens.

Das hier von den Wohnungen Gesagte gilt nur von den Behausungen des ackerbautreibenden Theiles der Bevölkerung. Die Häuser der Reichen und Großen des Landes sind besser gestaltet. Sie sind gewöhnlich gut mit Erdmörtel aufgeführt und auch die innere Wand mit Mörtel überzogen. Das Innere besteht oft aus Abtheilungen, von denen eine für Pferde und Maulthiere, eine als Speicher, eine dritte als Empfangszimmer, eine vierte für den Hausherrn und seine Familie bestimmt ist. Ist das Haus klein, so wird das Empfangszimmer besonders angebaut. Das Dach ist im Innern häufig schön mit zusammengesetzten Rohrstäben verziert, ja manchmal mit farbigen Baumwollstoffen künstlich dekorirt, die Eingänge mit Breterthüren, der Hof mit einer Mauer versehen. Doch herrscht im Innern derselbe Schmuz und das Ungeziefer wie bei den Landleuten.

Die Mühlen der Abessinier bestehen aus einem einzigen Stein, der 1 Fuß breit und 1¾ Fuß lang ist. Das Material besteht aus grobem Sandstein oder Trachyt; enthält der letztere viele kleine Blasenräume, so wird er sehr geschätzt. Die Mühle wird durch Klopfen mit einem harten kleinen Steine geschärft. Der Läufer, mit dem das Getreide zerrieben wird, ist ein ¾ Fuß langer, 4 Zoll breiter Stein. Das Mahlgeschäft wird nur von den Frauen besorgt. Eine Person zerreibt täglich etwa 6 Metzen (Berliner Maß). Das Mahlsieb besteht aus Grasgeflecht. Weizen und Gerste werden, bevor sie auf die Mühle kommen, enthülst; dieses geschieht in ausgehöhlten Baumstämmen, welche die Mörser vertreten; der Stößel ist ein 3 Fuß langer, 2–3 Zoll im Durchmesser haltender Knittel aus wildem Olivenholz. Die einzigen Instrumente, welche sonst noch bei der Agrikultur in Abessinien Dienste leisten, sind eine Axt, eine Erdhaue, eine gezähnte Sichel und ein Messer. In Schoa wurde unter der Regierung des Königs Sahela Selassié von einem Europäer eine Wassermühle errichtet, doch als diese anfing zu mahlen, empörte sich die Geistlichkeit gegen das Teufelswerk und bedrohte den König mit dem Bannfluche, wenn das Mahlen nicht eingestellt würde. Die Mühle ist heute gänzlich zerfallen.

Massaua und die abessinische Küstenlandschaft

Die Bedeutung des Rothen Meeres. – Der Dahlak-Archipel und die Perlenfischerei. – Die Stadt Massaua und ihre Bewohner. – Sklavenhandel. – Die Cisternen. – Der Markt. – Karawanenhandel mit Abessinien. – Die Bai von Adulis. – Schohos und Danakil. – Die Samhara. – Eine abessinische Karawane. – Der Tarantapaß und Halai.

Das Rothe Meer, lange Zeit für den großen Verkehr fast ohne Bedeutung, ist in unsern Tagen aus seiner Abgeschiedenheit hervorgetreten und nimmt lebhaften Antheil am Welthandel. In einer Länge von fast vierhundert Meilen erstreckt es sich gleich einem Arm von Suez bis zur Bab-el-Mandeb zwischen dem nordöstlichen Afrika und der westlichen Küste Arabiens. Regelmäßig wie bei uns die Eisenbahnen wird es fast tagtäglich von Riesendampfern seiner ganzen Länge nach durchkreuzt; Telegraphendrähte sind an seinen korallenreichen Gestaden hingelegt, und der Post- wie Handelsverkehr von Europa nach Indien nimmt jetzt seinen Weg zumeist über diese Straße. Noch größere Bedeutung wird das Rothe Meer jedoch erlangen, wenn einst der Suezkanal vollendet sein sollte, obgleich schon auf der von Alexandrien über Kairo nach Suez führenden Eisenbahn alljährlich viele Tausende von Vergnügungsreisenden zu ihm hingezogen kommen. Nach allen Seiten führen von seinen Küsten wichtige Handelsbahnen in die umliegenden Länder, die zum Theil, wie das Innere Ostafrika’s, ungemein produktenreich sind: Gummi und Straußenfedern, Droguen und Elfenbein, Wachs und Honig, nicht minder aber Sklaven werden in allen Hafenplätzen feil gehalten und finden regelmäßigen Absatz gegen europäische Produkte.

Sowie aber die kommerzielle Bedeutung des Rothen Meeres sich gehoben hat, ist auch nicht minder jetzt die politische in den Vordergrund gelangt, und wie in so vielen andern Weltgegenden sind auch hier England und Frankreich als eifersüchtige Rivalen aufgetreten, die einander den Rang streitig zu machen suchen. Beide wissen, daß im Rothen Meere der Schlüssel zu Indien liegt, und wenn auch Frankreich ein geringeres Interesse als England daran zeigt, denselben mit in Händen zu haben, so ist es doch schon des Wettbewerbes wegen bestrebt gewesen, es in Besitzergreifungen den Engländern gleichzuthun. Der Suezkanal, ein französisches Unternehmen, hat mindestens in demselben Grade politische Bedeutung, wie kommerzielle; denn wie die Engländer Aden und die Insel Perim am südöstlichen Ende des Rothen Meeres besetzten und so die Bab-el-Mandeb beherrschen, trachten die Franzosen danach, ihre Herrschaft am nordwestlichen Ausgang der Handelsstraße zu errichten. Und auch noch andere Küstenplätze sind nach und nach in die Hände der beiden Rivalen gefallen: die Briten haben sich auf der Insel Kamaran an der arabischen Seite, die Franzosen auf Dessi vor der wichtigen Bai von Adulis und zu Oboc niedergelassen. Von hier aus überwachen sie den Handel und spinnen Intriguen mit den unzufriedenen Elementen der Bevölkerung, um bei guter Gelegenheit sich überall in die Landesangelegenheiten mischen zu können. Europäische Konsularagenten haben in den meisten Hafenplätzen schon ihren Sitz, und mit dem arabischen oder banianischen (indischen) Handelsmann theilen sich jetzt europäische Kaufherren in den Gewinn des Handels am Rothen Meere. Eine Abschließung desselben ist jetzt nicht mehr denkbar, es wird mit allen seinen Gestadeländern – mag es wollen oder nicht – immer mehr in unsere Beziehungen hineingezwungen.

Freilich ein Hinderniß hat die Natur selbst geschaffen, welches die Bedeutung dieses Meerarmes für den Verkehr bedeutend abschwächt. Das Rothe Meer ist für Segelschiffe bei den jetzigen Anforderungen an die Schnelligkeit des Verkehrs fast so gut wie unbefahrbar, da ziemlich das halbe Jahr hindurch Windstille herrscht und Mangel an guten Häfen ist. Zudem machen die Korallenklippen die Fahrt äußerst gefährlich, und auch die Versorgung der Schiffe mit Wasser, Kohlen oder Lebensmitteln ist eine äußerst mangelhafte. Nur der Dampfer, der seine Kohlen in Suez oder Aden liegen hat, beherrscht diesen Meeresarm vollständig und in vier bis fünf Tagen durchfahren sie denselben von einem Ende bis zum andern, um dann weiter die Fahrt nach Indien anzutreten.

Während die großen Dampfer der indischen Linie direkt das Rothe Meer durchkreuzen und nur selten den einen oder andern Hafenplatz an demselben besuchen, sind für letztere besondere Seitenlinien eingerichtet, die meist von einer türkischen Gesellschaft schlecht versehen werden. Von Suez, wo die Eisenbahn mündet, steuern wir zunächst nach Kosseïr, von wo eine Karawanenstraße nach Keneh am Nil führt, der in dieser Gegend einen weiten Bogen nach Osten macht und sich dem Rothen Meere nähert. Von Kosseïr fahren wir in südöstlicher Richtung nach der arabischen Küste hinüber und landen in Jembo, dem Eingangsthor der heiligen Stadt, nämlich Medina, für welches dieser Platz den Hafen bildet. Weiter an demselben Gestade fortsteuernd erreicht der Dampfer Dschidda, „die Ebene ohne Wasser“. Aber dieser Hafenplatz, das Seethor für Mekka, ist in vieler Beziehung wichtig und namentlich zur Zeit der Pilgerwanderungen sehr belebt. Wir verlassen auch diesen Ort, der schon Millionen Wallfahrer landen sah, und durchkreuzen abermals nach Südwesten hin das Rothe Meer, um Sauakin an der afrikanischen Küste zu erreichen, von wo aus die große Karawanenstraße nach dem östlichen Sudan und Chartum an der Vereinigung des Weißen und Blauen Nil führt.

Und nun geht nochmals der Anker in die Höhe, nach Süden ist der Bug des Dampfers gerichtet, die afrikanische Küste, das Land der nomadisirenden Beni-Amer und Habab bleibt zur Rechten liegen und die Dahlak-Inseln kommen in Sicht. Auf diesem Archipel erhalten wir durch die Sprache der Bewohner schon einen Vorgeschmack Abessiniens, vor dessen Küste, gegenüber dem Hafenplatze Massaua, die Gruppe liegt. Die drei Hauptinseln sind Groß-Dahlak, Nureh und Nakala. Die Großhandelsfahrzeuge legen dort nicht an, obwol das erste der genannten Eilande einen sehr guten Hafen hat. Viele Spuren, namentlich Ruinen, deuten darauf hin, daß einst die Abessinier und im 16. Jahrhundert die Portugiesen eine Niederlassung auf demselben hatten. Dahlak hat nur etwa 1600 Einwohner, auf die andern beiden bewohnten Inseln kommen zusammen nur 200 Köpfe. Alle sind Muhamedaner, friedliche Menschen, die unter einem Scheich stehen; dieser erhält seine Belehnung von dem ägyptischen Gouverneur in Massaua, welchem er jährlich 1000 Maria-Theresia-Thaler zahlt. Wasserläufe giebt es auf den Inseln nicht, aber das Brunnenwasser ist gesund.

Ueberaus reich ist hier das Meer an Fischen und Fischfang daher eine Hauptbeschäftigung der Bewohner. Doch noch andere Schätze bietet die salzige Flut, welchen die Dahlak-Inseln vorzüglich ihre Berühmtheit verdanken. Namentlich kommt die Perlenauster (Pintatina) in großer Menge, förmliche Bänke bildend, hier vor, und sie ist es, die vom Mai bis in den August eine große Anzahl der Bewohner mit Tauchen beschäftigt. Jeder kann sich an der Perlenfischerei nach Belieben betheiligen; Abgaben werden nicht erhoben und nicht selten kommen auch Taucher und Fischer von der gegenüberliegenden arabischen Küste. Man bedient sich zum Fange der gewöhnlichen Barken, der sogenannten Sambuks, welche gerudert werden und auch Mattensegel haben. Von den zwölf bis vierzehn Köpfen der Mannschaft sind sechs bis sieben Taucher. Mit einem Bismillah! (Im Namen Gottes!) stürzt der Mann in die Tiefe, wo er nicht viel länger als eine Minute bleibt, so viel Austern, als er kann, in einen Korb zusammenrafft und diesen durch die Gefährten an einem Seil in die Barke ziehen läßt. Mehr als dreißig, höchstens vierzig Mal kann er an einem und demselben Tage nicht untertauchen. Eine mit guten, recht erfahrenen Tauchern bemannte Barke wird im Laufe eines Tages bis 3500 Perlenaustern und etwa 500 Perlmutteraustern erbeuten. Die Muschel, welche man bei den Dahlak-Inseln fischt, ist im allgemeinen nur klein und beinahe rund; der Durchmesser beträgt 5 bis 6 Centimeter. Unter 20 bis 30 Austern hat immer nur eine einzige eine kleine Perle, die man als Samen bezeichnet. Es scheint als ob eigentliche, völlig ausgebildete Perlen nur in ganz ausgewachsenen Muscheln gefunden werden. Die Insulaner bezeichnen die Perlenauster als Bebela oder Bereber. Ihr Fleisch ist weiß und genießbar; man trocknet es an der Sonne und zieht es auf Fäden, worauf es dann einen Theil des Jahres hindurch die Hauptnahrung der Leute bildet.

 

Alljährlich bringen die Fischer ihre Ausbeute an Perlen und Perlmutter nach dem Dorfe Debeolo, wo vierzehn Tage lang Markt gehalten wird. Dort legen sie die Erzeugnisse des Meeres zum Verkauf aus. Regelmäßig finden sich fremde Kaufleute, besonders indische Banianen ein, die gegen Silber oder Tauschwaaren, Lebensmittel, Holz, Baumwollenstoffe die Perlen zu ziemlich niedrigem Preise einhandeln. Man schätzt diese nach ihrer Größe, Gestalt und Reinheit ab. Erstere wird durch ein Haarsieb ermittelt, das Oeffnungen von verschiedener Größe hat. Je nach den verschiedenen Gattungen wird der Preis bestimmt. Der Umsatz auf dem Markte von Debeolo beträgt im Durchschnitt an Geldwerth 50,000 bis 60,000 Thaler, ist also immerhin bedeutend. Zu den Ausfuhrgegenständen der Dahlak-Inseln gehört ferner das feine Schildpatt (Baga); das der Schildkrötenweibchen ist durchgehends schwerer und dicker als das der Männchen, und ein zwei Fuß langes Rückenschild des ersteren giebt zwei Pfund Schildpatt. Auch die Kauris oder Geldmuscheln, die in Afrika als Scheidemünze gelten, werden auf den Dahlak-Inseln in großer Menge gefischt. Seltener aber ist ein höchst interessantes Meersäugethier, der Dugong (Halicore Dugong), das wegen seiner starken Haut und perlmutterglänzenden Zähne sehr geschätzt war und ist. Es kommt auch an den arabischen und afrikanischen Küsten vor, an welcher letzteren es von den Danakil gefangen wird. Die Thiere leben paarweise und weiden auf den untermeerischen Tangwiesen, die ihre einzige Nahrung bilden. Das Land besuchen sie selten, meist schwimmen sie wie Meerjungfern mit erhobenem Oberkörper in der See. Sie sind über 12 Fuß lang und schwer mit Harpunen zu erreichen. Die dem Walroß ähnlichen Stoßzähne wurden früher als Handelsartikel gesucht und zu Rosenkränzen verarbeitet, während die marklosen Knochen Dolch- und Messergriffe von großer Dauerhaftigkeit liefern. Aus der Haut bereitet man Sandalen. Merkwürdig erscheint uns der Dugong noch dadurch, daß er dasjenige Thier ist, aus welchem die alten Juden den Ueberzug ihrer Bundeslade gemacht haben sollen.

Unsere Fahrt durch das Rothe Meer ist nun beendigt; von Dahlak wendet sich der Dampfer nach Westen, der abessinischen Küste zu, von der aus die kühnen und gewaltigen Bergmassen von Hamasién uns entgegenstarren. Wir nähern uns der Insel Massaua, deren Bucht, von Vorgebirgen eingeschlossen, nun in Sicht kommt.

Gleich darauf werden das kleine Vorwerk, die weißgetünchten Doppelthürme der Moschee, die türkischen Wachtschiffe und fremden hier ankernden Fahrzeuge sichtbar. Schon ehe man landet, erblickt man weit draußen auf der See eigenthümlich gestaltete Fischerflöße, die aus fünf zusammengebundenen Baumstämmen bestehen. In der Mitte sitzt ein Knabe, der mit einer beiderseits schaufelförmigen Ruderstange geschickt und schnell seine Fähre regiert. Auf diesem gebrechlichen Dinge angelt er an Klippen und Bänken, fängt eine große Anzahl Fische und tödtet sie jedesmal sogleich durch einen Nagelstich in den Kopf. Die Stadt Massaua oder Mesaueh ist der Hauptort für das Aegypten untergeordnete abessinische Küstenland nebst den Inseln des perlenreichen Dahlak-Archipels, Sitz eines Kaimakan, der einige Soldaten zur Verfügung hat. Außerdem residiren hier ägyptische Zollbeamte und verschiedene europäische Konsuln, denn Massaua ist die Pforte des Handels für fast ganz Abessinien und von größter politischer Wichtigkeit durch seine Lage gegenüber dem letztgenannten Reiche, wie durch seinen in jeder Beziehung vorzüglichen Hafen, der sich auch dadurch vor andern Häfen am Rothen Meere auszeichnet, daß man sich hier leicht mit Schiffsprovisionen, Wasser, Holz, Schlachtvieh u. s. w. versehen kann.

Der Golf von Arkiko, in welchem die Inselstadt Massaua liegt, ist mit verschiedenen kleinen Koralleneilanden bedeckt. Auf einem derselben befindet sich der christliche Friedhof und hier ist es, wo auch die Leiche unseres Landsmannes, des Reisenden Hemprich, ruht, den am 30. Juni 1825 der Tod ereilte. Auf einem andern Koralleneilande liegt ein Heiliger, Seid Scheik, begraben, der seinerzeit Massaua verlassen und diese kleine Insel bezogen haben soll, weil er glaubte, daß der Lebenswandel seiner Mitbürger allzu irreligiös sei. Vom Festlande sowol als von Massaua machen zahlreiche Gesellschaften nächtliche Ausflüge nach dem Grabe dieses Heiligen, wobei weniger religiöse Absichten die Pilger leiten sollen, als der Schmuggel mit Sklaven. Die Insel Massaua selbst hat eine halbe Meile Länge und beinahe eine Viertelmeile Breite. Die westliche Hälfte trägt die Stadt, die östliche halb verfallene, alte Cisternen aus besserer Zeit und ein kleines, schlecht armirtes Fort. Die Anlage der Stadt ist eine ganz unregelmäßige, wenig ältere Gebäude bestehen aus Stein, die meisten sind Strohhütten, die auf Pfählen im seichten Meerwasser ruhen. Unter ersteren zeichnen sich das Gouvernementsgebäude, eine zweikuppelige Moschee (Diamet Scheik Hamal) und das Zollhaus aus.

Im Ganzen hat Massaua etwa ein Dutzend religiöser Gebäude; darunter jene bemerkenswerthe Moschee, die früher eine christliche Kirche gewesen war und in welcher die Portugiesen 1520 Messe lasen, nachdem sie „Matzua“, so nannten sie die Stadt, den Muhamedanern abgenommen hatten. Was den Namen des heutigen Ortes betrifft, der auch Masua, Massawa geschrieben wird, so leitet ihn Munzinger aus der Tigriésprache ab, in welcher Mesaua den Raum bedeutet, über welchen hin man den Ruf einer Menschenstimme hören könne, und das trifft hier allerdings für die Meeresbreite zwischen Insel und Festland zu. Aber in der Landessprache der Eingeborenen heißt Stadt und Insel gar nicht Massaua, sondern Basé.

Die Bevölkerung ist fast ganz muhamedanisch; die Ureinwohner gehören der äthiopischen Rasse an und sprechen eine semitische Sprache. Die übrigen Bewohner, mit Ausnahme der türkischen Beamten und der Besatzung, sind Kaufleute aus Arabien, dann Somali, Danakil, Galla, Abessinier und Banianen (Indier). Die Massauaner selbst sind Fischer, Schiffsleute und Lastträger, welche das Trinkwasser herbeischleppen. Außer etwas Weberei, Gerberei und Schiffsbau werden wenig Gewerbe getrieben. Die Stärke der Bevölkerung schätzte Rüppell 1832 auf 1500, Heuglin 1857 auf 5000 Seelen, einschließlich des Militärs. Die Einkünfte der Provinz, meist aus den Zollabgaben des abessinischen Handels bezogen, betrugen nach beiden Reisenden 40,000–50,000 Thaler.

Die Massauaner sind ein in der Jugend durchweg sehr schöner Menschenschlag und haben eine kupferfarbige Haut, die mehr oder weniger dunkel ist. Die Mädchen zeichnen sich durch schlanken Wuchs, regelmäßige Züge des ovalen Gesichts, große, lebhafte Augen und feinen Mund mit schönen Zähnen aus. Wenn sich zwei Bewohner nach längerer Zeit wieder begegnen, küssen sie sich gegenseitig die Hände und erkundigen sich mit vielen Schmeichelworten nach dem Befinden. Was den Charakter der Massauaner anbetrifft, so lauten die Urtheile darüber sehr ungünstig. Dem bloßen Schacher ergeben, üben sie alle möglichen Verstellungskünste und erfüllen selbst die heiligsten Versprechungen nicht. Dazu kommt, daß der fortwährende Sklavenhandel ihre moralischen Sitten untergraben und ihr Herz gegen jede edlere Empfindung verstockt machen mußte. Diebereien und Einbruch sind gewöhnliche Verbrechen und gelten nicht als Schimpf. Die Anzahl der Bettler ist groß und die meisten derselben kommen durch Hunger und Elend ums Leben. Dankbarkeit ist den Massauanern nur dem Namen nach bekannt, und als Rüppell einst einen Mann von einer gefährlichen Schußwunde geheilt hatte, drückte dieser seine Freude darüber folgendermaßen aus: „Gott ist groß und wunderbar! Hat er doch diesen Hund von Ungläubigen hierhergeschickt, um mich zu heilen!“