Scheiss Bullen

Tekst
0
Recenzje
Przeczytaj fragment
Oznacz jako przeczytane
Czcionka:Mniejsze АаWiększe Aa

Die Polizei als Feind

ACAB: All Cops Are Bastards!

Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mich jahrelang mit diesem Thema nicht auseinandergesetzt, schon gar nicht mit der Bezeichnung ACAB. Ich nahm die Abkürzung lange nicht zur Kenntnis und hatte auch keine Affinität dazu. Erst seit einigen Jahren schenke ich diesem Thema vermehrt Aufmerksamkeit. Man sieht die respektlose Bezeichnung ACAB auf Arme tätowiert, sie steht auf T-Shirts und sie ist auf Fassaden gesprüht. Was veranlasst einen Menschen dazu, so etwas zu machen?

Die Polizeihasser sind nicht nur politisch links- oder rechtsextrem. Das zeigt exemplarisch ein Fall bei der Bachelorausgabe 2018 auf dem TV-Sender 3plus. Dem aufmerksamen Betrachter fiel auf, dass die Kandidatin Mia die Zahl 1312 (1=A, 3=C, 1=A, 2=B) auf den Hals tätowiert hatte. Die Verhaftung ihrer Mutter war, als Mia klein war, ein traumatisches Ereignis, das sie bis heute belastet.

Oder anderes Beispiel: Auf einer Demonstration zelebriert ein Clown den vierstelligen Zahlencode als eine Art Puffer.

Oder Personen, welche die Hardcorevariante wählen und sich den Code direkt auf den Körper tätowieren lassen. Man findet die Buchstaben auf riesigen Transparenten in Fußballstadien, als Aufkleber oder auf Fassaden gesprüht.

Diese Abkürzung und ihre Bedeutung wird von der breiten Öffentlichkeit überhaupt nicht richtig wahrgenommen. Sie tauchte erstmals in den 1970er- und 1980er-Jahren in Großbritannien in der Jugendsubkultur auf. Damals wurden öffentliche Gebäude damit besprüht. Das Schlagwort All Cops Are Bastards wurde in den 1980er-Jahren erstmals von der britischen Oi!-Band‚, The 4-Skins in einem Songtext verwendet. Das Lied beschäftigte sich thematisch mit der Wut und der Abneigung gegenüber der Polizei. Die Kultband galt in einschlägigen Kreisen als Erfinder des Akronyms. Die Punkrockband Slime verwendete das Buchstabenwort in ihrem gleichnamigen Song. Auch rechtsextreme Bands bedienten sich des Kürzels in Songtexten. Darüber hinaus wird es in der Punkszene, die die Polizei auch hasst, verwendet. Die Vielfalt der Anwendungen ist riesig. Auf einer Seite im Internet entdeckte ich eine Unmenge Abbildungen in verrückten Variationen: Polizisten als Karikaturen aller Gattungen, tätowiert, als Schwein mit einem Prügel im After, mit einem Messer im Kopf oder als Schlag mit einem Prügel auf die Uniformmütze. Fast alle Körperteile werden mit dem Akronym versehen. Erstaunt stellte ich zum Beispiel im Februar 2019 fest, dass beim Online-Anbieter Amazon verschiedenfarbige Shirts mit diesem Kürzel erworben werden können. Die Shirts wurden aber nach Beschwerden wieder aus dem Sortiment genommen. Auf der Webseite Truerebel stehen die vier Buchstaben neben der Abkürzung FCK NZS, was durch die weggelassenen Vokale »Fuck Nazis« bedeutet. In Deutschland gibt es Autokennzeichen mit dem Buchstabenwort, ferner findet man es auf einschlägigen Plattformen. Die Betreiber und Besitzer verstehen oftmals gar nicht, dass es sich um eine Diskriminierung handelt. Bewusst sind ihnen eher Würfel mit den Zahlen 1312, die als Schlagring ins Netz gestellt werden.

Mit dem Titel ACAB gibt es vom italienischen Regisseur Stefano Sollma sogar einen Film aus dem Jahr 2012, in dem es um das kontrovers geführte Thema zu Gewalt und Gegengewalt geht. Der Film nimmt für keine Seite Partei, konstatiert aber Korruption auf beiden Seiten und lässt keinen Raum für Helden.

Ich habe mich wiederholt gefragt, ob eine solche Abkürzung nicht strafbar ist. Im Grunde genommen nicht, denn die bloße Verwendung des Akronyms ist kein Straftatbestand, sie wird erst zur Straftat, wenn ein Polizist damit gezielt beschimpft wird. Das kann dann durchaus ein Strafverfahren zur Folge haben. In der breiten Bevölkerung ist der Begriff eher unbekannt. Das zeigt eine Geschenkaktion der Freiburger Kantonalbank (Schweiz) im November 2018. Zur Kontoeröffnung zierte die Abkürzung ACAB unter anderem ein Werbe-Portemonnaie. Diese Peinlichkeit wurde erst nach dem Versand bemerkt und das Produkt wurde aus dem Verkauf gezogen.

Im Internet fand ich ein Tattoo mit Großbuchstaben auf einen Hintern gestochen. Das Akronym gibt es auch mit ei- nem Totenkopf kombiniert als Sticker. Spannend ist dabei der Bezug zu Standardgetränken, zum Beispiel bei der Aussage »Acht Cola, Acht Bier«, die häufig mit »8 ColaBier« abgekürzt wird. Seit über zehn Jahren gilt der 13.12. international als nichtamtlicher Feiertag unter den unterschiedlichen ACAB-Anhängern. Beispielsweise finden in Griechenland, England, Italien oder Deutschland an diesem Tag alljährlich viele Veranstaltungen statt, wozu auch Demonstrationen oder Fußballspiele gehören. Am 13.12.2014 fand in Gelsenkirchen ein Fußballspiel statt, das von den Ultras und Hooligans der All-Cops-Are-Bastards-Gruppierungen zum Feiern und Demonstrieren angekündigt worden war. An diesem Tag spielte der 1. FC Köln gegen Schalke 04. Das Polizeiaufgebot in und um das Stadion war enorm. Zu den befürchteten Ausschreitungen zwischen den beiden Fußballclubs kam es Gott sei Dank allerdings nicht.

Das Buchstabenwort ACAB gehört auch im Knast zu den Top 13 der allgemein am liebsten verwendeten Bezeichnungen und Wörter. Die meisten Strafgefangenen sind irgendwo tätowiert. Die Bedeutung der Symbole verrät daher einiges über die Person. Wenn einer noch lange zu sitzen hat, finden wir häufig eine Uhr ohne Zeiger oder das Bild von einem Dolch, der durch den Hals gestoßen ist, was bedeutet, dass sein Träger jemanden in der Haftanstalt umgebracht hat. Sterne auf den Schultern deuten auf eine Karriere als hochrangiger Berufsverbrecher hin. Einige stechen sich die Tattoos selbst, häufig mit sehr primitiven Mitteln. Der Prisonstyle erfreut sich auch außerhalb der Haftanstalten steigender Beliebtheit. Unter dem Hashtag #beautifulcops fand ich im Internet als Gegenpol dazu die nette Version: All Cops Are Beau- tiful, die jedoch bei den Polizisten eher unbekannt ist und auch deutlich weniger Follower aufweist.

Frust-Multiplikatoren

Oft wird die innere Einstellung mit Alkohol oder Drogen gedopt und negativ beeinflusst. Die mentale Konstellation gerät in die Schräglage. Folglich braucht es mehrere Bausteine, damit die Lawine ins Rollen kommt. Wir können sie auch Attribute nennen. Einflussfaktoren sind:

–Die eigene aktuelle Stimmung und innere Einstellung

–Die subjektive Wahrnehmung der Situation

–Die äußeren negativen Beeinflussungen, die das Feindbild verstärken.

Interview mit einem Polizeihasser

Person M gehört dem rechtsextremen Segment an. Für ihn stellt die Polizei ein Feindbild dar. Rechtsextremes Gedankengut ist für ihn normal, weswegen er auch Mitglied der NPD (Nationaldemokratische Partei Deutschlands) wurde. Jahrelang trug er in der Freizeit ein entsprechendes Outfit mit Stiefeln und Bomberjacke. Ich verabredete mich mit ihm an einem schönen Spätwintertag in Zürich. Er erschien bei nur 6 °C in einem schwarzen T-Shirt, auf dem in weißen Buchstaben »Böse Buben Club« über einem Totenkopfemblem stand. Ich wollte wissen, welche Gründe ihn, einen kräftigen Mann, dazu brachten, die Polizei zu hassen.

Dazu stellte ich M folgende Fragen:

A. Widmer (AW): Welches Ereignis hat dich geprägt?

M: Ich wuchs in Deutschland auf und wohnte damals als 19-Jähriger in Niedersachsen. An einem Tag parkte ich mein Auto in der Stadt Goslar in der Nähe einer Parkanlage. Als ich wieder wegfahren wollte, kamen Zivilpolizisten auf mich zu und forderten mich auf, ihnen bis zum Polizeiposten nachzufahren. Dort angekommen, fragte ich nach dem Grund. Die Beamten reagierten genervt und sagten, es sei einfach eine Kontrolle. Basta!, antwortete der eine forsch! Dann riss mir ein Beamter mein Handy aus der Hand und erklärte: »Das brauchst du jetzt nicht.« Ich sagte, ich sei doch kein Schwerverbrecher und habe nichts angestellt und was denn das Ganze soll? Da schubste mich ein Beamter plötzlich, sodass ich die Treppe hinunterstürzte. Ich raffte mich auf und äußerte nachdrücklich meinen Unmut. Daraufhin wurde ich 3 ½ Stunden in eine Zelle gesteckt. Ich hatte keine Chance, einen Anwalt anzurufen, und auch die Rechtsgrundlage wurde mir nicht erklärt. Weil ich dringend aufs WC musste, klopfte ich mehrmals an die Tür und sagte, dass ich auf die Toilette müsste. Doch das wurde einfach ignoriert. Kurz bevor ich in die Hose machte, kam dann ein Kripobeamter und erlöste mich.

Der Beamte wollte wissen, warum ich so viele Schlüssel bei mir hätte. Als Stromer hatte ich diverse Schaltschrankschlüssel am Bund. Mein Handy, das sich in meinen Sachen befand, klingelte. Der Beamte nahm den Anruf selbst entgegen. Meine Eltern waren am Telefon. Sie machten sich Sorgen. Endlich gab man mir das Handy und den Hosengurt zurück, und ich konnte wieder gehen. Wie sich später herausstellte, handelte es sich um einen Irrtum. Ein Mann in besagtem Park wollte sich mit einem giftigen Getränk das Leben nehmen. Die Polizei verwechselte mich mit ihm, wodurch es zu diesem Verdacht kam. Auf meine schriftliche Beschwerde bekam ich nie eine Antwort.

AW: Haben Sie heute immer noch Hassgefühle?

M: Ja, weil die Polizei immer wieder willkürlich handelt und mich wegen meinem äußeren Erscheinungsbild kontrolliert oder an meines Erachtens falschen Orten Radarkontrollen durchführt, nur um Kasse zu machen.

AW: Welches Shirt tragen sie öfter, das mit den »Böse Buben« oder das mit dem Kürzel »ACAB«?

M: Das Böse-Buben-Club-Shirt, das ich auch heute trage. Ab und zu trage ich auch das ACAB-Shirt. Ich möchte festhalten, dass ich nicht pauschal gegen alle Polizisten bin. Es gibt auch gute Ordnungshüter.

 

AW: Sie haben verschiedene Tattoos, die ihren Groll gegen den Staat verdeutlichen, oder wie würden Sie das bezeichnen?

M: Es handelt sich um meine Auffassung von Unbeugsam- keit, Gerechtigkeit und Unabhängigkeit.

AW: Was nervt Sie am meisten?

M: Ungerechtigkeit und Bußgeldabzocke. Außerdem das Gefühl vieler Polizisten, dass sie über alles erhaben und etwas Besseres sind. Die Polizei sollte ihrer Rolle als Freund und Helfer gerecht werden und für die Bürger da sein.

Im Verlauf des Gesprächs spüre ich, dass M die Ungerechtigkeit auf der Welt zu Herzen geht. Auf der Straße einem Kind spontan über die Straße zu helfen oder einem älteren Menschen Hilfe anzubieten, sei für ihn selbstverständlich. Pädophile und Vergewaltiger würde er in die Wüste schicken. Er ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr in seinem Wohnort, einer Zürcher Gemeinde, und neben seinem Hauptberuf als gelernter Elektriker arbeitet er sporadisch bei einem Sicherheitsdienst. M ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, ein älterer, unehelicher Sohn lebt in Deutschland.

Treffen mit einem ACAB-Tätowierten

Ich hatte mir im Vorfeld des Treffens lange überlegt, wie ich auf eine solche Person zugehen könnte. Ich nahm dazu nicht die amtlichen Ressourcen zu Hilfe, sondern versuchte es mit Suchbegriffen auf Internetplattformen. Ein riesiger Dschungel voller Bilder und Links kam dabei zum Vorschein. Ich schrieb an verschiedene Tattoo-Studios und fragte, ob sie auch das Kürzel ACAB stechen. Die Antworten waren immer dieselben: »Nein, das machen wir nicht!« Schließlich fand ich einen Bericht über ein Tattoo-Studio mit dem Namen ACAB in Basel. Der ehemalige Inhaber Romeo erklärte sich bereit, mit mir über seine Person zu reden.

So reiste ich an einem Samstagmittag nach Basel, wo ich noch nie zuvor in meinem Leben gewesen war. Ich parkte mein Auto in einem nahegelegenen Parkhaus und machte mich auf den Weg zum Treffpunkt, als sich mir eine junge Dame in den Weg stellte und mich fragte, ob ich Zeit hätte. »Für Sie nicht!«, erwiderte ich etwas ungehalten. So schritt ich weiter Richtung Webergasse, die laut Handynavigation nicht mehr weit sein konnte, als mich eine zweite Prostituierte anquatschte. »Kein Interesse und keine Zeit!«, gab ich schroff zurück. Schließlich fand ich pünktlich den vereinbarten Treffpunkt. Ehrlich gesagt, wusste ich nicht, dass das Restaurant, in dem wir uns verabredet hatten, im Kleinbasler Rotlichtmilieu liegt. Romeo saß bereits in der vorfasnachtlich dekorierten Kneipe am Stammtisch. Am Tisch saß auch ein gelernter Eisenleger, ein skurriler, volltätowierter, aber sehr gesprächiger Typ. Romeo reichte mir seine kräftige Hand und begrüßte mich freundlich. Er zeigte mir sein Tattoo mit den Buchstaben ACAB auf der linken Hand, das auf die vier Finger verteilt, gut lesbar war.

Romeo betrieb von 2014 bis 2018 nur 50 Meter vom Restaurant entfernt ein Tattoo-Studio, bei dem mit großen Buchstaben ACAB auf dem Schaufenster stand. Diesen Schriftzug passte er später bewusst an. Die bunte Version hieß ausgeschrieben »All Colors Are Beautiful«. Wer nun annimmt, Romeo hätte nur einschlägige Kunden gehabt, der irrt sich. Es seien nur zwei bis drei gewesen, die solche Wünsche hatten, erzählt er schmunzelnd. Seine Tattoo-Kunst zelebriert er in schönen Schriftzügen und feinen Zeichnungen aller Art, was die Kunden halt so wünschen. Lange habe er auf den Laden gespart, um sich seinen Traum erfüllen zu können. Nach einem Wasserschaden konnte er die Renovierung nicht mehr finanzieren, und so musste er den Laden schließen.

Der Laden lief recht gut. Aber es gab immer wieder Ereignisse, die für Unruhe sorgten. So wurden seine Schaufensterscheiben und die des benachbarten Ladens mehrmals eingeschlagen. Die Polizei ermittelte gegen Unbekannt. In einem anderen Fall berichteten die Medien über eine Schießerei in der Webergasse. Was war geschehen? Offenbar sollte eine Aussprache stattfinden. Die Situation eskalierte. Drei Männer griffen den Besitzer des Tattoo-Studios an, wobei sie einen Holzstock einsetzten. Am Boden liegend versuchte Romeo, sie mit Pfefferspray abzuwehren. Daraufhin verließen die Täter den Laden, kamen aber kurze Zeit später zurück. In der Zwischenzeit hatte Romeo seine Schrotflinte geholt, die er mit Gummischrot geladen hatte. Er schoss einem der Angreifer auf der Straße in den Rücken. Der Verletzte wurde ins Spital gebracht. Die Polizei stürmte mit gezogenen Waffen den Laden und verhaftete Romeo sowie die Angreifer. Nach der Untersuchungshaft kamen alle Beteiligten wieder frei.

Romeo wuchs ab dem siebten Lebensjahr in einem Heim auf, wie er nachdenklich erzählte. Auch sein einziger Bruder war in einem Heim, allerdings an einem anderen Ort. Die Mutter stufte ihn als unerziehbar ein und steckte ihn darum ins Heim. Den Kontakt zu ihm hat sie abgebrochen. Romeo wurde ein »schwerer Junge«, der sich nicht immer an die Gesetze hielt. Mit 15 Jahren verließ er das Heim und lebte auf der Gasse in der Schweiz. Er gehörte allerdings zu keiner speziellen Gruppierung und fühlte sich auch zu keiner hingezogen. Damals »hani halt gmischlet und gschlegeret« (Damals habe ich halt Drogen weiterverkauft und mich an Schlägereien beteiligt), bemerkte er.

Der eigentliche Grund, warum er sich zu ACAB bekannte, war eine 5 ½ Monate dauernde Untersuchungshaft, weil er mit Haschisch gehandelt hatte. Mit schweren Drogen habe er nie gedealt, behauptet er. Im Knast wird oft mithilfe von Gitarrenseiten und Zahnbürsten tätowiert. Wie das genau funktionierte, wollte ich gar nicht wissen.

Ob sich sein Feindbild in Zukunft verändern werde, fragte ich ihn. Grundsätzlich nein, meinte er. Die Zivilpolizisten akzeptiert er, weil sie achtungsvoll mit ihm umgehen. Aber gegen die uniformierte Polizei hegt er noch immer einen Groll. Für die Fasnacht 2019 modellierte Romeo Masken. Er bastelte auch ein beleuchtetes Sujet. Romeo bleibt ein Ur-Kleinbas- ler-Bueb, eben ein »glaibasler-Gasse-Bueb« (Kleinbasler Gas- sen-Knabe). Damit identifiziert er sich. Festhalten möchte er noch, dass er weder REX (rechtsextrem, von Rechtsextremismus) noch LEX (linksextrem, von Linksextremismus) sei. Er habe sich stabilisiert, er wolle auch nicht von der Sozialhilfe leben, sondern sich selbst durchschlagen können.

Racial Profiling

Racial Profiling oder deutsch Rassenprofilierung genannt, ist in Bezug auf Polizeikontrollen eine Methode, mit der gegen äußere Merkmale und alle Formen diskriminierender Personen- und Fahrzeugkontrollen einem ethnischen oder religiösen Hintergrund nachgegangen wird. Dabei geht es auch um die Frage, ob Polizisten bei Kontrollen unbefangen und ohne Vorurteile handeln. Wie steht es mit der andersartigen Wahrnehmung? Meines Erachtens ist das Verhalten selbst und nicht die Hautfarbe ausschlaggebend. Die allermeisten Polizisten, die ich kenne, leben diese Haltung.

Die Gegenseite prangert abweichendes Verhalten an und vermarktet es rigoros in den Medien. Das Abwägen, ob das der Wahrheit entspricht oder gerecht ist, wird der Leserschaft überlassen. Jedenfalls entstehen so falsche Eindrücke, die sich zu einem Feindbild entwickeln können.

Die Stadtpolizei Zürich setzte seit Januar 2018 eine App ein, mit der die Fakten zu einer Kontrolle erfasst werden können. Damit soll dem Vorurteil begegnet werden, wonach die Polizei vorwiegend dunkelhäutige oder Nordafrikaner kontrolliere. Denn nochmals, nicht die Hautfarbe ist ausschlaggebend, sondern das Verhalten der jeweiligen Person, wie ich meine.

Es bleibt uns nicht viel Zeit für Überlegungen. Die Kontrollen werden aufgrund fundierter Ausbildung durchgeführt. Sicher gibt es vereinzelt auch emotional gesteuerte Aktionen von Seiten der Polizei, die meistens dem Übereifer der betroffenen Beamten zuzuschreiben sind. Allerdings wird die Polizei in der Praxis immer wieder angefeindet, vor allem dann, wenn sie zum Beispiel an einem lauen Sommerabend an einer Seepromenade ausländische Gruppierungen kontrolliert. Meist geschieht das, weil Anwohner oder Nachbarn wegen Lärmbelästigung die Polizei rufen. »Was machen die da?«, wird dann gefragt, oder ein alkoholisierter Mann schreit: »Verpisst euch!« In solchen Situationen entwickelt sich dann ein Feindbild, das sich nur durch besonnenes Einschreiten der Polizei entschärfen lässt.

Welche Gründe führen zu einer Eskalation?

Die grundsätzlich friedliche Stimmung rutscht durch ein unmittelbares Ereignis – oft genügt schon das Martinshorn – in eine schwierige Situation. Das heißt im Klartext: Eine einzige Person, die die Beherrschung verliert und eine Flasche wirft, löst unter Umständen einen Einsatz mit Gummischrot aus. Wird der Übeltäter getroffen, kommt es sofort zu einer Art Solidarisierungseffekt der meist unbeteiligten Menschen, die gerade zufällig anwesend sind oder die den Vorgang beobachten, ohne die genaue Ursache zu kennen. Viele, die mit dem Vorfall nichts zu tun haben, werden mit Adrenalin durchflutet und richten ihre Aggression unvermittelt gegen die Einsatzkräfte. Die Szenerie gerät außer Kontrolle und wird chaotisch.

Vor allem in der Nacht gelingt es den Einsatzkräften oft nur schwer, sich einen Überblick zu verschaffen und die wahren Übeltäter dingfest zu machen. Laut dem deutschen Soziologen Gunter A. Pilz produziert Gewalt Gegengewalt und Repression bringt die Menschen gegen die Polizei auf. Diese These kann ich nur bestätigen. Es ist eine nicht enden wollende Spirale gegenseitiger Reaktionen. Wir müssen akzeptieren, dass jeder Mensch anders ist und die Reaktionen unterschiedlich ausfallen. Zu einer Eskalation kann es auch zufällig kommen, sie muss gar nicht bewusst provoziert worden sein. Auf der anderen Seite sind die als erste am Tatort eintreffenden Polizisten enorm gefordert. Meistens ist schnelles Handeln oder auch Rückzug gefordert. Schnelles Handeln kann gesundheitlich gefährlich sein, ein Rückzug die illegale Aktion befruchten oder sogar ausweiten.

Weil die Polizei angeblich zu wenig gegen Rassismus unternimmt, werden antirassistische Aktionen gegründet, wie zum Beispiel im Mai 2018 die People of Color. Sie organisieren sich selbst, setzen sich für die Rechte der Menschen ein und gehen gegen Rassismus vor. Das kommt meines Erachtens häufig in die Nähe von Selbstjustiz. Auf jeden Fall ist das eine heikle Angelegenheit. Die Gefahren solcher Vergeltungsaktionen bergen ein hohes Risiko und sind daher abzulehnen.

Gewalt gegen Beamte

Polizistinnen und Polizisten werden bei ihrer Arbeit häufig Opfer von Gewalt und Drohungen. Egal, ob gewalttätige Demonstranten, Hooligans, Kriminelle, betrunkene Randalierer oder einfach nur böswillige Menschen: immer öfter landen Polizisten nach einem Einsatz im Krankenhaus. Es muss nicht sein, dass die Exzesse schlimmer werden, wie verschiedene Medien und Politiker behaupten. Der schweizerische Polizeiverband fordert seit Jahren von der Politik eine härtere Bestrafung von Gewalttätern. Entscheidend ist dabei ein fundiertes, gerechtes Urteil. Übertreibungen bei der Darstellung von Ereignissen sind kein guter Ratgeber. Hier hilft nur, sie so zu beschreiben, wie sie wirklich stattgefunden haben. Geschieht das nicht, wird nur Hass geschürt und das Feindbild gestärkt.

Es ist angebracht, sich die Frage zu stellen, ob es nicht gerade die Menschen trifft, die in der Pflege, in der Versorgung alter und gebrechlicher Menschen, in der Sicherheit, bei der Polizei etc. arbeiten und dabei tagtäglich echte, wichtige und nachhaltige Arbeit zugunsten der gesamten Gemeinschaft leisten. Gerade sie werden von Betrunkenen oder von Leuten, die sich in Feierlaune befinden, angepöbelt und angegriffen. Oft werden den Angegriffenen gut gemeinte Auflagen oder Begleitveranstaltungen angeboten, die aber nicht wirklich motivierend sind. Die Folge ist häufig eine überdurchschnittliche Fluktuation oder längere krankheitsbedingte Ausfälle. Es lohnt sich, über diesen komplexen Zusammenhang einmal nachzudenken.

»Du Drecksau«, »Scheißbulle«, »Verpiss dich« oder »Hau ab, Dreckszivilist!« wird den Polizisten oft entgegengeschleudert, dazu zeigt man ihnen den Stinkefinger oder macht einen Handy-Schnappschuss für die Hassgalerie. Solche Beschimpfungen oder Ehrverletzungen sind in Ballungszentren Alltag. Die Menschen begegnen sich auf der Straße. Auf der einen Seite stehen Demonstranten, auf der anderen Polizisten. Als junger Polizist ist man darüber oft verblüfft und schockiert und hofft, dass es zu keiner Reaktion kommt. Danach werden solche Ereignisse zur Gewohnheit, gerade im Bereich von Extremismus oder politisch motiviertem Protest. Es kommt sogar zu gezielten Steinwürfen oder Knallpetarden. Diese letztendlich feigen Argumente machen eine normale Kommunikation unmöglich. Hier zeigt sich das Feindbild am deutlichsten.

 

Ich wurde selbst häufig als Scheißbulle bezeichnet. Was löste das in mir aus? In meiner Funktion als Polizist sind breite Schultern gefragt und eine gewisse Belastbarkeit. Durchgreifen bedeutet Zwang, was wiederum meistens zu kreativen Sprüchen führt. Wer die Macht oder besser die Befugnis hat, sollte auch etwas vertragen können, wie ich meine. Wenn der Beamte jede Lappalie anzeigen würde, wären die Gerichte völlig überlastet. Klare, gezielte und hinterlistige Taten und Angriffe, die Leib und Leben gefährden, müssen allerdings konsequent geahndet werden.

Ich habe in all den Jahren nie eine Klage eingereicht, habe es aber unzählige Male von Kollegen erlebt. Es muss jedem selbst überlassen bleiben, ob er gerichtlich gegen solche Angriffe vorgeht. Bei Demonstrationen ist, meiner Meinung nach, eine dicke Haut ein guter Berater. Zu groß ist die Relation von Aufwand und Ertrag bei einer Anzeige. In schlimmeren Fällen, bei denen es zu Verletzungen kommt, muss allerdings von Amtes wegen Bericht erstattet werden. Die angehenden Polizisten werden in der Ausbildung auf solche Fälle vorbereitet. Mit den drei Maßnahmen – Dialog, Deeskalieren, Durchsetzen – versuchen die Beamten, das Problem in den Griff zu bekommen. Das gelingt zwar nicht immer, wie folgender Fall zeigt.

Bei einer Kontrolle unter einer Brücke in der Stadt explodiert der Hass. Der zu überprüfende, stark alkoholisierte Mann, der darüber hinaus unter Drogeneinfluss steht, rastet total aus und greift die Polizisten an. Er wird verhaftet, ein Polizist muss mit einer Rissquetschwunde im Krankenhaus behandelt werden. Einige Tage später trifft der Polizist den Täter allein auf der Straße. Er ist nicht wiederzuerkennen, völlig entspannt, und – kaum zu glauben – er entschuldigt sich sogar. Die lieben Emotionen eben!

So etwas passiert nicht bei jeder Demonstration, aber an jeder, an der Linksextreme beteiligt sind. Die verhärteten Fronten spiegeln die Gegenpole wider. Es ist, als handle es sich um eine Revolution gegen Gesetzeshüter. Zu einer Freundschaft wird es in dieser Nische nie kommen. Das muss man einfach akzeptieren.

Demonstrationen

Unter dem Sammelbecken einer Linksextremismus-Demonstration finden wir Autonome, Eventchaoten, Krawalltouristen, Mitläufer, anlassbezogene »Eintagsfliegen« bis hin zu Gaffern, die zu Demonstranten mutieren. Die Eventchaoten zählen beispielsweise die Anzahl eingeschlagener Scheiben und betrachten dies als eine Art Wettkampf. Ist um die Ecke ein Getränkehändler, womöglich einer, der Spirituosen führt, dann wird die Gelegenheit genutzt, und man zertrümmert kurzerhand die Scheiben, um sich mit dem erbeuteten Alkohol zu stärken.

Bei eher ideologisch motivierten Demonstrationen sind häufig viele Frauen eingebunden. Wenn es hingegen um den »schwarzen Block« geht, sinkt der Anteil Frauen massiv. Nur extrem militante Frauen werfen Steine und verüben auch schon einmal einen Anschlag, wie zum Beispiel am Frauenkampftag vom 8. März oder 25. November, dem Tag der Gewalt gegen Frauen.

Die Massenproteste der Gelbwesten in Frankreich Ende 2018 zeigten, welche Macht das Volk hat. Der Präsident machte nach mehreren Wochen anhaltender Streiks deutliche Zugeständnisse zu den finanz- und sozialpolitischen Forderungen der Arbeiterbewegung. Dennoch konnte dadurch die Bewegung nicht erstickt werden, ganz im Gegenteil: Es wurde eine neue Partei gegründet, welche die Forderungen künftig auf dem politischen Parkett einbringen will. Sie soll Les Émergents– zu Deutsch etwa: die Aufstrebenden– heißen.

Der Tag der Chaoten am 1. Mai kann wieder zum Tag der Arbeiter werden, gemäß seiner ursprünglichen Bedeutung. Ich frage mich, was wohl passieren würde, wenn sich die Polizei an einem solchen Tag lediglich auf die Grundversorgung konzentrierten würde. Artet der Tag dann erst recht aus? Wenn nicht, so hätten die Chaoten kein Feindbild mehr. Schließlich werden in anderen Städten auch friedliche, bunte Umzüge abgehalten. Ein Never-Ending mit ständigen Ausschreitungen kann nicht die Lösung sein. Die arbeitende Bevölkerung demonstriert gesittet, die Autonomen halten sich zurück. Das Undenkbare wird real. Der unschöne Begleiteffekt von Demonstrationen, die Extrakosten, könnten eingespart werden.

2019 – das Jahr des Frauenstreiks

Nach dem Frauenkampftag am 8. März gingen die Wogen hoch. Grund war die von der Polizei auferlegte »Zwangsroute«, wie sie von der Bewegung genannt wurde. Die Stimmung war gereizt, wie sich an der Bahnhofbrücke zeigte. Die Frauen rissen das Absperrband weg und gingen bis an die Gitterfahrzeuge der Polizei heran, wo auch ein Wasserwerfer in Stellung gebracht worden war. Sie skandierten über eine halbe Stunde lang gegen die Routenbeschneidung. Die Polizei verhielt sich ruhig und hielt ihre Position. Schließlich gaben die Demons- trantinnen auf und wandten sich ab. Nach der Demonstration wurden auf Abfallkübeln und Straßenlampen Kleber gefunden, auf denen stand: »Polizei – nirgendwo Gerechtigkeit – wir lassen uns nichts mehr gefallen von euch.« So verdeutlichte die Frauen-Antifa-Bewegung wegen der auferlegten »Zwangsroute« ihren Groll. Die neue Stadträtin der Grünen (Rykart) wurde heftig kritisiert. Sie habe eine Zuckerbrot- und Peitsche-Taktik angewendet. Auf eine solche Haltung gebe es nur die Antwort, sich nicht spalten zu lassen, weiterzukämpfen und wild und unberechenbar zu bleiben. Das Patriarchat und der Kapitalismus seien eng miteinander verschränkt, so die Ideologinnen des Frauenprotests. Der Kapitalismus mache die Frauen zu Objekten. Wörtlich stand in der Pressemitteilung der revolutionären Frauen: »Die Schmier* schaffte es nicht, uns zu spalten. Die Bullen nutzten ihr gesamtes Arsenal, um uns einzuschüchtern, was ihnen nicht gelang. Wir zeigten uns trotz Polizeigewalt kämpferisch und lautstark.« Die Tradition, am Frauenkampftag auf die Straße zu gehen, ist ein hohes Gut aufseiten der linken Frauenbewegungen. Dies gilt es meiner Meinung nach auch zu respektieren. Allerdings darf die Demonstration nicht für Sachbeschädigungen missbraucht werden. Die gemäßigten Frauen unter ihnen sollten ein Interesse daran haben, ihre militanten Kolleginnen daran zu hindern. Vor allem, wenn es zu massiven Sachbeschädigun- gen kommt, wie 2018 geschehen. Daher gilt es auch hier, die Situation in einem 360-Grad-Spektrum zu betrachten: Wer gegen Gewalt demonstriert, sollte selbst nicht gewalttätig werden. Das klingt zwar moralisch, wird aber durchaus kontrovers diskutiert. Die Abwägung der Verhältnismäßigkeit kann hier bei der Beurteilung weiterhelfen. Wie weit gehen die Frauen bezüglich Gewalt und Militanz? Meine Erfahrung bei schweren Ausschreitungen zeigt, dass es vorwiegend junge Männer sind, die sich im militanten Block an kritischen Demonstrationen beteiligen. Frauen sind eher kreativ und sprayen oder werfen auch mal einen Farbbeutel. Wenn es um die Hartnäckigkeit und den Durchhaltewillen geht, bewegen sich Frauen mit Männern auf Augenhöhe. Sie fordern schließlich auch die Gleichstellung in allen Berufen.

Klima und Umwelt

Ich finde es sehr gut, wenn sich junge Leute Sorgen um die Zukunft machen. In vielen Ländern gehen Schüler für einen Klimawandel auf die Straße. Es gelang ihnen sogar, Politiker zu überzeugen, dass sie etwas unternehmen müssen. Die Jugendlichen demonstrierten zum Beispiel für die Ausrufung des Klimanotstands vor dem Rathaus. Der Stadtrat von Zürich wurde im Frühjahr 2019 aufgrund einer Motion* der linken Parteien aufgefordert, dass der Gemeinderat eine stringente Klimapolitik (was frech, frisch bedeutet) in die städtische Verfassung aufnehmen solle. Das wäre eine gute Sache, wie ich meine. Wer hat schon etwas gegen eine klare und nachhaltige Klimapolitik.

To koniec darmowego fragmentu. Czy chcesz czytać dalej?