Handbuch Medizinrecht

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b) Angestellter mit „Zulassungssperre“

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Vollkommen anders ist die Situation, wenn eine Anstellung in einem gesperrten Bereich vorgenommen werden soll. Für diese Konstellation sieht § 101 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vor, dass in der Bedarfsplanungs-Richtlinie des G-BA Vorschriften vorzusehen sind, wonach die Anstellung von Ärzten bei einem Facharzt desselben Fachgebietes bzw. derselben Facharztbezeichnung ermöglicht werden soll, dies verbunden mit der Verpflichtung, sich auf eine gewissen Menge der Leistungserbringung zu beschränken. Entsprechendes wird durch die Verweisung in § 52 Bedarfsplanungs-Richtlinie auf die Regelungen über das Job-Sharing gewährleistet.

752

Sofern der Planungsbezirk gesperrt ist, kann eine Teilzeitanstellung im Grad von 0,5 nicht erweitert werden, weil dieses gegen die Grundsätze des Planungsrechts verstößt.[500] Dann wäre es erforderlich, im Rahmen eines Nachbesetzungsverfahrens noch eine weitere Stelle von 0,5 zu übernehmen.

c) Verzicht zu Gunsten der Anstellung

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Der Verzicht zugunsten der Anstellung, sei es bei einem Vertragsarzt oder sei es bei einem MVZ findet für die Planungsbereiche, in denen Zulassungssperren angeordneten worden sind, ihre Rechtsgrundlage in § 103 Abs. 4a bzw. 4b SGB V. Der Gesetzgeber hat in diesem Zusammenhang eine Trennung zwischen der Anstellung in einem MVZ (Abs. 4a) bzw. bei einem Vertragsarzt (Abs. 4b) vorgenommen. Beide Vorschriften sind im Wesentlichen wortidentisch. Bei dem Verzicht zu Gunsten der Anstellung findet eine Veräußerung der Praxis an den zukünftigen Arbeitgeber statt und der Arbeitgeber hat neben seiner eigenen Zulassung noch zusätzlich die Genehmigung der Beschäftigung eines Arztes, ohne dass er den Beschränkungen aus dem Job-Sharing belastet ist.

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Für die Praxis bedeutsam ist die Entscheidung des BSG[501], wonach grundsätzlich geplant sein muss, dass der verzichtende Vertragsarzt als angestellter Arzt noch für die Dauer von mindestens 3 Jahren in der Anstellung in tätig wird. Begründet wird diese Auffassung damit, dass bei einem Verzicht zugunsten der Anstellung ein Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a SGB V nicht durchgeführt werden muss, es wird mithin auch nicht die Bedarfsnotwendigkeit des Vertragsarztsitzes für die Zukunft geprüft und auch keine Auswahlentscheidung getroffen, sodass – um einen Gestaltungsmissbrauch zu vermeiden – die Beschäftigung auf Dauer angelegt sein muss. Dies führt insbesondere bei der Gestaltung des Arbeitsvertrages zu erheblichen Problemen,[502] weil die Befristung von Arbeitsverträgen in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung kritisch gesehen wird. Die Beschäftigung innerhalb des 3-jährigen Zeitraums muss jedoch nicht durchgehend das gleiche Niveau haben, wie es zum Zeitpunkt der Anstellung war. Es kann in jährlichen Stufen von 0,25 reduziert werden. Diese Regelung beinhaltet jedoch nicht, dass das Arbeitsverhältnis zwingend 3 Jahre bestehen muss. Treten nach genehmigter Beschäftigung Umstände ein, die eine weitergehende Zusammenarbeit für die Vertragsparteien des Arbeitsvertrages nicht mehr zumutbar sind, dann ist ein früheres Ausscheiden des angestellten Arztes unschädlich. Exemplarisch seien in diesem Zusammenhang auf die allgemeinen Gründe für eine außerordentliche Kündigung eines Arbeitsvertrages hinzuweisen. Auch eine plötzliche schwerwiegende Erkrankung des Arbeitnehmers, selbst wenn dieses kein Recht für eine außerordentliche Kündigung beinhaltet, kann dazu führen, dass das Arbeitsverhältnis vor dem Ende des 3 Jahreszeitraums beendet wird, ohne dass die Möglichkeit ausscheidet, dass ein neuer Arzt auf der bisherigen Anstellungstätigkeit wieder beschäftigt wird.

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Innerhalb der Vertragsgestaltung sind die Probleme der Dreijahresfrist im Kaufvertrag und nicht im Arbeitsvertrag zu lösen. Als Lösungsmöglichkeiten sind in diesem Zusammenhang einen verspäteten Fälligkeitszeitpunkt des Kaufpreises – nach dem Ablauf der 3 Jahre – oder die Zahlung einer Vertragsstrafe, wenn der Arbeitnehmer unberechtigt im Sinne der Rechtsprechung des BSG das Beschäftigungsverhältnis beendet.

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§ 103 Abs. 4a S. 3/Abs. 4b S. 3 SGB V sieht im Übrigen vor, dass der Arzt nicht unmittelbar in den Räumlichkeiten seines zukünftigen Arbeitsnehmers tätig werden muss. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass der auf die Zulassung verzichtende Arzt als angestellter Arzt in seiner bisherigen Praxis weiter tätig bleibt, dann jedoch in der Rolle eines angestellten Arztes. Dieses Regelungskonzept in § 103 SGB V ist für diese Fallkonstellation nicht abschließend, vielmehr ist es neben der Anstellungsgenehmigung zusätzlich erforderlich, dass nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV für diesen weiteren Standort des Arbeitgebers noch eine Zweigpraxisgenehmigung erteilt wird. Speziell für diese Fragestellung sieht § 24 Abs. 3 S. 4 Ärzte-ZV vor, es könne auch eine Verbesserung der Versorgung dadurch erreicht werden, dass eine bestehende Praxis am ursprünglichen Vertragsarztsitz als Zweitpraxis weitergeführt wird. Mit dieser Einfügung auf Grundlage des TSVG wollte der Gesetzgeber den Verzicht zugunsten der Anstellung bei gleichzeitiger Beantragung einer Zweigpraxis erleichtern.[503] Regelmäßig wird es der Fall sein, dass – trotz Überversorgung – sich die Versorgung verschlechtert, weil ein bisheriger Leistungserbringer bei der Verlegung seines Vertragsarztsitzes in der regionalen Versorgung wegfallen wird. Daraus ergibt sich die Konsequenz, dass regelhaft eine Bedarfsnotwendigkeit für die Genehmigung einer Zweigpraxis nach § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV vorliegt. Sollte jedoch der Vertragsarztsitz an den Sitz des zukünftigen Arbeitgebers verlegt werden, so ist dieses nur zulässig, soweit nicht Gründe der vertragsärztlichen Versorgung dem entgegenstehen (§ 103 Abs. 4a S. 1/Abs. 4b S. 1 SGB V). Dabei dem Verzicht zugunsten der Anstellung mit dem Umzug des Arztes zu sein. Neuen Arbeitgeber letztlich um eine Praxissitzverlegung handelt, ist noch zusätzlich zu prüfen, inwieweit eventuell Versorgungsgründe dem entgegenstehen könnten.[504]

d) Hochschullehrer/wissenschaftliche Mitarbeiter

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Eine weitere Besonderheit der Anstellung sieht im Übrigen § 95 Abs. 9a SGB V für Professoren im Zusammenhang mit der Allgemeinmedizin vor. Mindestens halbtagsbeschäftigte Professoren für Allgemeinmedizin, seien sie beamtet oder als Angestellte tätig, können als angestellte Ärzte unabhängig von Zulassungsbeschränkungen bei Hausärzten angestellt werden, wenn sie im Arztregister eingetragen sind. Die gleiche Privilegierung erhalten im Übrigen wissenschaftliche Mitarbeiter von angestellten bzw. beamteten Hochschullehrern. Diese Ärzte werden in der Bedarfsplanung auch nicht mitgerechnet.

e) Besonderheiten im zahnärztlichen Bereich

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Im zahnärztlichen Bereich gibt es wegen des Fehlens von Zulassungssperren aufgrund der Änderungen durch das GKV-WSG keine Differenzierung zwischen Angestellten in zulassungsgesperrten und zulassungsfreien Planungsbereichen.

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Wie auch im ärztlichen Bereich ist die Möglichkeit der Anstellung von Zahnärzten durch die Bundesmantelverträge beschränkt. § 9 Abs. 3 S. 5 BMV-Z sehen vor, dass die Anzahl der anzustellenden Ärzte auf drei vollzeitbeschäftigte Zahnärzte begrenzt wird. Sollen nur „Teilzeit-Zahnärzte“ angestellt werden, so erhöht sich die Anzahl auf die Anzahl, die maximal den Versorgungsauftrag von drei Zahnärzten entspricht. Weiterbildungs- oder Vorbereitungsassistenten können in diesem Zusammenhang nicht mit in die Berechnung einbezogen werden, da die jeweilige Anstellung auf Grundlage von unterschiedlichen Vorschriften vorgenommen wird.

2. Assistenten

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Innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung besteht auch die Möglichkeit der Beschäftigung von Assistenten. Nach § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV ist es zulässig, einen Assistenten zu beschäftigen, wenn dies im Rahmen der Aus- oder Weiterbildung oder aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erfolgt. Hierfür bedarf es einer Genehmigung der KV, die Dauer der Beschäftigung ist zu befristen. Gleichzeitig darf der Assistent wegen § 32 Abs. 3 Ärzte-ZV nicht dazu führen, dass eine Vergrößerung der Praxis stattfindet oder einer Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis dient. Eine übergroße Praxis ist dann zu bejahen, wenn sie das Doppelte des durchschnittlichen Praxisumfangs erbringt.[505] Ein unzulässiges Vergrößern der Praxis bejaht die Rechtsprechung[506] im Regelfall dann, wenn ein Fallzahlzuwachs von 25 % vorliegt; dabei soll die Größe der bisherigen Praxis keine Rolle spielen, was unter dem Gesichtspunkt bedenklich ist, da ansonsten dem Arzt die Möglichkeit im Rahmen der Honorarverteilung hat, auf den Fachgruppendurchschnitt zu wachsen. Liegt eine übergroße Praxis vor oder wird die Praxis unzulässig vergrößert, so kann im Rahmen einer sachlich-rechnerischen Berichtigung das Honorar gekürzt werden,[507] dabei ist es nicht erforderlich, dass die Genehmigung der Beschäftigung widerrufen wird.[508]

761

Der Weiterbildungsassistent ist ein Arzt nach Erteilung der Approbation, der jedoch noch kein Facharzt ist. Um ihm die Weiterbildung zum Facharzt zu ermöglichen, sieht die jeweilige Weiterbildungsordnung für die Facharztausbildung auch die Weiterbildung in einer ambulanten Einrichtung vor, so dass vertragsarztrechtlich eine entsprechende Einbindung geboten ist. Dafür ist es berufsrechtlich erforderlich, dass der Arzt eine Weiterbildungsermächtigung besitzt und seine Praxis als Weiterbildungsstelle von der Ärztekammer anerkannt wurde. Solange diese Voraussetzungen vorliegen, kann die Genehmigung der Beschäftigung eines Weiterbildungsassistenten nicht mit einer fehlenden Eignung innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung untersagt werden.[509] Im Übrigen besteht ein Rechtsanspruch auf Genehmigung des Weiterbildungsassistenten, sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind.[510]

 

762

Der Entlastungsassistent wird genehmigt, wenn dies für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung erforderlich ist, oder wenn der Vertragsarzt vorübergehend und nicht für einen langen unabsehbaren Zeitraum[511] verhindert ist, seinen vertragsärztlichen Pflichten in vollem Umfange nachzukommen.[512] Dafür reicht jedoch die Wahrnehmung einer berufspolitischen Tätigkeit nicht aus.[513] Wegen der speziellen Versorgungssituation der Praxis im Einzelfall können auch Zulassungssperren einer Assistentengenehmigung nicht entgegen gehalten werden, denn es geht um die gebotene Fortführung der Praxis während eines vorübergehenden Ausfalls des Praxisinhabers.[514]

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In § 32 Abs. 2 S. 2 Ärzte-ZV wurde noch die Möglichkeit geschaffen, aus familiären Gründen einen Assistenten zu beschäftigen. Hierbei handelt es sich einerseits um die Beschäftigung für Zeiten der Erziehung von Kindern (Nr. 2) bis zu einer Dauer von 36 Monaten, die nicht am Stück genommen werden müssen, sie sind bis zum 18. Lebensjahres der Kinder zu nehmen. Eine Aufstockung der Beschäftigungserlaubnis für mehrere Kinder findet nicht automatisch statt. Zum anderen kann für die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (Nr. 3) für die Dauer von 6 Monaten ein Assistent beschäftigt werden. Nach § 32 Abs. 2 S. 3 Ärzte-ZV ist die KV berechtigt, im Rahmen einer Ermessensentscheidung die vorgenannten Fristen noch zu verlängern.

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Bezüglich der Genehmigung von Assistenten ist darauf hinzuweisen, dass dieses immer im Voraus geschehen muss; wegen der Statusbegründetheit von Zulassungsentscheidungen sind rückwirkende Genehmigungen nicht zulässig.[515] Ferner ist darauf zu achten, dass die Assistentengenehmigung der Vergrößerung der Praxis oder der Aufrechterhaltung einer übergroßen Praxis nicht dienen darf.[516]

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Innerhalb des zahnärztlichen Bereichs ist auch noch der Vorbereitungsassistent gemäß § 32 Zahnärzte-ZV i.V.m. § 3 Abs. 2 Buchst. b Zahnärzte-ZV zu berücksichtigen. Nach § 3 Abs. 2 Buchst. b Zahnärzte-ZV ist für Zahnärzte vorgeschrieben, dass sie mindestens eine zweijährige Vorbereitungszeit bei einem oder mehreren Vertragszahnärzten ableisten. Für die Genehmigung des Weiterbildungsassistenten ist es nicht erforderlich, dass dieser bereits eine Approbation besitzt, eine Berufserlaubnis nach § 13 ZHG reicht aus.[517] Die Anzahl der Vorbereitungsassistenten ist bei einer Einzelpraxis begrenzt auf maximal zwei Vorbereitungsassistenten, sofern diese zusätzlich noch zeitversetzt tätig sind.[518] Im Übrigen richtet sich die Anzahl der Vorbereitungsassistenten nach der Anzahl der Versorgungsaufträge.[519]

3. Vertreter

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Der Vertragsarzt hat seine vertragsärztliche Tätigkeit grundsätzlich persönlich in freier Praxis auszuüben, was sich aus § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV ergibt. Bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an einer ärztlichen Fortbildung oder einer Wehrübung besteht die Möglichkeit, sich innerhalb von zwölf Monaten bis zur Dauer von drei Monaten vertreten zu lassen; speziell für die Vertragsärztin sieht § 32 Abs. 1 S 2 Ärzte-ZV vor, dass diese sich für die Dauer von 12 Monaten vertreten lassen kann, sofern die Vertretung im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit einer Entbindung steht. Eine Vertretung eines Arztes ist jedoch nicht möglich, wenn dessen Approbation ruht.[520] Die zwölf Monate beziehen sich nicht auf ein Kalenderjahr, vielmehr auf ein Jahr, so dass regelmäßig Neuberechnungen erforderlich sind, ob die Dreimonatsfrist nicht überschritten wird. Sollte sich ein Vertragsarzt von einem anderen Vertragsarzt zeitweilig vertreten lassen, steht dies der Verfügbarkeit in der eigenen Praxis nicht entgegen.[521] Soll ein Nichtvertragsarzt einen Vertragsarzt vertreten, so ist im Mindestmaß erforderlich, dass er die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 Ärzte-ZV erfüllt. Damit die Leistungen des Vertreters auch vollständig abrechnungsfähig sind, muss der Vertreter die gleiche Qualifikation innehaben wie der vertretene Arzt.[522] Bei der genehmigungsfreien Vertretung von § 32 Abs. 1 Ärzte-ZV besteht erst bei einer Vertretung von mehr als einer Woche die Verpflichtung, dieses der KV mitzuteilen. Soll die Vertretung insgesamt länger als drei Monate innerhalb eines Jahres durchgeführt werden, so bedarf dies der Genehmigung durch die KV, sollte eine Genehmigung nicht erteilt werden, so ist hilfsweise an das Ruhen der Zulassung zu denken. Nach § 32b Abs. 6 und 7 Ärzte-ZV gelten diese Regelung auch für die Vertretung von angestellten Ärzten entsprechend. Bei der internen Vertretung innerhalb eines MVZ ist zu beachten, dass – obwohl letztlich eine interne Vertretung vorliegt, die nicht angezeigt werden muss – diese nur für die Dauer von 3 Monaten innerhalb von 12 Monaten möglich ist, ohne die Anstellungsgenehmigung des internen Vertreters anzupassen.[523]

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › XIII. Zweigpraxis/ausgelagerte Praxisräume

XIII. Zweigpraxis/ausgelagerte Praxisräume

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Ein atypischer Bereich wird tangiert, wenn der Vertragsarzt in Teilen mit seinem Praxisbetrieb von dem zugelassenen Praxissitz (Vertragsarztsitz) abweichen will.[524] Unproblematisch ist, wenn der Arzt lediglich ausgelagerte Praxisräume betreiben will. Ausgelagerte Praxisräume liegen nach § 24 Abs. 5 Ärzte-ZV vor, wenn der Arzt einzelne Leistungen aus dem gesamten Diagnose- und Behandlungsspektrum ausschließlich in von der Praxis getrennten Räumlichkeiten anbietet. Die ausgelagerten Praxisräume sind nicht genehmigungspflichtig. Dafür ist es erforderlich, dass der erste Arzt-Patienten-Kontakt in der Sprechstunde des Arztes stattfindet,[525] was exemplarisch bei der Tätigkeit eines Arztes in einem ambulanten Operationszentrum der Fall ist.[526] Ferner können nur die Räumlichkeiten ausgelagerte Praxisräume sein, in denen Leistungen erbracht werden, die nicht am Vertragsarztsitz erbracht werden.[527] Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist von einer Zweigpraxis auszugehen. An dieser Abgrenzung zwischen genehmigungsfreien ausgelagerten Praxisräumen und genehmigungspflichtigen Zweigpraxen hat das VÄndG nichts geändert.[528]

768

Während vor Inkrafttreten des VÄndG eine Zweigpraxis nur zulässig war, wenn ein entsprechender ausdrücklicher Versorgungsbedarf existierte, hat hier eine erhebliche Liberalisierung des Rechts stattgefunden, in dem auch die Regeln des Berufsrechts im Wesentlichen nachgezeichnet worden sind. Nunmehr sieht § 24 Abs. 3 Ärzte-ZV/§ 24 Abs. 3 Zahnärzte-ZV vor, dass eine vertragsärztliche Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes an weiteren Orten zulässig ist, wenn und soweit dies die Versorgung der Versicherten an einem weiteren Ort verbessert und die ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten am Ort des Vertragsarztsitzes nicht beeinträchtigt wird. Bei der Prüfung, ob eine Verbesserung der Versorgung stattfindet oder ob eine Gefährdung der Versorgung am Vertragsarztsitz vorliegen könnte, haben sowohl die KV als auch die Zulassungsgremien bei KV-überschreitenden Anträgen auf Genehmigung einer Zweigpraxis einen Beurteilungsspielraum.[529] Die Genehmigung einer Zweigpraxis ist ferner ein Ausfluss aus dem Zulassungsstatus als Vertragsarzt und stellt keinen neuen Status dar.[530]

769

Grundsätzlich ist zu beachten, dass die Erteilung einer Zweigpraxisgenehmigung keine Änderung des Status des Arztes beinhaltet, sie beinhaltet eine Erweiterung in tatsächlicher Sicht bezogen auf die Behandlungsmöglichkeiten des Arztes.[531] Gleichzeitig ist es zulässig, den Vertragsarzt auch am Sitz der Zweigpraxis mit zum vertragsärztlichen Notdienst heranzuziehen.[532] Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Zweigpraxisgenehmigung im Bereich der Dialyse, da in Anlage 9.1 BMV-Ä noch spezielle Regelungen existieren.[533] Ferner gelten für Medizinische Versorgungszentren die berufsrechtlichen Beschränkungen für die Anzahl von Zweipraxen – § 17 MBO-Ärzte: „Ärztinnen und Ärzten ist es nicht gestattet, über den Praxissitz hinaus an zwei weiteren Orten ärztlich tätig zu sein“ – nicht.[534]

770

Eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten liegt immer dann vor, wenn eine Bedarfslücke besteht, die zwar nicht unbedingt geschlossen werden muss, die aber nachhaltig eine durch Angebot oder Erreichbarkeit veränderte Situation im Sinne der vertragsärztlichen Versorgung verbesserte Versorgungssituation herbeiführt.[535] Dies wird man in aller Regel immer dann bejahen können, wenn ein nicht gesperrter Planungsbereich vorliegt.[536] Das BSG[537] geht auch davon aus, dass eine Versorgungsverbesserung eintreten kann, wenn eine Zweigpraxis betrieben werden soll, die Tatsache der Überversorgung steht dem nicht entgegen. Entscheidend ist nach Auffassung des BSG lediglich, ob die Versorgung tatsächlich verbessert wird. Dies ist immer dann anzunehmen, wenn in qualitativer Sicht Leistungen angeboten werden, die bisher in diesem Bereich nicht angeboten worden sind, hier können auch förmliche Nachweise im Zusammenhang mit dem Vorliegen einer Fachkunde verlangt werden.[538] Aus quantitativer Betrachtungsweise kann eine Verbesserung der Versorgung eintreten, wenn zu lange Wartezeiten[539] existieren oder Sprechstundenzeiten angeboten werden, die sonst nicht angeboten werden. Nicht erforderlich ist, dass durch die Zweigpraxis zwingend eine große Anzahl von Patienten versorgt wird.[540] Eine Verbesserung der Versorgung wird verneint, wenn eine Ärztin im Bereich der künstlichen Befruchtung eine Zweigpraxis beantragt und die Konkurrenten noch freie Kapazitäten aufweisen.[541]

771

In der Rechtsprechung[542] wird zu Unrecht eine Verbesserung der Versorgung verneint, wenn die Zweigpraxis in einer räumlichen Nähe zum Vertragsarztsitz liegt, auch wenn zwischen Vertragsarztsitz und Zweigpraxis nur eine Entfernung von 17 bzw. 19 km liegt. Auf der anderen Seite kann bei der Prüfung der Verbesserung der Versorgung auch eine große Entfernung zwischen Praxissitz und geplanter Zweigpraxis eine Rolle spielen.[543]

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Gleichzeitig darf eine ordnungsgemäße Versorgung der Versicherten im Ort des Vertragsarztsitzes nicht gefährdet werden. Dies ist dann der Fall, wenn der Vertragsarzt überwiegend seine vertragsärztliche Tätigkeit am Praxissitz ausübt. Diese Verpflichtung kann auch durch angestellte Ärzte erfüllt werden.[544] Ferner besteht die Notwendigkeit, dass der Arzt auch in einer gewissen räumlichen Nähe zu seinem Vertragsarztsitz die Zweigpraxis ausübt. Diese räumliche Nähe lässt sich an den Kriterien der Residenzpflicht orientieren, so dass eine Entfernung von 128 km mit einer Fahrtzeit von eineinhalb Stunden pro Wegstrecke als zu weit angesehen werden kann.[545] In diese Richtung dürfte auch die Entscheidung des BSG vom 9.2.2011[546] zu verstehen sein, die verstärkt auf die Versorgung am Vertragsarztsitz abstellt. Dabei wird weiter der Gesichtspunkt der Zeiten der Zweigpraxis unter Berücksichtigung der Entfernung angesprochen, der Arzt muss auch außerhalb seiner Sprechstundenzeiten für seine Patienten zur Verfügung stehen, sofern nicht der organisierte Notdienst eingreifen kann. Ob die Änderung in § 24 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 Ärzte-ZV, wonach geringfügige Beeinträchtigungen an der Versorgung am Vertragsarztsitz unbeachtlich bleiben, wenn sie durch die Verbesserung an dem weiteren Ort aufgewogen wird, bleibt abzuwarten. Es ist jedenfalls davon auszugehen, dass für diesen Abwägungsprozess der KV bzw. den Zulassungsgremien ein Beurteilungsspielraum einzuräumen ist.

773

Die Genehmigung der Zweigpraxis kann aufgrund von § 24 Abs. 4 S. 1 Ärzte-ZV/§ 24 Abs. 1 Zahnärzte-ZV mit Nebenbestimmungen (§ 32 SGB X) versehen werden, um die ordnungsgemäße Tätigkeit sowohl am Sitz des Arztes als auch im Bereich der Zweigpraxis zu gewährleisten. Wegen der ausdrücklichen Anordnung der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen wird man davon ausgehen müssen, dass die Genehmigung der Zweigpraxis eine gebundene Entscheidung ist. Hätte es sich um eine Ermessensentscheidung gehandelt, hätte es einer ausdrücklichen Erlaubnis von Nebenbestimmungen nicht bedurft, was sich aus dem Zusammenspiel von § 32 Abs. 1 und Abs. 2 SGB X ergibt. Dennoch besteht ein gerichtlich nur eingeschränkter Beurteilungsspielraum bei der Entscheidungsfindung durch die KV im Zusammenhang mit der Verbesserung der Versorgung.[547]