Handbuch Medizinrecht

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6. Medizinische Behandlungszentren

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Die medizinischen Behandlungszentren nach § 119c SGB V – nicht zu verwechseln mit den medizinischen Versorgungszentren – haben Erwachsene mit geistiger Behinderung oder schweren Mehrfachbehinderungen zu versorgen, um den leistungsrechtlichen Anspruch dieser Patienten nach § 43b SGB V, auf Ebene der Leistungserbringer abzusichern. Damit korrespondierend zu den Sozialpädiatrischen Zentren nach § 119 SGB V eine vergleichbare Behandlungsform geschaffen worden, die nur Erwachsene betrifft.[328] Dadurch wird eine lückenlose Versorgung im Anschluss an die Behandlung in einem sozialpädiatrischen Zentrum gewährleistet.[329] Die Behandlungszentren müssen nach § 119c Abs. 1 S. 1 SGB V unter ständiger ärztlicher Leitung stehen und die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche Behandlung bieten. Zwar sieht § 119c Abs. 1 S. 1 SGB V vor, dass die Zulassungsausschüsse eine Ermächtigung erteilen können, was für ein Ermessen sprechen könnte, dies dürfte jedoch im Hinblick auf § 119c Abs. 1 S. 2 SGB V letztlich nicht der Fall sein, denn dort wird von einer gebundenen Entscheidung gesprochen: „die Ermächtigung ist zu erteilen“.[330] Daneben existieren noch unbestimmte Rechtsbegriffe mit Beurteilungsspielraum, die sich im Zusammenhang mit der Notwendigkeit und einer ausreichenden Versorgung von Erwachsenen mit geistiger Behinderung oder schwerer mehrfacher Behinderungen ergeben. Interessant ist die sich nicht im Gesetzestext, jedoch in der amtlichen Begründung wiederfindende Überlegung, wonach auch zahnmedizinische Leistungen erbracht werden dürfen; daraus ergibt sich zudem die Notwendigkeit auch einer Erteilung einer Ermächtigung durch die Zulassungsgremien bei den KZV.

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Bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist zu prüfen, ob eine ausreichende personelle und sächliche Ausstattung vorhanden ist. Bei der Qualifikation der im medizinischen Behandlungszentrum tätigen Ärzte ist eine besondere Weiterbildungsregelung nicht ausdrücklich existent. Es ist darauf zu achten, dass die erforderlichen Kenntnisse entsprechend der strukturierten curricularen Fortbildung „Medizinische Betreuung von Menschen mit geistiger oder mehrfacher Behinderung“ der BÄK vorliegen.[331]

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Innerhalb des Leistungsspektrums soll neben der spezifischen Diagnostik eine wesentliche Aufgabe sein, die Versorgung zu koordinieren, dies insbesondere zwischen den einzelnen Fachärzten und den nichtärztlichen Leistungserbringern. Gleichzeitig soll zusätzlich eine Koordinationsleistung mit den Diensten der Eingliederungshilfe vorgenommen werden. Die Vergütung für die Leistungen der medizinischen Behandlungszentren richtet sich nach § 120 SGB V; dort wurden die Regelungen zur Vergütung der medizinischen Behandlungszentren eingepflegt.

7. Belegarztwesen

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Die belegärztliche Tätigkeit des Vertragsarztes ist eine weitere Schnittstelle zwischen der ambulanten und stationären Versorgung, sie gilt nur für den Vertragsarzt, nicht jedoch für den Vertragszahnarzt[332], sie kann auch durch ein MVZ betrieben werden.[333] Hierbei sind zum einen § 121 SGB V und zum anderen die §§ 38–41 BMV-Ä zu beachten. Ein Belegarzt ist gemäß § 39 Abs. 1 BMV-Ä ein nicht am Krankenhaus angestellter vielmehr ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt, der gleichzeitig die Berechtigung inne hat, seine Patienten im Krankenhaus unter Inanspruchnahme der hierfür bereitgestellten Dienste, Einrichtungen und Mittel stationär und teilstationär zu behandeln.[334] Ein Anspruch des Belegarztes, ausschließlich Belegarzt zu sein, existiert nicht.[335] Auch der Belegarzt, der einen Honorarvertrag mit dem Krankenhaus nach § 18 Abs. 3 KHEntgG abschließt, kann noch Belegarzt sein, dies ergibt sich aus § 121 Abs. 5 SGB V. Dennoch werden in diesem Zusammenhang sozialversicherungsrechtliche Abgrenzungsprobleme bei der Frage der Scheinselbstständigkeit auftauchen,[336] weil dieser Honorararzt letztlich wie ein angestellter Krankenhausarzt auftritt.[337]

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Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass der Vertragsarzt keinerlei Vergütung für die ärztlichen Leistungen vom Krankenhaus erhält, sofern er nicht als Honorararzt i.S.v. § 121 Abs. 5 SGB V tätig wird. Dies ist in Abgrenzung zu den häufig existierenden Konsiliararztverträgen/unechten Honorarärzten zu sehen, bei denen ein nicht förmlich anerkannter Belegarzt Leistungen im Krankenhaus bei stationär aufgenommenen Patienten erbringt und hierfür vom Krankenhaus direkt eine Vergütung erhält.[338]

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Weitere Voraussetzung für die belegärztliche Tätigkeit ist, dass der Arzt in einem Krankenhaus gem. § 108 SGB V tätig wird, weil es ausreichend ist, dass das Krankenhaus in dem Krankenhausbedarfsplan des Landes aufgenommen oder ein sonstiges zugelassenes Krankenhaus ist und die Facharztbezeichnung des Vertragsarztes mit dem Versorgungsauftrag des Krankenhauses übereinstimmt.[339] Nicht erforderlich ist, die Übereinstimmung der Belegarztanerkennung mit den Zielen der Krankenhausplanung.[340] Der Vertragsarzt darf gemäß § 39 Abs. 5 BMV-Ä keine anderweitigen Nebentätigkeiten ausüben, um eine ordnungsgemäße stationäre Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Gemäß § 39 Abs. 5 Nr. 3 BMV-Ä ist für den Belegarzt eine ausreichende Nähe zwischen Krankenhaus und Wohnsitz erforderlich. Dabei ist gleichfalls trotz Aufhebung der Residenzverpflichtung des Vertragsarztes zu beachten, dass er in einer gewissen räumlichen Nähe zur Praxis seine Tätigkeit ausübt. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG zur Residenzpflicht[341] ist davon auszugehen, dass eine Fahrtzeit zur Belegklinik maximal dreißig Minuten betragen darf.[342]

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Für die Entscheidung der Anerkennung als Belegarzt gemäß § 40 BMV-Ä ist die KV zuständig. Sie hat ihre Entscheidung im Einvernehmen mit den Krankenkassen zu treffen, wobei die Ziele der Krankenhausplanung zu berücksichtigen sind (§ 40 Abs. 2 BMV-Ä). Bei dem Einvernehmen handelt es sich im Rahmen der Belegarztanerkennung um eine öffentlich-rechtliche Willenserklärung. Wird das Einvernehmen nicht ausgesprochen, so ist die KV, selbst wenn sie die belegärztliche Tätigkeit anerkennen möchte, nicht berechtigt, diese auszusprechen.[343]

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Des Weiteren ist es gemäß § 40 Abs. 1 BMV-Ä erforderlich, dass der die Belegarztanerkennung anstrebende Vertragsarzt die entsprechende Schwerpunktbezeichnung aus der Weiterbildungsordnung führt, für die eine belegärztliche Tätigkeit angestrebt wird. Die Anerkennung als Belegarzt endet automatisch mit der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit oder mit der Beendigung der Tätigkeit als Belegarzt in dem Krankenhaus, für welches er anerkannt wurde. Darüber hat die KV die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen zu benachrichtigen. Sofern ein Ruhen der Zulassung angeordnet wurde, gilt dieses auch für die belegärztliche Tätigkeit (vgl. insgesamt § 40 Abs. 4 BMV-Ä). Eine die §§ 44 ff. SGB X verdrängende Regelung (ausführlich siehe Rn. 1401–1406) besteht in § 40 Abs. 5 BMV-Ä, nach dem die Anerkennung als Belegarzt durch die KV zurückzunehmen oder zu widerrufen ist, wenn die Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorliegen. Kommen gröbliche Pflichtverletzungen bei der belegärztlichen Tätigkeit vor, besteht des Weiteren nach § 40 Abs. 5 S. 2 BMV-Ä die Möglichkeit, die belegärztliche Tätigkeit zu widerrufen. Dies ist unabhängig von der Entziehung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit zu sehen, wobei sicherlich bei gröblichen Pflichtverletzungen der belegärztlichen Tätigkeit immer an die Entziehung der Zulassung insgesamt zu denken ist.

8. Eigeneinrichtungen

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Bei den Eigeneinrichtungen handelt es sich um spezifische entweder von der KV oder von den Krankenkassen betriebene Versorgungseinheiten innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, die spezielle und nicht miteinander korrespondierende Rechtsgrundlagen haben. Daneben können auch Kommunen Eigeneinrichtungen gründen.

a) Eigeneinrichtungen der KV

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Die Rechtsgrundlagen für die Eigeneinrichtungen der KV wurden durch das TSVG neu strukturiert und finden jetzt ihre Bestimmung in § 105 Abs. 1c SGB V. Ohne weitergehende Abstimmung mit den Krankenkassen – anders noch § 105 Abs. 1 SGB V a.F. – steht es nach § 105 Abs. 1c S. 1 SGB V im Ermessen, ob die KV eine Eigeneinrichtung betreibt, die der unmittelbaren medizinischen Versorgung von Versicherten dient. Hier existiert eine Konkretisierung des allgemeinen Sicherstellungsauftrages der KV aus § 75 SGB V, um insbesondere in ländlichen oder strukturschwachen, schlechter versorgten Regionen die Versorgung zu verbessern.[344] Dabei hat die KV auch die Möglichkeit, entsprechende Einrichtungen durch Kooperationen untereinander oder gemeinsam mit Krankenhäusern sowie in Form mobiler oder telemedizinischer Versorgungsangeboten zu betreiben. Dadurch besteht für die KV die Möglichkeit selbst als Leistungserbringer aufzutreten, ohne dass ein Verfahren vor den Zulassungsgremien durchgeführt werden muss. An die für Vertragsärzte geltenden Vorgaben, die berufliche Tätigkeit grundsätzlich nicht im Umherreisen auszuüben, ist für die KV nicht anzuwenden. Dies ist im Hinblick auf die Möglichkeit, innerhalb des Vertragsarztrechts vom Berufsrecht abweichende Regelungen zu erlassen, nach der Rechtsprechung unproblematisch.[345]

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Vollkommen ungeklärt ist die Frage des Rechtsschutzes von bereits niedergelassenen Ärzten gegen den Betrieb einer Eigeneinrichtung im Hinblick auf eine defensive Konkurrentenklage. Die Eigeneinrichtung ist eine subsidiäre Versorgungsform im Verhältnis zur Zulassung, weil sich aus dem Regelungszusammenhang in § 105 SGB V ergibt, dass es sich um eine Förderung der vertragsärztlichen Versorgung handelt. Im Hinblick auf Artikel 19 Abs. 4 GG muss bei der Eigeneinrichtung nach § 105 Abs. 1c S. 1 und 2 SGB V auf Grund ihrer Subsidiarität die Möglichkeit einer Unterlassungsklage als Unterform der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) möglich sein, um der KV den Eigenbetrieb zu untersagen.

 

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Anders ist die Situation jedoch nach § 105 Abs. 1c S. 3 SGB V. Hat der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Unterversorgung i. S. d. § 100 Abs. 1 S. 1 SGB V festgestellt, hat er der KV eine Frist zu setzen, um die Unterversorgung zu beseitigen. Ist die Frist abgelaufen, ohne dass die Unterversorgung beseitigt werden konnte – spätestens jedoch nach 6 Monaten – besteht für die KV die Pflicht eine Eigeneinrichtung zu betreiben.

b) Eigeneinrichtungen der Krankenkassen

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Innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung führen die Eigeneinrichtungen der Krankenkassen nach § 140 SGB V ein Schattendasein. Es handelt sich hierbei um von den Krankenkassen betriebene ambulante und auch stationäre Einrichtungen zur Versorgung der jeweils eigenen Versicherten. § 140 Abs. 1 SGB V enthält eine Bestandsschutzregelung bezüglich der Einrichtungen, die bereits am 1.1.1989 – Inkrafttreten des SGB V – betrieben wurden. Diese dürfen sich unter Beachtung der Bedarfsplanung im ambulanten Bereich weiter entwickeln; sie können auch Gründer von MVZ nach § 95 Abs. 1 SGB V sein.

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Neugründungen von Eigeneinrichtungen sind in der vertragsärztlichen Versorgung unzulässig, es sei denn, der Sicherstellungsauftrag ist nach § 72a Abs. 1 SGB V auf die Krankenkassen übergegangen (§ 140 Abs. 2 S. 2 SGB V).

c) Eigeneinrichtungen der Kommunen

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Nach § 105 Abs. 5 SGB V können Kommunen mit Zustimmung der KV Eigeneinrichtungen zur unmittelbaren medizinischen Versorgung der Versicherten betreiben. Die Anforderungen aus § 105 Abs. 5 SGB V sind hoch und vom Verfahrensgang komplex, weil die Versorgungssituation im räumlichen Bereich der Kommune umfassend beschrieben werden muss. Dabei ist darzulegen, dass eine deutliche Unterversorgung – unabhängig von etwaigen Beschlüssen des Landesausschusses nach § 100 SGB V – existiert, die auf andere Weise nicht beseitigt werden kann. Weiter ist es erforderlich, dass auch die KV die schlechte Versorgungssituation nicht hat beheben können.[346] Da die Kommunen zwischenzeitig gemäß § 95 Abs. 1a S. 1 SGB V ein MVZ gründen können, dürfte der Weg über § 105 Abs. 5 SGB V obsolet geworden sein.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › X. Nachbesetzungsverfahren

X. Nachbesetzungsverfahren

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Das Nachbesetzungsverfahren betrifft die Möglichkeit, öffentlich-rechtlich eine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung bei gleichzeitigem – auch teilweisen – Ausscheiden aus der vertragsärztlichen Versorgung abzugeben und einen neuen Vertragsarzt in die vertragsärztliche Versorgung einzuführen bzw. einem bisher teilweise mit einem Versorgungsauftrag versehenen Arzt die Möglichkeit zu geben, seinen Versorgungsauftrag zu erweitern, obwohl Zulassungsbeschränkungen angeordnet wurden. Im Zusammenhang mit dem Nachbesetzungsverfahren ist ein gewisses Auseinanderlaufen von Gesetzgebung und Rechtsprechung des BSG festzustellen. Während die Rechtsprechung davon ausgeht, dass – von Ausnahmefällen abgesehen – am alten Standort die vertragsärztliche Tätigkeit fortgeführt werden soll und nur geringe Abweichungen davon akzeptiert werden, ist der Gesetzgeber aus versorgungspolitischen Gründen, die durchaus nachvollziehbar sind, flexibler. So lässt § 103 Abs. 3a S. 3 SGB V ausdrücklich auch im Rahmen des Nachbesetzungsverfahrens zu, dass der Arzt die Praxis in ein anderes Gebiet des Planungsbereiches verlegt, in dem die KV einen Versorgungsbedarf sieht. In diesen Fällen ist vom Gesetzgeber sogar vorgesehen, von einer ansonsten erforderlichen Bedarfsprüfung zur Aufrechterhaltung des Vertragsarztsitzes abzusehen. Wird der Vertragsarztsitz allerdings innerhalb eines Planungsbereiches erheblich verlegt, ist die Versorgung der bisherigen Patienten der Praxis des Abgebers nicht mehr so einfach möglich. Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob und inwieweit auf Grund dieser Flexibilisierungsmaßnahmen des Gesetzgebers die Rechtsprechung dem Flexibilisierungsgedanken nur im Ausnahmefall Rechnung trägt, oder sich in Zukunft von seiner bisherigen Spruchpraxis generell löst.

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Rechtsgrundlage für das Nachbesetzungsverfahren ist § 103 Abs. 4 SGB V. Der Grund der Fortführungsberechtigung ist letztlich der Eigentumsschutz des Abgebers aus Art. 14 GG;[347] viele Vertragsärzte haben früher die Veräußerung ihrer Praxis mit in die Altersrentenplanung einbezogen. Gleichzeitig gilt innerhalb des Nachbesetzungsverfahrens ein „Zulassungshandel“ zu vermeiden. Ein Vertrag, der nur die Veräußerung einer Zulassung beinhaltet, ist nichtig.[348] Das sich aus der Nachbesetzung ergebende Verwaltungsverfahren ist ein mehrstufiges: zunächst ist vom Zulassungsausschuss die Entscheidung zu treffen, ob die Arztpraxis überhaupt noch nachbesetzt werden soll, sofern kein Privilegierungstatbestand vorliegt (§ 103 Abs. 3a SGB V), wenn dies bejaht wird, ist eine Ausschreibung durch die KV durchzuführen (§ 103 Abs. 4 S. 1 SGB V). Anschließend entscheidet der Zulassungsausschuss nach § 103 Abs. 4 S. 2 ff., Abs. 6 SGB V über die Nachfolge. Im Übrigen ist eine privatrechtliche Vereinbarung mit dem abgabewilligen Arzt oder seinen Erben über die Praxisveräußerung zu schließen.

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Voraussetzung für das Nachbesetzungsverfahren ist zunächst, dass ein Vertragsarzt in einem Planungsbereich, für den Zulassungsbeschränkungen angeordnet wurden, seine vertragsärztliche Tätigkeit beenden will und beabsichtigt, dass die Praxis fortgeführt werden soll.[349] Die Beendigungstatbestände sind in § 103 Abs. 3a S. 1 SGB V abschließend aufgeführt, es handelt sich hierbei um den Todesfall des Vertragsarztes (die Zulassung endet gemäß § 95 Abs. 7 S. 1 SGB V automatisch), die Zulassungsentziehung (vgl. § 95 Abs. 6 SGB V) und den Verzicht. Wird auf das Ausschreibungsverfahren verzichtet, geht der Vertragsarztsitz unter und ist aus der Bedarfsplanung herauszunehmen. Vertragsarztrechtlich kann der Arzt nicht gezwungen werden, den Vertragsarztsitz auszuschreiben; dieser Anspruch ist bei einer Berufsausübungsgemeinschaft gegen den Arzt zivilrechtlich durchzusetzen.[350]

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Während bei allen weiteren Tatbeständen des § 103 Abs. 3a S. 1 SGB V keine größeren juristischen Probleme auftauchen, gilt dieses jedoch nicht für die Frage des Verzichts. Der Verzicht auf die Zulassung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung, die keiner Annahme bedarf und deshalb mit Zugang beim Zulassungsausschuss wirksam wird,[351] unabhängig von der Frage zu welchem Zeitpunkt die Verzichtserklärung ihre rechtsgestaltende Wirkung enfalten soll. Der Verzicht selber wird nach § 28 Abs. 1 S. 1 Ärzte-ZV mit dem Ende des auf den Zugang der Verzichtserklärung des Vertragsarztes beim Zulassungsausschuss folgenden Kalendervierteljahres wirksam. Nach § 28 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV kann die Frist verkürzt werden, sofern der Vertragsarzt nachweist, dass für ihn die weitere Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit für die gesamte Dauer oder einen Teil der Frist unzumutbar ist. Eventuelle spätere Willensänderungen bezüglich des Verzichtes sind rechtlich unerheblich,[352] im Übrigen ist die Verzichtserklärung selbst bedingungsfeindlich.[353] In der Praxis wird die Bedingungsfeindlichkeit der Verzichtserklärung mit dem Risiko des Nichtfindens eines Praxisnachfolgers dadurch gelöst, dass das Ausschreibungsverfahren durchgeführt wird, wenn die Verzichtserklärung unter der aufschiebenden Bedingung der bestandskräftigen Zulassung eines Nachfolgers abgegeben wird.[354] Dem hat sich das BSG auch ausdrücklich angeschlossen.[355]

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Voraussetzung für ein Ausschreibungsverfahren ist, dass überhaupt noch eine Vertragsarztpraxis existiert. Nach der Rechtsprechung bestehen zwischen dem „Vertragsarztsitz“ und der „Praxis“ inhaltliche Unterschiede. Der Vertragsarztsitz ist nach § 24 Ärzte-ZV der Ort der Niederlassung, die Arztpraxis selbst beinhaltet die Gesamtheit der gegenständlichen und personellen Grundlagen der Tätigkeit des in freier Praxis niedergelassenen Arztes als Vermögensgegenstand.[356] Die Frage, wann noch eine ausschreibungsfähige Praxis existiert, ist in der Form zu beantworten, dass grundsätzlich noch eine vertragsärztliche Tätigkeit am Vertragsarztsitz ausgeübt wird;[357] bei einer Berufsausübungsgemeinschaft ist in diesem Zusammenhang nicht auf den ausscheidenden Arzt sondern auf die gesamte Praxis abzustellen.[358] Dabei soll es erforderlich sein, die vertragsärztliche Tätigkeit zumindest in nennenswertem Umfang noch auszuüben. Im Mindestmaß ist erforderlich, dass der Arzt eigene Praxisräumlichkeiten besitzt, Sprechstundenzeiten angekündigt und auch eine ärztliche Tätigkeit unter Nutzung der erforderlichen Praxisinfrastruktur festgestellt werden kann. Fehlt es an alledem, existiert auch kein Patientenstamm mehr, dann liegt keine ausschreibungsfähige und nachbesetzungsfähige Arztpraxis mehr vor.[359] Entgegen der Auffassung des LSG Bayern[360], LSG Hessen[361] und des LSG Nordrhein-Westfalen[362] ist auch die Behandlung von nur einer geringen Zahl von Patienten ausreichend, von einer ausschreibungsfähigen Praxis auszugehen. Daher kann sich auch nicht der Auffassung des SG Marburg[363] angeschlossen werden, wonach bei einer durchschnittlichen Fallzahl von 1,25 Fällen im Quartal mit einer durchschnittlichen Behandlungszeit von 5 Stunden und 5 Minuten keine ausschreibungsfähige Praxis mehr vorliegt. Bei der Frage der Existenz einer ausschreibungsfähigen Praxis muss noch ein weiterer Gesichtspunkt beachtet werden: Nach § 95 Abs. 9b SGB V besteht die Möglichkeit, die vertragsarztrechtlich genehmigte Anstellung eines Arztes zu Gunsten dessen Vollzulassung umzuwandeln. Bei dieser Umwandlung ist es weiter nicht erforderlich, dass der nunmehr zum „vollen Vertragsarzt“ erstarkte Arzt zwingend an demselbem Ort als Vertragsarztsitz tätig ist. Des Weiteren kann nach der gleichen Regelung der anstellende Vertragsarzt die Durchführung des Nachbesetzungsverfahren nach § 103 Abs. 3a SGB V beantragen. Dabei ist es nicht erforderlich, dass neben der Zulassung noch ein weiteres Praxissubstrat zur Verfügung gestellt wird. Betrachtet man in diesem Zusammenhang die amtliche Begründung[364] zu § 95 Abs. 9b SGB V ist festzustellen, dass dort nicht von einem ausschreibungsfähigen Objekt gesprochen wird. Ferner wird dort von einer verbleibenden Überversorgung ausdrücklich gesprochen, wenn der Vertragsarztsitz an den angestellten Arzt „überlassen wird“ (= Umwandlung) oder zur Ausschreibung gebracht wird. Damit hat – wenn auch an ganz anderer Stelle – der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass nicht zwingend ein Praxissubstrag übergeben werden muss. Diese Überlegungen sind aber gleichfalls bei der Auslegung von § 103 SGB V zu beachten.

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Fraglich ist, wie lange ein Vertragsarztsitz, der übergangsweise z.B. wegen Todes des Vertragsarztes nicht betrieben wird, nachbesetzungsfähig bleibt. Diese Frage ist zunächst ausschließlich anhand der tatsächlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der Antragstellung auf Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens zu prüfen.[365] Das Gesetz selbst geht grundsätzlich von einer Nachbesetzungsfähigkeit aus, ansonsten wäre es nicht verständlich, dass die Erben diese Praxis ausschreiben können. Entscheidende Frage ist hierbei, für welchen Zeitraum unter Berücksichtigung der obigen Ausführungen noch von einer Nachbesetzungsfähigkeit auszugehen ist. Bei einer Einzelpraxis wird die Nachbesetzungsfähigkeit trotz sich verflüchtigenden Patientenstammes bei gleichzeitigem Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – bis auf die unmittelbare Behandlung von Patienten – für einen Zeitraum von zwei Jahren[366] zu bejahen sein; dies wird in der Rechtsprechung enger gesehen.[367] Die Frist von 2 Jahren, die nicht unmittelbar im Gesetz zu finden ist, ergibt sich jedoch aus folgenden Überlegungen: § 81 Abs. 5 S. 2 SGB V sieht im Zusammenhang mit einem Disziplinarverfahren ein Ruhen der Zulassung von zwei Jahren als maximale Disziplinarmaßnahme vor. Wenn der Gesetzgeber in diesem Zusammenhang bei gleichzeitigem Belassen der Zulassung davon ausgeht, dass eine Arztpraxis noch „betrieben“ wird, wenn sie zwei Jahre ruht, handelt es sich hierbei um ein gewichtiges Indiz für die Bewertung der Zeit, in der eine Praxis noch als bestehend angesehen wird. Auch bei einem nachvertraglichen Wettbewerbsverbot bei Ausscheiden aus einer Berufsausübungsgemeinschaft wird allgemein ein Zeitrahmen von zwei Jahren zugrunde gelegt, der als zulässig angesehen wird. Innerhalb des Zeitfensters von zwei Jahren geht die Rechtsprechung davon aus, dass der Arzt-Patienten-Kontakt des ausscheidenden Arztes sich danach hinreichend verflüchtigt hat, weshalb eine weitere Schutzbedürftigkeit mit den berufsbeschränkenden Wirkungen des Wettbewerbsverbots nicht mehr bestehen würde. Damit bestätigt die Rechtsprechung auch für diesen Bereich die Existenz des Patientenstammes bei einem ausscheidenden Arzt. Diese Überlegungen übertragen auf eine ausschreibungsbedürftige Praxis bedeuten, dass auch für diesen Zeitraum von einem existierenden Patientenstamm ausgegangen werden muss. Die fehlende Versorgung von Versicherten tritt bei Berufsausübungsgemeinschafen in aller Regel nicht auf, da der verbleibende oder die verbleibenden Ärzte die Versorgung sicherstellen können, so dass im Falle des Nachweises des Suchens eines Nachfolgers davon ausgegangen werden kann, dass der Sitz unbeschränkt nachbesetzbar ist. Die Frage der Nachbesetzungsfähigkeit richtet sich nicht nach der Sachlage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz, sondern bestimmt sich nach der Situation zum Zeitpunkt der Ausschreibung.[368]