Handbuch Medizinrecht

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Auch diese Ermächtigung ist zeitlich zu befristen.[276]

608

Werden Leistungen von einem Krankenhausarzt an GKV-Versicherten erbracht, ohne dass eine Ermächtigung vorliegt, kann dies einen schadensersatzpflichtigen Verstoß gegen § 1 UWG darstellen.[277] Zwar hat das BSG[278] seine Rechtsauffassung auf Grund der Änderungen in § 69 SGB V modifiziert und darauf hingewiesen, ein Rückgriff auf die Vorschriften des UWG sei nur noch dann möglich, wenn kein Primärrechtsschutz möglich sei. Dies wird in der Regelkonstruktion jedoch durch die Konkurrentenklage entsprechend abgesichert. Lediglich in den Fällen, in denen nicht hinnehmbare Rechtschutzdefizite existieren, sei die Anwendung von Grundsätzen aus dem Lauterkeitsrecht[279] noch anwendbar. Das in diesem Zusammenhang in den Vordergrund gestellte Postulat der Konkurrentenklage vor Anwendung der Lauterkeitsgrundsätze hilft bei der oben beschriebenen Konstellation allerdings nicht weiter, weil eine Konkurrentenklage mangels entsprechendem Bescheides der Zulassungsgremien unzulässig wäre.

8. Kapitel Vertragsarztrecht › G. Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung › VIII. Ambulante Leistungserbringung durch das Krankenhaus

VIII. Ambulante Leistungserbringung durch das Krankenhaus

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Die Forderung an das Gesundheitswesen, eine starke Verzahnung des ambulanten und stationären Bereichs vorzunehmen, hat sich im Laufe der letzten Jahre erheblich verstärkt. Neben den hier nicht zu diskutierenden Möglichkeiten der vor- und nachstationären Behandlung im Krankenhaus gemäß § 115a SGB V und dem ambulanten Operieren im Krankenhaus nach § 115b SGB V,[280] sind in den §§ 116a und 116b SGB V den Krankenhäusern weitere Möglichkeiten eingeräumt, eine ambulante Behandlung durchzuführen.

1. Ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei Unterversorgung

610

Nach § 116a SGB V müssen Krankenhäuser für das entsprechende Fachgebiet in dem Planungsbereich, in dem der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Unterversorgung festgestellt hat, auf deren Antrag durch den Zulassungsausschuss ermächtigt werden, soweit und solange dies zur Deckung der Unterversorgung erforderlich ist.

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Hierfür ist ein mehrstufiges Verfahren erforderlich. Zunächst muss durch den Landesausschuss für Ärzte und Krankenkassen unter Beachtung der Bedarfsplanungs-Richtlinie festgestellt werden, ob eine – ggf. lokale – Unterversorgung vorliegt.[281] Erst nach dieser Feststellung besteht überhaupt die Möglichkeit, dass ein Krankenhaus zur Leistungserbringung ermächtigt wird. Der grundsätzliche Rechtsanspruch auf Erteilung der Ermächtigung nach festgestellter Unterversorgung bedarf jedoch einer Einschränkung. Die Ermächtigung ist nur zu erteilen, soweit und solange dies zur Beseitigung der Unterversorgung oder eines lokalen Versorgungsbedarfs erforderlich ist (§ 116a S. 1 SGB V). Wenn und soweit jedoch Einzelermächtigungsanträge von Krankenhausärzten gestellt werden, stellt sich die Frage, ob der Ermächtigungsanspruch noch durchgesetzt werden kann. Dies wird man verneinen müssen. Daraus ergibt sich jedoch, dass auch hier die bereits oben[282] angesprochene Subsidiarität der Institutsermächtigung im Verhältnis zur Einzelermächtigung eine Rolle spielt.[283] Diese Subsidiarität der Institutsermächtigung gegenüber der Einzelermächtigung wird auch im Falle der Unterversorgung abermals bestätigt.

612

Gelangt man zu dem Ergebnis, dass eine Ermächtigung zu erteilen ist, wäre noch der Umfang der Ermächtigung zu bestimmen. Unzulässig ist die Ermächtigung des gesamten Krankenhauses, da die Feststellungen des Landesausschusses nur für einzelne Facharztgruppen vorgenommen wird. Daher wird die Ermächtigung nur für den jeweiligen Facharztbereich ausgesprochen. Hier ist ein umfangreicher Ermächtigungskatalog zu erstellen, der die erforderlichen Leistungen aus dem EBM beschreibt. Insoweit ist die einfache Bezugnahme auf das Facharztkapitel des EBM zwar zulässig, jedoch nur eingeschränkt sachgerecht. Auf jeden Fall muss die Ermächtigung zusätzlich etwaige Kostenregelungen des EBM und gegebenenfalls auch Leistungen des Kapitel Labors betreffen. IM Übrigen ist noch die Berechtigung zur Erstellung von Überweisungen aufzunehmen.

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Ungeklärt ist in diesem Zusammenhang die weitere Frage, inwieweit die Rechtsprechung betreffend die Institutsermächtigung für die auf die genehmigungspflichtigen Leistungen auch auf diese Form der Ermächtigung anwendbar ist. Dies dürfte grundsätzlich zu bejahen sein, denn speziell für diese Leistungen ist eine besondere Qualifikation erforderlich, für die das Krankenhaus üblicherweise einen Facharzt mit weiteren Qualifikationen benötigt. Da jedoch nicht alle Krankenhausärzte eine entsprechende Qualifikation besitzen und gleichzeitig insbesondere aus §§ 135 ff. SGB V deutlich wird, dass die ärztliche Versorgung eine hohe Qualität haben soll, wird man davon ausgehen müssen, dass für genehmigungspflichtige Leistungen auch keine (Instituts-)Ermächtigung des Krankenhauses ausgesprochen werden kann. Will man diesem Lösungsweg nicht folgen, ist es erforderlich, dass die genehmigungspflichtigen Leistungen nur von den Ärzten erbracht werden, die auch eine Genehmigung der KV nach den jeweiligen Richtlinien besitzen. Innerhalb des Ermächtigungsbescheides ist daher auszusprechen, dass die Leistungserbringung auf die entsprechenden Ärzte zu beschränken ist.

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Die Ermächtigung ist zeitlich zu befristen. Die Dauer der Befristung wird jedoch gesetzlich nicht vorgegeben. Auf Grund der Formulierung in § 116a S. 2 SGB V geht der Gesetzgeber von einer längerfristigen – über den Zeitraum von 2 Jahren hinausgehenden – Ermächtigung aus. Daraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass ein Rückgriff auf die übliche Spruchpraxis für die Einzelermächtigung mit einer Zeitdauer von 2 Jahren nicht anwendbar ist; vielmehr muss ein erheblich längerer Zeitraum gewährt werden.[284] Die Vergütung für diese Krankenhausleistungen richten sich nach § 120 SGB V.

2. Ambulante spezialfachärztliche Versorgung

615

Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung (ASV) nach § 116b SGB V hat die vorher dort geregelte ambulante Behandlung durch Krankenhäuser bei hochspezialisierten Leistungen abgelöst.[285] Die ASV ist ein Leistungsspektrum, das sowohl die niedergelassenen Ärzte als auch das Krankenhaus sowie die Möglichkeit der Kooperation beider Bereiche untereinander betrifft. Zuständige Behörde ist die gemeinsame Selbstverwaltung nach § 116b Abs. 3 S. 1 SGB V in der Form des erweiterten Landesausschusses. Hierbei handelt es sich um die Besetzung des Landesausschusses, der noch um Mitglieder der Krankenhäuser erweitert wird. Wie in der gesetzlichen Krankenversicherung leider üblich, hat der Gesetzgeber nur eine Rahmengesetzgebung vorgenommen, das Wesentliche hinsichtlich der ASV ist nach § 116b Abs. 4 S. 1 SGB V durch den G-BA zu regeln. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die bisherigen „Bestimmungen“, die von der damals zuständigen Landesbehörde nach § 116b Abs. 2 S. 1 SGB V a.F. getroffen wurden, bis zu deren Aufhebung weiter gelten; dies ergibt sich aus § 116b Abs. 8 S. 1 SGB V.

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Die Richtlinie nach § 116b SGB V des G-BA (ASV-RL) gliedert sich in zwei große Abschnitte. Der erste Abschnitt betrifft den allgemeinen Teil der ASV und beschreibt die allgemeinen Grundlagen. Im zweiten Abschnitt sind die Anlagen zur ASV enthalten, in denen die einzelnen Besonderheiten für den Anwendungsbereich der ASV behandlungsbereichsmäßig beschrieben sind. In Anlehnung an den Katalog in § 116b Abs. 1 S. 2 SGB V wird in den Anlagen detailliert beschrieben, für welche Krankheiten mit welchem ICD10 die ASV überhaupt zur Anwendung gelangen kann. Anschließend werden in dem jeweiligen Appendix bezogen auf die in der Anlage beschriebenen Krankheitsformen die Leistungen aufgeführt, die von der jeweiligen Fachgruppe innerhalb des jeweiligen ASV-Team erbracht und abgerechnet werden können. Die Darstellung der Anlagen orientiert sich an dem Katalog aus § 116b Abs. 1 S. 2 SGB V.

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In der Anlage 1.1 ASV-RL werden die schweren Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen beschrieben, wobei § 116b Abs. 1 S. 2 SGB V die onkologischen und rheumatologischen Krankheitsbilder aus der Begrenzung der schweren Verlaufsform herausgenommen hat. Unter Buchst. a der Anlage 1 zur ASV-RL werden die onkologischen Erkrankungen aufgeführt. Die Tumorgruppe 1 betrifft die gastrointestinalen Tumore und Tumore der Bauchhöhle; die Tumorgruppe 2 die gynäkologischen Tumore, die Tumorgruppe 3 die urologischen Tumore, die Tumorgruppe 4 die Hauttumore sowie die Tumorgruppe 5 die Tumore der Lunge und des Thorax. In Anlage 1.1 Buchst. b werden die Voraussetzungen bei rheumatologischen Erkrankungen – differenziert nach Erwachsenen einerseits sowie Kinder und Jugendliche andererseits – behandelt. Die in § 116b Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V weiter aufgeführten Krankheitsbilder sind zur Zeit nicht weiter beschrieben.

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In der Anlage 2 werden unter Rückgriff auf § 116b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V die seltenen Erkrankungen und Erkrankungszustände mit entsprechend geringen Fallzahlen geregelt. Hier wurden die Vorgaben aus § 116b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V aufgegriffen und

 

die Tuberkulose und atypische Mykobakteriose (Buchst. a),
die Mukoviszidose (Buchst. b),
die Hämophilie (Buchst. c),
schwere immunologische Erkrankungen (Buchst. e),
Morbus Wilson (Buchst. h),
Marfan-Syndrom (Buchst. k),
pulmonale Hypertonie (Buchst. l) geregelt.

619

Ohne ausdrückliche Erwähnung wegen des offenen Kataloges in § 116b Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB V wurden unter Buchst. o ausgewählte seltene Lebererkrankungen in die Möglichkeit der Behandlung innerhalb der ASV aufgenommen.

620

In die Anlage 3 sollen die hochspezialisierten Leistungen nach § 116b Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SGB V aufgenommen werden. Nach dem derzeitigen Stand der Richtlinie sind diesbezüglich Vorgaben noch nicht getroffen. Es ist jedoch davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren weiteren Anlagen zur ASV-RL ergänzt werden. Bei den jetzigen Regelungen handelt es sich letztlich um „Blaupausen“ für die weiteren Anlagen.[286]

621

Hinsichtlich der Berechtigung zur ASV weist § 2 ASV-RL ausdrücklich darauf hin, dass sowohl die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer als auch die nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäuser als Leistungserbringer in Betracht kommen. Damit wurde ein wesentlicher Konfliktbereich aus § 116b SGB V a.F. beseitigt, wobei große Krankenhäuser aufgrund ihrer Organisationsstrukturen im Verhältnis zu den Niedergelassenen immer noch praktisch im Vorteil sind. Die ASV verlangt regelmäßig ein interdisziplinäres Team; die jeweilige Zusammensetzung des Teams wird in den einzelnen Anlagen zur ASV-RL geregelt.

622

Hinsichtlich der personellen Voraussetzungen sieht § 3 ASV-RL generell vor, dass eine Teamleitung, ein Kernteam sowie bei medizinischer Notwendigkeit zeitnah hinzuzuziehende Fachärzte erforderlich sind (§ 3 Abs. 2 S. 1 ASV-RL). Dabei hat die Teamleitung die Aufgabe der gesamten Koordination, im fachlichen wie auch im organisatorischen Bereich. Gleichzeitig gehört die Teamleitung bzw. der Teamleiter dem Kernteam an. Innerhalb des Kernteams selbst sind Fachärzte einzubinden, deren Kenntnisse und Erfahrungen zur Behandlung des jeweiligen Krankheitsbildes in der Regel auch beteiligt werden müssen. Die Einzelheiten sind in den jeweiligen Anhängen zur ASV-RL geregelt. Nach § 3 Abs. 2 S. 4 ASV-RL müssen die spezialfachärztlichen Leistungen am Tätigkeitsort der Teamleitung mindestens einmal wöchentlich erbracht werden. Das hat zur Konsequenz, dass der Ort der Teamleitung der zentrale Ort der Leistungserbringung der ASV ist. Gehören zu der Leistungserbringung auch Leistungserbringer, die mit immobilen Apparaten Leistungen erbringen – z.B. Röntgenleistungen – oder die Aufbereitung und Untersuchung beim Patienten entnommenen Untersuchungsmaterial – z.B. Labor oder Pathologie – können diese Leistungen auch am Praxisort erbracht werden, selbst wenn sie zum Kernteam zählen. Gleichzeitig müssen die Mitglieder des Kernteams in angemessener Entfernung zum Ort der Leistungserbringung tätig sein; hier wird von einem Zeitfenster von 30 Minuten als Grenzwert ausgegangen. Auch die Ärzte, die nicht zum Kernteam zählen, jedoch als hinzuzuziehendes Team gelten, müssen in einer räumlichen Nähe – in der Regel 30 Minuten Entfernung vom Tätigkeitsort der Teamleitung – erreichbar sein. Daraus ergibt sich, dass eine Konzentration der Leistungserbringung zwingend vorgesehen ist. Damit ist die ASV nur im Rahmen von „Insel-Lösungen“ umsetzbar, sie kann nicht flächendeckend durchgeführt werden.

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Aus dem Zusammenspiel von § 3 Abs. 3 und 4 S. 1 ASV-RL ergibt sich, dass nur Fachärzte in der ASV tätig sein dürfen.[287] Des Weiteren ist – wie auch in der „regulären“ vertragsärztlichen Versorgung – erforderlich, dass Vertreter die gleiche fachliche Qualifikation haben, wie der Vertretene. Die Vertretung ist nach § 3 Abs. 4 S. 3 ASV-RL sowohl dem erweiterten Landesausschuss, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen sowie der Kassenärztlichen Vereinigung und der jeweiligen Landeskrankenhausgesellschaften anzuzeigen. Auch können im Einzelfall Weiterbildungsassistenten oder zur Weiterbildung im Krankenhaus beschäftigte Ärzte mit in das Team einbezogen werden; die Diagnosestellung und leitende Therapieentscheidungen dürfen von ihnen nicht getroffen werden. Neben der allgemeinen Fortbildungspflicht statuiert § 3 Abs. 5 ASV-RL besondere Fortbildungspflichten. Spezifische Fortbildungsveranstaltungen müssen regelmäßig besucht werden und es muss gewährleistet werden, dass die Ärzte des interdisziplinären Teams an den Fallbesprechungen teilnehmen. Im Übrigen gelten noch die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V (§ 3 Abs. 5 S. 2 ASV-RL).

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In Hinblick auf die organisatorischen Anforderungen sieht § 4 Abs. 1 S. 1 ASV-RL vor, dass die Einzelheiten in den Anlagen zur ASV-RL geregelt werden. Sofern für besondere Bereiche wie z.B. Intensivstation, Labor, Röntgen bestimmte Vorgaben gemacht werden, können diese auch im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen geregelt werden. Diese Kooperationsvereinbarungen müssen vorsehen, dass die vorgenannten Leistungsbereiche in 30minütiger Entfernung vom Tätigkeitsort der Teamleitung liegen.

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Der Behandlungsumfang selbst ist in § 5 ASV-RL geregelt. Die jeweils zu erbringenden Leistungen sind den Anlagen zur ASV-RL geregelt. Im Rahmen einer Erweiterung insbesondere für Krankenhäuser können über die in den jeweiligen Richtlinien vorgesehenen Gebührenordnungspositionen hinaus fachärztliche Leistungen erbracht werden, sofern sie in einem unmittelbaren Zusammenhang zur Erkrankung nach § 116b SGB V stehen und von dem Krankenhaus erbracht werden. Innerhalb der ASV dürfen alle erforderlichen Verordnungen im Sinne des § 73 Abs. 2 Nr. 5–8 und 12 SGB V ausgestellt werden. Hierbei gelten jedoch die Richtlinien des G-BA nach § 92 Abs. 1 S. 2 SGB V entsprechend (§ 116b Abs. 7 S. 2 SGB V).

626

Weitere Voraussetzung ist, dass eine Überweisung in die vertragsärztliche Versorgung dem Patienten nicht zuzumuten ist (§ 5 Abs. 1 S. 3 ASV-RL). Ferner– insoweit in Abweichung zur klassischen vertragsärztlichen Versorgung – soll die Behandlung sich an wissenschaftlich anerkannten und qualitativ hochwertigen Leitlinien orientieren, die auch in der jeweils besten verfügbaren Evidenz basieren (§ 5 Abs. 1 S. 4 ASV-RL). Die Abweichung liegt darin begründet, dass bekanntermaßen innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden erst mit einer größeren Zeitverzögerung eingeführt werden. Insoweit ist daher festzustellen, dass noch weitere Besonderheiten in der Versorgung möglich sind. In § 5 Abs. 2 ASV-RL wird ein Negativausschluss für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der Form durchgeführt, dass diese nur dann nicht erbracht werden dürfen, wenn sie durch den G-BA negativ beurteilt wurden. Betrachtet man die gleichlautende Regelung innerhalb der stationären Krankenversorgung in § 137c SGB V und die dazu ergangene Rechtsprechung, so ist diese Erweiterung in § 5 Abs. 2 S. 1 ASV-RL durchaus skeptisch zu betrachten. Das BSG[288] geht in seiner Rechtsprechung zur stationären Versorgung davon aus, dass sich aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergebe, dass die Leistungen bereits eine gewisse Anerkennung in der Versorgung der Patienten haben müssten. Diese restriktive Rechtsprechung ist auf Grundlage des Implantateregister-Errichtungsgesetz ab 1.1.2020 so nicht mehr anwendbar.[289] Daher ist ein innerer Widerspruch in § 116 SGB V bei neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zwischen der Regelung in Abs. 1 S. 3 (durch die Verweisung eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt) und Abs. 7 S. 1 und 2 (Verbot mit Erlaubnisvorbehalt) festzustellen. Dieser Widerspruch ist dergestalt zu lösen, dass die ASV der stationären Versorgung zugeordnet wird. Das hat jedoch weiter zur Konsequenz, dass die ASV-RL nicht abschließend den Leistungsumfang innerhalb der Versorgung festlegt. Ungelöst bleibt in diesem Zusammenhang jedoch die Frage der Vergütung, weil der EBM einen abschließenden Charakter hat und nicht analog angewandt werden darf; hier liegt sicherlich noch ein gesetzgeberischer Auftrag.

627

§ 6 der ASV-RL sieht zudem die Verpflichtung vor, geeignete Patienten über Studien zu informieren und die Teilnahme an diesen Studien zu ermöglichen. Ferner verlangt § 7 ASV-RL eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit den Patienten – und/oder Selbsthilfeorganisationen.

628

Der Zugang zur ASV ist differenziert in § 8a ASV-RL geregelt. Bei schweren Verlaufsformen von Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen ist grundsätzlich immer eine Überweisung durch einen Vertragsarzt Voraussetzung, um in diese Versorgungsform zu gelangen (§ 8 S. 1 ASV-RL). Anders ist die Situation für seltene Erkrankungen oder Erkrankungszustände mit entsprechenden geringen Fallzahlen sowie bei hochspezialisierten Leistungen. Dort wird nach § 8 S. 2 ASV-RL in den jeweiligen Anlagen vorgegeben, wann eine Überweisung erforderlich ist. In § 8 S. 4 ASV-RL wird zusätzlich vorgesehen, dass nicht jeder Vertragsarzt in die ASV überweisen darf, da die Qualifikation des Arztes in den Anlagen vorgegeben wird. Die Überweisung selbst kann auch für mehrere Quartale ausgestellt werden, wobei ein exaktes Datum bei der Überweisung angegeben werden muss (§ 8 S. 8 ASV-RL). Des Weiteren besteht ein weitergehendes Informationsrecht für den Überweiser; der ASV-Berechtigte hat über die Aufnahme und den Abschluss der ASV-Behandlung zu berichten. Diese Informationen müssen nach § 8 S. 7 ASV-RL sowohl gegenüber dem Versicherten als auch gegenüber dem überweisenden Vertragsarzt erfolgen; hinsichtlich der Informationspflichten gegenüber dem Versicherten dürften hiermit jedoch keine neuen Informationspflichten, die über die des Behandlungsvertrages nach §§ 630a ff. BGB hinausgehen, begründet werden. Während der Behandlung in der ASV muss regelmäßig geprüft werden, ob tatsächlich noch eine Notwendigkeit für die Behandlung durch die ASV besteht; dies ist gleichzeitig zu dokumentieren. Einzelheiten dazu werden bei den jeweiligen Indikationen in den Anlagen geregelt (§ 8 S. 9 und 10 ASV-RL). Für die Praxis wichtig ist, dass bei den seltenen Erkrankungen nach Anlage 2 der ASV-RL eine Verdachtsdiagnose für die Überweisung ausreicht, während im Übrigen eine gesicherte Diagnose vorliegen muss (§ 8 S. 11 und 12 ASV-RL).

629

In Umsetzung von § 116b Abs. 4 S. 10 SGB V sieht § 10 ASV-RL eine Verpflichtung zur Kooperation zwischen dem ambulanten und stationären Bereich für die onkologischen Erkrankungen vor. Hierbei handelt es sich letztlich um eine Reaktion des Gesetzgebers auf die Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit § 116b SGB V a.F.[290] Andererseits ist darauf hinzuweisen, dass in § 116b Abs. 4 S. 10 SGB V nur von Kooperationsvereinbarungen gesprochen wird, also kein Hinweis darauf gegeben wird, dass die Kooperationsvereinbarung sektorenübergreifend sein muss. Daher ist festzustellen, dass die ASV-RL die Möglichkeiten der Kooperation einengt. Leider hat es der G-BA unterlassen, weitere Kooperationsverpflichtungen vorzusehen, als die, die ausdrücklich in § 116b Abs. 4 S. 10 SGB V geregelt sind, vorzusehen. Die Kooperationsvereinbarung ist zwingend und dient der Förderung der sektorenübergreifenden Kooperation in diesem Versorgungsbereich. Dabei müssen diese Kooperationen auch inhaltlich die in §§ 3 und 4 ASV-RL vorgesehenen Pflichten bezüglich der persönlichen, sächlichen und organisatorischen Anforderungen erfüllen. Dieser Kooperationsvertrag ist dem Erweiterten Landesausschuss vorzulegen, es sei denn, es kommt eine Vereinbarung nach § 116b Abs. 4 S. 11 SGB V nicht zustande. Es müssen aber ernsthafte Verhandlungen geführt werden, gerichtet auf den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung. Insoweit gilt letztlich die Rechtsprechung des BSG zum Abschluss eines Belegarztvertrages im Zusammenhang mit der Sonderbedarfszulassung entsprechend.[291]

 

630

Des Weiteren sind in den Anlagen Mindestmengen zu regeln. Betrachtet man die Regelung in § 116b SGB V, insbesondere in seinen Vorgaben in Abs. 4, lässt sich kein grundsätzlicher Anhaltspunkt dafür erkennen, warum Mindestmengen vorgesehen werden sollten. Insofern erscheint die Regelung bezüglich der Mindestmengen rechtlich problematisch zu sein.[292]

631

Wegen der Qualitätssicherung sieht § 12 ASV-RL zunächst vor, dass die in den jeweiligen Anlagen zur ASV-RL vorgegebenen Anforderungen erfüllt sein müssen. Im Übrigen gelten die Qualitätssicherungsvereinbarungen nach § 135 Abs. 2 SGB V sowie die Richtlinie des G-BA nach § 135a i.V.m. § 137 SGB V für die ASV entsprechend.

632

Gleichzeitig sieht § 13 ASV-RL in Verbindung mit den Vorgaben in § 116b Abs. 9 SGB V vor, dass die Auswirkungen der ASV auf die Kostenträger, die Leistungserbringer sowie auf die Patientenversorgung durch den Spitzenverband Bund, die KBV und die Deutschen Krankenhausgesellschaft zu bewerten ist. Diese Bewertung ist dem Gesundheitsministerium vorzulegen. Aus dieser Regelung wird gleichzeitig deutlich, dass die ASV keine dauerhafte Existenzberechtigung hat, sondern es sich um einen „Feldversuch“ der Modifikation der ambulanten Versorgung handelt.

633

Hinsichtlich der Dokumentation verlangt § 14 ASV-RL neben der berufsrechtlichen und der zwischen Leistungserbringer und Patient vertraglich geltenden Dokumentationspflicht noch zusätzlich eine spezielle Dokumentationspflicht. Hierzu werden in den jeweiligen Anlagen Konkretisierungen vorgenommen. Dabei ist es unabhängig von den Konkretisierungen nach § 14 S. 2 ASV-RL erforderlich, dass anhand der Dokumentation deutlich werden muss, welche der ASV-Berechtigten die einzelnen Leistungen erbracht haben. Betrachtet man des Weiteren die allgemeinen Dokumentationsverpflichtungen, so ist der Hinweis in § 14 S. 4 ASV-RL, nach der die Dokumentation eine ergebnisorientierte und qualitative Beurteilung und Behandlung ermöglichen soll, entbehrlich.

634

Bezüglich der Patienteninformationen greift § 15 ASV-RL die Informationspflichten aus dem BGB auf und verlangt zusätzlich die Verpflichtung, den Patienten beim Erstkontakt über die Strukturen der ASV zu informieren. Dabei ist es gleichzeitig erforderlich, das gesamte behandelnde interdisziplinäre Team und dessen Leistungsspektrum mit darzustellen. Am Ende der ASV-Behandlung ist dem Patienten eine schriftliche Information über die Ergebnisse der Behandlung und das weitere Vorgehen zur Verfügung zu stellen. Speziell bei der „Übergabe“ des Patienten in die ambulante vertragsärztliche Versorgung sollen zusätzlich dem übernehmenden Behandler, der nicht gleichzeitig auch Mitglied des Kernteams ist, im Rahmen des Überleitungsmanagements noch weitere Informationen gegeben werden. Es soll ein patientenverständlicher Brief zur Verfügung gestellt werden, der Angaben zu Diagnosen, Therapievorschlägen inkl. Medikation, Heil- und Hilfsmittelversorgung, häuslicher Krankenpflege sowie Kontrollterminen enthält. Ferner soll eine Anleitung der Fortsetzung der Arzneimitteltherapie entsprechend § 115c SGB V – Fortsetzung der Arzneimitteltherapie nach Krankenhausbehandlung – zur Verfügung gestellt werden.

635

Die Vergütung[293] für die innerhalb der ASV erbrachten Leistungen wird von den Krankenkassen unmittelbar nach § 116b Abs. 6 S. 1 SGB V bezahlt, Grundlage für die Vergütung ist zunächst der EBM. Die Höhe der Vergütung ergibt sich aus der regionalen Euro-Gebührenordnung i.S.d. § 87 Abs. 5a SGB V; dies ergibt sich aus § 116b Abs. 6 S. 8 SGB V. Für die öffentlich geförderten Krankenhäuser ist ein Investitionskostenabschlag von 5 % vorzunehmen, da auf Grund der öffentlichen Förderung die Krankenhäuser regelhaft die Investitionskosten nicht zu tragen haben. Ferner hat der Bewertungsausschuss gem. § 87 Abs. 5a SGB V – Erweiterter Bewertungsausschuss – innerhalb des EBM nach in Kraft treten der jeweiligen Änderungen der Richtlinien diesen insoweit anzupassen, als die Leistungen innerhalb der ASV angemessen bewertet werden; gleichzeitig sind diese Leistungen zu kennzeichnen, da sie nur von den ASV-Berechtigten erbracht werden dürfen. Diese Vorgaben gelten nur solange, bis im Rahmen einer dreiseitigen Vereinbarung zwischen der Krankenhausgesellschaft, dem Spitzenverband Bund und der KBV eine einheitliche Kalkulationssystematik sowie diagnosebezogene Gebührenpositionen geregelt werden, letztlich sollen dann spezielle ASV-Pauschalen geschaffen werden.

636

Sowohl die Abrechnungs- und Qualitätsprüfung als auch die Wirtschaftlichkeitsprüfung erfolgt nach § 116b Abs. 6 S. 10 SGB V durch die Krankenkassen, die damit auch gleichzeitig den MDK oder eine Arbeitsgemeinschaft beauftragen können. Die ASV-Berechtigten sind bei einer entsprechenden Prüfung verpflichtet, die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.

637

Aus verfahrensrechtlicher Sicht ist darauf hinzuweisen, dass zum bisher bestehenden Landesausschuss zusätzlich Vertreter der Krankenhäuser hinzutreten, so dass dann der Erweiterte Landesausschuss gebildet wird, der die entscheidende Behörde für die „Genehmigung“ nach § 116b SGB V ist (§ 116b Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 SGB V). Korrekterweise ist darauf hinzuweisen, dass die Leistungserbringer nach § 116b Abs. 2 SGB V unter Beifügung entsprechender Belege die Berechtigung zur ASV gegenüber dem Erweiterten Landesausschuss anzuzeigen haben. Dabei sind umfangreiche Belege dieser Anzeige beizufügen. Betrachtet man die einzelnen aus rechtlichen Gründen nicht erforderlichen Antragsformulare der jeweiligen Erweiterten Landesausschüsse, wird deutlich, dass eine Vielzahl von Unterlagen zur Verfügung gestellt werden müssen, um eine Anzeige im Mindestmaß plausibel darzustellen. Nach § 116b Abs. 2 S. 5 SGB V ist der Erweiterte Landesausschuss berechtigt, zusätzliche Informationen einzuholen; dies sicherlich nur dann, wenn die Unterlagen noch unklar sind. Durch die Einholung weiterer Informationen wird die Frist des § 116b Abs. 2 S. 5 SGB V gehemmt,[294] rechtsmissbräuchlich wäre es jedoch, wenn man weitere Unterlagen anfordern würde, die sich schon aus den vorgelegten Unterlagen ergeben, nur um die Frist von § 116b Abs. 2 S. 4 SGB V zu hemmen. Denn hat der Erweiterte Landesausschuss innerhalb von 2 Monaten nach Eingang der Anzeige zur ASV gegenüber dem Leistungserbringer nicht reagiert, gilt dann eine Berechtigung, die ASV-Leistungen zu erbringen, es liegt damit faktisch eine fiktive Genehmigung vor, die jedoch nicht mit § 13 Abs. 3a SGB V verwechselt werden darf.

638

Werden die Voraussetzungen für die Leistungserbringung der ASV auf Grundlage der ASV-RL nicht mehr erfüllt, ist dies unverzüglich unter Angabe des Zeitpunkts des Wegfalls dem Erweiterten Landesausschuss zu melden. Die Konsequenzen dieser Meldung werden vom Gesetzgeber nicht geregelt; konsequenterweise dürfte jedoch unter Beachtung von § 48 SGB X die ursprüngliche Berechtigung widerrufen werden. Ferner hat der Erweiterte Landesausschuss mindestens alle 5 Jahre seit der ersten Teilnahmeanzeige oder der letzten späteren Überprüfung dem ASV-Berechtigten aufzugeben, innerhalb einer Frist von 2 Monaten den Nachweis zu erbringen, dass die Voraussetzungen der ASV-RL, für die eine Teilnahmeberechtigung existiert, noch vorliegen. Diese Prüfung kann auch aus gegebenen Anlass nach § 116b Abs. 2 S. 9 SGB V durchgeführt werden. Ein gegebener Anlass ist regelhaft zumindest dann zu bejahen, wenn entweder auf Grund der Prüfungen des MDK Anhaltspunkte vorliegen, dass die ASV-Voraussetzungen nicht mehr vorhanden sind oder wenn und soweit auf Grund von Patientenbeschwerden Zweifel an der Erfüllung der Voraussetzungen zur Leistungserbringung in der ASV bestehen.